Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 27. März 2015
- Hersteller: 375 Media GmbH / TAPETE / INDIGO,
- EAN: 4047179996327
- Artikelnr.: 42008430
- Herstellerkennzeichnung
- Tapete Musik e.K.
- Stahltwiete 10
- 22761 Hamburg
- http://www.tapeterecords.de/
CD | |||
1 | Allererste Wahl | 00:03:10 | |
2 | Mädchen mit Kopf | 00:03:43 | |
3 | Wo er wohnt | 00:03:56 | |
4 | Guter Stoff | 00:03:31 | |
5 | Das sind dann so die Tage | 00:03:48 | |
6 | Liebling, Hase! | 00:04:02 | |
7 | Das tut gut | 00:03:23 | |
8 | Birgit (dein Po guckt aus dem Wasser) | 00:03:37 | |
9 | Wald | 00:03:16 | |
10 | Reise in ein fernes Land | 00:03:56 | |
11 | Du bist schlecht | 00:03:41 | |
12 | Die Nerven | 00:03:54 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.2015Vergesslichkeit rechnet sich nicht
Vor zwei Jahren und sechs Monaten übernahm Alexander Liebreich das Nationale Symphonieorchester des Polnischen Rundfunks (NOSPR). Seither ist viel passiert in Katowice. Ein Konzertsaal wurde eröffnet, ein Festival gegründet. Liebreich, bekannt für seine unkonventionellen, durchdachten Programme, ist der erste deutsche Chefdirigent vor Ort seit 1945. Die Musiker sind ehrgeizig, mutig, jung. Der neue Saal, entworfen von Tomasz Konior, akustisch eingerichtet vom Büro Toyota, klingt phänomenal präsent. Ob man vorn oder hinten sitzt, egal, man meint, man könne den Aufbruch, der hier gerade stattfindet, mit Ohren greifen. Und nun liegt das erste gemeinsame Album vor (accentus/harmonia mundi), mit zwei der schönsten Pièces aus dem polnischen Familiensilber. Witold Lutoslawskis Konzert für Orchester von 1953, ungleich wuchtiger als das Bartóksche Vorbild, tönt hier gleichwohl trennscharf und quick. Die Farben leuchten satt, das Capriccio fliegt sommernachtstraumfein vorbei, und dass das pulsierende Thema des ersten Satzes einst als Titelmelodie fürs kaltkriegerische ZDF-Magazin missbraucht wurde, ist hiermit Geschichte: vergeben, vorbei. Folgen die drei Lieder op. 5, die Karol Szymanowski zwanzigjährig nach Texten von Jan Kasprowicz komponiert hatte, orchestriert von Grzegorz Fitelberg: ein Wiederhören mit dem ausdrucksstarken, eingedunkelten Wunder-Mezzo von Ewa Podles, einer großen Stimme mit Suchtfaktor.
eeb
*
Von Jean Cocteau stammt die Einsicht: "Kunst produziert oft hässliche Dinge, die im Laufe der Zeit immer schöner werden." Er könnte damit direkt die Pretty Things gemeint haben. In ihrer grandiosen Hässlichkeit und Wildheit schaffte es die Band Mitte der Sechziger wiederholt, die Rolling Stones wie die sprichwörtliche Teegesellschaft im Pfarrhaus aussehen zu lassen. Zu laut, zu lüstern, zu hämisch klang ihr Big Bad Blues - und die Bühnenshow war ein einziger musikalischer Krawall: düstere Akkordfolgen, lodernde Gitarren-Licks, Gesangslinien von beinahe bösartiger Strahlkraft. Später sprangen die Pretties auf den anrollenden Psychedelic-Zug auf und avancierten zu Verfechtern eines raffinierten Progressive-Rock. Die ganze bewegte Bandgeschichte mit ihren zahllosen Besetzungswechseln, Abstürzen und Triumphen ist jetzt in dem Box-Set "Bouquets From A Cloudy Sky" (Snapper) dokumentiert. Es enthält mit den elf offiziellen Alben, mehr als fünfzig unveröffentlichten Aufnahmen auf weiteren CDs, zwei DVDs mit seltenem Filmmaterial, einer Vinyl-EP mit Acetate-Demos und einem hundertseitigen Begleitbuch das ultimative Vermächtnis der lange unterschätzten Rock-Rabauken.
