Autor im Porträt
Annie Ernaux
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Die leeren Schränke
Broschiertes Buch
Vulgär und wütend, voller Ablehnung gegen die bürgerlichen Angepasstheiten - Annie Ernaux umkreist in Die leeren Schränke ein frühes einschneidendes Ereignis, das ihr gesamtes Leben prägen wird. Und erfindet dafür eine völlig neuartige, aufwühlende literarische Form.
An einem Sonntag im Jahr 1961 sitzt die zwanzigjährige Literaturstudentin Denise Lesur in ihrem Zimmer und wartet - dass ihr Körper die Abtreibung vollzieht, die eine Engelmacherin im Verborgenen eingeleitet hat. Der gebildete, bourgeoise, selbstgewisse Marc hat Denise auf die Nachricht der Schwangerschaft hin direkt verlassen. Und das Milieu, das er verkörpert, hätte sich auch nie ganz in ihrem Körper beheimaten können. Während sie also wartet, denkt sie über ihre Kindheit und Jugend nach: Zerrissen zwischen dem Elternhaus - obgleich stolze Épicerie-Besitzer sind ihre Eltern den bescheidenen, ländlichen Verhältnissen der Herkunft nie wirklich entronnen - und den Mitschülerinnen jener besseren Schulen, aufdie ihre guten Leistungen sie befördert hatten, fühlt sich Denise von beiden Seiten stets abgestoßen.
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An einem Sonntag im Jahr 1961 sitzt die zwanzigjährige Literaturstudentin Denise Lesur in ihrem Zimmer und wartet - dass ihr Körper die Abtreibung vollzieht, die eine Engelmacherin im Verborgenen eingeleitet hat. Der gebildete, bourgeoise, selbstgewisse Marc hat Denise auf die Nachricht der Schwangerschaft hin direkt verlassen. Und das Milieu, das er verkörpert, hätte sich auch nie ganz in ihrem Körper beheimaten können. Während sie also wartet, denkt sie über ihre Kindheit und Jugend nach: Zerrissen zwischen dem Elternhaus - obgleich stolze Épicerie-Besitzer sind ihre Eltern den bescheidenen, ländlichen Verhältnissen der Herkunft nie wirklich entronnen - und den Mitschülerinnen jener besseren Schulen, aufdie ihre guten Leistungen sie befördert hatten, fühlt sich Denise von beiden Seiten stets abgestoßen.
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13,00 €
Ich komme nicht aus der Dunkelheit raus
Gebundenes Buch
Annie Ernaux erzählt von ihrer Mutter und dem aussichtslosen Kampf gegen die Alzheimer-Erkrankung, von einer großen Liebe und der Zerstörungskraft des Vergessens. Und sie verewigt so, im Moment ihres Verschwindens, den Menschen, der ihr das Leben geschenkt hat.
Die Mutter verliert das Gedächtnis - mehr und mehr scheinen ihr die Familie, die Welt, das Leben abhandenzukommen. Annie Ernaux hält die Gespräche mit ihr fest, schreibt sie auf, intuitiv, aus der existenziellen Angst vor dem Verlust, wie gejagt von der Gewalt des Verfalls und der Erinnerungswucht an diese Kranke, die noch immer ihre Mutter ist. Mehr als ein Jahrzehnt bleiben diese Aufzeichnungen in der Schublade.
Und doch entschließt sich Ernaux später, diese Seiten zu veröffentlichen, weil es nicht nur ein Bild ihrer Mutter geben soll: sondern die Vielheit der Wahrheiten. So wird die Chronik eines langsamen Abschieds und einer schrecklichen Zerstörung lesbar - aber auch die Pionierleistung Annie Ernaux`, die schmerzhafte Suche nach der Sprache für eine Krankheit, die damals noch kaum beschrieben war.
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Die Mutter verliert das Gedächtnis - mehr und mehr scheinen ihr die Familie, die Welt, das Leben abhandenzukommen. Annie Ernaux hält die Gespräche mit ihr fest, schreibt sie auf, intuitiv, aus der existenziellen Angst vor dem Verlust, wie gejagt von der Gewalt des Verfalls und der Erinnerungswucht an diese Kranke, die noch immer ihre Mutter ist. Mehr als ein Jahrzehnt bleiben diese Aufzeichnungen in der Schublade.
Und doch entschließt sich Ernaux später, diese Seiten zu veröffentlichen, weil es nicht nur ein Bild ihrer Mutter geben soll: sondern die Vielheit der Wahrheiten. So wird die Chronik eines langsamen Abschieds und einer schrecklichen Zerstörung lesbar - aber auch die Pionierleistung Annie Ernaux`, die schmerzhafte Suche nach der Sprache für eine Krankheit, die damals noch kaum beschrieben war.
