Produktdetails
- Anzahl: 1 Vinyl
- Erscheinungstermin: 20. September 2004
- Hersteller: 375 Media GmbH / Zick Zack/Indigo,
- EAN: 4015698418118
- Artikelnr.: 25626168
- Herstellerkennzeichnung
- What's So Funny About GmbH
- Falkenried 10 D
- 20251 Hamburg
- http://www.whatssofunnyabout.de
LP | |||
1 | Gespenster | 00:04:16 | |
2 | Wenn man Euch die Geräte zeigt | 00:03:46 | |
3 | Cast A Shadow | 00:03:32 | |
4 | Bring mich zum Wagen | 00:02:24 | |
5 | Star | 00:03:38 | |
6 | Lied ohne Botschaft | 00:02:05 | |
7 | Vorher nachher Bilder | 00:03:08 | |
8 | Dann sagst du Auf Wiedersehen | 00:03:28 | |
9 | Deutsches Kino | 00:04:02 | |
10 | Körper | 00:02:27 | |
11 | Stehen geblieben | 00:03:49 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.04.2004Friebe oder Vom Kleineigentum
Was macht eigentlich in letzter Zeit der kategorische Imperativ? Dumme Fragen beantworten, was denn sonst! Das erste, was Jens Friebe auf seiner Platte "Vorher Nachher Bilder" singt, ist zwar keine kategorische, aber doch eine bündige Handlungsanweisung: "Hochfahr'n und dann auf Verbinden" - man darf dabei an den Computer denken, mit dem die Musik, die diesen einsam-sinnigen Gesang in Richtung übrige Menschheit abfedert, hergestellt worden ist; man denkt aber vielleicht bei "Hochfahr'n" auch an den alten hochfahrenden Ikarus namens "lyrisches Ich" und bei "Verbinden" womöglich an John Lennons "Come together, right now, over me". Das hat alles seinen Sinn, denn entgegen all den Vergleichen mit Singer/Songwritertypen von Cohen über Buckley bis Distelmeyer und Begemann, die dem aufgeräumten Auteur Friebe seit Erscheinen von dessen Debütalbum sowie auf der gutbesuchten Release-Party angetragen worden sind, geht es auf "Vorher Nachher Bilder" eben nicht um das, was der Darsteller der angebotenen Seelenlagen bei sich selber ist - nicht um die empfindsame Pop-Monade und deren selbstgelegtes Osterei "schönes Lied", sondern um deren und dessen Verhältnis zu ihrer beider denkbarem Publikum: "Ich hab' heute nacht geträumt / Ihr wärt bei mir / Und draußen wär' der Feind."
Das erste Stück, das hochfährt und verbindet, riskiert, wie weniger offen noch mehrere andere, einen sogenannten clubtauglichen Beat; das zweite ist eine Ballade, bei der, wie sich's gehört, jene kleine Taschenlampe brennt, die als Antwort spätestens seit der Neuen Deutschen Welle auf den Froschteich voller winziger Feuerzeug-Glühwürmchen angewiesen ist; das dritte Stück findet am Lagerfeuer statt: Clubber, Konzertbesucher, Pfadfinder - von dieser Art sind die Gemeinschaften, die ein schlauer deutschsprachiger Sänger heute stiften kann, wenn er das Glück hat, vor Schlauheit noch nicht zu steril dazu zu sein, mal an seiner Sprechberechtigung zu zweifeln. Denn es (das Publikum nämlich) fragt sich ja auch sofort: Hat der Mann unsere Stimme, hat er überhaupt eine gute? Die tiefen Töne werden, wenn sie nicht willig sind, mühsam geradegekaut; die hohen verraten, daß der, der sich hier nach ihnen streckt, einen sympathischen Haltungsschaden hat - kein Soldat offenbar, der steht viel zackiger da; nein, an irgendeinem Konservatorium hat dieser Mann das melodische Herbeilocken etwaiger Gemeinschaftswilliger jedenfalls nicht gelernt. Und das ist auch gut so. Es geht nämlich seit, sagen wir: dem historisch-dialektischen Dreisprung Max Goldt, "Milch" und der Berliner Wohnzimmerszene beim nachdenklichen Singen - Nachdenklichkeit ist ein Stigma, das der potentielle Popstar nicht länger fürchten sollte, das Leben ist dumm genug - zunehmend darum, daß das Eigentum eines Drosselkehlchens, wie jedes Kleineigentum im Zeitalter des Monopolkapitalismus, zu Widerstand gegen die herrschenden transnationalen Stimmungskartelle verpflichtet, sonst hören wir lieber gleich Ambient. Friebe ist so ein Kleineigentümer - man erinnere sich, die haben die Französische Revolution gemacht, ohne sie kein Marat und kein Hébert - und lebt in einer Zeit, in der eine kleine Firma, die vom Versand von Büchern und Platten lebt, von den Zustellern nur noch ausgelacht wird, in der ein Fahrraddiebstahl die Polizei bloß noch zum Schulterzucken bringt, aber die Weltbank und der IWF noch den letzten Tropfen Wasser, den irgendein Multi besitzt, vor unbefugtem Zugriff der Durstigen schützen: Kleineigentümer sind historisch erledigt, heißt die Botschaft, wer nicht mehr besitzt, als früher ein Staatshaushalt umfassen konnte, besitzt de facto gar nichts mehr.
