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Produktdetails
  • Anzahl: 1 Audio CD
  • Erscheinungstermin: 22. Mai 2009
  • Hersteller: ROUGH TRADE / Warp,
  • EAN: 0801061018221
  • Artikelnr.: 26155742
Trackliste
CD
1Southern Point00:05:02
2Two Weeks00:04:03
3All We Ask00:05:21
4Fine For Now00:05:31
5Cheerleader00:04:54
6Dory00:04:26
7Ready, Able00:04:17
8About Face00:03:21
9Hold Still00:02:24
10While You Wait For The Others00:04:29
11I Live With You00:04:57
12Foreground00:03:35
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.05.2009

Kammerpop mit ozeanischer Weite
Sie tragen vielfarbige Karohemden, machen Folk-Anleihen und klingen seltsam, aber gut - die Band Grizzly Bear aus Brooklyn

Total abgefahren. Völlig verspult. Krass anders. Diese Floskeln fallen im Zusammenhang mit einer musikalischen Bewegung, die mit dem kokettiert, was lange verpönt war - der Seltsamkeit. New Weird America oder kurz NWA nennt sich der besagte Stil. Die neuen Spinnerten als Antwort auf das "Old Weird America", jene Wortschöpfung des Pop-Intellektuellen Greil Marcus, die das Folk-Revival um Bob Dylan bezeichnet. Wenn Musiker ihren Hang zur experimentellen Interpretation des Folks ausleben und ihr Wissen um Jazz und Progrock mit einfließen lassen, heißt das seit Mitte des neuen Jahrzehnts nun also New Weird American - selbst wenn das mittlerweile gar nicht mehr so neu ist. Aber vielleicht verhält sich das so wie mit den jungen Müttern, die auch gar nicht mehr so jung sind.

Nun erscheint das vierte Album einer stilprägenden Band: Grizzly Bear veröffentlichen "Veckatimest", und all die Phrasen um das Wortfeld des Abseitigen kehren wieder. Das ist natürlich nicht ganz falsch, aber deshalb nicht auch schon richtig. Tatsächlich haben Grizzly Bear geradlinig weiterverfolgt, was sie mit ihrem Debüt "Horn of Plenty" begonnen haben, und präsentieren nun ein betörendes Konzentrat der amerikanischen E- und U-Musik der vergangenen achtzig Jahre mit einem Schwerpunkt auf den Sixties und Folk.

Trotz aller Folk-Anleihen sehen Grizzly Bear nicht aus wie Waldschrate: Die Bandmitglieder tragen keinen Bart, wohl aber gerne die vielfarbigen Karohemden, welche all die neurotischen Post-Indie-Jungs von Berchtesgaden bis Brooklyn gerade so ausdauernd anziehen. In Brooklyn sind Grizzly Bear zu Hause, also in einem der wichtigsten Labors der Musikmoderne. Ihr Album hingegen heißt wie eine unbewohnte Insel südlich der Halbinsel Cape Cod in Massachusetts. Die Lieder befassen sich lose mit Beziehungen. Aber große Narrationen wie im traditionellen Folk soll keiner erwarten.

Zwar haben sich Grizzly Bear seit dem Erscheinen von "Yellow House" langsam, aber konsequent entfernt von der Hörkunst und hin zum Popsong. In erster Linie aber transportiert die Band eine Stimmung, eine Atmosphäre. Stets atmen die Songs ozeanische Weiten. Typisch für Grizzly Bear ist eine Tendenz zu starkem Hall, als umwehte ein frischer Wind die Musik. Zwar klingt der Sound von Grizzly Bear nach der Musik der sechziger und siebziger Jahre - aber weniger nach Blumenkindern, die mit psychedelischen Drogen experimentieren, als nach dem präzisen, latent wahnsinnigen Schick der Beach Boys. Deren Kopf, Bob Wilson, leuchtet immer wieder als Fixstern am Firmament der Lieder von Grizzly Bear.

Für drei Stücke haben die beiden Sänger und Songwriter Edward Droste und Daniel Rossen den Brooklyn Youth Choir ins Studio geladen. Gaststreicher machen Lieder wie "Cheerleader" oder "I Live With You" groß und symphonisch - vielleicht firmieren Grizzly Bear ja demnächst unter Kammerpop. Trotz eines Hangs zum Bombast: Die Lieder kommen nie zu feierlich daher. Dafür sorgen etwa ein schepperndes Schlagzeug und schludrig gespielte Gitarren. Zum hymnischen Chor von "Two Weeks" setzen zum Beispiel hämmernde E-Piano-Akkorde einen schönen Reiz.

Zu Beginn war Grizzly Bear ein Solo-Projekt von Edward Droste. Das Debüt kam in einer einsamen Hausgeburt zur Welt: 2004 nahm Droste das Album alleine in seinem Wohnzimmer auf. Nur Christopher Bear spielte das Schlagzeug ein und stieg spontan bei der Band ein. Der singende Gitarrist Daniel Rossen stieß vor vier Jahren zur Band, ebenso wie der Multiinstrumentalist und Bassist Chris Taylor. Letzterer spielt bei Konzerten meist auf dem Boden sitzend. Das erinnert viele an die Brooklyner Formation Animal Collective; dabei sind diese viel elektronischer.

Grizzly Bear selbst wollen sich weder das Etikett des "New Weird American" verpassen lassen, noch rechnen sie sich zum "Freak Folk". Sie finden die eigene Musik jenseits aller Kategorien. Klar. Man selbst fühlt sich ja immer höchst individuell. Und dann rufen doch wieder mindestens drei Mütter gleichzeitig auf dem Spielplatz ihre Kinder namens Marie oder Paul. Das ist etwas seltsam, klingt aber gut. So wie die Musik von Grizzly Bear.

CHRISTINA HOFFMANN

Grizzly Bear: "Veckatimest" (Warp / Rough Trade)

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