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Produktdetails
Trackliste
CD
1Strictly reserved for you00:03:43
2You put the flame on it00:03:48
3Let love stand a chance00:03:59
4Victim of love00:03:29
5Love bug blues00:03:00
6Dusty blue00:03:21
7Confusion00:03:44
8Where do we go from here00:03:11
9Crying in teh chapel00:03:54
10Hurricane00:03:32
11Through the storm00:04:42
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Jetzt aber mit Gefühl

Über den Schmerz zu singen, dazu ist es nie zu spät: Charles Bradley debütierte mit 62, jetzt legt er sein zweites Album vor: "Victim Of Love", wieder eine angenehm altmodische Soulplatte. Sie hat, wie der Sänger selbst, allerhand zu erzählen.

Mister Bradley, nach vier Jahrzehnten haben Sie den Durchbruch geschafft. Ein weltweites Publikum feiert Ihre Auftritte, die Musikpresse hofiert Sie als "letzten Soulman". Verschafft Ihnen das späte Genugtuung?

Für mich ist das ein bittersüßes Gefühl. Ich wollte immer so geliebt werden, wie ich bin. Aber lange konnte ich nicht aussprechen, was ich dachte und fühlte, weil ich fürchtete, meinen Job zu verlieren, wieder auf der Straße zu landen oder Ärger mit der Polizei zu bekommen.

Sie sind lange unter dem Namen "Black Velvet" als James-Brown-Epigone durch die Clubs getingelt. Was hat Brown Ihnen bedeutet?

Meine Schwester hatte mich als Teenager auf ein James-Brown-Konzert in Harlem mitgenommen. Damals beschloss ich: Ich werde Entertainer. Mir ging es zu Hause schlecht. Ich war mit vierzehn Jahren von dort weggelaufen, lebte zwei Jahre auf der Straße, übernachtete in Autowracks und U-Bahnen. Dauernd gab es Ärger mit der Polizei. Viele meiner Freunde auf der Straße fingen an, Heroin zu spritzen, landeten im Knast. Doch da war dieser Typ, der "Say It Loud, I'm Black And I'm Proud" sang.

Aber statt einer Soul-Karriere warteten erst einmal Suppentöpfe auf Sie.

Ich hatte das Glück, durch ein Sozialprogramm namens Jobs Corps eine Stelle als Kantinenkoch zu ergattern. Ich kochte Tag für Tag für 3500 Leute in einer Anstalt für Geisteskranke. Länger als zwei Jahrzehnte stand ich am Herd, zuerst in New York, dann in Kalifornien. Einmal spielte James Brown im selben Laden. Ich bat ihn, mir eine Chance zu geben. Aber er sagte nur, das sei seine eigene Show: "Glaube an dich, und mach dein eigenes Ding." Nach meiner Schicht hatte ich manchmal kleine Gigs. Das war's.

Heute aber zählen Ihre Qualitäten mehr als je zuvor. Gerade angesichts der Übersättigung am überproduzierten Autotune-Pop feiern die alten Soul-Tugenden ein ungeahntes Comeback.

Gott gab mir die Stärke, so lange durchzuhalten. Wissen Sie, der Soul, wie ihn Otis Redding oder O.V. Wright gesungen haben, wird nie aus der Mode kommen. Beim zeitgenössischen Rhythm & Blues fehlt mir etwas: Gefühl. Soul bedeutet die Gleichzeitigkeit von Schmerz und Liebe. Je mehr du durchgemacht hast, umso tiefer kannst du deinen Gesang empfinden. Man kann es der Stimme eines Sängers anhören, was er durchlitten hat.

Darf man aus der schmerzhaften Leidenschaft Ihres Gesangs schließen, dass Ihnen das Leben übel mitgespielt hat? Viele Ihrer düster getönten Soulnummern wie "Heartaches and Pain" sollen aus dem Leben gegriffen sein.

Soul zu singen war für mich immer ein Mittel, dem Druck zu trotzen, nicht zu verbittern, mich nicht mit anderen zu vergleichen. Als ich meine Anstellung als Koch verlor, bin ich 1996 zurück zu meiner Familie nach New York gezogen. Ich nahm tagsüber Aushilfsjobs an, so dass ich abends singen konnte. Aber dann kam ich wegen eines rätselhaften Fiebers ins Krankenhaus. Ich dachte, ich müsste sterben. Mein Bruder besuchte mich regelmäßig, schenkte mir die Kraft weiterzuleben. Kurz darauf wurde er erschossen. Das hat mich vollkommen am Boden zerstört.

Den Traum vom Singen hatten Sie da immer noch nicht aufgegeben?

Ich war kurz davor aufzugeben. Als mir ein Gast bei einem Auftritt in einer Kneipe in Bedford-Stuyvesant anbot, für Plattenaufnahmen ins Studio zu gehen, konnte ich das anfangs nicht glauben. Ich war so oft enttäuscht worden. Und von Gabriel Roth oder seinem Label Daptone Records hatte ich auch noch nie gehört.

Gabriel Roth machte Sie mit Tom Brenneck (The Budos, Menahan Street Band, The Dap-Kings) bekannt und stellte Ihnen eine junge Truppe Brooklyner Hipster zur Seite, die bereits eine ältere, so gar nicht dem Rhythm-&-Blues-Glamour entsprechende Sängerin wie Sharon Jones ganz groß herausgebracht hatten. Wie erleben Sie die Zusammenarbeit?

Diese jungen Musiker haben ihre Plattensammlung sorgfältig studiert. Sie polieren die Sechziger-Licks etwas auf, lassen mich musikalisch wachsen und dynamischer singen als je zuvor. Sie rocken mich, und ich rocke sie zurück. Das ist für mich das größte Geschenk überhaupt!

Viele Ihrer selbstgeschriebenen Songs klingen eher pessimistisch, etwa die Sozialkritik in "Confusion".

Schauen Sie sich nur um, überall verlieren die Menschen ihre Jobs und ihre Häuser, die Kids hängen beschäftigungslos herum, nehmen Drogen und schießen sich gegenseitig tot. Es ist, als ob all die Albträume meiner Jugend wieder Realität würden. Ich sorge mich einfach um diese Generation. Wir brauchen beherzte Führer, denen sie nacheifern können.

Sehen Sie sich denn selbst als Vorbild?

Meine Großmutter sagte mir immer: "Es ist so leicht, sich gehenzulassen. Und so schwer, auf dem richtigen Weg zu bleiben." Das möchte ich weitergeben. Und die Erfahrung, dass wir uns besser mitteilen sollten. Früher gab ich kaum etwas von mir preis. Mein Produzent Tom Brenneck aber hat mich ermutigt, alles, was ich erlebt habe, all den Schmerz und die Leidenschaft in meinen Gesang zu legen. Die Menschen spüren das. Das ist Soul - auch wenn ich manchmal auf der Bühne mit dem Text aussetzen muss, um nicht loszuheulen!

Die Fragen stellte Jonathan Fischer.

Charles Bradley,

Victim Of Love

Daptone Records 3041323 (Groove Attack)

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