Das kommt also heraus, wenn Männer, die ihr Geld hauptberuflich als Schauspieler (Fatoni) und Kinderarzt (Dexter) verdienen, ihre Karrieren als Rapper mit einem gemeinsamen Album begründen wollen. Die Arbeitsteilung auf „Yo, Picasso!“: Dexter darf produzieren und Fatoni scannt mit 360-Grad-Blick
alles, was ihn umgibt und bewegt und erzählt von schlechten Menschen, Mike Skinner, Authentizität und…mehrDas kommt also heraus, wenn Männer, die ihr Geld hauptberuflich als Schauspieler (Fatoni) und Kinderarzt (Dexter) verdienen, ihre Karrieren als Rapper mit einem gemeinsamen Album begründen wollen. Die Arbeitsteilung auf „Yo, Picasso!“: Dexter darf produzieren und Fatoni scannt mit 360-Grad-Blick alles, was ihn umgibt und bewegt und erzählt von schlechten Menschen, Mike Skinner, Authentizität und Ignaz Semmelweis.
„Yo, Picasso“ war mehr der plötzliche - als der endgültige Durchbruch für den Münchner Rapper Fatoni. Ein wenig gleicht seine Geschichte der von Wegbegleitern wie Audio88 & Yassin oder Mädness & Döll. Was diese Gruppe eint war und ist der Struggle mit der eigenen Musik und ihr später Erfolg. Etwas, dass auch Fatonis langjähriger Kumpel Juse Ju schon einmal mit der Umschreibung „Indie-Rap“ treffend zusammenfasste. Mit Anfang 30 doch noch zum Berufsmusiker werden? Für Anton Schneider ist das noch lange nicht zu spät. In der Hook von „Benjamin Button“ (der Titel ist eine Anspielung auf einen Film von David Fincher) resümiert er daher: „mit Anfang 20 war ich wack, aber guck mal jetzt, ich werde langsam perfekt.“ Ob man in ihm nun einen Spätzünder oder Newcomer sehen wollte, „Yo, Picasso“ war das richtige Album zur richtigen Zeit.
Ein gut gemeinter Tipp an all jene Rapper, die ihre gesamten Ersparnisse lieber für unterfinanzierte Beats aus dem Fenster schmeißen, anstatt ihren künstlerischen Ausnahmestatus zu hinterfragen und lieber einen Blick über ihren Tellerrand werfen sollten: wie wäre es mal mit einen anderen Produzenten? Und warum nicht ein ganzes Album mit ihm alleine machen? Zum Beispiel mit ihm hier: Felix Göppel, den Meisten besser bekannt unter seinem Künstlernamen Dexter. Eine goldene und eine Platin-Schallplatte für seine Beiträge zu Casper`s „XOXO“ und „Raop“ von Cro konnte er schon einheimsen. Für „Yo, Picasso“ durchforstete er einmal gründlich seine Plattenregal und schuf ein wildes, pulsierendes, aber immer stimmiges Potpurri an Beats, die von rockig bis jazzig reichten.
So manch ein Ü-40-Realkeeper mag geschmeichelt gewesen sein, dennoch war es die jüngere Generation die Fatoni in ihr Herz schloss. Und da sein sprichwörtlicher Tonangeber Dexter seit seinem Album „Palmen & Freunde“ endlich auch das Selbstvertrauen verspürt, sich ebenfalls als Rapper zu präsentieren, darf er dies in „ADHS“ auch einmal zum Besten geben.
Natürlich könnte man Fatoni die üblichen, langweiligen Dinge attestieren, die man guten Rappern halt so nachsagt. Womit er sich aber tatsächlich von seiner Konkurrenz abhebt ist sein um 3 Ecken gedachter Humor und seine aufrichtig auf der Zunge getragene Selbstironie. In „Mike“ bringt er auf melancholische und zugleich witzige Art seine Bewunderung für Mike Skinner von The Streets zum Ausdruck. „Ich bleib immer ein Spinner, der meint, er sei Künstler, doch weiß innerlich, ich werde nie ein Mike Skinner.“ gibt er hier schon fast etwas sarkastisch zu Protokoll und man fragt sich, warum nicht mehr Rapper so wie Fatoni sein könnten. In „Semmelweisreflex“ verzweifelt Fatoni an der Unvollkommenheit unserer menschlichen Existenz und „32 Grad“ mutet erst wie ein böser Witz über die katastrophalen Zustände in den Unterkünften für Geflüchtete während der Flüchtlingskrise in Lampedusa an, ist aber wegen seiner ätzenden Ironie genau das richtige Gift gegen Pegida-Spaziergänger. „Yo, Picasso“ bündelt die Singer-Songwriter-Ambitionen Fatonis mit dessen nerdigem Rap-Skill-Feilereien und lässt den Blick über den üblichen Genre-Horizont nur zu gerne schweifen.