'Das Mädchen aus dem Song' zeigt, wie Bob Dylan in seinem bewegenden Liebes- und Abschiedslied Don't Think Twice, It's All Right (1963) seinen Frust über die Trennung von Suze Rotolo verarbeitete, in die er sich unsterblich verliebt hatte. Stings Zeilen "Every breath you take/Every move you make/I'll be watching you" (1983) werden gern als Liebesbekenntnis bei Hochzeiten gespielt, doch damit besang er nicht etwa seine Zuneigung gegenüber seiner baldigen Exfrau, sondern seine brennende Eifersucht. In Moses (2003) verkündete der Coldplay-Sänger Chris Martin seine Liebe zur Schauspielerin Gwyneth Paltrow; ihr gemeinsamer Sohn wurde auch auf diesen Namen getauft.
'Das Mädchen aus dem Song' erzählt die bewegenden Entstehungs- und Verbreitungsgeschichten 50 legendärer Songs anhand vieler Anekdoten, Zitate und Fotos. Mini-Biografien der Bands und Performer sowie ausführliche Hintergrundinformationen über die Muse, die den jeweiligen Song inspirierte, runden das Buch ab. Diese faszinierende Reise durch die Popkultur ist gleichzeitig eine große Liebeserklärung an den Popsong.
'Das Mädchen aus dem Song' erzählt die bewegenden Entstehungs- und Verbreitungsgeschichten 50 legendärer Songs anhand vieler Anekdoten, Zitate und Fotos. Mini-Biografien der Bands und Performer sowie ausführliche Hintergrundinformationen über die Muse, die den jeweiligen Song inspirierte, runden das Buch ab. Diese faszinierende Reise durch die Popkultur ist gleichzeitig eine große Liebeserklärung an den Popsong.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.07.2010Lola und seine Schwestern
Wen hat Peggy Sue geheiratet? Wem gehört Sharona wirklich? Und ist Angie wirklich Angie? Ein lustiges Buch hat jetzt das weibliche Personal großer Popsongs ermittelt
Holt die Polizei! "Every Breath You Take".
Oft basiert die schönste Popmusik auf Fehlern und Missverständnissen. Bands proben stundenlang herum in der Hoffnung, dass sich einer endlich so genial verspielt, dass aus einem guten ein unsterblicher Song wird. Manchmal kapiert aber das Publikum auch nicht, worum es geht, dann wird aus einem Protestsong wie "Born in the U.S.A" von Bruce Springsteen eine amerikanische Anfeuerungshymne - oder aus einem tieftraurigen, fiesen, paranoiden Schmerzsong wie "Every Breath You Take" von The Police ein Schmusewunder, Engtanzklassiker, Schmachtfetzen.
Sting, damals noch Sänger von The Police, hatte sich 1982 von seiner Frau, der Schauspielerin Frances Tomelty, getrennt, um mit Trudie Styler zusammenzuleben (mit der er bis heute, er prahlt ständig damit, wahre Yogasexrekorde bricht). Die Scheidung tat wohl sehr weh, jedenfalls verkraftete Sting sie mit diesem zugestandenermaßen großartigen Lied. Das Lied eines Stalkers. "Ein düsterer, böser Song", sagt Sting selbst, "über Eifersucht und Besessenheit." Nichts da mit Fürsorge, I'll be watching you hinter den Büschen, mit dem Fernglas, auf Schritt und Tritt.
Getrennt haben sich Frances Tomelty und Sting dann aber trotzdem gütlich.
"Angie" oder die große Koalition der Frauen.
Eines weiß man ganz sicher: Weder Peer Steinbrück noch Peter Struck oder Frank-Walter Steinmeier haben "Angie" geschrieben, auch wenn die Zeilen "All the dreams we held so close / seemed to all go up in smoke" und das Ende der großen Koalition so etwas nahe legen. Es waren die Rolling Stones. Und es war 1972.