Stimmungen, von Liebe bis Haß, sind im neoliberalen Äon aber nun mal in Besitzverhältnisse einzutragen, ins Haben und Nichthaben, sonst gelten die, die sich ihnen hingeben, als bekloppt, therapie- oder resozialisierungsbedürftig, und da darf ein Sänger bei Strafe der eklen Kollaboration mit dieser Sorte emotioneller Warenwirtschaft nichts anderes singen, als was Friebe, durchaus mit einem lachenden und einem blauen Auge, eben singt: "Daß ich dich habe, reicht mir einfach nicht, solange ich nicht weiß, wieso." Als es noch einen Ostblock gab, wurden Kinder im Gemeinschaftskundeunterricht ungefähr so über ihn aufgeklärt: Kommunisten sind gegen das Privateigentum, die wollen euch eure flotten Mountainbikes und Sportschuhe wegnehmen. Das besorgt inzwischen der Warenumlauf selber: Wer länger als ein halbes Jahr an etwas Eigenem hängt, wird komisch angeguckt, der Schatten des großen Besitzes der Trendmacher verfinstert die Sonne für den kleinen des Liebhabers. Was tun dagegen? Abrüsten. So bildet die Coda des langen Friebeschen Arguments eine Klavierfassung seines melancholischen Stücks "Wenn man euch die Geräte zeigt", komplett unbewaffnet gespielt, nicht ganz so erschütternd schön wie das, was Mary Beth Maziarz vor drei Jahren aus "Daydream Believer" der "Monkees" gemacht hat, inklusive der unsterblichen Klein- und Nichtbesitzerzeilen "And our good times start and end / without Dollar one to spend", aber andererseits: Nichts seither war so schön wie das. Kennen Sie Jens Friebe, die männliche Mary Beth des deutschen Songwesens? Noch nicht? Sehen Sie zu: Das wird eine interessante Laufbahn, ein wichtiges Beweisstück im Eigentumsprozeß um die innigeren Stimmungen vor dem Weltgericht.
DIETMAR DATH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Was macht eigentlich in letzter Zeit der kategorische Imperativ? Dumme Fragen beantworten, was denn sonst! Das erste, was Jens Friebe auf seiner Platte "Vorher Nachher Bilder" singt, ist zwar keine kategorische, aber doch eine bündige Handlungsanweisung: "Hochfahr'n und dann auf Verbinden" - man darf dabei an den Computer denken, mit dem die Musik, die diesen einsam-sinnigen Gesang in Richtung übrige Menschheit abfedert, hergestellt worden ist; man denkt aber vielleicht bei "Hochfahr'n" auch an den alten hochfahrenden Ikarus namens "lyrisches Ich" und bei "Verbinden" womöglich an John Lennons "Come together, right now, over me". Das hat alles seinen Sinn, denn entgegen all den Vergleichen mit Singer/Songwritertypen von Cohen über Buckley bis Distelmeyer und Begemann, die dem aufgeräumten Auteur Friebe seit Erscheinen von dessen Debütalbum sowie auf der gutbesuchten Release-Party angetragen worden sind, geht es auf "Vorher Nachher Bilder" eben nicht um das, was der Darsteller der angebotenen Seelenlagen bei sich selber ist - nicht um die empfindsame Pop-Monade und deren selbstgelegtes Osterei "schönes Lied", sondern um deren und dessen Verhältnis zu ihrer beider denkbarem Publikum: "Ich hab' heute nacht geträumt / Ihr wärt bei mir / Und draußen wär' der Feind."
