Autor im Porträt
Dirk Stermann
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'Mir geht's gut, wenn nicht heute, dann morgen.'
Geboren 1927, ist Erika mit 12 Jahren vor den Nazis nach New York geflohen. Sie wächst in einem Waisenhaus auf, hat Anteil an der Gründung Israels und wird nach dem Studium Psychoanalytikerin; ganz auf sich gestellt, ihre Mutter hat den Krieg nicht überlebt. Ihr Vater, vermeintlich im KZ gestorben, glaubt seinerseits, als Einziger der Familie überlebt zu haben, bis er mitten auf dem Broadway seinen Bruder trifft. Als Therapeutin ist Erika bald eine Berühmtheit, die Riege ihrer berühmten Patienten reicht von Washington bis Hollywood. Nun, mit 95, ist sie wieder Österreicherin geworden, residiert im berühmten Hotel Imperial, wo einst Hitler nächtigte, und wenn man sie fragt, wie es ihr geht, sagt sie: «Gut. Wenn nicht heute, dann morgen.»
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Maksym
Und Dirk entscheidet sich, gegen all die blonden jungen Frauen, ebenfalls für einen Ukrainer. Auch wenn Maksym eigentlich nie Klassiker zitiert. Und erst macht der schweigsame Osteuropäer seine Sache auch ganz gut. Aber dann beginnt er, neben dem Sohn auch den Vater zu sitten. Und von da an scheint es nur noch eine Richtung zu geben: abwärts.
Ein Roman, wie ihn nur Dirk Stermann schreiben kann: komisch, grausig, herzerwärmend.
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Dirk Stermann
Dirk Stermann, geboren 1965 in Duisburg, lebt seit 1987 in Wien. Er zahlt zu den popularsten Kabarettisten und Radiomoderatoren Osterreichs und ist auch in Deutschland durch Fernseh- und Radioshows sowie durch Buhnenauftritte und Kinofilme weit bekannt.Literaturfestival - Der Junge bekommt das gute zuletzt - Stermann
Die Schmerzen der Welt
"Es ist heute schlecht und wird nun taglich schlechter werden - bis das Schlimmste kommt." Der eingangs zitierte Arthur Schopenhauer kundigt Unheilvolles an, und so nimmt das Schicksal des jungen Protagonisten in Dirk Stermanns neuem Roman "Der Junge bekommt das Gute zuletzt" seinen unguten Lauf. Claude ist noch nicht 14 Jahre alt und schon (fast) ganz allein in der Gro?stadt Wien, wo er taglich erfahrt, welche Schmerzen das Leben bereithalten kann, zum Beispiel den Trennungsschmerz.
Die Mutter, Ethnologin aus Leidenschaft, und der Vater, Posaunenlehrer aus der Provinz, sind so sehr mit ihren eigenen Leben beschaftigt, dass sie sich kaum um ihren Sohn kummern. Als die Mutter einen neuen Liebhaber, einen peruanischen Flotenspieler, mitbringt, wird gar eine Wand aus Pressspanplatten in der elterlichen Wohnung hochgezogen: "Druben ist Lateinamerika, bei uns ist Osterreich", erklart der Vater. Auf der einen Seite leben nun Claudes Bruder Bronislaw, der Liebhaber und die geliebte Mutter, auf der anderen Seite Claude und sein Vater. Das Ganze sei ja nur ein Provisorium: "Wande und Mauern sind nicht fur die Ewigkeiten gebaut,…mehr
Die Schmerzen der Welt
"Es ist heute schlecht und wird nun taglich schlechter werden - bis das Schlimmste kommt." Der eingangs zitierte Arthur Schopenhauer kundigt Unheilvolles an, und so nimmt das Schicksal des jungen Protagonisten in Dirk Stermanns neuem Roman "Der Junge bekommt das Gute zuletzt" seinen unguten Lauf. Claude ist noch nicht 14 Jahre alt und schon (fast) ganz allein in der Gro?stadt Wien, wo er taglich erfahrt, welche Schmerzen das Leben bereithalten kann, zum Beispiel den Trennungsschmerz.
