Das erste Tomahawk-Album seit einer Ewigkeit ruft einem mal wieder ins Bewusstsein, was Mike Patton für ein vielbeschäftigter Mann ist. Eine Faith No More-Reunion gab es, zwei Alben mit der Hardcore-Supergroup Dead Cross, eine Kollaboration mit dem Pianisten Anthony Pateras sowie dem Album „Corpse
Flower“ mit Jean-Claude Vannier. Den Score zum Horrorfilm „1922“ steuerte er ebenfalls bei und dann…mehrDas erste Tomahawk-Album seit einer Ewigkeit ruft einem mal wieder ins Bewusstsein, was Mike Patton für ein vielbeschäftigter Mann ist. Eine Faith No More-Reunion gab es, zwei Alben mit der Hardcore-Supergroup Dead Cross, eine Kollaboration mit dem Pianisten Anthony Pateras sowie dem Album „Corpse Flower“ mit Jean-Claude Vannier. Den Score zum Horrorfilm „1922“ steuerte er ebenfalls bei und dann war da natürlich noch die Wiederauferstehung der Crossover-Freidreher Mr. Bungle. Eine neue Platte mit Tomahawk sollte für jemanden wie Patton da schon fast eine Rückbesinnung auf dessen Kerngeschäft sein: knallharte Rockmusik ohne Schnickschnack.
Never change a running system: Tomahawk bleiben ein eingespieltes Team. Gitarrist Duane Denison, Trevor Dunn am Bass, Drummer John Stainer und der Mann mit den tausend Stimmen. „Tonic Immobility“ heißt auf Deutsch wortwörtlich so viel wie „...angespannte Unbeweglichkeit“ oder auch Schockstarre. Tot stellt sich hier aber niemand. Tomahawk spielen auf ihrem fünften Album lieber mit ihren Muskeln. Zum Beispiel im heimtückischem „SHHH!“, dass sich erst auf Zehenspitzen anschleicht, um den Hörer in der Hook mit markigen Riffs in den Schwitzkasten zu nehmen. Wehren kann- und will man sich da auch gar nicht. Auch bei Fiesheiten wie „Valentine Shine“ oder „Predators And Scavegers“ behält das Quartett die Ärmel hochgekrempelt und verteilt eine Tracht Prügel. 2021 geben sich Tomahawk härter und weniger experimentell als auf dem verspielten und unausgegorenen „Odd Fellows“ von 2013. „Tonic Immobility“ ist wie ein teurer, maßgeschneiderter Anzug, der über dem gestählten Oberkörper eines Bodyguards spannt: edle Hülle, kompromissloser Inhalt.
Tomahawk wären aber keine 90`s-Alternative-Supergroup aus ehemaligen Mitgliedern u.a. von The Jesus Lizard und Helmet, wenn deren Vita hier komplett außen vor wäre. „Tattoo Zero“ hat einen richtig zickigen Mathcore-Mittelteil und auch „Business As Casual“ erinnert mit einem vertrauten Stakkato-Basslauf an Stainers alte Band. Auch Duane Denisons unverkennbares Gitarrenspiel blitzt an allen Ecken und Kanten. Im letzten Drittel von „Tonic Immobility“ geht es etwas ruhiger zu. Sogar ein bißchen spacig, sowie im dronigen, an einen Soundtrack erinnernden „Eureka“, welches auch eine passende Untermalung für den Film „The Place Beyond The Pines“ gewesen wäre, für den Patton die Musik schrieb. Es ist erstaunlich, wie lange diese Formation mittlerweile Bestand hat. Kein neues Projekt, an dem Patton nach der Auflösung von Faith No More je beteiligt war, hat sich derart verselbstständigt, wie Tomahawk. Und für diesen musikalischen Anker muss man als sein Fan einfach dankbar sein. „Tonic Immobility“ klingt mehr denn je nach einer modernen, eigenständigen Rockplatte, als nach der bloßen Quersumme aller Qualitäten, die die Mitglieder dieser Band einbringen.