peke
*
Auf der einen Seite standen die Guten wie Fehlfarben oder Palais Schaumburg, auf der anderen Knalltüten wie UKW oder Hubert Kah. Es gab zwei Neue Deutsche Wellen. Saal 2 aus Hamburg gehörten, trotz des doofen Namens, eindeutig zu den Guten. Vor einundzwanzig Jahren haben sie ihre letzte Platte gemacht, jetzt sind sie wieder da. "Was macht die Musik?" (Tapete/Indigo) klingt erstaunlich entspannt und versucht mit einfachen Mitteln, luxuriöse Klänge wie die von Steely Dan nachzubauen. Das gelingt meist ziemlich gut, in "Guter Stoff" besorgen verdünnte Ska-Anleihen die Musik. Vor allem aber sind es die ausgeklügelten Gesangsarrangements bei gleichzeitig fahl-elegischer Stimmführung (eine Wohltat in Zeiten der Emotionsschürung durch Stimmakrobatik vortäuschende Castingshowsänger), die Saal 2 immer noch zu einem Vergnügen machen. Und Zeilen wie "Wodka, Brause, Lucky Strike, langsam macht sich Freude breit" (aus "Mädchen mit Kopf") fallen auch nicht jedem ein.
roth
*
Dumm genug: Was weltweit als "Klavierkonzert Nr. 1 b-Moll op. 23 von Peter Tschaikowsky" kursiert, ist in dieser Form nicht von Tschaikowsky. Es handelt sich um eine postume Bearbeitung, die wahrscheinlich von Alexander Siloti stammt. Sie weicht in zweihundertfünfzig Details, teils mit gravierenden Kürzungen und Tempoänderungen, von Tschaikowskys Erstfassung aus dem Jahr 1875 ab. Auch die Abweichungen zur autorisierten Zweitfassung von 1879 sind erheblich. Philologisch aufgearbeitet hat sie der Pianist Andrej Hoteev, der 1998 eine hypothetische Rekonstruktion des Originals aufgenommen hatte (Koch-Schwann). Nun behauptet der Pianist Kirill Gerstein, gemeinsam mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin unter James Gaffigan die "Weltersteinspielung der eigenen Version des Komponisten" herauszubringen (Myrios/harmonia mundi). Auf der CD erklingt die Zweitfassung von 1879. Die aber ist schon im Dezember 1986 für das Label Koch-Schwann aufgenommen worden, und zwar vom Pianisten Lazar Berman sowie - ausgerechnet - dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, das damals noch Radio-Symphonie-Orchester hieß. Es dirigierte Juri Temirkanow. Hat man das vergessen? Oder wegen des Sensationsmarketings verschwiegen? Das eine wäre dumm, das andere schlimm.
jbm.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vor zwei Jahren und sechs Monaten übernahm Alexander Liebreich das Nationale Symphonieorchester des Polnischen Rundfunks (NOSPR). Seither ist viel passiert in Katowice. Ein Konzertsaal wurde eröffnet, ein Festival gegründet. Liebreich, bekannt für seine unkonventionellen, durchdachten Programme, ist der erste deutsche Chefdirigent vor Ort seit 1945. Die Musiker sind ehrgeizig, mutig, jung. Der neue Saal, entworfen von Tomasz Konior, akustisch eingerichtet vom Büro Toyota, klingt phänomenal präsent. Ob man vorn oder hinten sitzt, egal, man meint, man könne den Aufbruch, der hier gerade stattfindet, mit Ohren greifen. Und nun liegt das erste gemeinsame Album vor (accentus/harmonia mundi), mit zwei der schönsten Pièces aus dem polnischen Familiensilber. Witold Lutoslawskis Konzert für Orchester von 1953, ungleich wuchtiger als das Bartóksche Vorbild, tönt hier gleichwohl trennscharf und quick. Die Farben leuchten satt, das Capriccio fliegt sommernachtstraumfein vorbei, und dass das pulsierende Thema des ersten Satzes einst als Titelmelodie fürs kaltkriegerische ZDF-Magazin missbraucht wurde, ist hiermit Geschichte: vergeben, vorbei. Folgen die drei Lieder op. 5, die Karol Szymanowski zwanzigjährig nach Texten von Jan Kasprowicz komponiert hatte, orchestriert von Grzegorz Fitelberg: ein Wiederhören mit dem ausdrucksstarken, eingedunkelten Wunder-Mezzo von Ewa Podles, einer großen Stimme mit Suchtfaktor.
