
Autor im Porträt
Han Kang
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Unmöglicher Abschied
Gebundenes Buch
Nobelpreis für Literatur 2024
Der neue große Roman von Han Kang
»Unmöglicher Abschied« erzählt die Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei Frauen und beleuchtet zugleich ein jahrzehntelang verschwiegenes Kapitel koreanischer Geschichte
Eines Morgens ruft Inseon ihre Freundin Gyeongha zu sich ins Krankenhaus von Seoul. Sie hatte einen Unfall und bittet Gyeongha, ihr Zuhause auf der Insel Jeju aufzusuchen, weil ihr kleiner weißer Vogel sterben wird, wenn ihn niemand füttert. Als Gyeongha auf der Insel ankommt, bricht ein Schneesturm herein. Der Weg zu Inseons Haus wird zu einem Überlebenskampf gegen die Kälte, die mit jedem Schritt mehr in sie eindringt. Noch ahnt sie nicht, was sie dort erwartet: die verschüttete Geschichte von Inseons Familie, die eng verbunden ist mit einem lang verdrängten Kapitel koreanischer Geschichte. Han Kangs neuer Roman ist eine Hymne an die Freundschaft und das Erinnern, die Geschichte einer tiefen Liebe im Angesicht unsäglicher Gewalt - und eine Feier des Lebens, wie zerbrechlich es auch sein mag.
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Der neue große Roman von Han Kang
»Unmöglicher Abschied« erzählt die Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei Frauen und beleuchtet zugleich ein jahrzehntelang verschwiegenes Kapitel koreanischer Geschichte
Eines Morgens ruft Inseon ihre Freundin Gyeongha zu sich ins Krankenhaus von Seoul. Sie hatte einen Unfall und bittet Gyeongha, ihr Zuhause auf der Insel Jeju aufzusuchen, weil ihr kleiner weißer Vogel sterben wird, wenn ihn niemand füttert. Als Gyeongha auf der Insel ankommt, bricht ein Schneesturm herein. Der Weg zu Inseons Haus wird zu einem Überlebenskampf gegen die Kälte, die mit jedem Schritt mehr in sie eindringt. Noch ahnt sie nicht, was sie dort erwartet: die verschüttete Geschichte von Inseons Familie, die eng verbunden ist mit einem lang verdrängten Kapitel koreanischer Geschichte. Han Kangs neuer Roman ist eine Hymne an die Freundschaft und das Erinnern, die Geschichte einer tiefen Liebe im Angesicht unsäglicher Gewalt - und eine Feier des Lebens, wie zerbrechlich es auch sein mag.
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24,00 €
Die Vegetarierin
Gebundenes Buch
Nobelpreis für Literatur 2024.
Ein hypnotisierendes Buch über eine Frau, die sich gegen ihren Mann auflehnt, indem sie ihm verkündet, kein Fleisch mehr zu essen und von einem Leben als Pflanze träumt.
Yong-Hye und ihr Ehemann sind ganz gewöhnliche Leute. Er geht seinem Bürojob nach und hegt keine Ambitionen. Sie ist eine leidenschaftslose, pflichtbewusste Hausfrau. Die angenehme Eintönigkeit ihrer Ehe wird gefährdet, als Yeong-Hye beschließt, sich ausschließlich vegetarisch zu ernähren und alle tierischen Produkte aus dem Haushalt wirft. »Ich hatte einen Traum«, so ihre einzige Erklärung. Ein kleiner Akt der Unabhängigkeit, aber ein fataler, denn in einem Land wie Südkorea, in dem strenge soziale Normen herrschen, gilt der Vegetarismus als subversiv. Und bald nimmt Yeong-Hyes passive Rebellion immer groteskere Ausmaße an. Sie, die niemals gerne einen BH getragen hat, fängt an, sich in der Öffentlichkeit zu entblößen und von einem Leben als Pflanze zu träumen. Bis sich ihre gesamte Familie gegen sie wendet.
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Ein hypnotisierendes Buch über eine Frau, die sich gegen ihren Mann auflehnt, indem sie ihm verkündet, kein Fleisch mehr zu essen und von einem Leben als Pflanze träumt.
