Autor im Porträt
Cay Rademacher
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Nacht der Ruinen
Unheilvolles Lançon / Capitaine Roger Blanc ermittelt Bd.11
Cay Rademacher
Cay Rademacher, geboren 1965, ist freier Journalist und Autor. Bei DuMont erschienen seine Kriminalromane aus dem Hamburg der Nachkriegszeit: 'Der Trümmermörder' (2011), 'Der Schieber' (2012) und 'Der Fälscher' (2013). Seine Provence-Krimiserie umfasst: 'Mörderischer Mistral' (2014), 'Tödliche Camargue' (2015), 'Brennender Midi' (2016), 'Gefährliche Côte Bleue' (2017), 'Dunkles Arles' (2018) und 'Verhängnisvolles Calès' (2019). Außerdem erschien 2019 der Kriminalroman 'Ein letzter Sommer in Méjean'. Cay Rademacher lebt mit seiner Familie in der Nähe von Salon-de-Provence in Frankreich.Krimi des Monats - Tödliche Camargue
Es sieht aus wie ein Unfall. Ein Radfahrer liegt auf dem heißen Asphalt einer Straße in der Camargue, dieser wildkargen, sich südlich von der Stadt Arles erstreckenden Landschaft in Frankreich. Der Korpus des Toten ist furchtbar entstellt, aufgeschlitzt. Wie es aussieht, war dafür der gewaltige Kampfstier verantwortlich, der auch auf der Straße liegt und ebenfalls tot ist. Erschossen von einem Polizisten, der zuerst an der Unfallstelle war. Aber der tote Radfahrer ist nicht irgendwer. Es ist der berühmte Journalist Albert Cohen, der nicht nur für seine spannenden Reportagen bekannt war, sondern auch für seinen wilden, ekstatischen Pariser Lebensstil und seine mächtigen Freunde in der Politik.
"Es war Donnerstag, der 4. August und der siebte Tag einer Hitzewelle, die sich anfühlte, als hätte Gott den Midi aus Europa herausgeschnitten und in die Sahara verpflanzt."
Es ist also heiß, es passiert etwas Ungewöhnliches, es kocht. Sprachlich elegant und literarisch subtil wird der Leser in eine Geschichte gelockt, die von der ersten Zeile an packend und überraschend ist. Jemand, der derart kunstvoll…mehr
Wenn die Hitze zuschlägt
Es sieht aus wie ein Unfall. Ein Radfahrer liegt auf dem heißen Asphalt einer Straße in der Camargue, dieser wildkargen, sich südlich von der Stadt Arles erstreckenden Landschaft in Frankreich. Der Korpus des Toten ist furchtbar entstellt, aufgeschlitzt. Wie es aussieht, war dafür der gewaltige Kampfstier verantwortlich, der auch auf der Straße liegt und ebenfalls tot ist. Erschossen von einem Polizisten, der zuerst an der Unfallstelle war. Aber der tote Radfahrer ist nicht irgendwer. Es ist der berühmte Journalist Albert Cohen, der nicht nur für seine spannenden Reportagen bekannt war, sondern auch für seinen wilden, ekstatischen Pariser Lebensstil und seine mächtigen Freunde in der Politik.
"Es war Donnerstag, der 4. August und der siebte Tag einer Hitzewelle, die sich anfühlte, als hätte Gott den Midi aus Europa herausgeschnitten und in die Sahara verpflanzt."
Es ist also heiß, es passiert etwas Ungewöhnliches, es kocht. Sprachlich elegant und literarisch subtil wird der Leser in eine Geschichte gelockt, die von der ersten Zeile an packend und überraschend ist. Jemand, der derart kunstvoll eine Erzählung einleitet, versteht sein Handwerk. Der Autor des Buches ist der Deutsche Cay Rademacher, der sich bereits mit zahlreichen Krimis einen Namen als gewiefter Erdenker von originell, mitreißend und stimmungsvoll erzählten Kriminalfällen gemacht hat.
