Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 5. Februar 2021
- Hersteller: note 1 music gmbh,
- EAN: 0630835523759
- Artikelnr.: 60788667
CD | |||
1 | Winterweihe, op. 48/4 | 00:03:04 | |
2 | Winterliebe, op. 48/5 | 00:01:30 | |
3 | Waldseligkeit, op. 49/1 (1901) | 00:02:51 | |
4 | Traum durch die Dämmerung, op. 29/1 (1895) | 00:02:30 | |
5 | Der Schmetterling | 00:01:11 | |
6 | Morgenrot, op. 46/4 | 00:02:50 | |
7 | Gesänge des Orients (1928), op. 77 | ||
8 | Schwung, op. 77/2 | 00:01:30 | |
9 | Liebesgeschenke, op. 77/3 | 00:03:46 | |
10 | Die Allmächtige, op. 77/4 | 00:04:07 | |
11 | Huldigung, op. 77/5 | 00:03:34 | |
12 | Krämerspiegel (1918), op. 66 | ||
13 | Einst kam der Bock als Bote, op. 66/2 | 00:03:23 | |
14 | Es liebte einst ein Hase, op. 66/3 | 00:02:08 | |
15 | Drei Masken sah ich am Himmel stehn, op. 66/4 | 00:02:28 | |
16 | Hast du ein Tongedicht vollbracht, op. 66/5 | 00:00:51 | |
17 | O lieber Künstler sei ermahnt, op. 66/6 | 00:02:44 | |
18 | Unser Feind ist, großer Gott, op. 66/7 | 00:01:12 | |
19 | Von Händlern wird die Kunst bedroht, op. 66/8 | 00:04:44 | |
20 | Es war mal eine Wanze, op. 66/9 | 00:03:35 | |
Weitere 3 Tracks anzeigen | |||
21 | Die Künstler sind die Schöpfer, op. 66/10 | 00:02:00 | |
22 | Die Händler und die Macher, op. 66/11 | 00:01:28 | |
23 | O Schröpferschwarm, o Händlerkreis, op. 66/12 | 00:03:59 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.04.2021Kleinkunst der Schmähkritik
Behle singt Strauss
Selbstgefälliges Behagen hört man nicht, wenn Daniel Behle das Lied "Winterweihe" von Richard Strauss singt. Eher ist es ein Verschollensein in Stille mit seltsamen Untertönen zwischen Wahn und visionärem Weitblick. Allein, wie er die Worte "Licht" und später "mit innerm Licht" ansteuert, in fahler, schimmernder Höhe, ganz leise, aber spannungsvoll, von Oliver Schnyder am Klavier mit sensibler Präzision getragen, ist anheimelnd, aber auch unheimlich. Im folgenden Lied "Winterliebe", wieder nach Versen von Karl Friedrich Henckell, schlägt Behle dann einen herrischen Ton an: "Mich brennt die Liebe, das schlimme Kind". In der gleißenden Eleganz seines Tenors zeigt sich der schneidige Leutnant, der Frauen erobert wie Festungen.
Behle und Schnyder legten 2012 bei Capriccio ein erstes Strauss-Album vor, das zu den besten Liedeinspielungen des letzten Jahrzehnts gehört. Technisch meisterhaft und psychologisch kühn erkundeten beide in diesen Preziosen eines intimen Wilhelminismus die untergründige Aggressivität im Luxus, das Irre hinter den Vitalitätsbehauptungen - und ließen den Willen zum Rausch trotzdem zu, statt ihn bändigen zu wollen. Strauss hatte hier zwei kongeniale Interpreten gefunden, die zu schwelgen verstanden und für die Anklänge des Pathologischen nicht taub blieben. Mit ihrem neuen Album "Unerhört" beim Label Prospero gelingt es ihnen tatsächlich, an dieses Niveau wieder anzuschließen.
Geheimnisvoll und einladend lässt Oliver Schnyder in der Tiefe des Klaviers den Wald murmeln, bevor Behle in schwebender Höhe nicht nur zeigt, was ein vollkommenes Legato ist und wie gekonnt er Atem und Versmaß zur Deckung bringen kann, sondern dass der Gesang in dieser "Waldseligkeit" nach Richard Dehmel auch Überredung und Manipulation ist.
