Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 16. März 2007
- Hersteller: Universal Vertrieb - A Divisio / Virgin,
- EAN: 0724386464828
- Artikelnr.: 22550661
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
CD | |||
1 | Trollin' | 00:03:07 | |
2 | You can't have friends | 00:02:23 | |
3 | ATM | 00:03:15 | |
4 | My idea of fun | 00:03:18 | |
5 | The weirdness | 00:03:46 | |
6 | Free & freaky | 00:02:40 | |
7 | Greedy awful people | 00:02:07 | |
8 | She Took My Money | 00:03:49 | |
9 | The end of Christianty | 00:04:20 | |
10 | Mexican guy | 00:03:29 | |
11 | Passing cloud | 00:04:05 | |
12 | I'm fried | 00:03:44 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.04.2007Ein Stück Seife aus Dreck
"The Stooges" sind auf "The Weirdness" so alt wie immer
"Punkrock" ist der in besseren Kreisen anerkannte Fachausdruck für die intelligente Anwendung der Dummheit aufs Musikmachen und alles, was dazugehört. Wenn dagegen manchmal vorgebracht wird, das sei überlebt, dann deswegen, weil denen, die so reden, entweder die Dummheit oder die Intelligenz an der Sache auf den Geist geht. Damit müssen sie jedoch, weil das Ganze unbeschadet sämtlicher seit dreißig Jahren aufgelaufener Einreden einfach nicht aus der Welt verschwinden will, alleine fertigwerden.
Der amerikanische Sänger, Schauspieler und Bösen-alten-Leuten-in-der-Bäckerei-ein-Bein-Steller Iggy Pop (geboren heute vor exakt sechzig Jahren als James Newell Osterberg) hat Punkrock nicht erfunden, aber schon dabei mitgemacht, als es noch gar keinen Punkrock gab. Das scheint sinnlos und ist gelogen, aber wahr. Seine Stimme klingt gleichzeitig nach Rauch und Öl; stets hält sie die schöne Mitte zwischen Elmar Gunsch, Edward James Olmos und Volker Lechtenbrink. Iggy Pop besteht aus sehnigem Dörrfleisch, sieht aus wie eine bei harter Arbeit in der sengenden Sonne gestraffte Dattel, braucht keine Frisur, kämmt seine elektrisch beheizten Nasenhaare mit dem Klappmesser, hat ein großes Herz und einen gerissenen Verstand. Gern umgibt er sich mit absurden Freunden wie David Bowie, Julius Cäsar und schlotternden Schlossgespenstern aus kaltem Altmetall. Er ist ein Konservativer, der sich vom Umsturz aller Lebensverhältnisse, den er aktiv betreibt, optimistischerweise verspricht, dass danach alles so bleiben wird, wie es ist.
Dass einem diese Haltung, wenn man die Nachrichten aufmerksam genug verfolgt, problemlos einleuchtet, obwohl man sie mit Worten nicht erklären kann, macht Iggy Pop als optimales Gefäß des unbegreiflich Zutreffenden zum praktischen Urheber von viel Vergnügen. Deshalb erinnern wir uns immer wieder gern an seine epochale Band "The Stooges" - ein Gedenken, das umso leichter fällt, als es diese Gruppe andauernd wieder oder sogar immer noch gibt, jedenfalls treten sie öfter mal auf und sehen dabei zumindest besser aus als die Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika im Irak.
Ihre letzte reguläre Platte "Raw Power" von 1973 und das drei Jahre später erschienene Live-Album "Metallic K.O." hatten fürs weitere Schicksal der Gattung Rock eine so durchschlagend eckige und zuckende Wirkung, dass man das Wort in diesem Zusammenhang eigentlich "Wirckunck" schreiben müsste; danach war erst mal Zeit für Soloprojekte, Fernreisen, Umwege und Ausdruckstänze. Jetzt sind der Sänger und zwei original verpackte Echtmitglieder, Ron Asheton an der Gitarre und sein Bruder Scott Asheton am Schlagzeug, mit dem denkenden Holzfällerhemd Mike Watt als Bassgastarbeiter und dem wahnsinnigen Toningenieur Steve Albini ins Studio gegangen und haben schnell, aber gelassen etwas aufgenommen, das sie "The Weirdness" nennen.
