
Autor im Porträt
David, Grossmann
zur AutorenweltToptitel von David, Grossmann
Stichwort: Liebe
Broschiertes Buch
Der Roman, der David Grossman international berühmt machte
Momik ist neun Jahre alt und das einzige Kind in einer Straße von Schoah-Überlebenden. Von dem, was »Dort« geschah, wird geschwiegen, er muss sich allein zusammenreimen, was es mit der »Nazi-Bestie« auf sich hat und wie er seine Eltern von ihr befreien kann. Dabei gerät sein eigenes Leben in die Fänge der Bestie. Später, als Schriftsteller, setzt er den Kampf fort, versucht das Grauen zu erzählen und seine Figuren dennoch vor ihm zu retten. Voll Wärme und Witz an seinen dunkelsten Stellen - ein großer Roman vom Weiterleben.
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Momik ist neun Jahre alt und das einzige Kind in einer Straße von Schoah-Überlebenden. Von dem, was »Dort« geschah, wird geschwiegen, er muss sich allein zusammenreimen, was es mit der »Nazi-Bestie« auf sich hat und wie er seine Eltern von ihr befreien kann. Dabei gerät sein eigenes Leben in die Fänge der Bestie. Später, als Schriftsteller, setzt er den Kampf fort, versucht das Grauen zu erzählen und seine Figuren dennoch vor ihm zu retten. Voll Wärme und Witz an seinen dunkelsten Stellen - ein großer Roman vom Weiterleben.
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15,00 €
Frieden ist die einzige Option
Gebundenes Buch
"Wie viel Blut muss noch vergossen werden, bis wir einsehen, dass der Frieden unsere einzige Option ist?" - so David Grossmans Appell bei der Münchner Sicherheitskonferenz, mit allen Kräften für den Frieden im Nahen Osten einzutreten. Sein neues Buch warnt eindringlich vor der Eskalation der Gewalt und macht sich für eine Zweistaatenlösung stark. Der Kampf zwischen denen, die Verzweiflung und Hass säen, und denen, die ein menschenwürdiges Leben führen wollen, muss auf beiden Seiten beendet werden. Auch nach dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 meldet Grossman sich zu Wort und gibt den Mut zu einem neuen Anfang nicht auf. Dieser Band versammelt seine wichtigsten aktuellen Beiträge vor und nach dem "Schwarzen Schabbat".…mehr
10,00 €
David, Grossmann
David Grossman wurde 1954 in Jerusalem geboren und gehört zu den bedeutendsten Schriftstellern der israelischen Gegenwartsliteratur. 2008 erhielt er den Geschwister-Scholl-Preis, 2010 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Bei Hanser erschienen zuletzt Diesen Krieg kann keiner gewinnen / (2003), Das Gedächtnis der Haut / (2004), Die Kraft zur Korrektur / (2008), Eine Frau flieht vor einer Nachricht / (Roman, 2009), Die Umarmung / (2012), Aus der Zeit fallen / (2013) und Kommt ein Pferd in die Bar / (Roman, 2016).Kundenbewertungen
Aus der Zeit fallen
!ein Lesehighlight 2023!
Klappentext:
„Totenklage und Hymnus auf das Leben zugleich
Ein Mann streift klagend durch die Stadt, trauernd um seinen toten Sohn. Andere Leidtragende schließen sich ihm an. Zusammen bilden sie einen vielstimmigen Chor, der all die Fragen besingt, mit denen Verstorbene ihre Angehörigen zurücklassen. David Grossman, einer der bedeutendsten Autoren Israels, legt einige Jahre nach dem Tod seines eigenen Sohnes im Libanonkrieg sein wohl persönlichstes Buch vor.“
Ein kleines Buch mit einer gewaltigen Geschichte die einen berührt und unweigerlich gefangen nimmt. Grossmann erzählt hier seine ganz persönliche Geschichte und ja, sie ist mehr als schwer erträglich. Wer sich mit Trauerbewältigung ein wenig auskennt weiß, man muss diesem ganzen Elend Luft machen und es von der Seele lassen. Entweder schreiben, heraus brüllen oder mit jemanden sprechen der Ahnung von der Materie hat. Grossmanns Geschichte ist unglaublich berührend und durch seine lyrische und poetische Sprache einfach ein Genuss trotz der traurigen Hintergrundes. Grossmann und seine Familie sind nicht allein mit der Trauer und genau das erzählt er brillant mit dem Auftritt des Chors. Ein Buch bei denen mir die Worte förmlich fehlen….
