Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 18. Mai 2012
- Hersteller: 375 Media GmbH / TAPETE / INDIGO,
- EAN: 4047179633529
- Artikelnr.: 35201700
CD | |||
1 | Dekade 2 | 00:02:21 | |
2 | Platz da!!! | 00:03:25 | |
3 | Glauberei | 00:02:29 | |
4 | Lange genug | 00:03:36 | |
5 | Richtig in falsch (NFS) | 00:03:43 | |
6 | Hygieneporzellan | 00:03:58 | |
7 | Bundesagentur | 00:02:42 | |
8 | TCM (Polychemie) | 00:03:37 | |
9 | The Flag Drops | 00:02:37 | |
10 | Das erklärts doch nicht | 00:02:36 | |
11 | Herbstwind | 00:09:48 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.06.2012Jung-Sänger, jetzt mal still, der Peter singt wieder
Die Fehlfarben bleiben im Wutpop das Maß aller Dinge
Von Marc Peschke
Im Jahr 2002 haben sich die Düsseldorfer Fehlfarben wiedervereinigt. Jene Band, die 22 Jahre zuvor ein Album veröffentlicht hatte, das vielen bis heute als das wichtigste deutsche der achtziger Jahre gilt: "Monarchie und Alltag" nannten sie ihr Debüt, ein durch und durch ironisches, spöttisches, visionäres Werk. "Gegen Götter habe ich nichts", sagt Jochen Distelmeyer, der frühere Sänger der Band Blumfeld, über die Düsseldorfer - und zählt Platten wie "Monarchie und Alltag" oder "33 Tage in Ketten" von 1981 zu seinen wichtigsten Einflüssen.
Seit der Wiedervereinigung haben die Fehlfarben einige hervorragende Alben aufgenommen, "Knietief im Dispo", "Handbuch der Welt", "Glücksmaschinen" und nun "Xenophonie", wiederum ein Werk, das dem Hörer die Wut älterer Männer ziemlich direkt injiziert. "Dekade 2" heißt das erste Stück, das mit einem sich steigernden Gitarren-Feedback beginnt, welches sich in ein düsteres Riff wandelt, getragen von einem nicht minder störrischen Schlagzeug.
Dann, nach einigen E-Gitarren-Schlägen, gesellt sie sich dazu, die Stimme von Peter Hein - die bissige, gallige, mürrische Stimme von Peter Hein, die keinen Reim braucht. Diese Stimme ist wie eine dunkle Wolke, ein Naturphänomen. Still, still, der Peter spricht! Und er erzählt uns das, wovon er schon immer stets am besten berichten konnte: von der Depression, vom Abschwung, von den Grauschleiern des Lebens - in dieser Zeit. "Platz da" heißt es dann. Das meint er ernst, das ist dringlich! Man sollte sich Hein nicht in den Weg stellen.
Die Fehlfarben sind eine Band, die gerne die Muskeln spielen lässt: Wir hören in vielen Momenten ziemlich harten, von Synthesizern und wild gewordenen Saxophonen umspielten Independentrock, der vor allem in der Wiederholung an Kraft gewinnt. Die Düsseldorfer setzen bis heute auf diese Kraft der Monotonie, doch sind sie undogmatisch genug, um mit einem Stück wie "Glauberei" auch musikalisch eher sanfte, leichtfüßige Religionskritik zu üben. "Ab sofort wird zurückgeglaubt, werden Glaubensbrücken gebaut, wer lauter glaubt, als erlaubt, dem wird in das Hirn geschaut", singt Hein, und das klingt fast schon versöhnlich. Auch "Lang genug" bezeugt den versierten Texter, die eigene Befindlichkeit in etwas Allgemeingültiges zu übersetzen. Heraus kommen Zeilen wie "Ich muss doch schon lange nicht mehr probieren, die Lage, wie sie ist, zu kommentieren. Ich hab doch lang genug gelebt vom Kopieren, um jetzt noch den Durchblick zu verlieren."
Man sollte den Jung-Sängern aus Deutschland dieses Album unter ihre weichen Befindlichkeits-Pop-Kissen legen, denn beispielhaft wird hier vorgeführt: Lust an der Sprache, frischer Intellekt, scharfer Sarkasmus, Ironie, das Wissen um die Schönheit des rauhen Glanzes, das Wissen vor allem, dass politische Themen im Pop weniger als Manifest überzeugen denn als Poesie, als subjektiver, persönlicher Widerspruch.