Aber danach wird es kompliziert. Weil man nämlich glauben könnte, dass in den siebziger Jahren jeder im Pop mit jedem und der Schwester von jedem im Bett war - oder deren Bruder. Angeblich geht es in dieser Heulboje von Song um Angela, die Frau von David Bowie. Mick Jagger soll was mit ihr - aber nee, der war ja eigentlich mit Bowie - oder war es doch Anita Pallenberg, die Frau von Keith Richards? Oder am Ende Marianne Faithfull?
Keith Richards behauptet heute, damals, als er den Song schrieb, sei seine Tochter Angela gerade geboren worden. Nur wurde die damals noch Dandelion genannt. Wie soll man jetzt darauf kommen!
Komm runter, wir spielen: "Uptown Girl".
Auch wenn der Journalist Michael Heatley in seinem lustigen Buch "Das Mädchen aus dem Song" diesen Eindruck erweckt: Die Popmusik ist kein autobiographisches Genre, genauso wenig wie die Literatur oder das Kino es sind. Sicher, es gibt reale Figuren, wie Sharona Alperin, eine sechzehnjährige Schülerin, die Doug Fieger, der Sänger von The Knack, in einer Boutique in Los Angeles getroffen hatte. Bis heute kann man sie auf dem Cover von "My Sharona" sehen und im Song auch hören. Meist aber lieferten Frauen kaum mehr als den Anreiz für einen Text oder nur eine melodiöse Zeile. "Dear Prudence" zum Beispiel: Die Beatles waren im Februar 1968 bei Maharishi Mahesh Yogi, genau wie Prudence Farrow, die Schwester von Mia. Die Arme war aber derartig entrückt, es endlich nach Indien geschafft zu haben, dass sie gar nicht mehr aus ihrer Hütte wollte vor lauter Meditieren. Bis John ihr vorsang. "Why don't you come out and play".
Billy Joel, ein jüdischer Emigrantensohn, geboren in der Bronx, hatte Anfang der achtziger Jahre eine Affäre mit dem Model Elle MacPherson, genannt "The Body", und war danach mit dem Model Christie Brinkley verheiratet. Die eine tanzte Ballett in Australien, die andere war auf eine französische Schule in Los Angeles gegangen. "Uptown Girl" von 1983 besingt den Traum, den einer von der falschen Seite der Stadt von den höheren Töchtern hat. Dass Joel ihn verwirklichen konnte, macht das Lied beinah langweilig.
Eben, ihr nicht: "It Ain't Me, Babe".
Wenn man hört, wie großartig June Carter und Johnny Cash dieses Lied gesungen haben, und dann sieht, wie Joaquin Phoenix und Reese Witherspoon das noch großartiger in der Filmbiographie "Walk the Line" tun, dann kann man kaum glauben, dass es Bob Dylan, der alte Nasenmann, geschrieben hat und dass Joan Baez, deren Nachname klingt, als wollte man das Wort "beige" besonders gefühlvoll lispeln, dabei eine große Rolle spielte. Die beiden waren nämlich ein Paar, damals in den frühen Sechzigern in New York.
Und sehr verliebt. Er schrieb Lieder für sie. "Aber letztendlich, als sie auf der Suche nach einem Partner war, mit dem sie die Welt verändern konnte, sagte Bob ihr: ,It ain't me, babe'." Schreibt Michael Heatley. Man findet heute Videos von Joan Baez bei Youtube, wo sie diesen Song singt und zur Einleitung hässliche Dinge über die Ehe sagt, zum Beispiel, dass sie dagegen sei, und man weiß nicht so recht, wie ironisch sie das meint.
Letztlich aber hat das Lied ein Eigenleben begonnen, das gar nichts mehr mit der Liebesgeschichte der beiden Folksänger zu tun hat. Man kennt das von vielen Liedern Bob Dylans, die stärker wurden, wenn andere Leute sie nachsangen, "All Along the Watchtower" zum Beispiel (Jimi Hendrix) oder "Knockin' on Heaven's Door" (Guns'n'Roses). Irgendwie aber passiert dabei etwas, was immer mit Popsongs passiert, wenn sie zwei Menschen für sich entdecken: Sie werden enteignet und vereinnahmt und umgewidmet auf die eigene Liebesgeschichte. Das gilt für ganz normale Paare und für berühmte auch: "Go 'way from my window / Leave at your own chosen speed" - für June und Johnny und ihre schwierige Liebe war das wie gemacht.