Als Fazit kann ich klar sagen: es ist mir unbegreiflich wieviel Emotionen, sprachliche Brillanz und dieses bittere Thema Tot in dieses dünne Büchlein passte. Dieser Autor hat ein Meisterwerk verfasst, welches eine Art Umarmung an alle ist, die einen geliebten Menschen verloren haben. Wenn ich könnte, würde ich gern mehr als 5 Sterne vergeben.
Eine offene Rechnung
In dem Buch "Eine offene Rechnung" geht es um einen Jungen, der in einem Altenheim einen alten Mann betreut. Eines Tages erhält dieser einen unheimlichen Drohbrief. Er wird von einem Mann, mit dem er früher gemeinsam studiert hat, zu einem Duell aufgefordert. Der Junge versucht herauszufinden, welchen Grund es für das Duell gibt. Wird es ihm gelingen, das Duell zu verhindern und den alten Mann zu retten?
Das Buch ist sehr spannend geschrieben. Am Anfang erfährt man die Gedanken des Jungen, während er unter dem Bett des alten Mannes liegt und auf den Herausforderer wartet. Eine "2" als Note gebe ich deshalb, weil die Geschichte so plötzlich zu Ende ist. Empfehlen würde ich "Eine offene Rechnung" für 10-12-Jährige.
Das Buch ist sehr spannend geschrieben. Am Anfang erfährt man die Gedanken des Jungen, während er unter dem Bett des alten Mannes liegt und auf den Herausforderer wartet. Eine "2" als Note gebe ich deshalb, weil die Geschichte so plötzlich zu Ende ist. Empfehlen würde ich "Eine offene Rechnung" für 10-12-Jährige.
Kommt ein Pferd in die Bar
Nach der Lektüre des Buches habe ich mir das Literarische Quartett angesehen und ich muss sagen, dass wirklich erstaunlich viele Möglichkeiten gibt, dieses Buch zu lesen.
Ich habe von einem Kabarettisten gelesen, der sein Leben erzählt und zwischendurch Witze fürs Publikum erzählt, darunter drei sehr gute. Dem größten Teil des Publikums reicht das nicht. Es verlässt den Saal.
Ob er vom zuhörende Richter ein Urteil erwartet, weiß ich nicht. Was soll er sagen? Eher eine Entschuldigung, dass er ihn nicht alleine aus dem Militärlager hätte ziehen lassen sollen.
Im Quartett war noch von einer dritten Ebene die Rede, die ich aber nicht bemerkt habe.
Vielleicht bin ich zu dumm für dieses Buch.
Was Nina wusste
Viele Fragen offen
Mich erinnerte die Idee des Buches an Julie Zeh „Neujahr“, wo ein Ehepaar auf Lanzarote auch ihre Kinder verlässt. Grosman hätte das Thema mit einem politischen Hintergrund zuspitzen können, nämlich dem Selbstmord des Ehemann, der als Regimegegner Titos in Jugoslawien verhaftet wird.
Seine Frau wird vor die Wahl gestellt entweder zu unterschreiben, dass ihr Ehemann Stalinist war oder ins Gefängnis zu kommen und damit ihre 6jährige Tochter alleine zu lassen.
Leider versäumt es der Autor, uns mehr vom politischen Hintergrund zu erzählen, obwohl der Roman einen historischen Kern hat. Vielleicht ist genau dieses das Problem des Buches. Aus Bekanntschaft mit der echten Vera wird der 90. Geburtstag der Romanfigur so dargestellt, als wären wir bei „Dinner for one.“
Nach der Lektüre fragt man sich, warum dies überhaupt behandelt wurde. Viel lieber hätte wir mehr von der schlechten Behandlung Ninas bei Veras Schwester erfahren. Reicht als einzige Begründung, dass ihre Mutter einen Serben geheiratet hat?