eeb
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Von Jean Cocteau stammt die Einsicht: "Kunst produziert oft hässliche Dinge, die im Laufe der Zeit immer schöner werden." Er könnte damit direkt die Pretty Things gemeint haben. In ihrer grandiosen Hässlichkeit und Wildheit schaffte es die Band Mitte der Sechziger wiederholt, die Rolling Stones wie die sprichwörtliche Teegesellschaft im Pfarrhaus aussehen zu lassen. Zu laut, zu lüstern, zu hämisch klang ihr Big Bad Blues - und die Bühnenshow war ein einziger musikalischer Krawall: düstere Akkordfolgen, lodernde Gitarren-Licks, Gesangslinien von beinahe bösartiger Strahlkraft. Später sprangen die Pretties auf den anrollenden Psychedelic-Zug auf und avancierten zu Verfechtern eines raffinierten Progressive-Rock. Die ganze bewegte Bandgeschichte mit ihren zahllosen Besetzungswechseln, Abstürzen und Triumphen ist jetzt in dem Box-Set "Bouquets From A Cloudy Sky" (Snapper) dokumentiert. Es enthält mit den elf offiziellen Alben, mehr als fünfzig unveröffentlichten Aufnahmen auf weiteren CDs, zwei DVDs mit seltenem Filmmaterial, einer Vinyl-EP mit Acetate-Demos und einem hundertseitigen Begleitbuch das ultimative Vermächtnis der lange unterschätzten Rock-Rabauken.
peke
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Auf der einen Seite standen die Guten wie Fehlfarben oder Palais Schaumburg, auf der anderen Knalltüten wie UKW oder Hubert Kah. Es gab zwei Neue Deutsche Wellen. Saal 2 aus Hamburg gehörten, trotz des doofen Namens, eindeutig zu den Guten. Vor einundzwanzig Jahren haben sie ihre letzte Platte gemacht, jetzt sind sie wieder da. "Was macht die Musik?" (Tapete/Indigo) klingt erstaunlich entspannt und versucht mit einfachen Mitteln, luxuriöse Klänge wie die von Steely Dan nachzubauen. Das gelingt meist ziemlich gut, in "Guter Stoff" besorgen verdünnte Ska-Anleihen die Musik. Vor allem aber sind es die ausgeklügelten Gesangsarrangements bei gleichzeitig fahl-elegischer Stimmführung (eine Wohltat in Zeiten der Emotionsschürung durch Stimmakrobatik vortäuschende Castingshowsänger), die Saal 2 immer noch zu einem Vergnügen machen. Und Zeilen wie "Wodka, Brause, Lucky Strike, langsam macht sich Freude breit" (aus "Mädchen mit Kopf") fallen auch nicht jedem ein.
roth
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Dumm genug: Was weltweit als "Klavierkonzert Nr. 1 b-Moll op. 23 von Peter Tschaikowsky" kursiert, ist in dieser Form nicht von Tschaikowsky. Es handelt sich um eine postume Bearbeitung, die wahrscheinlich von Alexander Siloti stammt. Sie weicht in zweihundertfünfzig Details, teils mit gravierenden Kürzungen und Tempoänderungen, von Tschaikowskys Erstfassung aus dem Jahr 1875 ab. Auch die Abweichungen zur autorisierten Zweitfassung von 1879 sind erheblich. Philologisch aufgearbeitet hat sie der Pianist Andrej Hoteev, der 1998 eine hypothetische Rekonstruktion des Originals aufgenommen hatte (Koch-Schwann). Nun behauptet der Pianist Kirill Gerstein, gemeinsam mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin unter James Gaffigan die "Weltersteinspielung der eigenen Version des Komponisten" herauszubringen (Myrios/harmonia mundi). Auf der CD erklingt die Zweitfassung von 1879. Die aber ist schon im Dezember 1986 für das Label Koch-Schwann aufgenommen worden, und zwar vom Pianisten Lazar Berman sowie - ausgerechnet - dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, das damals noch Radio-Symphonie-Orchester hieß. Es dirigierte Juri Temirkanow. Hat man das vergessen? Oder wegen des Sensationsmarketings verschwiegen? Das eine wäre dumm, das andere schlimm.
jbm.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main