"Lola" oder Die zwei Körper des Pop.
Peggy Sue hieß gar nicht Peggy Sue, sondern Cindy Lou. Doch, Peggy Sue hieß Peggy Sue, Nachname Gerron, und sie hat auch geheiratet, nämlich Jerry Allison, den Schlagzeuger von Buddy Holly. Aber ob der Peggy Sue zuerst selbst angemacht hatte, um später über sie zu singen, oder ob dieses Lied nicht vielmehr erst "Cindy Lou" hieß, also wie die Nichte Buddy Hollys, und der Sänger es dann zu Ehren seines Schlagzeugers und dessen Frau umgetauft hat - wie werden es nicht erfahren. Der Mann, der das Geheimnis lösen könnte, starb an dem Tag, an dem die Musik starb, es war der 3. Februar 1959.
Und "Lola" war gar keine Frau, sondern in Wirklichkeit, also, sagen wir es mit den Kinks: "She walked like a woman and talked like a man". Angeblich schrieb Ray Davies das Lied nach einer Party bei seinem Manager Robert Wace, dem erst spät auffiel, dass die Dame, mit der er die ganze Nacht getanzt hatte, in Wirklichkeit, also: Es waren Bartstoppeln an ihr dran.
Kann aber auch sein, dass Lola eine Hommage an Candy Darling war, Muse Andy Warhols, Stern der "Factory", mehrmals verewigt von Lou Reed, etwa bei "Walk on the Wild Side". Denn sie ging wie ein Mann. Oder eine Frau.
"Je t'aime" - wer mit wem?
Jane Birkin ist nicht nur das Mädchen aus dem Song, sondern auch in dem Song. Wenn man es genau nimmt, gilt das auch für Brigitte Bardot, die "Je t'aime . . . moi non plus" nämlich zuerst gesungen hatte, ja nicht nur das: Serge Gainsbourg hatte es für Brigitte Bardot geschrieben. Sie hatte sich von ihm das Liebeslied aller Liebeslieder gewünscht.
Was dabei herauskam, ließ Gunter Sachs, damals noch Bardots Ehemann, aber leider gleich einkassieren: zu anzüglich, undenkbar, das ist ja Sex zum Anhören! Gainsbourg nahm "Je t'aime" daraufhin einfach noch mal auf. Diesmal, und für die Ewigkeit, mit Jane Birkin, der schönsten Frau des Sommers, wenn mit Sommer ein Swimmingpool, Frankreich und die späten Sechziger gemeint ist. Gainsbourg, erzählte Jane Birkin später, "bat mich, den Song eine Oktave höher als Bardot zu singen, damit ich mich wie ein Chorknabe anhörte. Ich sagte zu, weil ich viel zu viel Angst davor hatte, dass er irgendein anderes hübsches Mädchen an meiner Stelle nehmen würde." Undenkbar. Und genauso undenkbar wie die Verhaftung der Chefs des Plattenlabels Fontana, wo "Je t'aime" erschienen war. Ein Abgrund von Unterhose. Dabei soll Gainsbourg Jane Birkin noch mit Handzeichen signalisiert haben, nicht so laut zu stöhnen.
Für Ponymädchen: "Sweet Caroline".
Thomas Mann hatte schon lange, bevor er sie dann kennenlernte, ein Kinderbild von der Frau an der Wand, die er mal heiraten sollte. Ganz so war es dann doch nicht mit Neil Diamond und Caroline Kennedy. Der amerikanische Sänger hatte sich allerdings ein Foto der Präsidententochter für schlechte Zeiten aufgehoben, vom Cover des Magazins "Life", September 1962: Es zeigte das kleine Mädchen, kaum fünf Jahre alt, auf ihrem Pony namens Macaroni. "The Fun of Being Caroline Kennedy", lautete die Schlagzeile dazu.