Im Nachhinein wissen wir nur, dass Tito seine Opfer auf der Gefängnisinsel Goli Otok quälte, die in jugoslawischen Geschichtsbüchern wohl fehlte. Der Autor erzählt umständlich. Ein Stammbaum hätte anfangs gut getan. Langweilig war es aber nicht. Insgesamt 3 Sterne.
Kommt ein Pferd in die Bar
Lachen und Weinen
Das Original des erfolgreichsten Romans von David Grossman wurde 2014 in Israel veröffentlicht und zwei Jahre später sowohl ins Englische als auch, unter dem Titel «Kommt ein Pferd in die Bar», ins Deutsche übersetzt. Der Roman wurde 2017 als bester fremdsprachiger Roman mit dem Booker International Prize ausgezeichnet, dessen Preisgeld von 80.000 Pfund sich Autor und Übersetzer teilen. Während das Buch in seinem Heimatland Israel recht unterschiedlich bewertet wurde, war das Echo im deutschen Feuilleton einhellig positiv. Alleiniges Thema des Romans ist ein Auftritt des Komikers Dov Grinstein in einer israelischen Stadt am Mittelmeer, es ist der Tag seines 57ten Geburtstags.
Zu diesem Abend hat er Avischai Lasar eingeladen, einen gleichaltrigen Freud aus seiner Kindheit, die Beiden haben sich seit 40 Jahren nicht mehr gesehen! Der ehemalige Richter wurde vor drei Jahren vorzeitig in den Ruhestand versetzt, weil den Vorgesetzten seine scharfsinnigen, immer exzellent begründeten Urteile nicht mehr gepasst haben, sie gaben häufig Anlass zur Revision. Der Stand-up-Comedian hatte große Schwierigkeiten, den auch in den Medien bekannten, hohen Richter a. D. zum Kommen zu bewegen. Sein alter Freund Avischai hat es sich nämlich als Pensionär gemütlich gemacht und ist mental inzwischen auch über den Tod von Samanta hinweg, seiner ehemaligen Freundin. Aber was ihn schon gar nicht interessiert, das sind solche Comedy-Shows, und dann soll er Dov auch noch berichten, wie er seinen Auftritt bewertet! «Das, was von einem Menschen ausgeht, ohne dass er Kontrolle darüber hat – das sollst du mir erzählen.» Er habe ja in seiner Zeit als Richter bewiesen, welch glänzender Formulierer er ist, - und schließlich gibt Avischai nach.
«Einen wun-der-ba-ren Guten Abend» heißt es am Anfang, «Gute Nacht» sind die Schlussworte nach gut 250 Seiten, chronologisch sind es zwei, drei Stunden später, dazwischen wird von Dovs denkwürdigem Auftritt berichtet. Er beginnt mit den üblichen Späßen, erzählt viele Witze, erweist sich als schlagfertig, wenn er Leute aus dem Publikum mit einbezieht, ist mimisch und gestisch virtuos. Immer öfter aber schweift er zu seiner leidensvollen Kindheit ab und provoziert damit sein Publikum, das zum Lachen hergekommen ist. Dov reagiert aggressiv, die Proteste werden lauter, man will keine Leidens-Geschichten hören, erste Gäste verlassen den Saal. Mit seinen Witzen gelingt es ihm immer wieder, die Leute zu beruhigen, die lauter werdenden Buh-Rufe für kurze Zeit zum Verstummen zu bringen, aber der Abend wird zusehends zum Fiasko. Mit «Ein Pferd kommt in die Bar» beginnt er einen Witz, den er nicht zu Ende erzählt, er hat sich buchstäblich vergaloppiert, verliert dauernd den Faden. Er ist als Comedian am Ende, bei aller Gelenkigkeit ein körperliches Wrack, sein Freund erkennt aber die Sehnsucht, die da aus seinem total missglückten Auftritt mit der schonungslosen Lebensbeichte überdeutlich spricht. Verstörend ist insbesondere die Einbeziehung des Holocausts in seine Erzählung, sein Vater habe ihn als Einziger in der Familie überlebt. Die Mutter wurde hochgradig traumatisiert, weil sie sich in Todesangst ein halbes Jahr lang unter prekären Verhältnissen vor den Nazis verstecken musste. Sie hat sich nie mehr davon erholt, blieb ihr Leben lang schwer davon gezeichnet. Dov wollte sie aufheitern, unterhielt sie mit Späßen und wurde so zum Comedian wider Willen.