Das Werk der Fehlfarben ist ein Leuchtturm in einer ziemlich düsteren Nacht. Da, wo Pop heute oft kaum mehr Gefühle aufkommen lässt als ein schwächlich-affirmatives "I like", da setzen die Fehlfarben auch auf ihrem neuen Album weiter auf Widerborstigkeit. Schleifpapier mit gröbster Körnung ist "Xenophonie". Bald haben sie uns 33 Jahre in Ketten gelegt. Man mag nicht aufhören, sich an dieser Band zu reiben.
Fehlfarben, Xenophonie.
Tapete Records 2414278 (Indigo)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Fehlfarben bleiben im Wutpop das Maß aller Dinge
Von Marc Peschke
Im Jahr 2002 haben sich die Düsseldorfer Fehlfarben wiedervereinigt. Jene Band, die 22 Jahre zuvor ein Album veröffentlicht hatte, das vielen bis heute als das wichtigste deutsche der achtziger Jahre gilt: "Monarchie und Alltag" nannten sie ihr Debüt, ein durch und durch ironisches, spöttisches, visionäres Werk. "Gegen Götter habe ich nichts", sagt Jochen Distelmeyer, der frühere Sänger der Band Blumfeld, über die Düsseldorfer - und zählt Platten wie "Monarchie und Alltag" oder "33 Tage in Ketten" von 1981 zu seinen wichtigsten Einflüssen.
Seit der Wiedervereinigung haben die Fehlfarben einige hervorragende Alben aufgenommen, "Knietief im Dispo", "Handbuch der Welt", "Glücksmaschinen" und nun "Xenophonie", wiederum ein Werk, das dem Hörer die Wut älterer Männer ziemlich direkt injiziert. "Dekade 2" heißt das erste Stück, das mit einem sich steigernden Gitarren-Feedback beginnt, welches sich in ein düsteres Riff wandelt, getragen von einem nicht minder störrischen Schlagzeug.
Dann, nach einigen E-Gitarren-Schlägen, gesellt sie sich dazu, die Stimme von Peter Hein - die bissige, gallige, mürrische Stimme von Peter Hein, die keinen Reim braucht. Diese Stimme ist wie eine dunkle Wolke, ein Naturphänomen. Still, still, der Peter spricht! Und er erzählt uns das, wovon er schon immer stets am besten berichten konnte: von der Depression, vom Abschwung, von den Grauschleiern des Lebens - in dieser Zeit. "Platz da" heißt es dann. Das meint er ernst, das ist dringlich! Man sollte sich Hein nicht in den Weg stellen.
Die Fehlfarben sind eine Band, die gerne die Muskeln spielen lässt: Wir hören in vielen Momenten ziemlich harten, von Synthesizern und wild gewordenen Saxophonen umspielten Independentrock, der vor allem in der Wiederholung an Kraft gewinnt. Die Düsseldorfer setzen bis heute auf diese Kraft der Monotonie, doch sind sie undogmatisch genug, um mit einem Stück wie "Glauberei" auch musikalisch eher sanfte, leichtfüßige Religionskritik zu üben. "Ab sofort wird zurückgeglaubt, werden Glaubensbrücken gebaut, wer lauter glaubt, als erlaubt, dem wird in das Hirn geschaut", singt Hein, und das klingt fast schon versöhnlich. Auch "Lang genug" bezeugt den versierten Texter, die eigene Befindlichkeit in etwas Allgemeingültiges zu übersetzen. Heraus kommen Zeilen wie "Ich muss doch schon lange nicht mehr probieren, die Lage, wie sie ist, zu kommentieren. Ich hab doch lang genug gelebt vom Kopieren, um jetzt noch den Durchblick zu verlieren."
Man sollte den Jung-Sängern aus Deutschland dieses Album unter ihre weichen Befindlichkeits-Pop-Kissen legen, denn beispielhaft wird hier vorgeführt: Lust an der Sprache, frischer Intellekt, scharfer Sarkasmus, Ironie, das Wissen um die Schönheit des rauhen Glanzes, das Wissen vor allem, dass politische Themen im Pop weniger als Manifest überzeugen denn als Poesie, als subjektiver, persönlicher Widerspruch.
Das Werk der Fehlfarben ist ein Leuchtturm in einer ziemlich düsteren Nacht. Da, wo Pop heute oft kaum mehr Gefühle aufkommen lässt als ein schwächlich-affirmatives "I like", da setzen die Fehlfarben auch auf ihrem neuen Album weiter auf Widerborstigkeit. Schleifpapier mit gröbster Körnung ist "Xenophonie". Bald haben sie uns 33 Jahre in Ketten gelegt. Man mag nicht aufhören, sich an dieser Band zu reiben.
Fehlfarben, Xenophonie.
Tapete Records 2414278 (Indigo)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main