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Produktdetails
  • Verlag: Orbis
  • Sonderausg.
  • Seitenzahl: 352
  • Abmessung: 265mm
  • Gewicht: 1290g
  • ISBN-13: 9783572010660
  • ISBN-10: 3572010667
  • Artikelnr.: 24712805
  • Herstellerkennzeichnung
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.05.1995

Die Plappermäuler des Apparates
DDR-Diplomaten, Militärs und SED-Funktionäre erinnern sich

Hans Modrow (Herausgeber): Das Große Haus. Insider berichten aus dem ZK der SED. edition ost, Berlin 1994. 279 Seiten, 24,80 Mark.

Autorenkollektiv Hans Modrow u. a.: Zwei Staaten, zwei Paktsysteme und ihre Grenze; Geschichte - Standpunkte - Dokumente. Bundesgeschäftsstelle der PDS, Berlin 1992. 40 Seiten, 6,- Mark.

Autorenkollektiv Hans Modrow u. a.: Kalter Krieg auf deutschem Boden. Geschichte - Standpunkte - Dokumente. Bundesgeschäftsstelle der PDS, Berlin 1994. 84 Seiten, 10,- Mark.

Autorenkollektiv Hans Modrow u. a.: Geächtet oder geachtet? Die DDR in der internationalen Staatengemeinschaft; Geschichte - Standpunkte - Dokumente. Bundesgeschäftsstelle der PDS, Berlin 1994. 80 Seiten, 8,- Mark.

Lothar Bisky, Uwe-Jens Heuer, Michael Schumann (Herausgeber): Rücksichten. Politische und juristische Aspekte der DDR-Geschichte. VSA-Verlag, Hamburg 1993. 207 Seiten, 24,80 Mark.

Lothar Bisky, Uwe-Jens Heuer, Michael Schumann (Herausgeber): "Unrechtsstaat"? Politische Justiz und die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit. VSA-Verlag, Hamburg 1994. 206 Seiten, 24,80 Mark.

Alles sollte besser werden, als die richtige Partei die Macht übernahm. Im nachhinein war es dann immer die falsche. Nachdem der erste Schock überwunden ist, erheben Parteigänger des untergegangenen Regimes erst zögernd und dann immer lauter ihre Stimmen gegen "Umerziehungsmaßnahmen der Sieger" und "Verteufelung der Vergangenheit". Trotz aller Fehler sei es so schlimm nicht gewesen. Es habe viel Gutes gegeben. Vor allem dürfe man all jenen, die viele Jahre ein normales Leben geführt hätten, nicht im nachhinein die Biographie entwerten. Es war doch eine schöne Zeit bei BDM und Frauenbund, bei HJ und FDJ.

Im Umfeld der PDS widmet sich der Vergangenheitsbewältigung heute ein schier unüberschaubares Schrifttum gleichsam sozialistischer Landserliteratur. Auf dem Papier bekommt es der Klassenfeind, die alte Bundesrepublik, noch einmal so richtig besorgt. Gekämpft wird in drei Gewichtsklassen. In einer Publikationsreihe kommen ehemalige Ideologen des SED-Staates zu Wort, in einer anderen schreiben vorwiegend frühere Staatsfunktionäre oder Militärs und in der Schwergewichtsabteilung frühere leitende Mitarbeiter des zentralen Parteiapparates.

Hans Modrow, Hoffnungsträger und letzter Ministerpräsident des SED-Staates, hat ein interessantes Buch herausgegeben: Innenansichten aus dem "großen Haus", wie das Berliner ZK-Gebäude der SED genannt wurde. Dreizehn Rentner beziehungsweise Vorruheständler, ein Angestellter, ein Mitarbeiter einer Handelsfirma und der Ehrenvorsitzende der PDS erörtern, wie es so weit kam, daß langjährig vom Zentralkomitee angestellte Berufsrevolutionäre heute gezwungen sind, vom Klassenfeind nicht nur ihre Ruhestandsbezüge - unter Insidern "Strafrente" genannt -, sondern auch noch die Freiheit der Andersdenkenden beanspruchen müssen.