Der Erzähler des Romans ist der pensionierte Richter, er schildert die Gratwanderung zwischen mit Witzen gewürzter, oft in Klamauk abgleitender Komik und der Leidensgeschichte, die Dov auf der Bühne, unbeirrt vom Protest des Publikums, trotzig von sich gibt. Von einigen Rückblenden abgesehen ist das der alleinige Erzählstoff des Romans, zu dem sein Autor überraschend angemerkt hat, er selbst sei eigentlich gar kein Freund von Witzen. Lachen und Weinen liegen hier sehr eng beieinander!
Was Nina wusste
'Was Nina wusste' ist ausgelesen. Puh, endlich, warum ich es nicht abgebrochen habe, kann ich eigentlich nicht sagen, vielleicht wollte ich endlich wissen was Nina wusste...
Drei Frauen stehen hier im Fokus:
- Vera, 90 Jahre alt, Jugoslawische Kommunistin, damals von der Tito-Regierung auf die Gefängnisinsel Goli Otok verschleppt
- ihre Tochter Nina, die sich ein Leben lang verstoßen und ungeliebt fühlte
- und Ninas Tochter Gili, die bei ihrem Vater aufwuchs, da Nina verschwand.
Der Bruch zwischen Gili und Nina ist auch nach 50 Jahren irreparabel. Gemeinsam treten sie mit Vera und Gilis Vater eine Reise an, um Veras Vergangenheit und den Ursprung des Zerwürfnisses aufzuarbeiten.
Leider konnte mich das Buch nicht überzeugen. Obgleich es einen wichtigen historischen Hintergrund hat, gefiel mir der Schreibstil nicht:
Ständig wechselten Erzähler und Perspektiven: Mal erzählte Gili in der Ich-Form und sogleich wechselte sie ansatzlos in die 3.Person Singular. Auch ihr Sprachstil, der von poetisch bis vulgär-anrüchig bis hin zum Jugoslawischen Akzent reichte, sprach mich nicht an.
Schade, ich hatte mir mehr versprochen, nachdem ich hier viel positives gelesen hatte. Leider keine Leseempfehlung von mir.
Was Nina wusste
Der Autor hat mich emotional nicht abgeholt
Zu Veras 90. Geburtstag trifft sich die ganze Familie. Auch ihre Tochter Nina ist extra von Skandinavien in den Kibbuz gereist. Seit Jahrzehnten kapselt sie sich schon von der Familie ab. Nach der Feier beschließen Nina, Vera, die Enkeltochter Gili und Rafi, der Gilis Vater, Ninas Exmann und Veras Stiefsohn in einer Person ist, eine Reise in die Vergangenheit anzutreten und sich nach Kroatien zu begeben. Hier wollen sie einen Film drehen, deren Mittelpunkt die Erinnerungen von Vera bilden, denn sie und ihre Tochter Nina haben hier ursprünglich gelebt…
Die Einführung der einzelnen Figuren und die Darlegung der Beziehungen zueinander habe ich von der Atmosphäre her als sehr niederdrückend und belastend empfunden. David Grossman zeigt uns, wie dysfunktional die Familie ist. Unbearbeitete Konflikte der einen Generation werden an die nächste weitergegeben, so dass hier die alten Muster weitergelebt werden müssen.