Dieser Spaß dauerte dann aber nur noch wenig mehr als ein Jahr. Und sieben, bis Neil Diamond das Foto wieder hervorkramte, um über das Ende seiner Ehe einen bittersüßen Welthit zu schreiben.
Dass es Caroline Kennedy war, die ihn dazu inspirierte, hat Diamond erst 2007 zugegeben. Er wollte es ihr zuerst sagen. Deswegen hat es so lange gedauert.
TOBIAS RÜTHER.
Michael Heatleys Buch "Das Mädchen aus dem Song. Angie, Lola, Rita, Suzanne und Maggie May - und welche Geschichte sich dahinter verbirgt" erscheint in der Übersetzung von Madeleine Lampe und Thorsten Wortmann am 1. September im Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf (258 Seiten, 14,95 Euro). Wer die Zeit bis dahin überbrücken will, hört sich die Lieder an - alle Titel sind im Handel erhältlich.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wen hat Peggy Sue geheiratet? Wem gehört Sharona wirklich? Und ist Angie wirklich Angie? Ein lustiges Buch hat jetzt das weibliche Personal großer Popsongs ermittelt
Holt die Polizei! "Every Breath You Take".
Oft basiert die schönste Popmusik auf Fehlern und Missverständnissen. Bands proben stundenlang herum in der Hoffnung, dass sich einer endlich so genial verspielt, dass aus einem guten ein unsterblicher Song wird. Manchmal kapiert aber das Publikum auch nicht, worum es geht, dann wird aus einem Protestsong wie "Born in the U.S.A" von Bruce Springsteen eine amerikanische Anfeuerungshymne - oder aus einem tieftraurigen, fiesen, paranoiden Schmerzsong wie "Every Breath You Take" von The Police ein Schmusewunder, Engtanzklassiker, Schmachtfetzen.
Sting, damals noch Sänger von The Police, hatte sich 1982 von seiner Frau, der Schauspielerin Frances Tomelty, getrennt, um mit Trudie Styler zusammenzuleben (mit der er bis heute, er prahlt ständig damit, wahre Yogasexrekorde bricht). Die Scheidung tat wohl sehr weh, jedenfalls verkraftete Sting sie mit diesem zugestandenermaßen großartigen Lied. Das Lied eines Stalkers. "Ein düsterer, böser Song", sagt Sting selbst, "über Eifersucht und Besessenheit." Nichts da mit Fürsorge, I'll be watching you hinter den Büschen, mit dem Fernglas, auf Schritt und Tritt.
Getrennt haben sich Frances Tomelty und Sting dann aber trotzdem gütlich.
"Angie" oder die große Koalition der Frauen.
Eines weiß man ganz sicher: Weder Peer Steinbrück noch Peter Struck oder Frank-Walter Steinmeier haben "Angie" geschrieben, auch wenn die Zeilen "All the dreams we held so close / seemed to all go up in smoke" und das Ende der großen Koalition so etwas nahe legen. Es waren die Rolling Stones. Und es war 1972.
Aber danach wird es kompliziert. Weil man nämlich glauben könnte, dass in den siebziger Jahren jeder im Pop mit jedem und der Schwester von jedem im Bett war - oder deren Bruder. Angeblich geht es in dieser Heulboje von Song um Angela, die Frau von David Bowie. Mick Jagger soll was mit ihr - aber nee, der war ja eigentlich mit Bowie - oder war es doch Anita Pallenberg, die Frau von Keith Richards? Oder am Ende Marianne Faithfull?
Keith Richards behauptet heute, damals, als er den Song schrieb, sei seine Tochter Angela gerade geboren worden. Nur wurde die damals noch Dandelion genannt. Wie soll man jetzt darauf kommen!
Komm runter, wir spielen: "Uptown Girl".