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22,00 €
Annie Ernaux
Die Französin Annie Thérèse Blanche Ernaux wurde 1940 in der Normandie geboren. Ihre Kindheit und Jugend, die sie in einer kleinen Gemeinde verbrachte, gelten als prägend für ihr literarisches Schaffen. Ernaux hatte eine Schwester, die jedoch noch vor ihrer eigenen Geburt verstarb. So wuchs Annie Ernaux als Einzelkind auf, behütet und in bescheidenen Verhältnissen. Ihre Eltern erzogen sie nach katholischen Grundsätzen. Ihre schulische Ausbildung erhielt sie an einem Mädchenpensionat, anschließend studierte sie Literaturwissenschaften. Nach ihrer Promotion war sie als Gymnasiallehrerin und Dozentin tätig. 1974 veröffentlichte sie ihren ersten autobiografischen Roman. Bis heute umfasst Ernaux' Werk über 20 Bücher - jedes davon ist ein bedeutender Teil ihrer Selbstfindung, literarisch umgesetzt.Die Auszeichnung des Nobelpreiskomittees erhielt Ernaux 2022 "für ihren Mut und den klinischen Scharfblick, mit denen sie die Wurzeln, Entfremdungen und kollektiven Beschränkungen der persönlichen Erinnerung bloßlegt". Unter den 118 Personen, die seit 1901 mit dem Nobelpreis für Literatur geehrt wurden, ist Annie Ernaux die 17. Frau.
Kundenbewertungen
Das andere Mädchen
Das Leid der Eltern
Für Eltern gibt es wohl nichts schlimmeres, als wenn ein Kind stirbt.
Und so beschreibt die Autorin treffend die Leerstelle, die nach dem Tod ihrer Schwester entstand. Sie selbst hat sie nie kennengelernt, weil sie erst nach ihrem Tod geboren wurde. Kurz vor Schluss erfahren wir, dass ihre Eltern glaubten, sich nur ein Kind leisten zu können.
Ihre Eltern redeten nicht von ihr, die Erzählerin fragte auch nicht. Auch die Gelegenheit zur Aufklärung, als über den Tod anderer Kinder gesprochen wurde, lassen die Eltern verstreichen. Selbst der Friedhofsbesuch geschieht nicht mit der jüngeren Tochter. Einzig von ihren Cousinen hat sie Fotos mit ihr bekommen, die mit 6 Jahren 1938 während einer Diphterie-Epidemie starb. Nur später während der Demenzkrankheit der Mutter fällt ihr ein, dass sie zwei Kinder geboren hat.
Und natürlich muss die Erzählerin auch damit leben, dass sie mit der Toten verglichen wird, die viel lieber war als sie, weil sie zur Heiligen wurde.
Dieses kleine Büchlein, dass höchstens 60 Textseiten hat, und von der Nobelpreisträgerin Brief genannt wird, lässt sich an einem Nachmittag gut lesen. Ich hoffe, dass heute nicht mehr alles totgeschwiegen würde. Für die Nachkriegszeit kann ich es mir aber vorstellen, weil die Vorstellung, das erwachsene Menschen plötzlich weinen könnten, so schlimm war, dass sie lieber schwiegen. Die anfängliche Frage, ob Ernaux in ihrem Leben wirklich das alles selbst erlebt hat, trat während des Lesens in den Hintergrund. Sie ist auch unwichtig. Also 5 Sterne.
Die leeren Schränke
»Klar sehen, zwischen zwei Krämpfen alles erzählen. Sehen, ab wann alles den Bach runter ging. Ich bin ja nicht mit dieser Wut zur Welt gekommen, ich habe sie nicht immer gehasst, meine Eltern, die Kundschaft, den Laden... Die anderen, die Kultivierten, die Professoren, die ehrbaren Leute hasse ich mittlerweile auch. Ich habe den Bauch voll von ihnen. Ich kotze auf sie, auf die Kultur, auf alles was ich gelernt habe. Von allen Seiten gef**ckt...« |17
Die 20jährige Literaturstudentin und Krämerstochter Denise Lesur beendet in »Die Leeren Schränke« ihre Schwangerschaft. Sie löst sich von der schamvollen Selbstunterordnung gegenüber ihrem Geliebten, dem standesbewussten Zahnarztsohn Marc und Seinesgleichen. In der Wartezeit auf den Abbruch erzählt sie sich wütend und emotional die Ausschlüsse der bürgerlichen Welt, der starren Klassengrenzen und von ihrem Klassenaufstieg, der ihr nur in Scham und Selbstverläugung möglich war. Ihr hungerndes Begehren nach Sexualität liest sich als Symbol für ihre Klasse. Die begrenzende Beschämung weiblicher Lust setzt zusätzlich Schranken, doch Lesur wird zu Befreiung und Selbstbestimmung finden.
Zu ihrem Stil hatte Ernaux in ihrem nun auch im Deutschen vorliegenden Debüt noch nicht gefunden. Die Sprache ist viel direkter, wütender, aufbegehrend, fast roh. Entgegen ihrem späteren Werk wählt Ernaux mit Lesur eine fiktionalisierte Figur, die wie wir heute wissen, viel mit der autofiktionalen Figur Ernaux und mit ihrer später kultivieren Archäologie ihrer Selbst zu tun hat. Es gibt hier noch keinen nüchternen sezierenden Blick, der von außen auf die Figur schaut.
Doch thematisch ist schon alles angelegt. »Die Leeren Schränke« läuft auf »Das Ereignis« zu, auf das die Literaturnobelpreisträgerin in ihrem späteren Werk zurückkommen wird. Es streift das Verlangen und die Scham der »Erinnerung eines Mädchens« und ist schon in der Stimmung von »Der Platz« »Die Scham« und »Eine Frau«.
Wem »Der Junge Mann« zu dünn war in Seiten und Inhalt, »Die Leeren Schränke« ist ein "richtiger Roman" und sowohl vom Inhalt spannend und vielschichtig, als auch für Ernaux-Kennerinnen interessant zu betrachten, wie ihr literarisches Werk begann, was schon angelegt war und was sich später erst entwickelte. Mich hat »Die Leeren Schränke« überzeugt.