In seinem Vorwort schreibt Modrow: "Wir müssen schonungslos, auch wenn es schmerzt, eingestehen, daß die Gesamtbilanz negativ war." Ganz so hart, wie das klingt, geht es aber in den einzelnen Beiträgen nicht zur Sache. Geboten werden interessante Einblicke, aber auch einige Langeweile. Relativ kritisch und nüchtern erläutern Modrow, 1971 bis 1973 selbst Chef der ZK-Abteilung Agitation, und sein Co-Autor Otfried Arnold, langjährig tätig in der Abteilung Propaganda, die "Struktur und Funktionsweisen des Zentralkomitees der SED". In "manchen Bereichen" der ZK-Bürokratie sei eine personalpolitische "Negativauswahl" erfolgt. "Wer nach oben kommen wollte, durfte möglichst keine eigene Meinung äußern, sondern mußte seinem Vorgesetzten recht geben." Doppelzüngigkeit, Karrierismus und zur Schau gestellte Linientreue hätten meist eher auf eine höhere Stufe der Hierarchie geführt als eigenverantwortliche und sachliche Arbeit. Gleichwohl, so schränken die Autoren ein, gab es auch andere, aufrechte und anständige Funktionäre, die wirklich das Beste wollten. Folgerichtig stellen sie die Frage, warum diese "zum Teil hochgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht gegen die als falsch erkannten Beschlüsse des Politbüros auftraten".

Es sei zu berücksichtigen, "daß unter den Bedingungen, wie sie zuletzt in der DDR herrschten, das Risiko oppositioneller Äußerungen oder Handlungen für Parteifunktionäre hoch war. Jeder hauptamtliche Funktionär, der sich gegen das Politbüro gewandt hätte, wäre sofort entlassen worden." Jedoch reichten Feigheit oder "Mangel an Zivilcourage" als Erklärung nicht aus, denn "dann müßten im ZK und im ganzen Apparat nur Feiglinge gearbeitet haben". Wie erklären aber Arnold und Modrow die Tatsache, "daß Politbüro, Zentralkomitee und Apparat der SED dennoch bis zum Schluß funktionierten"?

"Ausschlaggebend" war nach ihrer Meinung eine "falsche" und "schädliche Theorie und Praxis von führender Rolle der Partei, Parteiergebenheit, demokratischem Zentralismus, Einheit und Geschlossenheit, Disziplin und Macht", die "von den meisten Funktionären durch langjährige Erziehung tief verinnerlicht" worden sei. Mit einem Satz: "Ein Aufbegehren, gar ein ,Aufstand gegen oben', lag völlig außerhalb der Denk- und Verhaltensmuster der SED-Funktionäre." Was aber ist das anderes als mangelnde Zivilcourage?

Angst vor einer plötzlichen Ausweglosigkeit hält Günter Sieber, zuletzt Leiter der ZK-Abteilung Internationale Verbindungen, für den eigentlichen Grund. "Allen im ZK-Apparat, im Ministerrat oder sonstwo wäre seinerzeit die Absetzung des Politbüros als eine ,Heldentat' erschienen - aber der Kurs auf eine Konföderation mit der BRD als schlimmster Verrat. Wir wären uns vorgekommen wie Väter, die ihr eigenes Kind umbringen sollten."

Das Buch bietet auch allseits Bekanntes. Überarbeitete Rechenschaftsberichte etwa über die vielen heute "negierten Leistungen aus dem Nichts mit über 150 Schiffseinheiten, dem Aus- und Neubau von Seehäfen . . ., der Erweiterung von Fernsprechanschlüssen durch - allerdings nicht unumstrittene - Doppelanschlüsse im Postwesen". Dafür, daß es "Unverständnis und Unwillen bei der Bevölkerung" wegen der "Wartezeiten von 9 bis 12 Jahren" für einen Telefonanschluß gab, trägt die zuständige ZK-Abteilung Transport- und Nachrichtenwesen angeblich keine Verantwortung. Sie hatte mit "einer Vielzahl von Vorschlägen" die Lage verbessern wollen. Günter Mittag, neben Erich Honecker der Buhmann dieses Buches, duldete keinen Widerspruch, herrschte eigenwillig und verwarf viele gute Ratschläge.

