Klassenlektüre und Textarbeit einfach gemacht: Die Reihe »Reclam XL - Text und Kontext« erfüllt alle Anforderungen an Schullektüre und Bedürfnisse des Deutschunterrichts:_ Das Format ist größer als die gelben Klassiker der Universal-Bibliothek, mit ausreichend Platz für Notizen am Seitenrand._ Schwierige Wörter werden am Fuß jeder Seite erklärt, ausführlichere Wort- und Sacherläuterungen stehen im Anhang._ Zusatz-Materialien im Anhang erleichtern das Verständnis des Werkes und liefern Impulse für Diskussionen im Unterricht: zu Quellen und Stoff, Biographie des Autors, Epoche und Rezeptionsgeschichte.»Einhundertdreiundzwanzig Mark« - so viel ist in Gerhart Hauptmanns 1911 uraufgeführter Tragikomödie »Die Ratten« ein Säugling wert. Der Handel mit dem Kind lässt zwei Frauen in unerbittlichen Streit geraten, und so nimmt die Katastrophe ihren Lauf ...Die Bände von Reclam XL sind im Textteil seiten- und zeilenidentisch mit den gelben Ausgaben der Universal-Bibliothek. UB- und XL-Ausgaben sind also nicht nur im Unterricht nebeneinander verwendbar - es passen auch weiterhin alle Lektüreschlüssel, Erläuterungsbände und Interpretationen dazu.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.02.2021Kollateralschaden
Bei manchen Texten bin ich fest davon überzeugt, dass sie nur geschrieben wurden, damit sich alle für den Deutschunterricht der elften Klasse vorgeschriebenen Lernziele ohne irgendeine intellektuelle Anstrengung aus ihnen herauslesen lassen. Dass diese Texte Schülerinnen und Schülern die Literatur gründlich verleiden, ist ein Kollateralschaden, den man halt in Kauf nimmt. Gerhart Hauptmanns Stück "Die Ratten" gehört zweifellos zu diesen Texten. Und unser Deutschlehrer hatte das nicht allzu seltene Talent, diesen Text so aufzubereiten, dass keine Zeile ihrer didaktischen Funktion entkam. Naturalismus, etwas Expressionismus, bisschen Tragödie, bisschen Komödie, Sozialkritik - das war wie die trostlose Parodie der Afri-Cola-Werbung, die wir damals toll fanden: "Sexy-mini-super-flower-pop-op-cola, alles ist in Afri-Cola". In den "Ratten" war für uns 15- oder 16-Jährige nur Raum für schlechte Witze, die ich in meiner Ausgabe aus der Reihe "Ullstein Theater Texte" nachlesen kann. Erstaunlich ist daran eigentlich nur, dass ich das Buch aufgehoben habe. Der Name Pauline Piperkarcka - ja, okay, geschenkt. Harro Hassenreuter klang wie Donald Ducks Hürdenlauf-Konkurrent Harro Hopper, Quaquaro, Käferstein und Kielbacke wie selbst gedichtet, und den Berliner Dialekt empfand man als eine Halskrankheit, wenn wir mit verteilten Rollen eine Passage vorlesen mussten. Beim Blick ins Buch heute weiß man, dass Maximilian Harden recht hatte, der das Stück nach der Uraufführung 1911 ein "Dutzendmelodram" nannte. Klar, dass wir damals auch nichts von Siegfried Jacobsohns Urteil erfuhren: "Keine Lehre, kein Sinn, keine Erschütterung, kein Lächeln und nicht einmal irgend ein grober Theatereffekt." Wir hatten bloß das dunkle Gefühl: Wenn in der deutschen Literatur Ratten auftauchen, wird es todlangweilig. Wolfgang Borcherts "Nachts schlafen die Ratten doch" war eine traumatische Mittelstufenerinnerung. Aber man soll gerecht sein. Wenn ich heute im Stück den Piperkarcka-Satz lese "Ick stürze mir Landwehrkanal", denke ich sofort: "Isch geh Aldi". Immerhin.
Peter Körte
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bei manchen Texten bin ich fest davon überzeugt, dass sie nur geschrieben wurden, damit sich alle für den Deutschunterricht der elften Klasse vorgeschriebenen Lernziele ohne irgendeine intellektuelle Anstrengung aus ihnen herauslesen lassen. Dass diese Texte Schülerinnen und Schülern die Literatur gründlich verleiden, ist ein Kollateralschaden, den man halt in Kauf nimmt. Gerhart Hauptmanns Stück "Die Ratten" gehört zweifellos zu diesen Texten. Und unser Deutschlehrer hatte das nicht allzu seltene Talent, diesen Text so aufzubereiten, dass keine Zeile ihrer didaktischen Funktion entkam. Naturalismus, etwas Expressionismus, bisschen Tragödie, bisschen Komödie, Sozialkritik - das war wie die trostlose Parodie der Afri-Cola-Werbung, die wir damals toll fanden: "Sexy-mini-super-flower-pop-op-cola, alles ist in Afri-Cola". In den "Ratten" war für uns 15- oder 16-Jährige nur Raum für schlechte Witze, die ich in meiner Ausgabe aus der Reihe "Ullstein Theater Texte" nachlesen kann. Erstaunlich ist daran eigentlich nur, dass ich das Buch aufgehoben habe. Der Name Pauline Piperkarcka - ja, okay, geschenkt. Harro Hassenreuter klang wie Donald Ducks Hürdenlauf-Konkurrent Harro Hopper, Quaquaro, Käferstein und Kielbacke wie selbst gedichtet, und den Berliner Dialekt empfand man als eine Halskrankheit, wenn wir mit verteilten Rollen eine Passage vorlesen mussten. Beim Blick ins Buch heute weiß man, dass Maximilian Harden recht hatte, der das Stück nach der Uraufführung 1911 ein "Dutzendmelodram" nannte. Klar, dass wir damals auch nichts von Siegfried Jacobsohns Urteil erfuhren: "Keine Lehre, kein Sinn, keine Erschütterung, kein Lächeln und nicht einmal irgend ein grober Theatereffekt." Wir hatten bloß das dunkle Gefühl: Wenn in der deutschen Literatur Ratten auftauchen, wird es todlangweilig. Wolfgang Borcherts "Nachts schlafen die Ratten doch" war eine traumatische Mittelstufenerinnerung. Aber man soll gerecht sein. Wenn ich heute im Stück den Piperkarcka-Satz lese "Ick stürze mir Landwehrkanal", denke ich sofort: "Isch geh Aldi". Immerhin.
Peter Körte
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