Auch wenn der Journalist Michael Heatley in seinem lustigen Buch "Das Mädchen aus dem Song" diesen Eindruck erweckt: Die Popmusik ist kein autobiographisches Genre, genauso wenig wie die Literatur oder das Kino es sind. Sicher, es gibt reale Figuren, wie Sharona Alperin, eine sechzehnjährige Schülerin, die Doug Fieger, der Sänger von The Knack, in einer Boutique in Los Angeles getroffen hatte. Bis heute kann man sie auf dem Cover von "My Sharona" sehen und im Song auch hören. Meist aber lieferten Frauen kaum mehr als den Anreiz für einen Text oder nur eine melodiöse Zeile. "Dear Prudence" zum Beispiel: Die Beatles waren im Februar 1968 bei Maharishi Mahesh Yogi, genau wie Prudence Farrow, die Schwester von Mia. Die Arme war aber derartig entrückt, es endlich nach Indien geschafft zu haben, dass sie gar nicht mehr aus ihrer Hütte wollte vor lauter Meditieren. Bis John ihr vorsang. "Why don't you come out and play".
Billy Joel, ein jüdischer Emigrantensohn, geboren in der Bronx, hatte Anfang der achtziger Jahre eine Affäre mit dem Model Elle MacPherson, genannt "The Body", und war danach mit dem Model Christie Brinkley verheiratet. Die eine tanzte Ballett in Australien, die andere war auf eine französische Schule in Los Angeles gegangen. "Uptown Girl" von 1983 besingt den Traum, den einer von der falschen Seite der Stadt von den höheren Töchtern hat. Dass Joel ihn verwirklichen konnte, macht das Lied beinah langweilig.
Eben, ihr nicht: "It Ain't Me, Babe".
Wenn man hört, wie großartig June Carter und Johnny Cash dieses Lied gesungen haben, und dann sieht, wie Joaquin Phoenix und Reese Witherspoon das noch großartiger in der Filmbiographie "Walk the Line" tun, dann kann man kaum glauben, dass es Bob Dylan, der alte Nasenmann, geschrieben hat und dass Joan Baez, deren Nachname klingt, als wollte man das Wort "beige" besonders gefühlvoll lispeln, dabei eine große Rolle spielte. Die beiden waren nämlich ein Paar, damals in den frühen Sechzigern in New York.
Und sehr verliebt. Er schrieb Lieder für sie. "Aber letztendlich, als sie auf der Suche nach einem Partner war, mit dem sie die Welt verändern konnte, sagte Bob ihr: ,It ain't me, babe'." Schreibt Michael Heatley. Man findet heute Videos von Joan Baez bei Youtube, wo sie diesen Song singt und zur Einleitung hässliche Dinge über die Ehe sagt, zum Beispiel, dass sie dagegen sei, und man weiß nicht so recht, wie ironisch sie das meint.
Letztlich aber hat das Lied ein Eigenleben begonnen, das gar nichts mehr mit der Liebesgeschichte der beiden Folksänger zu tun hat. Man kennt das von vielen Liedern Bob Dylans, die stärker wurden, wenn andere Leute sie nachsangen, "All Along the Watchtower" zum Beispiel (Jimi Hendrix) oder "Knockin' on Heaven's Door" (Guns'n'Roses). Irgendwie aber passiert dabei etwas, was immer mit Popsongs passiert, wenn sie zwei Menschen für sich entdecken: Sie werden enteignet und vereinnahmt und umgewidmet auf die eigene Liebesgeschichte. Das gilt für ganz normale Paare und für berühmte auch: "Go 'way from my window / Leave at your own chosen speed" - für June und Johnny und ihre schwierige Liebe war das wie gemacht.
"Lola" oder Die zwei Körper des Pop.
Peggy Sue hieß gar nicht Peggy Sue, sondern Cindy Lou. Doch, Peggy Sue hieß Peggy Sue, Nachname Gerron, und sie hat auch geheiratet, nämlich Jerry Allison, den Schlagzeuger von Buddy Holly. Aber ob der Peggy Sue zuerst selbst angemacht hatte, um später über sie zu singen, oder ob dieses Lied nicht vielmehr erst "Cindy Lou" hieß, also wie die Nichte Buddy Hollys, und der Sänger es dann zu Ehren seines Schlagzeugers und dessen Frau umgetauft hat - wie werden es nicht erfahren. Der Mann, der das Geheimnis lösen könnte, starb an dem Tag, an dem die Musik starb, es war der 3. Februar 1959.
