Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 8. Oktober 2010
- Hersteller: 375 Media GmbH / ROUGH TRADE/BEGGARS GROUP / INDIGO,
- EAN: 0883870048026
- Artikelnr.: 31291612
CD | |||
1 | I Didn't See It Coming | 00:05:03 | |
2 | Come On Sister | 00:03:54 | |
3 | Calculating Bimbo | 00:04:23 | |
4 | I Want The World To Stop | 00:04:34 | |
5 | Little Lou, Ugly Jack, Prophet John | 00:04:34 | |
6 | Write About Love | 00:02:53 | |
7 | I'm Not Living In The Real World | 00:03:09 | |
8 | The Ghost Of Rockschool | 00:04:34 | |
9 | Read The Blessed Pages | 00:02:44 | |
10 | I Can See Your Future | 00:03:50 | |
11 | Sunday's Pretty Icons | 00:03:45 |
Frankfurter Allgemeine ZeitungWie wir die Welt stoppen
Belle & Sebastian sind jetzt Popselbstverwalter
Man stelle sich vor, ein grafisch begabter Britpop-Satiriker hätte sich daran gemacht, eine Parodie auf ein Belle & Sebastian-Albumcover zu entwerfen - das Ergebnis könnte so aussehen: Eine junge Frau am Fenster, natürlich in rosa koloriertem Schwarzweiß. In der Hand einen Stift, den Blick nach draußen gerichtet, als hinge sie einer poetischen Wendung nach: ein verinnerlichtes Tagebuch-Mädchen, dem unzählige Jungs mit einem auf sie zugeschnittenen Mixtape den Tag retten möchten. Neben ihr der Albumtitel: "Write About Love". Tja, braucht wohl kein Mixtape, das Mädchen, es schreibt schließlich über die Liebe - was soll es da mit Mixtape-Jungs? Auf der Rückseite hockt dieselbe Frau auf einem Sims, wieder den Stift in der Hand, wieder nachsinnend.
So in etwa könnte ein popkultureller Insiderwitz ausschauen - als Verballhornung eines Belle & Sebastian-Covers. Tatsächlich handelt es sich um gar keine Parodie. Nämlich exakt so wie oben beschrieben sieht das neue Album wirklich aus: Sind Belle & Sebastian nun endgültig im Stadium der Selbstparodie angekommen?
Als die schottische Band um ihren Chef Stuart Murdoch in den Neunzigern auftauchte, war das inmitten des lautstarken Union-Jack-Gewedels der zahllosen Oasis-Epigonen eine Erlösung. Die Gruppe, die Band zu nennen einem fast schon zu ordinär vorkam, machte alles anders: Aus lauter kleinen popkulturellen Verweisen schuf sie eine linkische Studentenmusik, die dennoch durch und durch Pop war. Sie mischten Lee Hazlewood mit französischem Sixties-Pop und ließen als musikalische ménage à trois Dylan und Scott Walker mit Cher im Cabriolet durch den nachgebastelten Soundtrack eines niemals gedrehten Beat-Films düsen. Das Beste war, dass diese Referenzen oft gar nicht zu hören waren, denn Belle & Sebastian spielten ihre Songs wie die verhuschte Blockflötengruppe einer Mauerblümchen-Universität. Doch die vorsätzliche Leisetreterei, der stilvoll gekränkte Tonfall und die zahlreichen Text-Referenzen von Marx bis Dostojewski bescherten ihnen die weicheste harte Fan-Gemeinde der Welt.
Heute machen Belle & Sebastian immer noch einiges anders. Zur Veröffentlichung ihres neues Albums gaben sie kein einziges Interview. Stattdessen findet sich auf der Homepage ein Promo-Film, der all das Betörende und Enervierende an der Band bündelt: Nach Bildern aus dem sonnigen Glasgow wendet sich in dem Zwanzig-Minuten-Werk der TV-Moderator Dougie Anderson, ein gutaussehender Gentleman im schwarzen Anzug, an die Zuschauer: Häufig, so Anderson, dächten die Menschen darüber nach, was Musik einer bestimmten Situation, etwa einer Party, hinzufügen könne, ganz so, als handelte es sich bei Musik um eine Atmosphäre spendende Beleuchtung. Dabei sei doch viel wichtiger, was Musik geben könne: Aufregung. Genugtuung. Empathie und Trost. Dann spielen Belle & Sebastian ihre neue Single "I Want The World To Stop", man ist geneigt, das Stück für das tröstlichste Stück zu halten, das diese Meister der Trostmusik je veröffentlicht haben.