Es geht darauf um schief zur Seite kippendes Fiepen im Hochtonbereich (Ron Asheton), stures, mal gemächliches, mal zur maßvollen Eile treibendes Gedresche (Scott Asheton), rhythmisiertes Hoppeln (Mike Watt) sowie viel neosozialrealistisches Lalala über Geldautomaten, das Töten Unschuldiger und Frauen, die einen beklauen (Iggy Pop).
Wer die seit "Metallic K.O." verstrichenen drei Dekaden lang im Ernst mit verschwitzten Händen auf diese Veröffentlichung gewartet hat, wird enttäuscht sein, gehört aber sowieso verprügelt, es gab doch inzwischen weiß Gott genug anderes zum Zeittotschlagen. Die "Stooges" von 2007 müssen niemandem mehr irgendetwas beweisen. Sie hätten auch eine Walzer-Single aufnehmen können (das Titelstück, ein liebenswürdig verschnarchter Tanzschulenkaugummi mit erlesenen Blasinstrumentenpassagen, kommt diesem Einfall erfreulich nahe), ohne sich zu blamieren. Vor wem denn auch? "Modest Mouse"? Den "Arctic Monkeys"?
Hören Sie Iggy lachen, hören Sie Iggy mosern, hören Sie Iggy lallen und sogar - stimmt ja, das kann er - ziemlich hübsch singen. Hören Sie Boogiefett brutzeln. Rocksalat knacken, Blueskopfschuppen rieseln. Bewundern Sie die wohlerzogene Manier, in der Mike Watt sich durchgängig erfolgreich dazu anhält, seine Vorstellungen von historischer Aufführungspraxis einer versunkenen Schepperästhetik nicht ins allzu akademisch Besserwisserische ausbüchsen zu lassen.
"The Weirdness" ist schlüpfrig wie Seife. Diese Seife duftet nicht. Diese Seife schäumt nicht. Diese Seife reinigt nicht. Diese Seife ist nur dazu da, Ihnen, meine Damen, in der Badewanne Gesellschaft zu leisten. Sie besteht aus feinstem Dreck und beschimpft Europa, das Christentum sowie alle Plattensammlervorstellungen von gutem Geschmack, ohne sich dabei je besonders anzustrengen. Wer Reime erfinden kann wie "Alabama - Dalai Lama - Baby Mama" hat sowieso gewonnen, egal was und wobei.
DIETMAR DATH.
The Stooges, The Weirdness. Virgin/Emi 64648
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"The Stooges" sind auf "The Weirdness" so alt wie immer
"Punkrock" ist der in besseren Kreisen anerkannte Fachausdruck für die intelligente Anwendung der Dummheit aufs Musikmachen und alles, was dazugehört. Wenn dagegen manchmal vorgebracht wird, das sei überlebt, dann deswegen, weil denen, die so reden, entweder die Dummheit oder die Intelligenz an der Sache auf den Geist geht. Damit müssen sie jedoch, weil das Ganze unbeschadet sämtlicher seit dreißig Jahren aufgelaufener Einreden einfach nicht aus der Welt verschwinden will, alleine fertigwerden.
Der amerikanische Sänger, Schauspieler und Bösen-alten-Leuten-in-der-Bäckerei-ein-Bein-Steller Iggy Pop (geboren heute vor exakt sechzig Jahren als James Newell Osterberg) hat Punkrock nicht erfunden, aber schon dabei mitgemacht, als es noch gar keinen Punkrock gab. Das scheint sinnlos und ist gelogen, aber wahr. Seine Stimme klingt gleichzeitig nach Rauch und Öl; stets hält sie die schöne Mitte zwischen Elmar Gunsch, Edward James Olmos und Volker Lechtenbrink. Iggy Pop besteht aus sehnigem Dörrfleisch, sieht aus wie eine bei harter Arbeit in der sengenden Sonne gestraffte Dattel, braucht keine Frisur, kämmt seine elektrisch beheizten Nasenhaare mit dem Klappmesser, hat ein großes Herz und einen gerissenen Verstand. Gern umgibt er sich mit absurden Freunden wie David Bowie, Julius Cäsar und schlotternden Schlossgespenstern aus kaltem Altmetall. Er ist ein Konservativer, der sich vom Umsturz aller Lebensverhältnisse, den er aktiv betreibt, optimistischerweise verspricht, dass danach alles so bleiben wird, wie es ist.