Yong-Hye und ihr Ehemann sind ganz gewöhnliche Leute. Er geht seinem Bürojob nach und hegt keine Ambitionen. Sie ist eine leidenschaftslose, pflichtbewusste Hausfrau. Die angenehme Eintönigkeit ihrer Ehe wird gefährdet, als Yeong-Hye beschließt, sich ausschließlich vegetarisch zu ernähren und alle tierischen Produkte aus dem Haushalt wirft. »Ich hatte einen Traum«, so ihre einzige Erklärung. Ein kleiner Akt der Unabhängigkeit, aber ein fataler, denn in einem Land wie Südkorea, in dem strenge soziale Normen herrschen, gilt der Vegetarismus als subversiv. Und bald nimmt Yeong-Hyes passive Rebellion immer groteskere Ausmaße an. Sie, die niemals gerne einen BH getragen hat, fängt an, sich in der Öffentlichkeit zu entblößen und von einem Leben als Pflanze zu träumen. Bis sich ihre gesamte Familie gegen sie wendet.
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22,00 €

© Yeseul Jeon
Han Kang
Als erste Südkoreanerin erhielt Han Kang im Jahr 2024 den Nobelpreis für Literatur. Sie ist die 18. Frau unter insgesamt 121 Preisträgerinnen und Preisträgern, die mit dieser Auszeichnung geehrt wurde.Kang wurde 1970 im südkoreanischen Gwangju geboren und zog als Zehnjährige mit ihrer Familie nach Seoul. Als Tochter eines Schriftstellers war das Schreiben früh ein Teil ihres Lebens. An der Yonsei-Universität in Seoul studierte sie koreanische Literatur. Mit 23 Jahren gewann Kang für ihre Kurzgeschichte "Rotes Segel" den Literaturpreis einer renommierten koreanischsprachigen Tageszeitung. In den folgenden Jahren veröffentlichte sie Erzählbände, Romane und Bilderbücher. Neben ihrer Arbeit als Autorin war sie für verschiedene Zeitschriften als Journalistin tätig und unterrichtete mehrere Jahre lang Kreatives Schreiben am Seoul Institute of the Arts. Heute widmet sie sich ganz dem Schreiben ihrer eigenen Bücher und gilt als eine der wichtigsten literarischen Stimmen Koreas.
Den ersten großen Erfolg auf internationaler Ebene feierte Han Kang 2016, als sie gemeinsam mit ihrer Übersetzerin Deborah Smith den Man Booker International Prize für ihren Roman "The Vegetarian" gewann. Das Buch wurde verfilmt, in mehr als 25 Sprachen übersetzt und ist als "Die Vegetarierin" auch auf Deutsch erhältlich.
Das Nobelpreiskomitee verlieh Han Kang den weltweit bedeutendsten Literaturpreis "für ihre intensive poetische Prosa, die historische Traumata anspricht und die Zerbrechlichkeit menschlichen Lebens aufzeigt".
Kundenbewertungen
Die Vegetarierin
In Südkoreo gelten Vegetarier, anders als in Westeuropa, als Exoten. Protagonistin Yong-Hye entwickelt sich aus Gründen, die sie nur selbst verstehen kann, hin zur Veganerin. Insofern ist der Titel „Die Vegetarierin“ irreführend. Ihre Entwicklung hat mit ihren seltsamen Träumen zu tun. Sie bricht damit aus aus den gesellschaftlichen Normen ihrer Familie und ihres Landes. Der Vegetarismus dient insofern als Mittel zum Zweck für ihren selbstbestimmt wirkenden eigenen Weg.
An dieser Stelle könnte bereits die Frage diskutiert werden, ob ihr Weg wirklich selbstbestimmt ist oder ob sie eine Getriebene ist, die nicht anders kann. Ihre unscheinbare und auch lieblose Opferrolle lässt verschiedene Deutungen zu bis hin zu einer sich entwickelnden Psychose als Reaktion auf subjektiv erlebte Zwänge. Diese permanent gefühlte Spannung belebt den Roman ungemein.
