Produktdetails
- Anzahl: 1 Vinyl
- Erscheinungstermin: 9. Dezember 2022
- Hersteller: ROUGH TRADE / Grönland,
- EAN: 5060238639064
- Artikelnr.: 66483796
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.01.2023Gut gekräht
Nina Hagen fleht und kämpft um "Unity"
Es gehört schon Mut dazu, Bob Dylan überhaupt ins Deutsche zu übersetzen und das Stück dann auch in dieser Sprache zu singen - aber "One More Cup of Coffee" in "Noch ein Tässchen Kaffee" zu verwandeln, das ist wirklich belustigend. Was zunächst anmutet wie eine Schnapsidee aus der Schlagerbranche, gewinnt aber eine gewisse Triftigkeit innerhalb des für Nina Hagen typischen Verfremdungsszenarios, das sie gerne vorgefundenen Liedern angedeihen lässt, wenn sie diese zu ihren macht: Heraus kommt in diesem schon zwölf Jahre zurückliegenden Fall eine Musikmischung zwischen Kurt Weill und Helge Schneider, über der wie in einer Walpurgisnacht-Szene Hagens Stimme so zetert und deklamiert, dass man gleich die schwarz gerandeten, weit aufgerissenen Augen der ersten deutschen Punksängerin vor sich zu sehen glaubt.
Auf ihrem neuen Album "Unity", dem ersten seit damals, ist wieder ein Lied von Dylan dabei - und diesmal hat Nina Hagen sich sogar an "Blowin' in the Wind" gewagt. Ihre Herangehensweise wirkt im Vergleich zahmer, es beginnt sogar mit einer zarten Zupfgitarre. "Die Antwort weiß ganz allein der Wind": Unter diesem Titel hatte auch schon Marlene Dietrich 1964 das Lied gesungen, und Hagen folgt ihrer deutschen Textversion. Aber hier ist es der neue Kontext, der für Reibung sorgt: "Wie große Berge von Geld gibt man aus für Bomben, Raketen und Tod? / Wie große Worte macht heut mancher Mann und lindert damit keine Not?" Angesichts des Jahres 2022 sich hinzustellen und - so scheint es auch in anderen Protestsongs auf dem Album wie "Atomwaffensperrvertrag" - für eine grundsätzlich pazifistische Haltung einzutreten, das ist wiederum mutig, so unvernünftig viele es finden mögen. Zu Nina Hagens Songpoetik der utopischen Maximalforderung passt es nach wie vor.
Daher nimmt es auch nicht wunder, dass sie außerdem für maximale Liebe ("Gib mir deine Liebe"), gegen den Kapitalismus eintritt ("Geld, Geld, Geld") und mit einem überraschenden Coversong von Sheryl Crow für die Erlösung der Menschheit betet ("Redemption Day"). Ihre Stimme klingt besonders im Vergleich zu jener Sheryl Crows wie die einer heiseren Krähe, aber auch hier ist der Verfremdungseffekt gewiss beabsichtigt: Vielleicht hat das eindringliche Krähen ja eine größere Wirkung.
Des Weiteren träumt Nina Hagen auch noch von "United Women of the World", und sie hat sich erstaunlicherweise den Funkmusik-Altmeister George Clinton als Gast geholt, um im Titelstück Solidarität mit der Black-Lives-Matter-Bewegung zu bekunden. Das überraschendste Stück auf dem Album aber ist eine Coverversion der KohlenschieberBallade "Sixteen Tons". Mit gruseligen Halleffekten und über einem rastlosen Rüttelbeat trägt sie die Klage des geknechteten Arbeiters so gewitzt vor, dass sie Steine erweichen könnte. JAN WIELE
Nina Hagen:
"Unity".
Grönland
5060238639330
(Rough Trade)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nina Hagen fleht und kämpft um "Unity"
Es gehört schon Mut dazu, Bob Dylan überhaupt ins Deutsche zu übersetzen und das Stück dann auch in dieser Sprache zu singen - aber "One More Cup of Coffee" in "Noch ein Tässchen Kaffee" zu verwandeln, das ist wirklich belustigend. Was zunächst anmutet wie eine Schnapsidee aus der Schlagerbranche, gewinnt aber eine gewisse Triftigkeit innerhalb des für Nina Hagen typischen Verfremdungsszenarios, das sie gerne vorgefundenen Liedern angedeihen lässt, wenn sie diese zu ihren macht: Heraus kommt in diesem schon zwölf Jahre zurückliegenden Fall eine Musikmischung zwischen Kurt Weill und Helge Schneider, über der wie in einer Walpurgisnacht-Szene Hagens Stimme so zetert und deklamiert, dass man gleich die schwarz gerandeten, weit aufgerissenen Augen der ersten deutschen Punksängerin vor sich zu sehen glaubt.
Auf ihrem neuen Album "Unity", dem ersten seit damals, ist wieder ein Lied von Dylan dabei - und diesmal hat Nina Hagen sich sogar an "Blowin' in the Wind" gewagt. Ihre Herangehensweise wirkt im Vergleich zahmer, es beginnt sogar mit einer zarten Zupfgitarre. "Die Antwort weiß ganz allein der Wind": Unter diesem Titel hatte auch schon Marlene Dietrich 1964 das Lied gesungen, und Hagen folgt ihrer deutschen Textversion. Aber hier ist es der neue Kontext, der für Reibung sorgt: "Wie große Berge von Geld gibt man aus für Bomben, Raketen und Tod? / Wie große Worte macht heut mancher Mann und lindert damit keine Not?" Angesichts des Jahres 2022 sich hinzustellen und - so scheint es auch in anderen Protestsongs auf dem Album wie "Atomwaffensperrvertrag" - für eine grundsätzlich pazifistische Haltung einzutreten, das ist wiederum mutig, so unvernünftig viele es finden mögen. Zu Nina Hagens Songpoetik der utopischen Maximalforderung passt es nach wie vor.
Daher nimmt es auch nicht wunder, dass sie außerdem für maximale Liebe ("Gib mir deine Liebe"), gegen den Kapitalismus eintritt ("Geld, Geld, Geld") und mit einem überraschenden Coversong von Sheryl Crow für die Erlösung der Menschheit betet ("Redemption Day"). Ihre Stimme klingt besonders im Vergleich zu jener Sheryl Crows wie die einer heiseren Krähe, aber auch hier ist der Verfremdungseffekt gewiss beabsichtigt: Vielleicht hat das eindringliche Krähen ja eine größere Wirkung.
Des Weiteren träumt Nina Hagen auch noch von "United Women of the World", und sie hat sich erstaunlicherweise den Funkmusik-Altmeister George Clinton als Gast geholt, um im Titelstück Solidarität mit der Black-Lives-Matter-Bewegung zu bekunden. Das überraschendste Stück auf dem Album aber ist eine Coverversion der KohlenschieberBallade "Sixteen Tons". Mit gruseligen Halleffekten und über einem rastlosen Rüttelbeat trägt sie die Klage des geknechteten Arbeiters so gewitzt vor, dass sie Steine erweichen könnte. JAN WIELE
Nina Hagen:
"Unity".
Grönland
5060238639330
(Rough Trade)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main