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Die vorliegende Edition, eine Kombination von Buch und CD-ROM, vermittelt einen Eindruck von der großen Spannbreite der in den Jahren 1965 bis 1969 behandelten außenpolitischen Themen und ihrer parlamentarischen Behandlung durch den Auswärtigen Ausschuss. In diesen Jahren des Übergangs von der Konfrontation zur Détente zwischen den Supermächten stand die deutsche Außenpolitik vor großen Herausforderungen. Der französische Staatspräsident de Gaulle strebte nach einem selbständigen Europa unter Führung seines Landes. Die durch diese Haltung verursachte Krise der internationalen Organisationen…mehr

Produktbeschreibung
Die vorliegende Edition, eine Kombination von Buch und CD-ROM, vermittelt einen Eindruck von der großen Spannbreite der in den Jahren 1965 bis 1969 behandelten außenpolitischen Themen und ihrer parlamentarischen Behandlung durch den Auswärtigen Ausschuss. In diesen Jahren des Übergangs von der Konfrontation zur Détente zwischen den Supermächten stand die deutsche Außenpolitik vor großen Herausforderungen. Der französische Staatspräsident de Gaulle strebte nach einem selbständigen Europa unter Führung seines Landes. Die durch diese Haltung verursachte Krise der internationalen Organisationen NATO, WEU, EWG und EURATOM wurde im Auswärtigen Ausschuss während der gesamten Wahlperiode diskutiert. Dabei kamen Bundesregierung und Ausschuss überein, dass die Abgeordneten den außenpolitischen Handlungsspielraum der Regierung durch die öffentliche Ablehnung des französischen Anspruchs auf Vorherrschaft vergrößern sollten. Das britische Beitrittsgesuch zu den Europäischen Gemeinschaften wurde vom Ausschuss begrüßt. Mit Blick auf die Verhandlungen über den Vertrag zur Nichtverbreitung von Atomwaffen ermahnten die Ausschussmitglieder die Bundesregierung, den deutschen Standpunkt gegenüber den USA und der UdSSR zur Geltung zu bringen, ohne sich international zu isolieren. Während der Regierungszeit der Großen Koalition fand im Ausschuss eine intensive Aussprache statt über die Chancen und Risiken einer modifizierten Deutschland- und Ostpolitik sowie über eine differenzierte Anwendung der Hallstein-Doktrin.
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Autorenporträt
Joachim Wintzer, geb. 1967 in Göttingen, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.11.2006

Bühne der Selbstdarstellung
Die Sitzungsprotokolle des Auswärtigen Ausschusses aus den Jahren 1965 bis 1969

Als sich der südbadische CDU-Abgeordnete und Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses Hermann Kopf Anfang 1969 abermals um die Nominierung seiner Partei für den Bundestag bemühte, wurde er von einer Fronde jüngerer Christdemokraten unter der Führung des damaligen Rechtsreferendars und heutigen Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble ausgebootet. "Was hawe mir davon, daß der Kopf in der Knesset empfangen wird" oder "wenn er irgendwo an der Elfenbeinküste ein Flußpolizeiboot in Dienst stelle derf", rechtfertigte einer der Kopf-Gegner sein Votum gegen den "behäbigen" Amtsinhaber. Kopf, der zu den Abgeordneten der ersten Stunde gehörte und der den Respekt der Kollegen beider Parteien einschließlich des Bundesaußenministers Willy Brandt (SPD) und des Kanzlers Kurt Georg Kiesinger (CDU) genoß, unterlag einem jüngeren Kandidaten. Letzterer schien der örtlichen CDU besser zum dynamisch vorwärtsdrängenden Zeitgeist der späten 1960er Jahre zu passen. Mit den Lorbeeren seines Ausschußvorsitzes konnte der 68 Jahre alte Kopf im Vorwahlkampf 1969 nicht punkten, der vor dem Hintergrund der außerparlamentarischen Revolte im Banne innen-, sozial- und wirtschaftspolitischer Reformvorhaben stand.

Nicht nur für den Vorsitzenden, sondern für den Ausschuß insgesamt brachte die Bildung der Großen Koalition am 1. Dezember 1966 einen relativen Bedeutungsverlust mit sich. Die außenpolitischen Schwergewichte beider Parteien - samt und sonders ehemalige Mitglieder des Ausschusses - waren nun um den Kabinettstisch im Palais Schaumburg versammelt oder trafen sich im Kressbronner Kreis an des Kanzlers Tafelrunde. Daß der Ausschuß nach 1966 eher am Rande des außenpolitischen Geschehens stand, legt jedenfalls die Lektüre der Protokolle der insgesamt 96 Sitzungen der 5. Legislaturperiode nahe, die von dem bewährten Team der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien textkritisch ediert sowie durch eine gründliche Einleitung und Indizes mustergültig erschlossen wurden. Damit hat dieses für die politische Zeitgeschichte wichtige Grundlagenforschung leistende Editionsprojekt die Schwelle zu den 1970er Jahren erreicht, als die von den Freiburger CDU-Jungtürken so heftig verschmähte Außenpolitik zurück ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit fand.

