Wie eine frische Brise, die durch ein nach langer Zeit wieder geöffnetes Fenster hineinweht, klingt „Running", die erste Single-Auskopplung aus dem neunten Solo-Studioalbum der neunfachen GRAMMY-Preisträgerin, Sängerin, Songwriterin und Pianistin Norah Jones.
„Visions“ entstand in enger Zusammenarbeit mit Produzent und Multiinstrumentalist Leon Michels, der die singende und Klavier, Keyboards, Gitarre und Bass spielende Künstlerin am Schlagzeug sowie an Bass, Gitarre und Saxophon begleitet. Auf einigen Songs des Albums sind zudem als Gäste Brian Blade (Drums), Dave Guy (Trompete) und Jesse Murphy (Bass) zu hören.
Visions" zeigt Norah Jones in Bestform, sanft rockend und groovend, mit zwölf Song über eine neuempfundene spirituelle Freiheit. Man kann das Album als das Yang zum Yin von "Pick Me Up Off The Floor" betrachten, Jones' letztem Studio-Album mit eigenen Songs, das zu Beginn des Corona-Lockdowns im Jahr 2020 veröffentlicht wurde und viele der dunkleren Emotionen jener Zeit aufgriff.
„Visions“ entstand in enger Zusammenarbeit mit Produzent und Multiinstrumentalist Leon Michels, der die singende und Klavier, Keyboards, Gitarre und Bass spielende Künstlerin am Schlagzeug sowie an Bass, Gitarre und Saxophon begleitet. Auf einigen Songs des Albums sind zudem als Gäste Brian Blade (Drums), Dave Guy (Trompete) und Jesse Murphy (Bass) zu hören.
Visions" zeigt Norah Jones in Bestform, sanft rockend und groovend, mit zwölf Song über eine neuempfundene spirituelle Freiheit. Man kann das Album als das Yang zum Yin von "Pick Me Up Off The Floor" betrachten, Jones' letztem Studio-Album mit eigenen Songs, das zu Beginn des Corona-Lockdowns im Jahr 2020 veröffentlicht wurde und viele der dunkleren Emotionen jener Zeit aufgriff.
LP | |||
1 | All This Time | 00:03:16 | |
2 | Staring at the Wall | 00:04:31 | |
3 | Paradise | 00:03:25 | |
4 | Queen of the Sea | 00:04:47 | |
5 | Visions | 00:02:42 | |
6 | Running | 00:03:29 | |
7 | I Just Wanna Dance | 00:03:08 | |
8 | I'm Awake | 00:04:18 | |
9 | Swept Up in the Night | 00:03:34 | |
10 | On My Way | 00:03:52 | |
11 | Alone With My Thoughts | 00:04:15 | |
12 | That's Life | 00:04:22 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.03.2024Die totale Therapie
Norah Jones hat Visionen zum Wippen
Sprachbilder, die einen im Halbschlaf heimsuchen, noch zum Teil in einer Traumwelt: Viele der Texte auf Norah Jones' neuntem Solo-Studioalbum "Visions" sind nach Aussage der Sängerin solche Nachtschattengewächse. Handelte ihr letztes Album "Pick Me Up Off the Floor" vor vier Jahren zu Pandemiezeiten noch von Verlust, Trauer und Einsamkeitsgefühlen - eine Art klingende Midlife Crisis -, so ist der Nachfolger deutlich optimistischer geraten. Schon der Opener "All This Time" signalisiert, dass die Tochter des indischen Sitar-Virtuosen Ravi Shankar existenzielle Schwere heute mit aufreizender Lässigkeit konterkariert. Zwar herrscht auch auf "Visions" eine eher melancholische Grundstimmung, aber Jones schafft es immer wieder, den Absturz in Schwermut zu vermeiden und den alltäglichen Zumutungen etwas Positives abzugewinnen.
Längst hat sie ihre stilistische Nische gefunden. Und versteht es auf dem neuen Album einmal mehr, die verschiedenen Sensibilitäten von Jazz, Country, Blues und Pop zu einer kohärenten Stimmung zu verschmelzen. Dabei kommen Songs heraus, die den "human touch" guter Musik nie verleugnen. Die meisten der zwölf Stücke entstanden aus Versuchsanordnungen von Piano und Schlagzeug. Während Jones an den Tasten saß, nahm der Produzent Leon Michels die Trommelstöcke in die Hand.