Die Mutter, Ethnologin aus Leidenschaft, und der Vater, Posaunenlehrer aus der Provinz, sind so sehr mit ihren eigenen Leben beschaftigt, dass sie sich kaum um ihren Sohn kummern. Als die Mutter einen neuen Liebhaber, einen peruanischen Flotenspieler, mitbringt, wird gar eine Wand aus Pressspanplatten in der elterlichen Wohnung hochgezogen: "Druben ist Lateinamerika, bei uns ist Osterreich", erklart der Vater. Auf der einen Seite leben nun Claudes Bruder Bronislaw, der Liebhaber und die geliebte Mutter, auf der anderen Seite Claude und sein Vater. Das Ganze sei ja nur ein Provisorium: "Wande und Mauern sind nicht fur die Ewigkeiten gebaut, frag die Berliner", sagt Papa. "Und die Chinesen, Papa?" entgegnet Claude.
Und es kommt schlimmer. Bald hat auch der Vater eine Neue: Mathilda (Flotistin, Veganerin, Deutsche). Als die Mutter uber Nacht aus der Wohnung ganz verschwindet und der Vater in Linz unterrichtet, ist der junge Mann schlie?lich allein in der Wohnung. Gut, da ist noch die "stolzdicke" "Innere Oma", die so hei?t, weil sie im ersten Bezirk, in der Inneren Stadt um die Ecke wohnt, doch sie ermahnt ihn nur, dass er sich als "wei?er Mitteleuropaer" nicht beschweren soll, schlie?lich konnte der Bub ja genauso gut ein Fluchtlingskind in einem afrikanischen Fluchtlingslager sein. Claude fleht die Mutter, die auf "Ethnotour" ist, an zuruckzukommen: "Ich bin ein unentdecktes Volk, Mama. Vom Aussterben bedroht."
Und erst die korperlichen Schmerzen. Alles, was Claude nun bleibt, ist sein bester Freund, der serbische Taxifahrer Dirko Dumic, der ihn taglich zur Schule, einem Elitegymnasium, fahrt. Dort wird Claude allerdings von seinen reichen Mitschulern als "Hartzer, Opferopfer, Minus, Schulsandler" beschimpft und verprugelt. Zum Gluck hat Dirko immer eine gute Geschichte auf Lager, zum Beispiel von dem Biologen, der im Selbstversuch eine Schmerzensskala aller Insektenstiche erstellt hat. Wie viel Schmerz halt ein Mensch aus? Das fragt sich Claude. Als er erfahrt, dass vor seinem Haus, dort, wo die Wurstlbude steht, fruher der Pranger und ein Galgen waren, entwickelt er eine merkwurdige Faszination fur die Geschichte der Todesstrafe in Wien.
Immerhin. Auf seiner neuen Schule trifft Claude die Japanerin Minako, die vorher auf einer Waldorfschule war, aber so schlecht tanzen konnte, dass alle glaubten, sie hie?e Renate. Claude und Minako sitzen nun nebeneinander und essen gemeinsam Obst.Schon bald verliebt sich Claude. Wird nun alles gut? Und werden seine Schmerzen weniger?
Der bekannte Moderator, Kabarettist ("Willkommen Osterreich") und Autor ("Sechs Osterreicher unter den ersten funf. Roman einer Entpiefkenisierung") Dirk Stermann hat den traurigsten Roman der Welt geschrieben. Wer die Talkshow "Willkommen Osterreich", die er zusammen mit Christoph Grissemann moderiert, kennt, erkennt sofort den typischen, bissigen Stermann-Sound in diesem Buch. Er lasst seinen Protagonisten leiden, zeigt aber auch das Komische in jeder noch so tragischen Situation. Tiefschwarzer Humor aus Osterreich von einem Deutschen, der in Osterreich nach eigener Auskunft selbst "hauptberuflich Deutscher" ist.
Interview mit Dirk Stermann
"Der Junge bekommt das Gute zuletzt" ist die Geschichte von Claude, einem 13-jahrigen Jungen in Wien, der nach der Trennung der Eltern langsam feststellen muss, dass er von nun an, viel zu fruh, komplett auf sich allein gestellt ist. Welche Idee stand am Anfang des Buches und warum erzahlen Sie ausgerechnet diese dustere Geschichte?
