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Trackliste
LP 1
1Wreckless abandon
2Pistol packin' Mama
3Sugar
4Southern boy
5I still love you
6Irish girl
LP 2
1Fuck that guy
2Don't knock the boogie
3Don't wait
4Anna Lee
5Aw honey
6Loaded gun
7Don't knock the boogie (Coda)
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.03.2020

Das Leben nach dem Tod

Tom Pettys erster und letzter Gitarrist Mike Campell entlässt sich mit Härte und Entschlossenheit in die Selbständigkeit.

Eines war nach Tom Pettys unerwartetem Tod (F.A.Z. vom 4. Oktober 2017) klar: Tom Petty & The Heartbreakers würde es nicht mehr geben. War der Rest der Mannschaft am Ende etwa noch froh, den Chef los zu sein? Das wohl nicht. Aber dass die doch etwas floskelhaften Kommentare der Hinterbliebenen so gar nicht ins oft etwas verlogene Gefühligkeitsschema der Unterhaltungsmusik passten, fiel auf. Eine gewisse Reserve gegenüber Petty war indes schon in Peter Bogdanovichs DVD-Dokumentation "Runnin' Down A Dream" (F.A.Z. vom 9. Juli 2008) mit Händen zu greifen, indem dort auch deutlich wurde, dass Pettys Maxime, Musiziervermögen im Zweifel über Freundschaften zu stellen, irgendwann nach hinten losging: Jedes kompetente Bandmitglied - und nur solche duldete der Meister - musste sich fragen, warum es eigentlich keine größere Rolle spielen durfte; Petty sang und schrieb ja so gut wie alles selbst und erlebte seine größten kommerziellen Erfolge "solo, but not alone", wie ein Aufkleber auf "Full Moon Fever" (1989) das ausdrückte. Aus hielt man es trotzdem bis zuletzt miteinander, wenn man davon absehen darf, dass der Schlagzeuger Stan Lynch nach seinem Austausch durch den in der Tat gewaltigeren Steve Ferrone ein geachteter Produzent wurde, der Bassist Howie Epstein bald nach seinem Rauswurf allerdings starb (F.A.Z. vom 26. Februar 2003).

Die Frage, was sonst so aus den Heartbreakers würde, kann nun einer ersten Beantwortung zugeführt werden: Mike Campbell macht da weiter, wo Tom Petty nicht aufgehört hat. Dieser Supergitarrist, der kürzlich siebzig wurde, konnte sich mit seinem aberwitzig schneidenden, präzisen Spiel neben Petty mehr als behaupten; andere als technische Freiheiten hatte er aber nicht. Mit dem Heartbreakers-Ableger The Dirty Knobs ist er seit fast fünfzehn Jahren in Los Angeles zugange; nun ist offenbar der Moment gekommen, aus der Deckung zu treten. "Wreckless Abandon" erscheint mit seinem Klaus-Voormann-Cover kommende Woche und ist abwechslungsreicher geraten als die meisten Tom-Petty-&-The-Heartbreakers-Alben, natürlich, ohne dabei das stilistische Herkommen zu leugnen. Der wuchtige Einstieg mit dem sechsminütigen Titelsong gibt die Parole aus: mehr Blues- als Folkrock, mehr strukturelle Klarheit als Psychedelic, also mehr Rolling Stones als Byrds. Vollends zeigt dies der deftige Country-Shuffle "Pistol Packin' Mama (feat. Chris)", der wohl sogar noch auf "Sticky Fingers" und "Exile On Main St." positiv aufgefallen wäre. Es versteht sich, dass Campbell mit seinen dreizehn Kompositionen überhaupt keinen Neuerungsanspruch anmelden kann; es ist eine reine Rock'-n'-Roll-Platte geworden, die das Genre gekonnt auffächert in knarzigen Blues ("Don't Knock The Boogie"), effektvoll verzögerte Powerballaden ("I Still Love You"), minimalistische, nach J.J. Cale klingende Spielweisen mit Lowell-George-Obertönen ("Fuck That Guy"), Zärtlich-Fragiles ("Anna Lee"), wenn das selbstgeschriebene Material nicht gleich mit einer Entschlossenheit in Grund und Boden gestampft wird ("Sugar", "Loaded Gun"), für die Campbell immer schon zu haben war. Der erstaunlichste Beitrag ist "Irish Girl", einer dieser schwer auf einen Nenner zu bringenden Hybriden, wie ihn Mink DeVille gleich reihenweise auf ihrer von Jack Nitzsche so unnachahmlich produzierten Platte "Return To Magenta" (1978) hatten. Bei alledem ist Mike Campbell natürlich ein "Southern Boy" (weiterer Songtitel) geblieben, der, wie der gleichfalls aus Florida gebürtige Petty, das Lauernd-Fiebrige mit der Muttermilch aufgesogen haben wird. Dass sein außerordentlich gelungener Einstand stellenweise nach den jüngst überraschend wiedervereinigten, im Oktober auch in Deutschland zu hörenden Black Crowes klingt, ist auch dem Ko-Produzenten George Drakoulias zu verdanken.

Es ist so offensichtlich wie erfreulich, dass diesem unverändert durchschlagskräftigen Gitarristen, der sich mehr als vierzig Jahre lang mit der Sideman-Rolle begnügt hat, die Führung einer Band ohne weiteres liegt, anders als dem natürlich nicht minder versierten Ur-Heartbreaker und Tastenmann Benmont Tench, dessen Solodebüt "You Should Be So Lucky" (2014) doch etwas akademisch und hüftsteif ausgefallen ist, weit entfernt von der geradezu überwältigenden Spielfreude des alten Heartbreakers-Buddy. Sogar das Singen erledigt Campbell mit gaumiger Stimme tadellos, mal gequält wie Randy Newman, mal getragen wie Pete Droge - ein Mann, der sich, altersgemäß, noch genug traut, aber sich nicht zu viel zumutet. Lang leben die Heartbreakers!

EDO REENTS

The Dirty Knobs:

"Wreckless Abandon".

BMG Rights

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