Einerseits wird in Modrows Buch offen über "geschönte und gefälschte Statistiken" berichtet, über "kleinliche Gängelei der Redaktionen, Bevormundung, Unterdrückung von Informationen, Anweisungen zur Schönfärberei", so Otfried Arnold oder Wilfried Poßner, einst Vorsitzender der Pionierorganisation "Ernst Thälmann", der erzählt, "wie die SED ihre Kampfreserve verlor". Andererseits wird aber auch manch nachdenkliche Überlegung von altbewährtem Propagandagebell übertönt. "Eine andere Sicht auf Zurückliegendes" als die der Sieger, "der Alt-BRD, und jener, die sich auf deren Seite geschlagen haben", kündigt Hans Modrow indes in seinem Geleitwort zur Broschürenreihe "Geschichte - Standpunkte - Dokumente" an. Die Hefte sollen "eine Unterstützung für alle jene besonders von den bewaffneten Kräften und aus dem Justizwesen der DDR sein, die heute strafrechtlich verfolgt werden, nur weil sie damals in Treue zu ihrem Staat, entsprechend seiner Verfassung und seinen Gesetzen gearbeitet und gehandelt haben". In diesem Sinne erläutern Generalleutnant a. D. Karl Leonhardt, "zuletzt Stellvertreter des Chefs der Grenztruppen" - im Felde unbesiegt -, und Oberst a. D. Alfred Schwillow, "ehemaliger politischer Mitarbeiter im ZK der SED", die "Schußwaffengebrauchsbestimmungen der beiden deutschen Staaten", die "nicht als Schießbefehl abqualifiziert werden" dürften.

An der Aufrechterhaltung des Grenzregimes der DDR trage die Bundesrepublik erhebliche Mitverantwortung. Denn keiner der beiden deutschen Staaten habe selbst in Zeiten, als sich "in der internationalen Lage mehr und mehr Entspannungstendenzen durchsetzten", den "Versuch unternommen, auch hier schrittweise einvernehmliche Regelungen zum Abbau der Konfrontationssituation anzustreben, die dem Geist von Helsinki entsprochen hätten". Das stimmt nun sicher nicht. Wenn es über alle Jahre ein stereotypes Problem gab, das bundesdeutsche Politiker in den zahllosen Gesprächen mit Honecker und seinen Kollegen aus dem Politbüro immer wieder thematisiert haben, so waren das die Schüsse an der innerdeutschen Grenze.

Bis 1987 erhielten westliche Politiker darauf auch immer die Floskeln zur Antwort, die die beiden ehemaligen Militärs heute noch aufsagen. 1988 schlugen Verteidigungsminister Heinz Keßler und SED-Chef Honecker andere Töne an. So behauptete Erich Honecker unter anderem im Dezember 1988 gegenüber dem Ständigen Vertreter der Bundesrepublik, Hans Otto Bräutigam, und im Juli 1989 gegenüber dem Chef des Bundeskanzleramtes, Rudolf Seiters, "daß es keinen Schießbefehl mehr gebe". Wie kann ein Befehl, den es nicht gab, abgeschafft werden?

Aufgeschrieben hat die Äußerungen Honeckers seinerzeit ein anderer Autor dieser Schriftenreihe, der zu Wort kommt: Karl Seidel, Abteilungsleiter BRD im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR und bei offiziellen deutsch-deutschen Gesprächen meist an der Seite des Staatsratsvorsitzenden. Seidel bleibt in der Broschüre "Geächtet oder geachtet", was innerdeutsche Beziehungen betrifft, diskret. Gemeinsam mit dem langjährigen Bonner DDR-Gesandten Hans Schindler schreibt er nur sehr allgemein über "die Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten". Die beiden früheren Spitzendiplomaten haben viele Jahre für die Anerkennung der DDR gearbeitet; es grämt sie verständlicherweise, daß die letzte DDR-Regierung, "nicht mehr im Sinne der Wahrung der Souveränität ihres Staates" handelnd, mit der Unterschrift unter den Einigungsvertrag auch ihrer beider Lebenswerk ein Ende setzte.