Als die vier Figuren – Oma, Mutter, Tochter und Rafi – zu ihrer Reise aufbrechen, wirkt die Grundstimmung des Romans auf mich gelöster und fröhlicher. Die Stimmung wirkt als Hintergrund, denn bei den Personen sind die alten Konflikte nach wie vor nicht gelöst, sondern können jetzt im Gegensatz zu vorher nicht mehr umgangen werden, da die Personen sich nicht mehr aus dem Weg gehen können. Die Szenen erinnern teilweise an einen Road Movie und standen mir bildlich vor Augen.
In „Was Nina wusste“ überrascht der Autor immer wieder mit gekonnten Sprachspielereien, die mir als Leserin wiederholt einen Aha-Effekt beschert haben. Ich genieße es, wenn Autoren mich mit ihrer Freude an der Sprache umschmeicheln.
Doch so schön manche Formulierungen waren, insgesamt habe ich die Sprache eher als distanziert und sachlich empfunden. Die Personen sind für mich nicht greifbar geworden. Ich habe keinen empathischen Zugang zu ihnen gefunden. Interessant war für mich vor allem Nina. Sie ist als schwierige, unangepasste Person angelegt, die gerne Tabus bricht. Dadurch wurde mein Interesse an ihr und ihrer Vergangenheit geweckt. Was ist mit ihr passiert? Was hat sie zu der Person geformt, die sie nun ist? Ihre Mutter Vera dagegen habe ich meistens als sehr unauthentisch und aufgesetzt erlebt und bin mit ihr gar nicht warm geworden. Gili, aus deren Perspektive der Großteil der Geschichte erzählt wird, ist mir zu blass geblieben, um eine klare Gestalt anzunehmen.
Auch die Auflösung am Ende des Buches hat mich enttäuscht. Über den Großteil des Buches wurde eine sich immer weiter steigende Erwartung in mir aufgebaut, die am Ende einen Moment von „Aber das wussten wir doch von Anfang an“ bei mir ausgelöst hat. Zum Schluss haben mich weder die Figuren noch die Geschichte wirklich erreichen und überzeugen können. Zusammenfassend reicht meiner Meinung nach die Sprachästhetik des Autors nicht aus, um die erzählerischen Schwächen in der Personenzeichnung zu kompensieren.
Was Nina wusste
Der Whisky bringt’s
Der neue Roman «Was Nina wusste» von David Grossmann basiert auf der Lebensgeschichte der kroatischen Kommunistin Eva Panic-Nahir, die als jüdische Partisanin zusammen mit ihrem serbischen Mann gegen die Nazis gekämpft hat. Als das Tito-Regime sie später als Stalinisten verfolgte, beging ihr Mann im Gefängnis Selbstmord, sie selbst wurde zur Umerziehung auf die berüchtigte Insel Goli Otok gebracht. Im Roman ergänzt der Autor diese Fakten vor allem durch psychologische Tiefenlotungen seiner Figuren, er entwickelt in seinen fiktionalen Ergänzungen detaillierte Psychogramme von ihnen, Freudianer dürften begeistert sein.
Vera, zentrale Figur des Romans, feiert im Kibbuz ihren 90ten Geburtstag. Ihre Tochter Nina, die ihr geradezu feindlich gegenübersteht und mit der sie seit vielen Jahren kaum Kontakt hatte, kommt von einer Insel am Polarkreis angereist, auf die sie sich in ihrer Weltflucht zurückgezogen hat. Die 39jährige Enkeltochter Gili, die wie ihr Vater Rafi beim Film arbeitet, hat beschlossen, die Feier filmisch zu dokumentieren, anschließend sollen alle gemeinsam nach Kroatien reisen, zu den Stätten von Veras Geschichte. Es geht dabei um die Leerstellen in deren Vita, vieles ist rätselhaft geblieben. Denn sie hatte sich, als sie von der Geheimpolizei verhört wurde, strikt geweigert, ihren toten Mann als stalinistischen Verräter zu denunzieren, was ihr die Freiheit gebracht hätte. Man hatte ihr angedroht, dass ihre sechseinhalbjährige Tochter Nina unbetreut auf der Strasse landen würde, wenn sie nicht unterschreibt. Aber Vera blieb stur, ihr verstorbener Mann war die große Liebe ihres Lebens, ihn zu verraten wäre für sie gleichbedeutend damit, ihr eigenes Leben auszulöschen, er war nun mal ihr Ein und Alles. Nina hat diese Entscheidung niemals akzeptiert, sie wurde zu einer schwierigen Einzelgängerin, hat sich von ihrer Familie gelöst und ist entwurzelt in der Welt herumvagabundiert, jahrelang war sie unauffindbar. Auf der Feier offenbart die total verbitterte Nina plötzlich, dass sie seit einigen Monaten unheilbar an Demenz erkrankt ist. Sie bittet, die Dokumentation über Veras Leben perspektivisch in einen Film für die ‹Demente Nina› abzuändern, so als würde man alles nur der erzählen. Später könne man der Patientin immer wieder mal diese Aufnahmen vorspielen, um sie in die reale Welt zurückzuholen.