Die Geschichte besteht aus drei Teilen mit jeweils unterschiedlicher Erzählperspektive. Zu Wort kommen ihr Ehemann im ersten Teil, ihr Schwager im zweiten Teil und ihre Schwester im dritten Teil des Buches. Alle drei haben unterschiedliche Beziehungen zu Yong-Hye, aber keiner versteht ihre Verweigerungshaltung. Während ihr Ehemann sich ihr gegenüber lieblos verhält, nutzt ihr Schwager sie sexuell aus und ihre Schwester versucht ihr zu helfen.
So wie in dem Provinznest Bosque in Dal Masettos „Brot und Spiele“ ist den Menschen im Umfeld von Yong-Hye die Liebe abhanden gekommen. Der Roman ist düster, erkennbar an der gleichgültigen Beziehung zum Ehemann und an der kompromisslosen Strenge des Vaters, der sie zum Essen zwingen will. Und er ist von Egoismus geprägt, was in der unwürdigen sexuellen Beziehung zum Schwager zum Ausdruck kommt, der sie für seine Zwecke missbraucht.
Aber die Geschichte hat weitere Facetten. Autorin Kang behandelt an Hand der Figur Yong-Hye, die zur Pflanze werden will, das Thema Realitätsverlust und wagt sich an Grenzfragen wie dem Recht zu sterben. Wo liegt die Grenze zwischen zu behandelnder Psychose und Selbstbestimmung? Der Autorin ist es gelungen, einen vielschichtigen sozialkritischen und psychologischen Roman zu schreiben, der mehr Fragen aufwirft, als er beantwortet.
Deine kalten Hände (eBook, ePUB)
Bewertung von yellowdog am 15.02.2019
Deine kalten Hände von Han Kang ist ein Roman, geschrieben 2002. Es ist dem Erfolg von Die Vegetarerin geschildet, dass er glücklicherweise auch auf Deutsch erscheint.
Eingeschlossen in einem Prolog und Epilog, erzählt von einer Schriftstellerin, umfasst der Text die Tagebuchauffassungen eines Bildhauers, der Abdrücke aus Gips erstellt. Dabei sind ihm 2 Frauen wichtig. Die übergewichtige L., die schöne Hände hat, die der Künstler mehrfach abbildet, und die schöne Innenarchitektin E., die anscheinend immer wieder kleine Aussetzer hat, sich sonst aber unnahbar und ohne Gefühlsregungen zeigt.
Während L.in ihrem Kampf ums Abnehmen in die Bulemie gerät, entsteht zwischen E. und dem Künstler eine widerspenstige Beziehung. Ihn treibt es an, hinter der undurchdringlichen Maske der Frau zu blicken und ihr Geheimnis zu erfahren.
Han Kang erzählt geschickt auf einer Ebene, die essentiell ist, sich aber nicht einfach in Worte fassen lässt, ohne dass es banal klingt. Der Leser erfasst es aber sofort. Auf jeden fFall unktioniert die Erzählmethode und man hat wirklich ein literarisches Werk vor sich. Geprägt ist es auch von der südkoreanischen Kultur, einer Lebensweise, in der es anscheinend üblich ist, seine Gefühle aus Höflichkeit lieber zu verbergen, dabei aber einen schwer fassbaren Weltschmerz zu pflegen.
Dem Roman gelingt es mit der Zeit, den Leser in seinen Bann zu ziehen. Es wird aber darauf verzichtet, alle Rätsel aufzulösen.
Unmöglicher Abschied
Ein Stück koreanischer Geschichte
Zuallererst: Am liebsten würd ich dies Buch gar nicht bewerten, da das Buch auf verschiedenen Ebenen betrachtet und bewertet werden kann. Legt man den Fokus auf eine Ebene, wird man womöglich den anderen Ebenen nicht gerecht.
Tatsächlich tat ich mich mit dem Aufbau des Romans zunächst sehr schwer. Die erzählende Autorenfigur, die Koreanerin Gyeongha, leidet unter Depressionen und Albträumen, resultierend aus den Recherchen zu einer früheren Arbeit. Das war für mich nicht greifbar, mir fehlten die Ursachen, welche vielleicht derart angedeutet wurden, dass ich diese Andeutungen nicht verstand.
