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Produktdetails
Trackliste
CD
1Iceland Spar00:02:34
2Slow Wave00:04:35
3When That Head Splits00:04:34
4Shimmering00:04:33
5Deathwaltz00:04:56
6Yellow Wood00:05:40
7Despair00:02:50
8Putting Down The Prey00:04:16
9The Fall Of Glorieta Mountain00:05:13
10Smashed To Pieces In The Still Of The Night00:07:30
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Zu Stücken geschlagen in stiller Nacht

Als hätten Buñuel und Hitchcock gemeinsam einen Film gedreht: Das Gothic-Trio Esben And The Witch realisiert auf seinem zweiten Album wilde Träume zwischen Elfenstimmen und Elektrosoundwellen.

Sie verbreiten eine ganz eigentümliche Komik: Menschen, die der Grausamkeit der Welt entgegentreten, indem sie sich in schwarze Mäntel hüllen, dunkle Schminke auf ihre sonnenentfremdete Haut legen und in heimischen Gewölben über Schwerter und Selbstmord meditieren. Es ist gerade der theatralische Ernst, mit dem Goths jede noch so alltägliche Handlung auszustatten wissen, der ihrem Anspruch auf Seriosität zuwiderläuft. Bei so viel Ironiefreiheit verwundert es kaum, dass auch die musikalische Sparte der Subkultur seit ihrem Popularitätshoch zu Beginn der achtziger Jahre größtenteils in jene Schatten zurückgetreten ist, denen zu entstammen sie stets vorgegeben hatte.

Als Speerspitze eines Goth-Revivals wollen sich auch Esben And The Witch nicht verstehen. Ihr Debütalbum "Violet Cries" von 2011 war von Kritikern und Bloggern jedoch immer wieder als Teil einer solchen Dynamik eingeordnet worden. Man verglich das Trio aus Brighton mit Genregrößen wie Siouxsie and the Banshees, Bauhaus oder auch The Cure, während nur einige wenige Kommentatoren dafür plädierten, einem so vielschichtigen Werk wie "Violet Cries" ein weniger reduktives Etikett zuzugestehen. Vielleicht lag es an der Gestaltung des Covers, deren frostiger Birkenwald auch einem Blackmetal-Ensemble als Emblem hätte dienen können. Vielleicht am "Marching Song", der Singleauskopplung des Albums, die aufgebaut ist wie ein einziges Prelude und deren Video die Bandmitglieder dabei zeigt, wie sie stoisch den Text in die Kamera singen, während ihre Gesichter Schnitt für Schnitt von immer blutigeren Blessuren entstellt werden. In einem Interview sagten die Bandmitglieder einmal, sie selbst könnten das Attribut "gothic" weitaus besser mit ihren ästhetischen Vorstellungen vereinbaren als die Genrebezeichnung "Goth".

Mit ihrem zweiten Album "Wash the Sins Not Only the Face" beweisen Esben And The Witch jetzt endgültig, dass sie mehr zu bieten haben als sinistre Introspektion und phantastischen Eskapismus: einen ernstzunehmenden Sound, der mit seiner fein modulierten Tiefe und detailverliebten Komposition dazu einlädt, immer wieder aufs Neue angehört zu werden. Die Platte klingt wie ein wunderschöner Ruf nach Hilfe. Schon das erste Stück "Iceland Spar" schraubt sich mit rastlos schrammendem Gitarrenrauschen und somnambul-suizidalen Gesangspassagen tief in die Hirnwindungen des Hörers hinab. Klar und eisig erhebt sich Rachel Davies' Stimme über den Klangteppich aus Gitarre und Synthesizer, und müsste eine solche Beschreibung nicht zu sehr nach Elfenkitsch klingen, man wäre versucht, sie kristallin zu nennen und festzustellen, sie höre sich an, als werde sie gerade von einem fernen Berggipfel herübergeweht.

Dass die Texte, größtenteils Davies' Feder entstammend, dabei nur selten an Märchen und Fantasy denken lassen, wirkt sich auf die Qualität der Aufnahmen positiv aus. Einzig in "When That Head Splits" wird eine nackt am Altar Sitzende beschworen, die dabei zusieht, wie Ameisen über die versteinerten Hände der um sie herum Versammelten krabbeln. Es finden sich aber auch wunderbar suggestive Titel wie "Smashed to Pieces in the Still of the Night" oder "Putting Down the Prey", gegen deren brutale Strahlkraft die dazugehörige Musik fast schon zahm wirken muss. Dennoch klingen Esben And The Witch eher nach perspektivischen Verzerrungen als nach abgebrochenen Autobahnbrücken und Großstadtdystopie.

In "Despair" beispielsweise wird ein Identitätstausch zwischen zwei Freunden zelebriert, so unmittelbar und grundlos, als hätten Buñuel und Hitchcock gemeinsam einen Film gedreht. "Everything is set, everything is fine, show me your back, you're ready now." Das ist in Schall gegossener Horror, wie er Kinder überkommen muss, wenn ein Schlaflied ins Unheimliche umkippt. Eingängige Stücke wie "Slow Wave" dagegen unterstreichen die Vielseitigkeit des Trios, mit langsam heranschwappenden Elektrosounds, die vom Rhythmus feinmaschiger Gitarrenloops kontrastiert werden.

Zum Abschütteln einer Winterdepression ist "Wash the Sins" sicherlich nicht geeignet - das Anhören der Platte verleitet eher dazu, sich ergeben in ihr zu versenken. Dass Esben And The Witch der Düsternis ihres Dream-Pops aber - anders als noch auf ihrem Debütalbum - auch die ein oder andere Katharsis abgewinnen können, macht sie so hörenswert. Ihren Namen hat die Band übrigens dem Titel eines dänischen Märchens entlehnt, das davon handelt, wie der kleinste und schwächste unter zwölf Brüdern die anderen elf rettet. Der Rolle des Underdogs sind die drei Engländer, wie ebenjener Titelheld, entwachsen.

JAN KNOBLOCH

Esben And the Witch, Wash the Sins Not Only the Face.

Matador 0744861099123 (Indigo)

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