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Produktdetails
  • Verlag: Hueber
  • Artikelnr. des Verlages: 4056
  • Seitenzahl: 216
  • Abmessung: 210mm
  • Gewicht: 270g
  • ISBN-13: 9783190040568
  • Artikelnr.: 02415855
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.05.2001

Glühende Pauker in ihren verschlissenen Kordanzügen
Mit Latein geht alles besser: Die Retter des Abendlandes wissen, warum es um Kirche und Welt so schlecht bestellt ist

"Sie sagen ,Latein', aber sie meinen das Gymnasium; sie sagen ,Latein', aber sie meinen die Kirche." Nach diesem Schlachtruf ist klar, daß es nicht nur um die Pflege der lateinischen Sprache, sondern um nichts Geringeres als die Rettung des christlichen Abendlandes und der katholischen Kirche geht. Dafür aber ist ein Büchlein von rund hundertfünfzig Seiten wohl kaum das geeignete Mittel. Der von Heinz-Lothar Barth herausgegebene Band "Latein - Sprache der katholischen Kirche und des christlichen Abendlandes" krankt an dieser Unverhältnismäßigkeit.

Bereits 1941 versuchte August Doerner in seinem hier in Auszügen erneut abgedruckten Buch "Sentire cum ecclesia" den Nachweis zu erbringen, alle Versuche, das Latein in der katholischen Liturgie durch eine Volkssprache zu ersetzen, seien von Ketzerbewegungen unternommen worden. Nun aber, nach dem Zweiten Vaticanum, finden sich die Verteidiger des Lateins selbst in der Rolle der Abtrünnigen wieder. Wie das geschehen konnte, bleibt auch nach der Lektüre dieses Libellums unklar.

Barth dokumentiert die Erklärungen des Konzils und der Päpste. "Halb zog es sie, halb sank sie hin" - so könnte man das Verhalten der Kirche in dieser Frage beschreiben. Ein Dammbruch hat sich ereignet, der aber doch wohl nicht von einigen Häretikern ins Werk gesetzt wurde. Auch handelt es sich keineswegs um ein plötzliches, durch die Leichtfertigkeit vor allem Pauls VI. heraufbeschworenes Ereignis, dem eine Zeit der reinen und unbeschädigten Liturgie voranging. Ursache und Wirkung werden in der vorliegenden Beitragssammlung nicht wirklich untersucht. Die Auffassung, die Preisgabe des Lateinischen als Liturgiesprache habe den Einbruch des Subjektivismus in die Liturgie erst bewirkt, greift zu kurz: Auch umgekehrt ist etwas Wahres dran.

Dabei sind viele Beobachtungen Doerners und Barths durchaus zutreffend. Daß die Einführung der Volkssprache die aktive Teilnahme der Gläubigen befördere, war eine Hoffnung, die sich nur in einem sehr äußerlichen Sinne erfüllt hat: Man versteht den Wortlaut der Texte. Ein tieferes Verständnis für das Wesen der Liturgie und des in ihr gefeierten Geheimnisses ist daraus aber - nach allen in der Praxis gemachten Erfahrungen - nicht erwachsen. Ein lateinisches Hochamt vermag über die Sinne etwas vom Mysterium zu vermitteln. Eine deutsche Gemeindemesse vermittelt den trügerischen Eindruck, man habe verstanden. Das Argument, die lateinische Sprache sei das einigende Band der Kirche, hat nichts von seiner Triftigkeit verloren. Fünfunddreißig Jahre nachdem sich die volkssprachliche Messe allgemein durchsetzte, sind womöglich selbst viele Pfarrer nicht mehr in der Lage, mit Priestern aus anderen Ländern eine lateinische Messe zu feiern. Das Band droht zu zerreißen.

Die Autoren des Büchleins sind allesamt glühende Verehrer der lateinischen Sprache, und so ist es nicht verwunderlich, daß die Beiträge stets an demselben argumentativen Kurzschluß kranken: Immer wird die Zurückdrängung des Lateinischen als Ursache aller Übel gesehen. Ausgehend von der Annahme, die Staatsverfassung der Römer entstamme direkt dem Geist ihrer Sprache, preist Margarethe Kuppe in ihrem rührend-naivem Beitrag "Latein - der absolute Glücksfall" die römische Zivilisation als Himmel auf Erden. Daß ihre Kronzeugen Cicero und Seneca ermordet beziehungsweise in den Selbstmord getrieben wurden, hätte ihr zu denken geben können. Jeder Schüler weiß, daß Caesar, der alte Stratege, mit seinen Gegnern nicht zimperlich umging. Aber er sprach Latein! Die Übertragung auf die heutige Zeit fällt Kuppe nicht schwer: Im katholischen Kroatien herrschen nämlich stabile Zustände, im orthodoxen Serbien nicht. Und rührt der krisenhafte Zustand Rußlands nicht daher, daß dort niemals Latein gesprochen wurde?

Ein großes und wichtiges Thema wird hier unfreiwillig der Lächerlichkeit preisgegeben. So ähnelt dieser Band den legendären Lateinpaukern in ihren verschlissenen Kordanzügen: ganz sympathisch, aber doch auch sehr kurios.

MICHAEL GASSMANN

Heinz-Lothar Barth (Hrsg.): "Latein". Sprache der katholischen Kirche und des christlichen Abendlandes. Rex Regum Verlag, Jaidhof 2001. 156 S., br., 9,- DM.

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