Zumeist sparsam instrumentiert, von Klavier, auch mal von einer gezupften Gitarre getragen, von zurückhaltendem Bass- und Schlagzeugspiel grundiert, entpuppt sich "Visions" als Gegenteil einer bombastischen Middle-Of-The-Road-Produktion. "Staring at the Wall", einer der eindringlichsten Songs des neuen Albums, gewinnt seine Intensität aus musikalischem Minimalismus und seinem kühlen, fast drahtigen Gitarrensound. Während Norah Jones in "Paradise" fast kindlichen Charme ausspielt, zelebriert sie in "Queen of the Sea" einen innigen Flüster-Blues.
Noch immer lassen sich aus ihren Liedern die Vorlieben für das melodramatische Gespür einer Billie Holiday und den pianistischen Impressionismus eines Bill Evans mühelos heraushören. Wie Holiday begreift sich auch Jones als "Diagnostikerin der Seele". Wie ihr großes Vorbild ist sie beispielsweise in "Alone With My Thoughts" imstande, der zeitlupenhaften Ballade mysteriöses Bedeutungspotential zu geben, wie es typisch ist für den Blues. Auch Jones sucht noch in der tiefsten Dunkelheit nach Hoffnungsschimmern, kann selbst einem gebrochenen Herzen noch Ermutigung abgewinnen.
Es fällt nicht schwer, sich auf die Wellenlänge der Künstlerin einzuschwingen. Denn ihr gelingt es, ihre Innenwelt poetisch so zu verschlüsseln, dass man bei der Enträtselung seine eigenen Erfahrungen darin wiederentdecken kann. Ob in "Running" oder "Swept Up in the Night" - Jones erzeugt eine wärmende Wohlfühlatmosphäre. Sie umgarnt mit wohltuender Sanftheit, ohne dabei je in verkitschten Sentimentalitäten zu versinken. Im Gegenteil - hinter ihrer bisweilen kuschelig wirkenden Musik verbirgt sich eine Bestimmtheit und Prägnanz, die auf starken künstlerischen Willen und gesundes Selbstbewusstsein schließen lassen.
In schillernden Kollaborationen mit Willie Nelson, Keith Richards, den Foo Fighters, Outkast, Wayne Shorter, Herbie Hancock oder ihrer Halbschwester Anoushka Shankar konnte Jones in den vergangenen Jahren ihre Empfindsamkeit schärfen. Das Ergebnis ist heute ein fast unerschöpfliches Wunderhorn an Ohrwürmern. Ihre federleichte Musikalität, ihr natürlich wirkender Schmelz, ihre entspannte Phrasierung, all das erlaubt ihr, auch vertracktere Songstrukturen unangestrengt und unbeschwert klingen zu lassen. So kommt "I Just Wanna Dance" als zwangloser Stimulus für den Körper daher. Die ständig wiederholte Titelzeile verführt unwillkürlich zum Mitwippen.
"Ich will mich in meinen Songs nicht ständig selbst redigieren müssen, Gefühle sind für mich meistens selbsterklärend": Man kann dieser Ansicht von Norah Jones nur zustimmen: Allein durch ihren Tonfall schafft sie es auf dem neuen Album, Alltagsphrasen in bedeutsame Kunst-Codes zu transformieren. Dabei vertraut sie zum Glück weniger auf professionelle Virtuosität als auf pure Emotionalität. PETER KEMPER
Norah Jones:
"Visions".
Blue Note
00602458671445
(Universal)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Norah Jones hat Visionen zum Wippen
Sprachbilder, die einen im Halbschlaf heimsuchen, noch zum Teil in einer Traumwelt: Viele der Texte auf Norah Jones' neuntem Solo-Studioalbum "Visions" sind nach Aussage der Sängerin solche Nachtschattengewächse. Handelte ihr letztes Album "Pick Me Up Off the Floor" vor vier Jahren zu Pandemiezeiten noch von Verlust, Trauer und Einsamkeitsgefühlen - eine Art klingende Midlife Crisis -, so ist der Nachfolger deutlich optimistischer geraten. Schon der Opener "All This Time" signalisiert, dass die Tochter des indischen Sitar-Virtuosen Ravi Shankar existenzielle Schwere heute mit aufreizender Lässigkeit konterkariert. Zwar herrscht auch auf "Visions" eine eher melancholische Grundstimmung, aber Jones schafft es immer wieder, den Absturz in Schwermut zu vermeiden und den alltäglichen Zumutungen etwas Positives abzugewinnen.