Und "Lola" war gar keine Frau, sondern in Wirklichkeit, also, sagen wir es mit den Kinks: "She walked like a woman and talked like a man". Angeblich schrieb Ray Davies das Lied nach einer Party bei seinem Manager Robert Wace, dem erst spät auffiel, dass die Dame, mit der er die ganze Nacht getanzt hatte, in Wirklichkeit, also: Es waren Bartstoppeln an ihr dran.
Kann aber auch sein, dass Lola eine Hommage an Candy Darling war, Muse Andy Warhols, Stern der "Factory", mehrmals verewigt von Lou Reed, etwa bei "Walk on the Wild Side". Denn sie ging wie ein Mann. Oder eine Frau.
"Je t'aime" - wer mit wem?
Jane Birkin ist nicht nur das Mädchen aus dem Song, sondern auch in dem Song. Wenn man es genau nimmt, gilt das auch für Brigitte Bardot, die "Je t'aime . . . moi non plus" nämlich zuerst gesungen hatte, ja nicht nur das: Serge Gainsbourg hatte es für Brigitte Bardot geschrieben. Sie hatte sich von ihm das Liebeslied aller Liebeslieder gewünscht.
Was dabei herauskam, ließ Gunter Sachs, damals noch Bardots Ehemann, aber leider gleich einkassieren: zu anzüglich, undenkbar, das ist ja Sex zum Anhören! Gainsbourg nahm "Je t'aime" daraufhin einfach noch mal auf. Diesmal, und für die Ewigkeit, mit Jane Birkin, der schönsten Frau des Sommers, wenn mit Sommer ein Swimmingpool, Frankreich und die späten Sechziger gemeint ist. Gainsbourg, erzählte Jane Birkin später, "bat mich, den Song eine Oktave höher als Bardot zu singen, damit ich mich wie ein Chorknabe anhörte. Ich sagte zu, weil ich viel zu viel Angst davor hatte, dass er irgendein anderes hübsches Mädchen an meiner Stelle nehmen würde." Undenkbar. Und genauso undenkbar wie die Verhaftung der Chefs des Plattenlabels Fontana, wo "Je t'aime" erschienen war. Ein Abgrund von Unterhose. Dabei soll Gainsbourg Jane Birkin noch mit Handzeichen signalisiert haben, nicht so laut zu stöhnen.
Für Ponymädchen: "Sweet Caroline".
Thomas Mann hatte schon lange, bevor er sie dann kennenlernte, ein Kinderbild von der Frau an der Wand, die er mal heiraten sollte. Ganz so war es dann doch nicht mit Neil Diamond und Caroline Kennedy. Der amerikanische Sänger hatte sich allerdings ein Foto der Präsidententochter für schlechte Zeiten aufgehoben, vom Cover des Magazins "Life", September 1962: Es zeigte das kleine Mädchen, kaum fünf Jahre alt, auf ihrem Pony namens Macaroni. "The Fun of Being Caroline Kennedy", lautete die Schlagzeile dazu.
Dieser Spaß dauerte dann aber nur noch wenig mehr als ein Jahr. Und sieben, bis Neil Diamond das Foto wieder hervorkramte, um über das Ende seiner Ehe einen bittersüßen Welthit zu schreiben.
Dass es Caroline Kennedy war, die ihn dazu inspirierte, hat Diamond erst 2007 zugegeben. Er wollte es ihr zuerst sagen. Deswegen hat es so lange gedauert.
TOBIAS RÜTHER.
Michael Heatleys Buch "Das Mädchen aus dem Song. Angie, Lola, Rita, Suzanne und Maggie May - und welche Geschichte sich dahinter verbirgt" erscheint in der Übersetzung von Madeleine Lampe und Thorsten Wortmann am 1. September im Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf (258 Seiten, 14,95 Euro). Wer die Zeit bis dahin überbrücken will, hört sich die Lieder an - alle Titel sind im Handel erhältlich.
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