In Verbindung mit ihrer verunglückten Freundin Inseon kommt sie in Kontakt mit deren Recherchen zu früheren Geschehnissen, welche Abertausenden das Leben kostete, Familien auseinander riss und Menschen mental zerstörte. Hierbei bedient sich Han Kang der Vorstellung, dass dem Tode nahe Personen als Geist ihnen nahestehenden Menschen erscheinen können. Als verbindendes Element nutzt sie den Schnee, welcher in diversen Zeitebenen ebenso vorkommt wie als sinnbildliches Symbol.
Die historischen Geschehnisse, welche sich nach und nach herauskristallisieren, lassen sich mit einer alten koreanischen Erzählung umschreiben, welche Inseon erzählt: Auf der Flucht vor dem Grauen in ihrem Ort dreht sich die Flüchtende um und erstarrt bei dem sich ihr bietenden Anblick zu Stein. Auch ich habe mich beim Lesen des Grauens, welches mir dargeboten wurde, wie zu Stein erstarrt gefühlt. Und ich habe NUR darüber gelesen.
Dies ist ein Buch, zu welchem ich mir gern ein erläuterndes Nachwort gewünscht hätte. Leider habe ich mich nach der letzten Seite wie mit dem Grauen allein gelassen gefühlt. Ein traumatisches Grauen, welches scheinbar auf historischen Geschehnissen fusst (zumindest verstehe ich die Buchbeschreibung so), welche derart mit Gewalt über die Menschen rollten, dass sie den Abschied von geliebten Menschen unmöglich machten.
Vielleicht ist mein Dilemma, das Buch nicht mal eben so bewerten zu können, verständlich. Der Anfang war für mich recht zäh, das anschließende Freilegen der Vergangenheit war auch ohne große emotionale Einschübe sehr bewegend, das Grauen kaum zu ertragen. Mein Dank gilt der Autorin für den Einblick in dieses Kapitel koreanischer Geschichte.
Weiß
Die südkoreanische Schriftstellerin, die in koreanischer Literatur promoviert hat und am Kulturinstitut Seoul doziert, teilt diesen schmalen Roman in drei Kapitel auf: Ich, Sie und Alles weiß. Jedes Unterkapitel hat zusätzlich eine eigene kurze Bezeichnung erhalten, überwiegend besteht der Titel aus Dingen, die weiß sind oder etwas mit der Farbe weiß zu tun haben, wie zum Beispiel Mond und Schneeflocken. Die Unterkapitel wirken deswegen und wegen ihrer Kürze wie lange Gedichte, die inhaltlich aufeinander aufbauen. Schließlich veröffentlicht die Autorin seit 1993 auch Gedichte. Auf diese Weise können einige Unterkapitel auch für sich, aus dem Kontext herausgenommen, gelesen und verstanden werden.
In der Geschichte verarbeitet die Protagonistin zwei Totgeburten ihrer Mutter, die vor ihrer eigenen Geburt geschahen. Dazu verlässt die Erzählerin im zweiten Kapitel die Ich-Perspektive und wechselt in die personale Erzählperspektive. Insbesondere der Tod des ersten Kindes ihrer Mutter beschäftigt die Erzählerin, hätte sie doch dann eine ältere Schwester gehabt und wäre nicht selbst die ältere Schwester für ihren jüngeren Bruder gewesen. Anlass für diesen Anflug von Melancholie und für das Nachdenken über die Gefühlswelt ihrer damals sehr jungen Mutter, die für sich und ihr Erstgeborenes keine Hilfe holen konnte, ist der Aufenthalt in einem verschneiten Ort weit entfernt von der Heimat Südkorea. Immer wieder zieht die Erzählerin Parallelen von diesem Ort zu ihrer eigenen Gefühlswelt.