Capitaine Roger Blancs zweiter Fall
In "Tödliche Camargue" ermittelt Capitaine Roger Blanc, ein ehemaliger Korruptionsfahnder aus Paris. Er wurde aus seinem alten Job gedrängt, weil er den Mächtigen Frankreichs zu nahe gekommen war. Rademacher, der mit seiner Familie in der Provence lebt, schickt den gewieften und vom Leben gezeichneten Blanc nach "Mörderischer Mistral" (2014) in seinen zweiten Fall. Der spielt wieder in der Provence, der Landschaft des Weins, des Lavendels und eines magischen Lichtes, das sich unvergesslich in die Erinnerung eines jeden Besuchers schiebt.
"Tödliche Camargue": Ein fein gesponnener Plot
Ohne zu viel von dem fein gesponnenen Plot zu verraten: Blancs sensible und gut trainierte Ermittlernase bemerkt sofort, dass der Unfall höchstwahrscheinlich gar kein Unfall war, sondern ein kaltblütiger, wohl geplanter Mord. Er nimmt die Fährte auf und landet in einem verzwickten Fall, der ihn nicht nur in die geheimnisvolle Kunstgeschichte der Provence führt, sondern auch auf die Spur dunkler Machenschaften eines großmäuligen Verlegers und dessen politischer Freunde.
Interessante Charaktere und eine stimmige Provence-Atmosphäre
Rademacher versteht es, eine klischeefreie Handlung mit interessanten, wirklichkeitsnahen Charakteren zu entwerfen und die Atmosphäre der Provence stimmig zu "transportieren". So garniert er den Text mit Informationen zur Geschichte, Kultur und Natur, zur Stierzuchtoder auch zu kulinarischen Besonderheiten, ohne den Leser dabei zu überfordern und die Geschichte zu überfrachten. So entsteht ein gehaltvolles Stimmungspanorama, vor dessen Hintergrund sich die kriminellen Machenschaften abspielen. Aber selbst die Beschreibung und Aufdeckung dieser Abgründe wirkt nie überzogen oder überdreht. Der Leser bemerkt sofort: Hier sind nur Menschen am Werk und keine unglaubwürdigen Comicfiguren.
"Tödliche Camargue" schreit geradezu nach einer Verfilmung. Diese wird sicher nicht lange auf sich warten lassen. Wie auch hoffentlich der nächste Fall von Roger Blanc.
Ermittlersteckbrief Capitaine Roger Blanc
Kein Superheld
Capitaine Roger Blanc, der Held aus Cay Rademachers Provence-Krimis,
ist ein Ermittler, der vor allem eins ist:
Mensch
"Tödliche Camargue" (DuMont) ist der zweite Fall von Capitaine Roger Blanc, der ihn noch tiefer in die dunklen Widersprüche seiner neuen Heimat eintauchen lässt. Blanc hatte seine Stelle als Topfahnder für Korruptionsfälle in Paris verloren, weil er sich mit den Mächtigen der Republik angelegt hatte.
Der Kriminalbeamte, zwanzig Jahre Berufserfahrung auf dem Buckel, landet in dem Provence-Kaff Gadet, wo er nicht nur versucht, sich in seinem neuen Job als herkömmlicher Ermittler einzurichten, sondern auch daran arbeitet, sein aus den Fugen geratenes Leben wieder in den Griff zu bekommen. Nach wie vor fährt er mit seinem alten Renault Espace durch die Gegend. Die Familienkutsche symbolisiert die Vergangenheit Blancs, als er noch mit seiner Frau und seinen beiden Kindern Eric und Astrid in der französischen Hauptstadt lebte. Seine Exfrau Geneviève tourt mit ihrem neuen Liebhaber durch die Karibik, zu seinen Kindern hält Roger Blanc nur sporadisch Kontakt. Der Vollblutermittler hat sich eben…mehr
Kein Superheld
Capitaine Roger Blanc, der Held aus Cay Rademachers Provence-Krimis,
ist ein Ermittler, der vor allem eins ist:
Mensch
"Tödliche Camargue" (DuMont) ist der zweite Fall von Capitaine Roger Blanc, der ihn noch tiefer in die dunklen Widersprüche seiner neuen Heimat eintauchen lässt. Blanc hatte seine Stelle als Topfahnder für Korruptionsfälle in Paris verloren, weil er sich mit den Mächtigen der Republik angelegt hatte.