Behle, einst einer der gesuchtesten Mozart-Tenöre, hat sich in den letzten Jahren behutsam auf die Opernrollen von Richard Wagner zubewegt. Sein David in den "Meistersingern von Nürnberg" bei den Bayreuther Festspielen war ein sängerischer Triumph an farblicher Wendigkeit, artikulatorischer Schärfe und spielerischer Schläue. Ein wenig hat seine Stimme auf diesem Weg an Süße verloren. Behle wird zum Charaktertenor. In Strauss' Version von Friedrich Rückerts "Morgenrot" legt er eine beängstigende Nervosität und zuweilen grelle Gier frei. In "Schwung" aus den "Gesängen des Orients" nach dem persischen Dichter Hafis, dem blasphemischen Plädoyer eines Muslims für den Wein, kippt die Trunkenheit der Stimme in Machtanmaßung um. Im Klavier hört dazu man Akkorde, deren Fliehkräfte die Tonalität zerreißen wollen.
Hauptwerk der CD ist der kabarettistische Liederzyklus "Krämerspiegel" op. 66, mit dem Strauss sich 1918 am Verlagshaus Bote & Bock rächen wollte für eine Vertragsklausel, die ihn 1906 dazu verpflichtet hatte, die Rechte an seinem nächsten Liederzyklus diesem Verleger abzutreten. Strauss schuf einen Zyklus, dessen ehrabschneiderische Texte zu verbreiten im Interesse keines deutschen Musikverlags stehen konnte. Der Theaterkritiker Alfred Kerr hatte diese gereimten Schmähkritiken verfasst. Sein Witz über einzelne Namen von Verlegern ist nicht besonders subtil; der plumpe Pennälerhumor ermüdet beim bloßen Lesen schnell; die antikapitalistischen Ressentiments, die Verleger mit Wanzen und Bazillen vergleichen, bedienen sich aus dem Wörterbuch des Unmenschen.
Aber Strauss macht daraus pointierte Kunst, deren musikalischer Witz den flachen Texten bei weitem überlegen ist. Wie die atonale Fuge des Liedes "Drei Masken sah ich am Himmel stehen" mit ihrer expressionistischen Erhabenheit in einen Gassenhauer mündet beim Namen des Geschäftsführers "Herrn Friedmann" - das hat satirische Brillanz. Ebenso wenn das Klavier zur Zeile "Der lässt ein Wort erklingen wie Götz von Berlichingen" das Anfangsmotiv von Beethovens Fünfter zitiert und damit den Rhythmus von "Leck mich am A . . .".
Behle und Schnyder, die mit "Schmetterling" ein eigenes Lied im Stil von Richard Strauss unter die Originale gemischt haben, verstehen sich blendend auf diesen musikalischen Charme, den Strauss hier aufbot, um mit wehrbereiter Fiesheit seine Interessen zu verfolgen. Schnyders pianistische Spontaneität gaukelt einem im "Krämerspiegel" launige Stehgreifkleinkunst vor; und Behles Virtuosität der raschen Tonfallwechsel prädestiniert ihn geradezu für Arnold Schönbergs "Pierrot lunaire" als nächste große Aufgabe.
JAN BRACHMANN
Un-Erhört. Richard Strauss: Krämerspiegel und andere Lieder.
Daniel Behle, Oliver Schnyder. Prospero Prosp 0011 (Note 1)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Behle singt Strauss
Selbstgefälliges Behagen hört man nicht, wenn Daniel Behle das Lied "Winterweihe" von Richard Strauss singt. Eher ist es ein Verschollensein in Stille mit seltsamen Untertönen zwischen Wahn und visionärem Weitblick. Allein, wie er die Worte "Licht" und später "mit innerm Licht" ansteuert, in fahler, schimmernder Höhe, ganz leise, aber spannungsvoll, von Oliver Schnyder am Klavier mit sensibler Präzision getragen, ist anheimelnd, aber auch unheimlich. Im folgenden Lied "Winterliebe", wieder nach Versen von Karl Friedrich Henckell, schlägt Behle dann einen herrischen Ton an: "Mich brennt die Liebe, das schlimme Kind". In der gleißenden Eleganz seines Tenors zeigt sich der schneidige Leutnant, der Frauen erobert wie Festungen.