Das erste Stück, das hochfährt und verbindet, riskiert, wie weniger offen noch mehrere andere, einen sogenannten clubtauglichen Beat; das zweite ist eine Ballade, bei der, wie sich's gehört, jene kleine Taschenlampe brennt, die als Antwort spätestens seit der Neuen Deutschen Welle auf den Froschteich voller winziger Feuerzeug-Glühwürmchen angewiesen ist; das dritte Stück findet am Lagerfeuer statt: Clubber, Konzertbesucher, Pfadfinder - von dieser Art sind die Gemeinschaften, die ein schlauer deutschsprachiger Sänger heute stiften kann, wenn er das Glück hat, vor Schlauheit noch nicht zu steril dazu zu sein, mal an seiner Sprechberechtigung zu zweifeln. Denn es (das Publikum nämlich) fragt sich ja auch sofort: Hat der Mann unsere Stimme, hat er überhaupt eine gute? Die tiefen Töne werden, wenn sie nicht willig sind, mühsam geradegekaut; die hohen verraten, daß der, der sich hier nach ihnen streckt, einen sympathischen Haltungsschaden hat - kein Soldat offenbar, der steht viel zackiger da; nein, an irgendeinem Konservatorium hat dieser Mann das melodische Herbeilocken etwaiger Gemeinschaftswilliger jedenfalls nicht gelernt. Und das ist auch gut so. Es geht nämlich seit, sagen wir: dem historisch-dialektischen Dreisprung Max Goldt, "Milch" und der Berliner Wohnzimmerszene beim nachdenklichen Singen - Nachdenklichkeit ist ein Stigma, das der potentielle Popstar nicht länger fürchten sollte, das Leben ist dumm genug - zunehmend darum, daß das Eigentum eines Drosselkehlchens, wie jedes Kleineigentum im Zeitalter des Monopolkapitalismus, zu Widerstand gegen die herrschenden transnationalen Stimmungskartelle verpflichtet, sonst hören wir lieber gleich Ambient. Friebe ist so ein Kleineigentümer - man erinnere sich, die haben die Französische Revolution gemacht, ohne sie kein Marat und kein Hébert - und lebt in einer Zeit, in der eine kleine Firma, die vom Versand von Büchern und Platten lebt, von den Zustellern nur noch ausgelacht wird, in der ein Fahrraddiebstahl die Polizei bloß noch zum Schulterzucken bringt, aber die Weltbank und der IWF noch den letzten Tropfen Wasser, den irgendein Multi besitzt, vor unbefugtem Zugriff der Durstigen schützen: Kleineigentümer sind historisch erledigt, heißt die Botschaft, wer nicht mehr besitzt, als früher ein Staatshaushalt umfassen konnte, besitzt de facto gar nichts mehr.
Stimmungen, von Liebe bis Haß, sind im neoliberalen Äon aber nun mal in Besitzverhältnisse einzutragen, ins Haben und Nichthaben, sonst gelten die, die sich ihnen hingeben, als bekloppt, therapie- oder resozialisierungsbedürftig, und da darf ein Sänger bei Strafe der eklen Kollaboration mit dieser Sorte emotioneller Warenwirtschaft nichts anderes singen, als was Friebe, durchaus mit einem lachenden und einem blauen Auge, eben singt: "Daß ich dich habe, reicht mir einfach nicht, solange ich nicht weiß, wieso." Als es noch einen Ostblock gab, wurden Kinder im Gemeinschaftskundeunterricht ungefähr so über ihn aufgeklärt: Kommunisten sind gegen das Privateigentum, die wollen euch eure flotten Mountainbikes und Sportschuhe wegnehmen. Das besorgt inzwischen der Warenumlauf selber: Wer länger als ein halbes Jahr an etwas Eigenem hängt, wird komisch angeguckt, der Schatten des großen Besitzes der Trendmacher verfinstert die Sonne für den kleinen des Liebhabers. Was tun dagegen? Abrüsten. So bildet die Coda des langen Friebeschen Arguments eine Klavierfassung seines melancholischen Stücks "Wenn man euch die Geräte zeigt", komplett unbewaffnet gespielt, nicht ganz so erschütternd schön wie das, was Mary Beth Maziarz vor drei Jahren aus "Daydream Believer" der "Monkees" gemacht hat, inklusive der unsterblichen Klein- und Nichtbesitzerzeilen "And our good times start and end / without Dollar one to spend", aber andererseits: Nichts seither war so schön wie das. Kennen Sie Jens Friebe, die männliche Mary Beth des deutschen Songwesens? Noch nicht? Sehen Sie zu: Das wird eine interessante Laufbahn, ein wichtiges Beweisstück im Eigentumsprozeß um die innigeren Stimmungen vor dem Weltgericht.
DIETMAR DATH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main