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Trackliste
CD EXTRA/enhanced
1Tannis Root00:05:57
2Relax, It's Only A Ghost00:04:33
3Where More Gifted People Cracked00:03:52
4Clouds Hill00:05:28
5Open Book I Na Dead Language00:04:27
6All Is Hell00:04:11
7A Blush00:03:17
8Far From The Madding Crown00:04:11
9Willow00:02:13
10Relax, It's Only A Ghost (Videotrack)00:04:33
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.04.2006

Aus der Röhre ins Gehör

Man macht unfaire Sudoku-Rätsel aus harmlosen Zahlen, schlechte Filme aus guten Büchern und leckere Wurst aus lieben kleinen Häschen, warum also soll man nicht auch Musik aus Erlebnissen machen, die man nicht draußen im harten Leben, sondern daheim vor dem Fernseher gehabt hat? Der leuchtende Kasten macht ja selbst schon andauernd Musik - was er uns vorsetzt, reicht vom Gospel-Gestöhn samt sinnlos-beschwipstem Synthesizerspringbohnengepumpel, mit dem einst die Sitcom "Ellen" eröffnet wurde, bevor jemand auf die Idee kam, daß diese Show vielleicht eine ordentliche Titelmusik vertragen könnte, bis hin zur ätherisch heiteren, in ein paar Dutzend Sekunden das Fassungsvermögen einer Beatles-Langspielplatte erreichenden Erkennungsnummer, die Andy Partridge von "XTC" für die leider so kurzlebige Mystery-Comedy "Wonderfalls" zusammengejuxt hat.

"Willow" von der deutschen Band "Phantom Ghost" könnte auch so ein Eröffnungsstück für einen Diamanten des Serienfernsehens sein: In weniger als zwei Minuten werden zahlreiche Gefühlslagen durchquert, und zum Mitsummen eignet sich die quirlige kleine Melodie auch. "Willow" ist aber nicht fürs Fernsehen geschrieben, sondern vom Fernsehen angeregt, nämlich eine ebenso putzige wie ernste Liebeserklärung an die unvergeßliche Figur der Hexe Willow Rosenberg aus "Buffy, the Vampire Slayer" - "Mrs. Rosenberg", wie es im Song politisch und juristisch inkorrekt heißt, denn Willow ist eine "Ms." und beileibe keine "Mrs.", nämlich nicht mit irgendeinem stinkigen Mr. Rosenberg verheiratet, sondern zunächst Single, dann mit einem netten Werwolf liiert und schließlich lesbisch ("Hello, gay now!" erinnert sie gern begriffsstutzige Freunde).

"Phantom Ghost" hätten, was diese winzige Benimmfrage betrifft, gut daran getan, sich wenigstens bis auf das Höflichkeitsniveau des eleganten Rachedämons D'Hoffryn emporzubequemen, der Willow in der Show nach längerer Abwesenheit einmal mit den formvollendeten Worten begrüßt: "Miss Rosenberg. How lovely to see you again. Have you done something with your hair?" Abgesehen vom Benimmpatzer aber beeindruckt das Stück über und an Willow, das die Weltöffentlichkeit der neuesten "Phantom Ghost"-Platte "Three" (veröffentlicht auf Lado 17181-2 LC 01598) entnehmen kann, als ein vorbildlich verzaubertes Gewächs, welches zur verrätselt hexenhaften Gesamthaltung des besagte Band bildenden Duos Dirk von Lowtzow (bekannt als Sänger von "Tocotronic" und rundum gespenstischer Gentleman) und Thies Mynther (sonst am Keyboard bei "Stella" und "Superpunk" beschäftigter Zeremonienmeister und guter Geist) paßt wie die Tanniswurzel in den Brodelkessel.

"Willow" ist das letzte Stück der Platte, die sich neben anderen Kunstgriffen auch erlaubt, aus liegengelassenen Chromteilen der Literaturgeschichte neuverschraubte Titel wie "Far from the Madding Crown" auf ihre kopfhörerfreundliche Sensurround-Musik aus Quietschen, Klimpern, mit Vaseline glasierter Kelleratmosphäre und dem Eigengeräusch atmender Matratzen zu spießen. "Willow" ist, kurz gesagt, ein Hit: "What you do is luxury / Enchanting witchcraft misery", das singt man englisch, weil Magier ja auch nicht im Berliner Dialekt ihre Beschwörungen vorbringen. Glockenspiel zu Schwertfischen, Kummer zu Reimen, Häschen zu Wurst? "Phantom Ghost" haben noch Erstaunlicheres geschafft: Sie vertonen etwas, das schon Musik war, als sie es kennenlernten, und was dabei herauskommt, ist weder tautologisch noch paradox, sondern freundlich, klug und richtig.

DIETMAR DATH

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