Der Doppelband deckt mit den vier Jahren von 1965 bis 1969 die Inkubationsphase der neuen Ostpolitik ab, die während der Großen Koalition kräftig Konturen gewann. Wieder stellte die deutsche Frage den Dreh- und Angelpunkt der außenpolitischen Beratungen dar. Angesichts der Verflüssigung der internationalen Situation tat sich Bonn bei der Verteidigung der Hallstein-Doktrin und des damit einhergehenden Alleinvertretungsanspruchs zunehmend schwer. Mitte 1966 fand diese Politik noch die Unterstützung aller Ausschußmitglieder. Auf der Sitzung vom 17. März 1966 bilanzierte Außenamtsstaatssekretär Karl Carstens, daß die Aufnahme der DDR in UN-Unterorganisationen erfolgreich habe verhindert werden können. Indes fände die westdeutsche, Anfang 1966 von beiden großen Parteien getragene Argumentation, daß eine wie auch immer geartete De-facto-Anerkennung "Pankows" zu verhindern sei, selbst unter den engsten Verbündeten nicht mehr einhellige Resonanz. Dieser Entwicklung mußte die Große Koalition Rechnung tragen. Der neue Kanzler Kiesinger ging einen Schritt über Ludwig Erhards Friedensnote vom 25. März 1966 hinaus und versprach in seiner Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966, die DDR in einen gesamteuropäischen Gewaltverzicht einzubeziehen. Zugleich stellte er eine Intensivierung der Kontakte mit dem anderen Teil Deutschlands in Aussicht. Mit seiner wichtigen Rede vom 17. Juni 1967 legte der Kanzler dann das alte Postulat von "Entspannung durch Wiedervereinigung" endgültig ad acta. Von nun an war die Wiedervereinigung die abhängige Variable.

Die Edition vermittelt einen guten Eindruck vom politischen Stil Brandts und seiner Gremienpräsenz. Brandt, der die Bundesregierung vor dem Ausschuß regelmäßig vertrat, tritt als ein gut vorbereiteter und kongenialer Gesprächspartner hervor, der die Fragen der Parlamentarier sachkundig parierte. Er strafte mit seinem geschickten Auftreten die Skeptiker in der Union Lügen, die den Außenminister im Grunde für ein politisches Leichtgewicht hielten, der von seinen Beratern komplett abhängig war. Als Bühne der Selbstdarstellung der Regierung mußte Brandt den Auswärtigen Ausschuß mit dem außenpolitisch ehrgeizigen und der Würde seines Amtes bewußten Kanzler teilen, der über seine Prärogativen eifersüchtig wachte. Insgesamt siebenmal trat der Kanzler vor dem Auswärtigen Ausschuß auf, zweimal im Tandem mit Brandt, einmal - nach der Niederschlagung des Prager Frühlings - sogar im Quartett mit Brandt, Schröder und Herbert Wehner. Der Kanzler hatte die kräftezehrende Aufgabe, in einem Zweifrontenkrieg die neue Ostpolitik vor den kalten Kriegern seiner eigenen Fraktion zu verteidigen. Zugleich mußte er, um die eigene Mannschaft bei der Stange zu halten, die Ungeduldigen im Lager des Koalitionspartners in Schranken weisen, zu denen auch sein entfernter Verwandter und schwäbischer Landsmann, das Ausschußmitglied Erhard Eppler (SPD), gehörte.

Kiesinger suchte daher im Auswärtigen Ausschuß die Differenzen zwischen seiner eigenen Position und der Brandts und der SPD zu überbrücken. In der Sache machen die Auftritte der beiden Koalitionsspitzen vor dem Ausschuß deutlich, was sich in der Forschung zunehmend abzeichnet: Ungeachtet des öffentlichkeitswirksamen Geplänkels und ihres unterkühlten persönlichen Verhältnisses zogen Brandt und Kiesinger über weite Strecken an einem Strang. Hatte sich Kiesinger bereits zu Beginn der Großen Koalition wesentliche Postulate der SPD zu eigen gemacht, so stellte sich Brandt nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Jugoslawien Anfang 1968 im Ausschuß hinter Kiesingers Bekräftigung der "Alleinvertretungspflicht" der demokratisch legitimierten Bundesrepublik - schon um die Erfolge der neuen Ostpolitik nicht zu gefährden. Erst als Kiesinger gegen Ende der Großen Koalition stärker auf seine Richtlinienkompetenz zu pochen begann und der Wahlkampf eine Polarisierung erforderte, bröckelte der ostpolitische Konsens zwischen Kanzler und Außenminister.