Dirk Stermann: Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, dass ich nach der Lekture von "Train Dreams" von Denis Johnson begonnen habe, uber eine traurige Romanidee nachzudenken. Es sollte eine dichte, nicht zu lange Geschichte werden, in der sich verschiedene Furchtbarkeiten die Klinke in die Hand geben. Die Geschichte war mir dann schon fruh klar. Hilfreich war dann, dass ich uber die Schmerzskala von Justin O. Schmidt las, der von unzahligen Insekten gebissen und gestochen worden war und diese Schmerzen klassifizierte. Der schlimmste Schmerz ist der, den die Gewehrkugelameise, die 24-Stunden-Bullet-Ant auslost. Diese Skala wurde zur Dramaturgie des Romans. Bei Schmidt endet die Schmerzskala bei 4.0 plus, bei meinem kleinen Helden Claude…mehr
Interview: Dirk Stermann, "Der Junge bekommt das Gute zuletzt"
"Der Junge bekommt das Gute zuletzt" ist die Geschichte von Claude, einem 13-jahrigen Jungen in Wien, der nach der Trennung der Eltern langsam feststellen muss, dass er von nun an, viel zu fruh, komplett auf sich allein gestellt ist. Welche Idee stand am Anfang des Buches und warum erzahlen Sie ausgerechnet diese dustere Geschichte?
Dirk Stermann: Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, dass ich nach der Lekture von "Train Dreams" von Denis Johnson begonnen habe, uber eine traurige Romanidee nachzudenken. Es sollte eine dichte, nicht zu lange Geschichte werden, in der sich verschiedene Furchtbarkeiten die Klinke in die Hand geben. Die Geschichte war mir dann schon fruh klar. Hilfreich war dann, dass ich uber die Schmerzskala von Justin O. Schmidt las, der von unzahligen Insekten gebissen und gestochen worden war und diese Schmerzen klassifizierte. Der schlimmste Schmerz ist der, den die Gewehrkugelameise, die 24-Stunden-Bullet-Ant auslost. Diese Skala wurde zur Dramaturgie des Romans. Bei Schmidt endet die Schmerzskala bei 4.0 plus, bei meinem kleinen Helden Claude erst bei 5.0.
Wie gehen Sie eigentlich beim Schreiben vor? Kennen Sie schon die ganze Geschichte, die sie erzahlen wollen, oder stehen am Anfang eher mehrere einzelne Ideen, die erst zu einem Ganzen verknupft werden?
Dirk Stermann: Ich kannte die Geschichte fruh und sammelte deshalb sehr zielgerichtet Bilder, Satze und Informationen. Und da ich auch sehr fruh wusste, wo ich die Geschichte spielen lassen wurde, fuhlte ich mich schnell in allem "daheim".
Hatten Sie sich eigentlich bewusst vorgenommen, mit "Der Junge bekommt das Gute zuletzt" den "traurigsten Roman der Welt" zu schreiben?
Dirk Stermann: Die Geschichte sollte traurig sein, weil sie traurig ist. Da musste ich durch. Aber, weil ich den Jungen nicht nur gottverlassen zeigen wollte, habe ich ihm immerhin ein paar sehr nette Menschen an die Seite gestellt. Wenn auch nicht fur lange. Sonst hatte ich's beim Schreiben auch nicht ausgehalten.
Bitter sind die Zuruckweisungen durch Claudes Eltern, die beide so sehr mit ihren eigenen Leben beschaftigt sind, dass sie ihren Sohn fast vergessen: die Mutter, eine Ethnologin, die lieber fremde Volker erforscht, als sich um ihn zu kummern, der Vater, ein Posaunenlehrer aus der Provinz, der ihn ermahnt, sich nicht so viel zu beschweren. Es kommt alles immer noch schlimmer. Hatten Sie denn gar kein Mitleid mit Ihrem Protagonisten?