An anderen Detailinformationen mangelt es derweil in dem Heft nicht. Jochen Mitdank, ehemals Abteilungsleiter für West-Berlin im DDR-Außenministerium und letzter DDR-Botschafter in London, erinnert sich an seine "ersten deutsch-deutschen Sachgespräche", oder Detlef Nakath untersucht "Probleme beim Handel DDR-BRD". Zu Wort kommen auch Peter Florin, lange Jahre stellvertretender Außenminister und DDR-Vertreter bei den UN, Peter Steglich, Leiter von KSZE-Delegationen der DDR, und - ziemlich bizarr - Günter Sarge, ehemals Präsident des Obersten Gerichts der DDR, der sich mit einer angeblichen "Verfolgungswelle ehemaliger Bürgerinnen und Bürger der DDR" beschäftigt - womit er nicht seine frühere Tätigkeit meint.

Besonders wild gebärdet sich die Leichtgewichtsklasse, in der die abgewickelten Ideologen des SED-Staates ein Luftloch nach dem anderen schlagen. Sie dürfen sich in den von PDS-Chef Lothar Bisky, dem Bundestagsabgeordneten Uwe-Jens Heuer und Michael Schumann herausgegebenen Bänden "Rücksichten" und "Unrechtsstaat?" noch einmal so richtig austoben. Lothar Bisky legt einleitend den Erwartungshorizont für kritische Rücksichten fest: Sie sollen konstruktiv sein, nicht "durch Vereinfachung und Pauschalisierung beeinträchtigt", keine "Totalkritik am Realsozialismus der DDR, die die historischen Umstände und emanzipatorischen Ansätze, Leistungen und Motive ausblendet". Zu beklagen ist nach Meinung der Herausgeber "ein in der neueren Geschichte wohl einmaliger Vorgang": Deutsche fügen Deutschen Unrecht zu! Es gebe angeblich eine "massenhafte strafrechtliche Verfolgung von Staatsbürgern Deutschlands wegen ihrer einem deutschen Staat entgegengebrachten politischen Loyalität und Rechtstreue". Da schaudert man förmlich, bei soviel Abkehr von hergebrachter Tradition.

Der 1993 verstorbene Revolutionsgeschichtler Manfred Kossak räsoniert über das "Gehäuse selbstverschuldeter Unmündigkeit" und hätte - zu Recht muß man sagen, wenn man seinen und die anderen in dem Band versammelten Texte liest - gerne eine Denkpause für die Revolutionsverlierer gehabt. "Der Frage nach den Ursachen ihres Fiaskos" sollten sie eigentlich nicht unter dem "Druck jener Sieger der Geschichte" nachgehen. Doch der böse Feind ruht nicht, und so kann weder nachgedacht noch geschwiegen werden. Nichts Geringeres als die "Vergottung der Gegenwart mit Hilfe der totalen Verketzerung der DDR-Geschichte" ist abzuwehren. Auch wenn das "Stück Zukunft" mit dem Ende der DDR Vergangenheit ist, muß man sich die vergangene Zukunft nicht mies machen lassen. Neben Kossak mühen sich in den beiden Büchern Autoren aller ideologischen Fachrichtungen, den Vorwurf des Unrechtsstaates aus der Welt zu schaffen. Dabei werden kühnste Kapriolen nicht gescheut. Der Leipziger Rechtstheoretiker Ingo Wagner argumentiert wie ein Wiedergänger jener "furchtbaren Juristen", auf die man in SED-Kreisen früher mit dem bösen Finger zeigte: "Den Wertmaßstab eines jeden Rechtes stellen die sich entwickelnden gesellschaftlichen Verhältnisse dar, in die es eingebettet ist." Dementsprechend sei "auch das Recht der DDR originär an einem Wertmaßstab zu messen, der sich aus den gesellschaftlichen Verhältnissen in der DDR selbst ergibt".

