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Ein armer Geiger, den Grillparzer jahrelang in einem Gasthaus traf, gab die Anregung zu dieser Erzählung. Sie ist die Geschichte eines Mannes, der durch Unbeholfenheit und Missgeschick jede Beziehung zur Außenwelt verloren hat. Auch das Geigenspiel des Musikanten ist für die Zuhörer unverständlich, da es eigenen Gesetzen gehorcht: Ein Symbol der Kontaktlosigkeit. Der Spielmann. beendet schließlich sein einsames Leben, indem er für seine Mitmenschen den Opfertod stirbt. - In die Erzählung sind starke autobiografische Züge Grillparzers eingeflossen.Die Erzählung wird ergänzt durch eine…mehr

Produktbeschreibung
Ein armer Geiger, den Grillparzer jahrelang in einem Gasthaus traf, gab die Anregung zu dieser Erzählung. Sie ist die Geschichte eines Mannes, der durch Unbeholfenheit und Missgeschick jede Beziehung zur Außenwelt verloren hat. Auch das Geigenspiel des Musikanten ist für die Zuhörer unverständlich, da es eigenen Gesetzen gehorcht: Ein Symbol der Kontaktlosigkeit. Der Spielmann. beendet schließlich sein einsames Leben, indem er für seine Mitmenschen den Opfertod stirbt. - In die Erzählung sind starke autobiografische Züge Grillparzers eingeflossen.Die Erzählung wird ergänzt durch eine ausführliche Arbeit über die Entstehungsgeschichte. 11 Seiten Anmerkungen tragen zum Verständnis der Erzählung bei.
Autorenporträt
Franz Grillparzer, 15.1.1791 Wien - 21.1.1872 ebd., Sohn eines Wiener Rechtsanwalts arbeitete nach Abschluss seines Jurastudiums (1807-11) zunächst als Privatlehrer, war dann Praktikant an der Hofbibliothek und hatte von 1813 an verschiedene Beamtenstellen inne (Hofkammer, Finanzministerium); von 1832 bis zu seiner Pensionierung als Hofrat 1856 amtierte er als Direktor des Hofkammerarchivs. 1816 lernte er Joseph Schreyvogel, den Direktor des Burgtheaters, kennen, der zu seinem wichtigsten Förderer wurde und 1817 'Die Ahnfrau', 1818 'Sappho' mit großem Erfolg aufführte. Nach dem Suizid seiner Mutter unternahm G. 1819 eine Italienreise; das nach seiner Rückkehr in einem Almanach 1821 veröffentlichte Romgedicht 'Campo vaccino' brachte ihm mit der Gegenüberstellung von großer Vergangenheit und 'neuer, flacher Zeit' den Ruf des Radikalismus ein und sorgte damit auch für künftige Zensurprobleme. Weitere Reisen führten ihn nach Deutschland (1826, 1847), Paris und London (1836) sowie Konstantinopel und Athen (1843). 1861 wurde er zum Mitglied des österreichischen Herrenhauses auf Lebenszeit ernannt. Nach dem Misserfolg seines Lustspiels 'Weh' dem, der lügt!' (UA 1838), zog sich G. vom Theater zurück; seine späten Stücke wurden erst postum veröffentlicht. G.s Dramatik verbindet Momente des spanischen Barocktheaters, der Wiener Theatertradition und der Weimarer Klassik, ohne die Spannungen zwischen zeitenthobener Ordnungsvorstellung und geschichtlicher Veränderung bzw. neuzeitlichem Subjektivismus verleugnen zu können. Er versuchte sich in den verschiedensten dramatischen Gattungen - Schicksalstragödie, Künstlerdrama, Besserungsstück, Traumspiel, Geschichtsdrama, Liebestragödie -, nahm deren Traditionen auf und erweiterte zugleich ihre Ausdrucksmöglichkeiten durch eine psychologisierende Charakterdarstellung und die Einbeziehung der Widersprüchlichkeit der Erfahrungen der Moderne. Gerade aus seinem Konservatismus heraus griff er die Degeneration des habsburgischen H

errscherhauses an, so wie er andererseits nach anfänglicher Bejahung der Revolution von 1848 durch diese den Zerfall des Staates durch separatistische Tendenzen befördert sah. Die Widersprüchlichkeit, die er sich selbst in seinen autobiographischen Schriften und Tagebüchern zuschrieb, und die Problematik der künstlerischen Existenz unter dem Regime Metternich reflektiert - vieldeutig - die Erzählung 'Der arme Spielmann'.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.08.2004

»DER ARME SPIELMANN«

Lieblingsbücher habe ich mehrere, aber nur dieses überwältigt mich auch nach vielen Jahren noch wie beim ersten Kennenlernen. Warum mich ausgerechnet Grillparzers Erzählung "Der arme Spielmann" so wehrlos macht, weiß ich nicht. Jedesmal, wenn ich sie wiederlese, lese ich eine andere Geschichte.

Zuerst war ich hingerissen vom grandiosen Anfang, der großen Volksbelustigung im Prater, die der Erzähler als "leidenschaftlicher Liebhaber der Menschen" neugierig durchstreift, bis er den selig lächelnden, kläglich seine Violine kratzenden Alten entdeckt und "mit anthropologischem Heißhunger" dessen Lebensspuren folgt. Der tiefe Fall von der Ebene allgemeiner Menschenbetrachtung in den Abgrund eines gescheiterten Lebens erlebte ich als Tragödie.

Dann kam meine "französische" Lektüre. Ich begriff Grillparzer als den Generationsgenossen Balzacs. Die herrliche Prater-Szene hat ihr Pendant, vielleicht sogar ihr Vorbild, im berühmten Paris-Porträt am Anfang vom "Mädchen mit den Goldaugen". Und der engste literarische Verwandte des Spielmanns ist sicher Balzacs gutmütiger Vetter Pons. Grillparzer ist anders als Balzac, aber hier ist er ihm ebenbürtig.

Beim nächsten Wiederlesen irritierte mich Grillparzers Sprache: ein Österreichisch voll von sperrigen Fremdwörtern und eleganter juristischer Präzision. Dieser Katalog des Menschenlebens weiß für jede Tatsache des Lebens den richtigen Begriff, nichts bringt den grausam gleichmütigen Erzähler aus dem Takt. Schreibt Kafka nicht wie ein prussifizierter Grillparzer?

Grillparzer hat die Seele seines Jahrhunderts porträtiert. Christentum und Menschenrecht, die Ideale der Revolution und der klassisch-romantischen Kunst: alles ist noch da, aber alles ist verkümmert und verrottet. Nur hier und da flackert ein Flämmchen Menschlichkeit und Hoffnung - Licht genug freilich, um die Ruinenschönheit einer groß geträumten Menschheitsepoche zum Leuchten zu bringen.

Was für eine Erzählung. Nie komme ich damit zu Ende.

WILFRIED WIEGAND

Informationen zu "Unsere Besten - Das große Lesen", einer gemeinsamen Aktion von ZDF und F.A.Z., finden sich im Internet unter www.faz.net/lesen.

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