Es ist ein weites Feld, das David Grossmann da bearbeitet, mit der Liebe in den verschiedensten Intensitätsgraden als zentralem Thema vor dem Hintergrund der Verwerfungen des 20ten Jahrhunderts. Krieg, Nationalismus, Völkermord, Kommunismus, Diktatur, Verbannung, Holocaust und Zionismus sind Themen, die in den Plot hineinwirken und die Schicksale seiner Figuren bestimmen. In all dem schrecklichen Geschehen sind es die Frauen dreier Generationen aus dieser Familie, die beherzt gegen die politischen Pressionen ankämpfen, allen voran Vera. Mit viel Empathie gelingt es dem israelischen Autor, seine Protagonisten menschlich überzeugend zu beschreiben, eine beinahe vorbehaltlose Nähe des Lesers zu ihnen herzustellen. Vieles erschließt sich in dieser Geschichte aus den Dialogen, bei denen besonders Veras kroatisch/jüdisch gefärbtes Idiom ebenso zum Schmunzeln reizt wie ihre eigensinnige, manchmal verblüffende Sicht der Dinge. Was Vera im Roman nur zögernd preisgibt, ihr vermeintliches Geheimnis, ist genau das, «Was Nina wusste», wie ja schon der Titel verrät.
Es ist nicht weniger als eine zutiefst moralische Frage, die dieser Roman aufwirft. Ist Veras Entscheidung vertretbar, die Ehre ihres - ja bereits toten - Mannes höher zu bewerten als die schlimme Zukunft, die ihre alleingelassene Tochter in einem mörderischen System zu erwarten hat? Leider gelingt es dem Autor nicht, sein schwieriges Thema ohne Pathos zu behandeln, was erheblich stört beim Lesen. Und wirklich peinlich wird es, wenn am Ende das Trauma einer jahrzehntelangen Entfremdung einfach mit einer Flasche Whisky hinweg gespült wird.
Was Nina wusste
Vera, Nina und Gili - Großmutter, Mutter und Enkelin - kommen nicht miteinander klar. Schuld daran ist jeweils natürlich die Mutter. Dazu gibt es noch Einblicke in ein Lager des Tito-Regimes, eine Alzheimer-Diagnose und eine Reise durch das ehemalige Jugoslawien.
Dieser Roman ist für mich hauptsächlich überflüssig. Auch wenn mir einige Passagen zwischendurch gefallen haben, ist das wesentliche Gefühl, das bleibt, Langeweile. Der Roman hinterlässt den Eindruck, dass hier einem Problem, das längst aufgearbeitet sein sollte, überproportionale Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dieser Eindruck entsteht dadurch, dass für mich der Handlungsaufbau nicht stimmt, das Erzähltempo korreliert nicht mit der Aussage, die der Roman eigentlich tätigen will. So bereiten wir uns gefühlte 345 Seiten darauf vor, was Nina wusste, wie ihr Trauma entstand, etc. und werden dann mit ein paar Winzigkeiten abgespeist, die das ganze Drama nicht sonderlich nachvollziehbar machen, sondern zumindest bei mir ein Schulterzucken und "who cares" hervorrufen. Wie man aufgrund dessen, was passiert ist, auch nach über sechzig Jahren so traumatisiert und wenig verzeihend sein kann, sich so konsequent auf die verbockte, schmollende Position zurückziehen kann, wie Nina, ist kaum verständlich und sehr anstrengend und nur mit mangelndem Erwachsenwerden zu erklären.