Die DDR habe versucht, "im Gegensatz zum Nazistaat und seinem Recht eine bessere Gesellschaftsordnung zu finden". Wenn jemand dieser schönen neuen Welt entfliehen wollte und man ihn von hinten erschoß, wurde nach Wagners Lesart positives Recht angewandt und nicht etwa gegen Grundrechte verstoßen, da "es ein Recht auf Freizügigkeit (Ausreise) als Menschen- und Völkerrecht in Form subjektiven einklagbaren Rechts nicht gibt". Die Verfahren wegen DDR-Unrechtshandlungen etwa gegen Mauerschützen und ihre Oberkommandierenden müßten eingestellt werden, um "den Deformationsprozeß des bürgerlichen Rechtsstaates abzustoppen" und den "Rechtskrieg durch Rechtsfrieden zu beenden". Wagner selbst blickte früher auf den bürgerlichen Rechtsstaat mit Häme. Er lehrte an der Leipziger Karl-Marx-Universität, worin der "Klassen- und Willenscharakter des sozialistischen Rechts" bestanden haben soll. In einem, wie er 1977 schrieb, "System der vom sozialistischen Staat festgelegten oder sanktionierten allgemeinverbindlichen Rechtsnormen", die objektiven Gesetzmäßigkeiten entsprächen und "als Leitungsinstrument des sozialistischen Staates zur Lösung wesentlicher Aufgaben des Aufbaus des Sozialismus und Kommunismus eingesetzt werden", damit "die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung - erforderlichenfalls durch den staatlichen Zwang - gewährleistet wird". Konsequenzen aus dem in diesem Sinne geführten vierzigjährigen "Rechtskrieg" der SED gegen das eigene Volk sind für Wagner und seine Kombattanten "Vereinigungsunrecht".

Was aber war die DDR? Kein Rechtsstaat, erst recht kein Unrechtsstaat. Das vertritt neben Wagner auch der Rechts-und Innenpolitische Sprecher der PDS, Uwe-Jens Heuer, früher Staats- und Wirtschaftsrechtler beim ZK der SED. Die DDR sei wie "der größere Teil der in der UNO organisierten Staaten" ein "Vor-Rechtsstaat" gewesen, "der sich in seiner 40jährigen Geschichte aber beständig liberalisiert" habe. Zu dem Begriff, auf den das Phänomen gebracht werden soll, haben sich die ehemaligen DDR-Rechtstheoretiker jedoch nicht selbst emporgearbeitet. Er stammt, ohne Bindestrich geschrieben, von einem Westler, Herwig Roggemann, Professor an der Freien Universität Berlin.

Uwe-Jens Heuer behauptet in einer sogenannten Schlußbemerkung, "daß wir nichts vertuschen wollen", "uns aber fragen lassen dürfen, was denn falsch gemacht worden ist". Doch hat das Vorrecht zu fragen - da bleibt Heuer eng bei Bisky - nicht jeder. Denn, so Heuer: "Selbst wenn wir alle Engel gewesen wären, hätten sie versucht, uns zu beseitigen." Er habe als PDS-Abgeordneter "im Deutschen Bundestag gesagt - es ist zwar manchmal wie Perlen vor die Säue, aber ich kann nur dort reden: Wenn an der Spitze der DDR Havemann gestanden hätte, hätten Sie genauso versucht, uns zu beseitigen. Das ist doch klar. Sie haben Allende erschossen in seinem Präsidentenpalast. Er hatte keine MfS, seine Armee hat gegen ihn rebelliert. Er hatte das alles nicht. Was hat es ihm genützt? Nichts." Starker Tobak, nicht nur angesichts der Medienpräsenz der PDS.

Dieser Teil der "abgewickelten Eliten", der im Jahr sechs nach dem Zusammenbruch seines Koordinatensystems noch immer in den Schützengräben des Kalten Krieges den sozialistischen Werwolf mimt und sich eine Welt erfindet, die selbst in den Hochzeiten der "Systemkonkurrenz" nicht existiert hat, war die Apparat-Elite der SED, die hochkommen durfte in die Unterbüros der Büros des Politbüros. Das "Gehäuse der selbstverschuldeten Unmündigkeit" ist zusammengefallen, doch der Apparat steht noch unter Strom und plappert weiter programmierte Sprüche und Leersätze. Die Ideologen des SED-Staates können oder wollen im Unterschied zu manch gehobenem Staats- und Parteifunktionär offenbar am wenigsten nachdenken. Wir vergegenwärtigen, diesmal auf der Linken, eine neue Generation Ewiggestriger, die sich durch Dolchstoßlegenden und geistige Wehrsportübungen fit hält. Wer ruft da zum letzten Gefecht? JOCHEN STAADT

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