Dass einem diese Haltung, wenn man die Nachrichten aufmerksam genug verfolgt, problemlos einleuchtet, obwohl man sie mit Worten nicht erklären kann, macht Iggy Pop als optimales Gefäß des unbegreiflich Zutreffenden zum praktischen Urheber von viel Vergnügen. Deshalb erinnern wir uns immer wieder gern an seine epochale Band "The Stooges" - ein Gedenken, das umso leichter fällt, als es diese Gruppe andauernd wieder oder sogar immer noch gibt, jedenfalls treten sie öfter mal auf und sehen dabei zumindest besser aus als die Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika im Irak.
Ihre letzte reguläre Platte "Raw Power" von 1973 und das drei Jahre später erschienene Live-Album "Metallic K.O." hatten fürs weitere Schicksal der Gattung Rock eine so durchschlagend eckige und zuckende Wirkung, dass man das Wort in diesem Zusammenhang eigentlich "Wirckunck" schreiben müsste; danach war erst mal Zeit für Soloprojekte, Fernreisen, Umwege und Ausdruckstänze. Jetzt sind der Sänger und zwei original verpackte Echtmitglieder, Ron Asheton an der Gitarre und sein Bruder Scott Asheton am Schlagzeug, mit dem denkenden Holzfällerhemd Mike Watt als Bassgastarbeiter und dem wahnsinnigen Toningenieur Steve Albini ins Studio gegangen und haben schnell, aber gelassen etwas aufgenommen, das sie "The Weirdness" nennen.
Es geht darauf um schief zur Seite kippendes Fiepen im Hochtonbereich (Ron Asheton), stures, mal gemächliches, mal zur maßvollen Eile treibendes Gedresche (Scott Asheton), rhythmisiertes Hoppeln (Mike Watt) sowie viel neosozialrealistisches Lalala über Geldautomaten, das Töten Unschuldiger und Frauen, die einen beklauen (Iggy Pop).
Wer die seit "Metallic K.O." verstrichenen drei Dekaden lang im Ernst mit verschwitzten Händen auf diese Veröffentlichung gewartet hat, wird enttäuscht sein, gehört aber sowieso verprügelt, es gab doch inzwischen weiß Gott genug anderes zum Zeittotschlagen. Die "Stooges" von 2007 müssen niemandem mehr irgendetwas beweisen. Sie hätten auch eine Walzer-Single aufnehmen können (das Titelstück, ein liebenswürdig verschnarchter Tanzschulenkaugummi mit erlesenen Blasinstrumentenpassagen, kommt diesem Einfall erfreulich nahe), ohne sich zu blamieren. Vor wem denn auch? "Modest Mouse"? Den "Arctic Monkeys"?
Hören Sie Iggy lachen, hören Sie Iggy mosern, hören Sie Iggy lallen und sogar - stimmt ja, das kann er - ziemlich hübsch singen. Hören Sie Boogiefett brutzeln. Rocksalat knacken, Blueskopfschuppen rieseln. Bewundern Sie die wohlerzogene Manier, in der Mike Watt sich durchgängig erfolgreich dazu anhält, seine Vorstellungen von historischer Aufführungspraxis einer versunkenen Schepperästhetik nicht ins allzu akademisch Besserwisserische ausbüchsen zu lassen.
"The Weirdness" ist schlüpfrig wie Seife. Diese Seife duftet nicht. Diese Seife schäumt nicht. Diese Seife reinigt nicht. Diese Seife ist nur dazu da, Ihnen, meine Damen, in der Badewanne Gesellschaft zu leisten. Sie besteht aus feinstem Dreck und beschimpft Europa, das Christentum sowie alle Plattensammlervorstellungen von gutem Geschmack, ohne sich dabei je besonders anzustrengen. Wer Reime erfinden kann wie "Alabama - Dalai Lama - Baby Mama" hat sowieso gewonnen, egal was und wobei.
DIETMAR DATH.
The Stooges, The Weirdness. Virgin/Emi 64648
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main