Längst hat sie ihre stilistische Nische gefunden. Und versteht es auf dem neuen Album einmal mehr, die verschiedenen Sensibilitäten von Jazz, Country, Blues und Pop zu einer kohärenten Stimmung zu verschmelzen. Dabei kommen Songs heraus, die den "human touch" guter Musik nie verleugnen. Die meisten der zwölf Stücke entstanden aus Versuchsanordnungen von Piano und Schlagzeug. Während Jones an den Tasten saß, nahm der Produzent Leon Michels die Trommelstöcke in die Hand.
Zumeist sparsam instrumentiert, von Klavier, auch mal von einer gezupften Gitarre getragen, von zurückhaltendem Bass- und Schlagzeugspiel grundiert, entpuppt sich "Visions" als Gegenteil einer bombastischen Middle-Of-The-Road-Produktion. "Staring at the Wall", einer der eindringlichsten Songs des neuen Albums, gewinnt seine Intensität aus musikalischem Minimalismus und seinem kühlen, fast drahtigen Gitarrensound. Während Norah Jones in "Paradise" fast kindlichen Charme ausspielt, zelebriert sie in "Queen of the Sea" einen innigen Flüster-Blues.
Noch immer lassen sich aus ihren Liedern die Vorlieben für das melodramatische Gespür einer Billie Holiday und den pianistischen Impressionismus eines Bill Evans mühelos heraushören. Wie Holiday begreift sich auch Jones als "Diagnostikerin der Seele". Wie ihr großes Vorbild ist sie beispielsweise in "Alone With My Thoughts" imstande, der zeitlupenhaften Ballade mysteriöses Bedeutungspotential zu geben, wie es typisch ist für den Blues. Auch Jones sucht noch in der tiefsten Dunkelheit nach Hoffnungsschimmern, kann selbst einem gebrochenen Herzen noch Ermutigung abgewinnen.
Es fällt nicht schwer, sich auf die Wellenlänge der Künstlerin einzuschwingen. Denn ihr gelingt es, ihre Innenwelt poetisch so zu verschlüsseln, dass man bei der Enträtselung seine eigenen Erfahrungen darin wiederentdecken kann. Ob in "Running" oder "Swept Up in the Night" - Jones erzeugt eine wärmende Wohlfühlatmosphäre. Sie umgarnt mit wohltuender Sanftheit, ohne dabei je in verkitschten Sentimentalitäten zu versinken. Im Gegenteil - hinter ihrer bisweilen kuschelig wirkenden Musik verbirgt sich eine Bestimmtheit und Prägnanz, die auf starken künstlerischen Willen und gesundes Selbstbewusstsein schließen lassen.
In schillernden Kollaborationen mit Willie Nelson, Keith Richards, den Foo Fighters, Outkast, Wayne Shorter, Herbie Hancock oder ihrer Halbschwester Anoushka Shankar konnte Jones in den vergangenen Jahren ihre Empfindsamkeit schärfen. Das Ergebnis ist heute ein fast unerschöpfliches Wunderhorn an Ohrwürmern. Ihre federleichte Musikalität, ihr natürlich wirkender Schmelz, ihre entspannte Phrasierung, all das erlaubt ihr, auch vertracktere Songstrukturen unangestrengt und unbeschwert klingen zu lassen. So kommt "I Just Wanna Dance" als zwangloser Stimulus für den Körper daher. Die ständig wiederholte Titelzeile verführt unwillkürlich zum Mitwippen.
"Ich will mich in meinen Songs nicht ständig selbst redigieren müssen, Gefühle sind für mich meistens selbsterklärend": Man kann dieser Ansicht von Norah Jones nur zustimmen: Allein durch ihren Tonfall schafft sie es auf dem neuen Album, Alltagsphrasen in bedeutsame Kunst-Codes zu transformieren. Dabei vertraut sie zum Glück weniger auf professionelle Virtuosität als auf pure Emotionalität. PETER KEMPER
Norah Jones:
"Visions".
Blue Note
00602458671445
(Universal)
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