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Produktdetails
Trackliste
CD
1PARADEIDOLIA
2CANDLE
3SECOND SIGHT
4TWO SAVIORS
5TWO MOONS
6DREAM DAUGHTER
7HAM ON WHITE
8CANNOBALL! PT. 2
9TWO MOONS (MORNING)
10POCKETKNIFE
11HALO LIGHT
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.04.2021

Hat er wieder die Laubsäge genommen

Wenn man die märzwindfrische Zielstrebigkeit im Ohr hat, mit der Jan Ekier - über Jahrzehnte hinweg der Doyen unter Polens Pianisten - oder der ganz junge Maurizio Pollini die Balladen von Frédéric Chopin gespielt haben, dann ist man anfangs irritiert über die Zögerlichkeit von Anna Vinnitskaya. Ihre Agogik am Anfang der g-Moll-Ballade mag sich nur schwer auf eine Richtung festlegen. Aber im weiteren Verlauf hört man, dass sie von einem Zustand, in dem noch alle Wege offen sind, auf einen Punkt ohne Umkehr zusteuert. Gerade dies ist das Tragische im Verlauf dieser Musik: der zunehmende Verlust an Offenheit, der Sog in die Alternativlosigkeit. Die je vier Balladen und Impromptus hat Vinnitskaya jetzt eingespielt (Alpha Classics/Note 1), mit Gespür für Chopins Kritik an der Zielstrebigkeit der Sonatenform Beethovens (wie sie Thomas Kabisch kürzlich in seinem Buch über "Chopins Klaviermusik" ausformuliert hat), aber auch für die inszenierte Spontaneität, die Laubsägearbeiten einer vorgetäuschten Launenhaftigkeit in den ausgebufften Impromptus, diesen Meisterwerken einer frohgemut-tollkühnen Aneignung der Musik Johann Sebastian Bachs.

jbm.

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Als kauziger Songwriter braucht man immer auch einen hübschen Herkunftsmythos. Bei Buck Meek geht der so: als Jugendlicher Texas Blues, Manouche Jazz, Western Swing in Tanzlokalen gespielt, nach New York gezogen, die genialische Songwriterin Adrianne Lenker getroffen, mit ihr auf den Trampelpfaden der alten Folkies durch Amerika getourt, in Schulhäusern in den Appalachen oder auf Rinderfarmen in Massachusetts aufgetreten und dann das famose Quartett Big Thief gegründet. Buck Meek steht allerdings immer ein bisschen im Schatten seiner gefeierten musikalischen Partnerin und Exfrau. Die hatte im Herbst ihr drittes Soloalbum veröffentlicht, und Meek wollte da nicht nachstehen: "Two Saviors" (Keeled Scales/Cargo) hat einen leicht schrägen, aber liebevollen Blick auf das, was gemeinhin Americana heißt: Country-Folk-Balladen, ein bisschen legere Indie-Rock-Attitüde und viel näselndes Sentiment in der Stimme, die in surrealen Bildern von Erlösern, Sirenen und Glühwürmchen erzählt, von Verlorenem und Ersehntem. Etwas für laue Sommerabende auf dem Balkon.

urü.

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"Schüler Beethoven war da!" - diese Notiz hinterließ der berühmte Komponist 1808 im Haus von Antonio Salieri. Jahrelang hatte er Unterricht beim Altmeister genommen. Auch später holte er sich dort gern Rat zu Vokalmusik. "Salieri & Beethoven in Dialogue" heißt die neue CD der Heidelberger Sinfoniker unter Timo Jouko Herrmann, der Stücke beider Tonsetzer aus der Zeit vor 1805 erhellend zusammengestellt und kommentiert hat (Hänssler). Ohrenfällig wird des Mentors Einfluss in Beethovens Terzett op. 116 und im Opernfragment "Vestas Feuer". Einlagen Salieris zu einem geistlichen Musikdrama von Zingarelli klingen in der Kerkerszene des "Fidelio" nach. Inspiration floss aber auch umgekehrt. Beethoven'sche Klangwucht findet sich in Salieris patriotischer "Habsburg"Kantate, motivisch durchwirkter Orchestersatz in seinen späten Ouvertüren. Das Album bietet brillanten Gesang (Diana Tomsche, Joshua Whitener, Kai Preußker) und spannende Ersteinspielungen.

wmg.

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Ein staubig raschelndes Schlagzeug, eine Twang-Gitarre, eine Geige und dazu diese helle, klare Stimme, die auch düsteren Songs eine optimistische Note verleiht - Esther Rose hat mit den zehn Songs ihres neuen Albums "How Many Times" (Full Time Hobby/Rough Trade) die Country-Tradition fortgeschrieben und gleichzeitig ihr eigenes Plätzchen darin gefunden. Ein Gute-Laune-Song wie "Good Time" klingt beiläufig und smart, "My Bad Mood" treibt Spott mit den eigenen Befindlichkeiten, und in "Mountaintop" hat ihre Stimme auf einmal den Blues. In "Are You Out There" lässt sie ein Silvester-Date eine halbe Stunde vor Mitternacht platzen und fährt mit dem Fahrrad davon, die Gitarren schluchzen und seufzen dazu. Die Lieder entstanden in den vergangenen zwei Jahren, in denen Esther Rose auf Tour war, dreimal umgezogen ist und eine Beziehung beendet hat - all das fließt in ihre Musik ein. "Ich hadere nicht mit dem Schicksal", sagt die Sängerin, "ich akzeptiere Pech und Glück gleichermaßen." Ein Glück für die Hörer.

roth

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