Aber nicht nur Nina ist so eine anstrengende Figur, auch ihre Tochter Gili (mittlerweile fast vierzig), gefällt sich am besten in der Rolle des die Mutter ablehnenden Teenagers. Sie ist dazu noch die Erzählinstanz, wird aber vom Autor kaum mit spannenden Eigenschaften ausgestattet und tritt in der erzählerischen Vermittlung auch oft sehr weit in den Hintergrund, manchmal muss man sich fast bewusst daran erinnern, dass es sie noch gibt.
Die Handlung selbst, die um einen Roadtrip durch Veras Vergangenheit kreist, ist eigentlich nur der Aufhänger, um die drei Frauen aufeinander loszulassen, und die Verletzungen und Mutter-Tochter-Geflechte in den Mittelpunkt zu stellen. Merkwürdigerweise sollte der Leser spätestens jetzt doch so etwas wie emotionale Nähe spüren, eine Betroffenheit in sich erkennen. Mir ist das selbst bei den Szenen auf der Lagerinsel nicht gelungen, wohl deshalb, weil Großmutter Vera fast fröhlich und energiegeladen wie bei einem Klassentreffen durch die alten Baracken streift, während Nina nun noch einmal endlich abschließend und umfassend der überzogenen Dramatik huldigt.
Stilistisch hat mir der Roman leider auch nicht gefallen. Zum einen werden auf der Ebene der Erzählinstanz umgangssprachliche Orthographie und Formulierungen verwendet. Das ist in Ordnung und sinnvoll, wenn es konsequent durchgehalten wird - hier wird es sporadisch genutzt und wirkt deshalb störend. Vera hingegen spricht mit Akzent. Um dies zu betonen, wird bei ihrer direkten Rede fehlerhafte Grammatik verwendet. Das ist am Anfang noch amüsant, nach einigen Seiten aber nur noch enervierend. Dazu wird Vera auf diese Weise "entmündigt". Der Leser hat Schwierigkeiten, sie weiter ernst zu nehmen.
Ich kann diesen Roman leider nicht empfehlen: Drei unsympathische Frauenfiguren, die sich daran machen, ein Problem zu lösen, dass nach sechzig bzw. fünfunddreißig Jahren keins mehr sein sollte, sich verhalten wie schmollende Teenager und sich selbst unglaublich wichtig nehmen, finden sich in einer eher langweiligen Handlung wieder, die politischen Anspruch zu vermitteln versucht (allerdings weiß ich nach der Lektüre eigentlich immer noch nichts über die Tito-Ära), dabei aber leider sehr anstrengend geschrieben ist.
Was Nina wusste
Der Roman „Was Nina wusste“ ist am 17. August im Hanser Verlag erschienen.
In David Grossmans neuem Roman, geht es um das Leben von drei Frauen. Vera, der Großmutter, welche diverse schlimme Dinge in einem Umerziehungslager auf der Insel Goli Otok erlebt hat, ihrer Tochter Nina und der Enkelin Gili. Das Buch beschreibt einen Dokumentarfilm, welcher jede der drei Frauen emotional aufwühlt und die Beziehungen der Frauen hinterfragt. Im Fokus steht die Beziehung zwischen Vera und Nina. Erzählt wird die ganze Geschichte aus der Sicht von Gili, welche sich oft von der Liebe fernhält und im Roman sehr unnahbar wirkt. Das Buch ist original im Hebräischen erschienen und die Übersetzung ist sehr gut gelungen.
Für mich war „Was Nina wusste“ ein sehr herausfordernder und schwer zu lesender Roman, obwohl ich normalerweise zu den schnelleren Leserinnen gehöre. Grossmann hat es jedoch, objektiv gesagt, geschafft tief in eine Familiengeschichte einzutauchen und darzustellen, welche Folgen politische Maßnahmen und psychologische Manipulation haben können.
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