Danach hält die Band Hof: Fans der Gruppe dürfen wie bei einer Niedlich-Version einer Pressekonferenz Fragen an die Musiker stellen. Die Fans wirken, als wären sie von einem Ausstatter nach der Maßgabe eingekleidet worden, möglichst wie Belle & Sebastian auszusehen; ihre Fragen dampfen vor Beflissenheit, und Stuart Murdoch lobt: "It is a really good question indeed." Und die Musik? "Write About Love", das siebte reguläre Belle & Sebastian-Album, ist streckenweise, man kann es nicht anders sagen, ganz schön öde. Die zunehmende Professionalisierung, die ihre Musik seit dem 2003er Album "Dear Catastrophe Waitress" erlebt, sorgt hier - nachdem sie zunächst den Ausweg aus der Sackgasse der Putzigkeit darstellte - zu häufig für wohltemperiertes Verwalten von Band-Standards. Und obwohl sich die Platte sehr gut anhört, kommt man nicht umhin, festzustellen, dass Belle & Sebastian nie antiquierter gewirkt haben als heute. Dennoch gibt es Glanzlichter: etwa der beiläufig groovende Opener "I Didn't See it Coming", wo es ihnen gelingt, ihre Niedlichkeit ein wenig sexy einzufärben. Und "I Want the World to Stop" ist mit seinem Arthur-Lee-trifft-Motown-Appeal eine ihrer vollkommensten Singles (und darum ging es bei Belle & Sebastian ja im Grunde immer). Einen echten Hit jedoch hätten sie damit jedoch bestenfalls damals, Ende der Neunziger, landen können.
So ist "Write About Love" das Werk einer Band, die sich auf hohem Niveau selbst verwaltet. Bonuspunkte gibt es für die tugendhafte Interview-Verweigerung: Wenn Musiker reden, zumal anlässlich neuer Platten, wird es in der Regel langweilig. Schön, dass Belle & Sebastian hier ein Beispiel gesetzt haben. Trotzdem: Die wirklich spannenden Alben machen heute andere.
ERIC PFEIL
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Belle & Sebastian sind jetzt Popselbstverwalter
Man stelle sich vor, ein grafisch begabter Britpop-Satiriker hätte sich daran gemacht, eine Parodie auf ein Belle & Sebastian-Albumcover zu entwerfen - das Ergebnis könnte so aussehen: Eine junge Frau am Fenster, natürlich in rosa koloriertem Schwarzweiß. In der Hand einen Stift, den Blick nach draußen gerichtet, als hinge sie einer poetischen Wendung nach: ein verinnerlichtes Tagebuch-Mädchen, dem unzählige Jungs mit einem auf sie zugeschnittenen Mixtape den Tag retten möchten. Neben ihr der Albumtitel: "Write About Love". Tja, braucht wohl kein Mixtape, das Mädchen, es schreibt schließlich über die Liebe - was soll es da mit Mixtape-Jungs? Auf der Rückseite hockt dieselbe Frau auf einem Sims, wieder den Stift in der Hand, wieder nachsinnend.
So in etwa könnte ein popkultureller Insiderwitz ausschauen - als Verballhornung eines Belle & Sebastian-Covers. Tatsächlich handelt es sich um gar keine Parodie. Nämlich exakt so wie oben beschrieben sieht das neue Album wirklich aus: Sind Belle & Sebastian nun endgültig im Stadium der Selbstparodie angekommen?