Die weiße Gedankensammlung der Autorin liest sich sprachlich sehr gut. Der Satzbau ist weder zu kompliziert noch zu einfach, was sicherlich auch an der guten Übersetzung liegt. Die Geschichte kommt fast gänzlich ohne wörtliche Rede aus. Ab und an findet sich eine Frage an den Leser. Fehl- und Totgeburten sind noch immer Themen, über welche die Menschen nicht gerne sprechen. Dabei kommen sie noch heute vor und häufiger als wir denken. Die gewählte Sicht des Geschwisterkindes, das einen weiteren Bruder oder eine weitere Schwester haben könnte, eignet sich dafür, dass sich nicht nur Frauen, sondern sehr gut auch Männer in die besondere Situation hineinversetzen können. Die Autorin bleibt jedoch nicht bei der Darstellung nur von Gefühlen stehen, sondern hat ihre Erzählung mit kleineren weiteren Geschichten rund um die Erzählerin angereichert. Dadurch vermeidet sie, dass das Buch ins Philosophische abdriftet oder kitschig wird.
Die Vegetarierin
Seitenopers Meinung – Wer kann zugreifen?
Die Vegetarierin ist keine leichte Kost. Wer bereit ist für eine intensive und gewaltsame Leseerfahrung ist hier an der richtigen Adresse. Das Buch entwickelt einen Sog, von dem ich mich beim Lesen nicht frei machen konnte – munter weiter, bis nach ganz unten sozusagen. Ich bin begeistert und erschüttert. Für mich eines der besten Bücher überhaupt.
Wie ich es auch drehe und wende, es gefällt und gelingt mir nicht, über dieses Buch zu schreiben. Mein Versuch, mich von der Form zum Inhalt voran zu bewegen, geht nicht auf! Beides ist nicht voneinander zu trennen. So erzeuge ich nur einen künstlichen Schnitt, wo keiner ist. Fakt ist: Das Buch ist in drei Teile gegliedert, von denen jeder seine ganz eigene Dynamik entwickelt. In allen drei Akten betrachtet Han Kang eine andere Beziehungskonstellation und beschreibt sie mit eindringlichen, aber lakonischen Worten. Wie eine Beobachterin steht sie neben den Charakteren, schaut ihnen zu, und dokumentiert alles. Dabei kommt es immer wieder zu extrem verdichteten Momenten in denen ihre lakonische Sprache nicht mehr ihren Inhalt deckeln kann. In diesen Momenten bricht der Inhalt des Buchs mit einer derartigen Gewalt aus den Sätzen hervor, schlägt mir ins Gesicht, dass ich nicht mehr los komme. In einem Sog, immer weiter und weiter, werde ich mitgerissen von Han Kangs Bericht. Bis, plötzlich, die Worte sich wieder ermächtigen und es schaffen, ihren gewaltvollen Inhalt im Zaum zuhalten. So geht es das ganze Buch über. Wie Ebbe und Flut, Blitz und Donner: Es beginnt, es kracht, es wendet sich ab, nur um zurückzukehren…
Niemals aufgeregt, sondern in einer poetischen, eiskalten Präzision gießt Han Kang die Geschichte Yeong-Hyes in Worte. Eindringlich entwickelt sie Yeong-Hyes Psychogramm und zeichnet das Bild einer zerütteten Frau, ohne dabei diagnostisch oder urteilend zu werden.
Erschöpft lese ich mit flatternden Augen Seite für Seite. Ein Netz zwischen Kinds- und Tieresmissbrauch, emotionaler Vernachlässigung, Hilflosigkeit und Hoffnung spinnt sich zwischen den Seiten, das mich gefangen nimmt und nicht mehr loslässt.