Dirk Stermann: Ich hatte durchgehend Mitleid mit ihm und auch anderen Figuren. Aber da ich ja wusste, was das Leben fur sie alle bereithalten wird, habe ich denen, die ich mag, auch Schones zugewiesen. Das Merkwurdige beim Schreiben ist ja diese Gottposition, dass man Figuren auf die Welt kommen oder sterben lassen kann, wie man's gerade braucht. Deshalbgehe ich auch lieber verantwortungsvoll mit meinen erfundenen Leuten um. Selbst wenn ich ihnen ubel mitspielen muss.
Welche Rolle spielen Ereignisse aus der Realitat beim Erzahlen einer fiktiven Geschichte fur Sie? Oder anders gefragt: Wann ist denn ein Ereignis aus der Realitat es wert, dass es in einer Geschichte, die Sie erzahlen, eine bestimmte Rolle spielt?
Dirk Stermann: Ich mag es, wenn Romane verortet sind und einer Zeit zugewiesen werden konnen. Ich mag es, in Montreal Stra?en abzulaufen, die ich von Mordecai Richler schon kannte, bevor ich jemals in Kanada war. Ich glaube, wenn der Ort und die Zeit, in denen die Geschichte spielt, stimmen, kann man besser Fiktion erzeugen. Man kann sich aufs Wo und Wann verlassen und sich den handelnden Figuren widmen.
Inwieweit beeinflussen Wien und Osterreich Sie als Autor?
Dirk Stermann: Wien hat tatsachlich etwas Buhnenbildhaftes. Man kann sich hier vieles vorstellen und viel ist geschehen. Ich lebe jetzt schon mein ganzes Erwachsenenalter in der Stadt und fuhle mich, weil ich selbst auch noch immer uber sie staunen kann, sicher, wenn ich mich in ihr in einem Roman bewege.
Claude ist ja anders als andere 13-jahrige Jungen, zum Beispiel ist er fasziniert von der Geschichte der Todessstrafe in Wien und entwickelt sich zu einem "richtigen Hinrichtungsexperten". Wie sind Sie auf dieses Motiv gekommen und teilen Sie Claudes Faszination?
Dirk Stermann: Die Geschichte der Hinrichtungen habe ich recherchiert, weil ich irgendwann daraufgekommen bin, dass vor Claudes Haus am Hohen Markt lange Zeit ein "beliebter" Hinrichtungsplatz existierte. Ich fand, es passte gut zu seiner Geschichte. Zu wissen, wo man sich befindet und was dort schon geschah, bevor man selber da war.
Ob alle moglichen Variationen der Todesstrafe oder die Geschichte eines Biologen, der im Selbstversuch eine Schmerzskala aller Insektenstiche erstellt - das Absurde wird in dem Roman personifiziert durch Claudes Freund, den serbischen Taxifahrer Dirko Dumic, der Geschichten erzahlen kann ohne Ende. Ist die Namensverwandtschaft mit Ihnen nur Zufall?
Dirk Stermann: Dirk ist ja leider kein sehr schoner Name. Irgendwann hielt ich ein Saxophonbuch in der Hand, von einem Autor, der mit Vornamen Dirko hei?t. Das gefiel mir. In meinen beiden fruheren Romanen trat ich selbst auf, das wollte ich diesmal nicht. Ich bin nicht Dirko, war's aber - zumindest, was den Namen betrifft - gern.
Wie wurden Sie die Geschichte von Claude selbst bezeichnen? Als Entwicklungsroman mit negativen Vorzeichen?
Dirk Stermann: Es ist ein Entwicklungsroman, aber eigentlich ohne Vorzeichen. Mit zwolf Jahren war seine Welt in Ordnung, erst dann begann das Leben ihm das "Chaosprinzip" um die Ohren zu hauen. Aber, da bin ich Rheinlander genug, man wei? nie, was als Nachstes geschieht; "Chaosprinzip Hoffnung".
Wissen Sie schon, was Sie als Nachstes schreiben werden?
Dirk Stermann: Ich habe einen kleinen Sohn und schiebe zurzeit vor allem den Kinderwagen. Aber wahrscheinlich wird es die unglaubliche Geschichte eines Wiener Orientalisten sein, der im 19. Jahrhundert lebte.
Interview: Literaturtest