Der Kriminalbeamte, zwanzig Jahre Berufserfahrung auf dem Buckel, landet in dem Provence-Kaff Gadet, wo er nicht nur versucht, sich in seinem neuen Job als herkömmlicher Ermittler einzurichten, sondern auch daran arbeitet, sein aus den Fugen geratenes Leben wieder in den Griff zu bekommen. Nach wie vor fährt er mit seinem alten Renault Espace durch die Gegend. Die Familienkutsche symbolisiert die Vergangenheit Blancs, als er noch mit seiner Frau und seinen beiden Kindern Eric und Astrid in der französischen Hauptstadt lebte. Seine Exfrau Geneviève tourt mit ihrem neuen Liebhaber durch die Karibik, zu seinen Kindern hält Roger Blanc nur sporadisch Kontakt. Der Vollblutermittler hat sich eben immer mehr für seinen Beruf als für seine Familie interessiert. Er sehnt sich zwar nach seinem alten Leben, kapiert aber, dass dieses unwiederbringlich vorüber ist.
In der Provence bewohnt Blanc eine alte, deutlich renovierungsbedürftige Ölmühle, die einst seinem Onkel gehörte. Während er in seinem ersten Fall "Tödlicher Mistral" (2014) noch mit seinem neuen Leben haderte, beginnt er sich in seinem zweiten Fall mit seinem Schicksal anzufreunden. Die Ölmühle soll endlich renoviert werden, der klapprige Espace wird gegen einen neuen Wagen eingetauscht. Und auch mit seinen neuen Kollegen arrangiert sich Blanc immer besser: das sind die clevere und quicklebendige IT-Expertin Fabienne und der träge Trinker Marius, der sich wie ein angeschossener Büffel durchs Leben quält. Nach wie vor pflegt Blanc eine stürmische Affäre mit der schönen Untersuchungsrichterin Aveline Vialaron-Allègre. Eine Affäre, die ihn ebenfalls an sein altes Leben bindet. Denn Aveline ist kurioserweise die Frau des Mannes, der ihn in Paris zu Fall gebracht hat.
Blanc ist ein gewiefter, mit allen Wassern gewaschener Ermittler, der das gute Essen liebt, mitunter altmodische Marotten pflegt und sich für alte Technik begeistert. Beispielsweise interessieren ihn "komplizierteste Apparate, nur mittels Federn und Zahnrädern so zu bauen, dass sie ohne Batterien und Ladegeräte und tausend Kabel funktionierten. Er hatte vom Überstundengeld einiger Nachtschichten eine alte Leicaflex SL erstanden und Schwarz-Weiß-Fotos vom Eiffelturm gemacht."
Autor Cay Rademacher hat mit Blanc einen kauzigen Kommissar ins Leben gerufen, der aber weder ein Superheld mit ungewöhnlichen Fähigkeiten ist, nochein total kaputter Fahndermit überzeichneten Macken, die den Leser enervieren. Vielmehr ist Blanc - und das ist als Vorzug zu verstehen - durch und durch Mensch, an dessen Beispiel Rademacher in gekonnter Manier einen Lebenswandel literarisch exemplifiziert.
Wer Krimis mag, die uns die Tragik der menschlichen Existenz näherbringen und verstehen lassen, der ist gut beraten, sich mit Roger Blanc auf Ermittlung begeben.