Wie sehr das Arrangement der Großen Koalition des Kanzlers Richtlinienkompetenz einzuschränken geeignet war, unterstreicht das nächtliche Ringen der Bonner Spitzen um den Abbruch der Beziehungen zu Kambodscha, nachdem das südostasiatische Land im Mai 1969 die DDR diplomatisch anerkannt hatte. Tatsächlich wurde die Hallstein-Doktrin nicht exekutiert, der deutsche Botschafter nur zurückgezogen, womit das "Kambodschieren" Einzug in das politische Vokabular hielt. Dieser Kompromiß stellte niemanden zufrieden, wie ein heftiges Nachbeben im Auswärtigen Ausschuß zeigt, der sich in zwei Sitzungen im Mai und Juni 1969 mit der Thematik kontrovers beschäftigte. Brandts Parlamentarischer Staatssekretär Gerhard Jahn (SPD) brachte es auf den Punkt, daß keine Seite über diese Koalitionsentscheidung glücklich gewesen sei, wenn auch jeweils "vermutlich allerdings aus etwas anderen Motiven". Dies veranlaßte den sudetendeutschen Vertriebenenfunktionär und CSU-Abgeordneten Walter Becher zu dem erregten Zwischenruf: "Da liegt der ,Hund' begraben!"

Waren dem Auswärtigen Ausschuß bei der konkreten Mitgestaltung der Außenpolitik auch Grenzen gesetzt, so konnten die Abgeordneten, die von der Ostpolitik bis zu den dornigen Problemen der europäischen Integration in der ausgehenden Ära des französischen Staatspräsidenten de Gaulle einen Beitrag zur politischen Willensbildung leisteten, politischen Druck vor allem dann ausüben, wenn sie über Parteilager hinweg einig agierten. Dies gilt neben der vom Ausschuß eng verfolgten auswärtigen Kulturpolitik vor allem für die anfänglichen Auseinandersetzungen um den Atomwaffensperrvertrag, bei dem die außenpolitischen Experten von Parlament und Fraktion die Bundesregierung zum Nachverhandeln anspornten, wenn auch die endgültige Unterzeichnung aufgrund von parteipolitischen Differenzen unterblieb. In einem Fall konnte der Auswärtige Ausschuß die Ratifikation eines Vertrages verhindern, als er das deutsch-französische Grenzabkommen vom 31. Juli 1962, das ein etwa 7 Quadratkilometer großes Gebiet in der Südpfalz, den Mundat-Wald, an Frankreich abgetreten hätte, an das Plenum des Bundestages weiterzuleiten sich weigerte. Diese Frage wurde erst 15 Jahre später gelöst, nachdem Frankreich auf alle territorialen Ansprüche verzichtet hatte und finanziell entschädigt worden war.

Die Parlamentarismuskommission hat mit dieser jüngsten Herkulesarbeit wieder editorische Standards gesetzt. Dank einer den massiven Bänden beigegebenen CD-ROM kann der quellenkritisch bearbeitete Volltext elektronisch recherchiert werden. Es wäre nicht zuletzt im Interesse eines besseren Zugangs für Studium und Lehre zu wünschen, daß die Protokolle auch online zugänglich gemacht werden. Das würde es auch einer breiteren Öffentlichkeit erleichtern, den Mitgliedern des wichtigsten außenpolitischen Forums des Bundestages über die Schulter zu schauen, das der scheidende Vorsitzende Kopf auf dessen vorletzter Sitzung im 2. Juli 1969 eine "Oase des Friedens" nannte.

PHILIPP GASSERT

Der Auswärtige Ausschuß des Deutschen Bundestages 1965-1969. Sitzungsprotokolle. Eingeleitet und bearbeitet von Joachim Wintzer unter Mitwirkung von Wolfgang Hölscher, Stephanie Urbach und Benedikt Wintgens. 2 Halbbände mit CD-ROM. Droste Verlag, Düsseldorf 2006. CLXVI und 1476 S., 160,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hohe Anerkennung zollt Rezensent Philipp Gassert dieser Ausgabe der Sitzungsprotokolle des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages zwischen 1965 und 1969. Er attestiert den Herausgebern, die Protokolle der insgesamt 96 Sitzungen textkritisch ediert sowie durch eine genaue Einleitung und Indizes "mustergültig" erschlossen zu haben. Im Mittelpunkt der Sitzungen sieht Gassert die deutsche Frage. Dabei lässt sich seines Erachtens die Entstehung der neuen Ostpolitik beobachten, die während der Großen Koalition Kontur gewann. Besonders deutlich wird für ihn auch der politische Stil Brandts und seine Zusammenarbeit mit Kiesinger hinter den Kulissen. Die Edition leistet seines Erachtens einen bedeutenden Beitrag zur zeitgeschichtlichen Grundlagenforschung. Er hebt die beiliegende CD-ROM hervor, mit der der quellenkritisch bearbeitete Volltext elektronisch recherchiert werden kann. Zudem schlägt er vor, die Protokolle der Öffentlichkeit auch online zugänglich zu machen.

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