Behle und Schnyder legten 2012 bei Capriccio ein erstes Strauss-Album vor, das zu den besten Liedeinspielungen des letzten Jahrzehnts gehört. Technisch meisterhaft und psychologisch kühn erkundeten beide in diesen Preziosen eines intimen Wilhelminismus die untergründige Aggressivität im Luxus, das Irre hinter den Vitalitätsbehauptungen - und ließen den Willen zum Rausch trotzdem zu, statt ihn bändigen zu wollen. Strauss hatte hier zwei kongeniale Interpreten gefunden, die zu schwelgen verstanden und für die Anklänge des Pathologischen nicht taub blieben. Mit ihrem neuen Album "Unerhört" beim Label Prospero gelingt es ihnen tatsächlich, an dieses Niveau wieder anzuschließen.
Geheimnisvoll und einladend lässt Oliver Schnyder in der Tiefe des Klaviers den Wald murmeln, bevor Behle in schwebender Höhe nicht nur zeigt, was ein vollkommenes Legato ist und wie gekonnt er Atem und Versmaß zur Deckung bringen kann, sondern dass der Gesang in dieser "Waldseligkeit" nach Richard Dehmel auch Überredung und Manipulation ist.
Behle, einst einer der gesuchtesten Mozart-Tenöre, hat sich in den letzten Jahren behutsam auf die Opernrollen von Richard Wagner zubewegt. Sein David in den "Meistersingern von Nürnberg" bei den Bayreuther Festspielen war ein sängerischer Triumph an farblicher Wendigkeit, artikulatorischer Schärfe und spielerischer Schläue. Ein wenig hat seine Stimme auf diesem Weg an Süße verloren. Behle wird zum Charaktertenor. In Strauss' Version von Friedrich Rückerts "Morgenrot" legt er eine beängstigende Nervosität und zuweilen grelle Gier frei. In "Schwung" aus den "Gesängen des Orients" nach dem persischen Dichter Hafis, dem blasphemischen Plädoyer eines Muslims für den Wein, kippt die Trunkenheit der Stimme in Machtanmaßung um. Im Klavier hört dazu man Akkorde, deren Fliehkräfte die Tonalität zerreißen wollen.
Hauptwerk der CD ist der kabarettistische Liederzyklus "Krämerspiegel" op. 66, mit dem Strauss sich 1918 am Verlagshaus Bote & Bock rächen wollte für eine Vertragsklausel, die ihn 1906 dazu verpflichtet hatte, die Rechte an seinem nächsten Liederzyklus diesem Verleger abzutreten. Strauss schuf einen Zyklus, dessen ehrabschneiderische Texte zu verbreiten im Interesse keines deutschen Musikverlags stehen konnte. Der Theaterkritiker Alfred Kerr hatte diese gereimten Schmähkritiken verfasst. Sein Witz über einzelne Namen von Verlegern ist nicht besonders subtil; der plumpe Pennälerhumor ermüdet beim bloßen Lesen schnell; die antikapitalistischen Ressentiments, die Verleger mit Wanzen und Bazillen vergleichen, bedienen sich aus dem Wörterbuch des Unmenschen.
Aber Strauss macht daraus pointierte Kunst, deren musikalischer Witz den flachen Texten bei weitem überlegen ist. Wie die atonale Fuge des Liedes "Drei Masken sah ich am Himmel stehen" mit ihrer expressionistischen Erhabenheit in einen Gassenhauer mündet beim Namen des Geschäftsführers "Herrn Friedmann" - das hat satirische Brillanz. Ebenso wenn das Klavier zur Zeile "Der lässt ein Wort erklingen wie Götz von Berlichingen" das Anfangsmotiv von Beethovens Fünfter zitiert und damit den Rhythmus von "Leck mich am A . . .".
Behle und Schnyder, die mit "Schmetterling" ein eigenes Lied im Stil von Richard Strauss unter die Originale gemischt haben, verstehen sich blendend auf diesen musikalischen Charme, den Strauss hier aufbot, um mit wehrbereiter Fiesheit seine Interessen zu verfolgen. Schnyders pianistische Spontaneität gaukelt einem im "Krämerspiegel" launige Stehgreifkleinkunst vor; und Behles Virtuosität der raschen Tonfallwechsel prädestiniert ihn geradezu für Arnold Schönbergs "Pierrot lunaire" als nächste große Aufgabe.
JAN BRACHMANN
Un-Erhört. Richard Strauss: Krämerspiegel und andere Lieder.
Daniel Behle, Oliver Schnyder. Prospero Prosp 0011 (Note 1)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main