Als die schottische Band um ihren Chef Stuart Murdoch in den Neunzigern auftauchte, war das inmitten des lautstarken Union-Jack-Gewedels der zahllosen Oasis-Epigonen eine Erlösung. Die Gruppe, die Band zu nennen einem fast schon zu ordinär vorkam, machte alles anders: Aus lauter kleinen popkulturellen Verweisen schuf sie eine linkische Studentenmusik, die dennoch durch und durch Pop war. Sie mischten Lee Hazlewood mit französischem Sixties-Pop und ließen als musikalische ménage à trois Dylan und Scott Walker mit Cher im Cabriolet durch den nachgebastelten Soundtrack eines niemals gedrehten Beat-Films düsen. Das Beste war, dass diese Referenzen oft gar nicht zu hören waren, denn Belle & Sebastian spielten ihre Songs wie die verhuschte Blockflötengruppe einer Mauerblümchen-Universität. Doch die vorsätzliche Leisetreterei, der stilvoll gekränkte Tonfall und die zahlreichen Text-Referenzen von Marx bis Dostojewski bescherten ihnen die weicheste harte Fan-Gemeinde der Welt.
Heute machen Belle & Sebastian immer noch einiges anders. Zur Veröffentlichung ihres neues Albums gaben sie kein einziges Interview. Stattdessen findet sich auf der Homepage ein Promo-Film, der all das Betörende und Enervierende an der Band bündelt: Nach Bildern aus dem sonnigen Glasgow wendet sich in dem Zwanzig-Minuten-Werk der TV-Moderator Dougie Anderson, ein gutaussehender Gentleman im schwarzen Anzug, an die Zuschauer: Häufig, so Anderson, dächten die Menschen darüber nach, was Musik einer bestimmten Situation, etwa einer Party, hinzufügen könne, ganz so, als handelte es sich bei Musik um eine Atmosphäre spendende Beleuchtung. Dabei sei doch viel wichtiger, was Musik geben könne: Aufregung. Genugtuung. Empathie und Trost. Dann spielen Belle & Sebastian ihre neue Single "I Want The World To Stop", man ist geneigt, das Stück für das tröstlichste Stück zu halten, das diese Meister der Trostmusik je veröffentlicht haben.
Danach hält die Band Hof: Fans der Gruppe dürfen wie bei einer Niedlich-Version einer Pressekonferenz Fragen an die Musiker stellen. Die Fans wirken, als wären sie von einem Ausstatter nach der Maßgabe eingekleidet worden, möglichst wie Belle & Sebastian auszusehen; ihre Fragen dampfen vor Beflissenheit, und Stuart Murdoch lobt: "It is a really good question indeed." Und die Musik? "Write About Love", das siebte reguläre Belle & Sebastian-Album, ist streckenweise, man kann es nicht anders sagen, ganz schön öde. Die zunehmende Professionalisierung, die ihre Musik seit dem 2003er Album "Dear Catastrophe Waitress" erlebt, sorgt hier - nachdem sie zunächst den Ausweg aus der Sackgasse der Putzigkeit darstellte - zu häufig für wohltemperiertes Verwalten von Band-Standards. Und obwohl sich die Platte sehr gut anhört, kommt man nicht umhin, festzustellen, dass Belle & Sebastian nie antiquierter gewirkt haben als heute. Dennoch gibt es Glanzlichter: etwa der beiläufig groovende Opener "I Didn't See it Coming", wo es ihnen gelingt, ihre Niedlichkeit ein wenig sexy einzufärben. Und "I Want the World to Stop" ist mit seinem Arthur-Lee-trifft-Motown-Appeal eine ihrer vollkommensten Singles (und darum ging es bei Belle & Sebastian ja im Grunde immer). Einen echten Hit jedoch hätten sie damit jedoch bestenfalls damals, Ende der Neunziger, landen können.
So ist "Write About Love" das Werk einer Band, die sich auf hohem Niveau selbst verwaltet. Bonuspunkte gibt es für die tugendhafte Interview-Verweigerung: Wenn Musiker reden, zumal anlässlich neuer Platten, wird es in der Regel langweilig. Schön, dass Belle & Sebastian hier ein Beispiel gesetzt haben. Trotzdem: Die wirklich spannenden Alben machen heute andere.
ERIC PFEIL
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main