Immer wieder lege ich das Buch zur Seite. Tief Luft holend versuche ich zu verstehen, was ich dort gelesen habe. Es gelingt mir nicht, stattdessen lese ich weiter. Bis ich plötzlich am Ende angelangt bin.. Und so sprachlos wie ich das Buch beendet habe, beende ich auch den Versuch dieser Rezension… Ich habe keine Lust, darzustellen, wie das Buch zeigt, dass Machtregime durch veränderte Mikropolitiken deutlich hervortreten und Widerständigkeit in haarfeinen Veränderungen von Rezitationsschleifen derart wirkmächtig ist. Was über bleibt, ist das Wissen, dass es doch immer weiter geht, dass es doch immer weiter gehen muss; Zugleich unentwegt auf der Stelle steht, nach Hinten schaut und nicht loslassen kann, was hinter einem liegt…
Unmöglicher Abschied
2024 wurde die südkoreanische Schriftstellerin Han Kang mit dem Literaturnobelpreis geehrt. In ihrem Roman „Unmöglicher Abschied“, einem Hauptwerk ihres vielseitigen Schaffens, greift sie erneut die oft verschwiegene Gewaltgeschichte ihres Landes auf. erzählt die Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei Frauen. Die Erzählerin Gyeongha wird von einer langjährigen Freundin, die im Krankenhaus liegt, gebeten, auf einer tiefverschneiten Insel sich um ihren geliebten Papagei zu kümmern. Auf der Insel fand 1948 ein Massaker, als koreanische Truppen einen angeblich kommunistischen Aufstand niedergeschlagen hatten. Ganze Dörfer wurden damals ausgelöscht und mehr als 30.000 Menschen brutal getötet.
In der Schneewüste mit ihrer surreal-magischen Atmosphäre werden die verdrängten Ereignisse jedoch wieder sichtbar. Unter der friedlich scheinenden Schneedecke kommen die Grausamkeiten quasi wieder ans Licht. Han Kang schreibt beeindruckend bildgewaltig auf unterschiedlichen Ebenen und benutzt symbolträchtige Erklärungen oder Metaphern. Im Verlauf der Handlung berichtet die Autorin mittels Briefen und Zeitungsartikeln die Gyenongha im Haus findet, in eindringlicher und bedrückender Weise von den Massakern. Die Autorin, die der Frage nach dem „Warum“ nachgeht, erzählt aber auch von der Kraft der Poesie und der Hoffnung, die durch Freundschaft, Liebe und Mitmenschlichkeit entsteht.
Fazit: Ein Roman, der sowohl durch seine literarische Qualität als auch durch seine historische Relevanz besticht.
Die Vegetarierin
In “Die Vegetarierin” beschäftigt sich die Südkoreanerin Han Kang mit der Rolle der Frau in der südkoreanischen Gesellschaft. Yong-Hye verweigert sich immer mehr den gesellschaftlichen Ansprüchen und flüchtet sich in Wahnvorstellungen: Sie möchte ein Baum sein, standhaft, unbeeindruckt von seiner Umwelt und einfach nur da. Schon 2006 erschienen, hat Han Kangs aufrüttelnder Roman nichts an Aktualität verloren. Sie erzählt ihre Geschichte aus verschiedenen Perspektiven.
Das erste Kapitel wird aus der Sicht des Ehemanns beschrieben, in dessen Ausführungen sie immer wieder Yong-Hyes Gedanken absatzweise einbaut. Im zweiten Kapitel lässt sie ihren Schwager in der Ich-Perspektive zu Wort kommen, der als Künstler immer mehr den Traumwelten Yong-Hyes verfällt und sie für seine Zwecke ausnutzt.
Das dritte Kapitel erzählt Han Kang aus Sicht der Schwester Ho-Hye, die sich fürsorglich um ihre Schwester kümmert. Und dabei immer mehr ins Grübeln kommt. Über ihr Dasein als Mutter, Schwester, Tochter und durchaus erfolgreiche Unternehmerin, die stets das liefert, was von ihr erwartet wird. So ist “Die Vegetarierin” von Han Kang ein eindringlicher und ungeschminkter Blick auf die Rolle der Frau in der südkoreanischen Gesellschaft. Und auf einen drastischen Ausbruch aus allen Rollenklischees.
Unmöglicher Abschied
Bewertung von yellowdog am 16.12.2024
Das Ereignis, über das nicht gesprochen werden durfte
Als Han Kang den Literaturnobelpreis gewann war ich sehr erfreut und liest man auch nur die ersten 60 Seiten ihres neuen Romans, erkennt man, wie verdient das war.
Die Protagonistin reist ihrer guten Freundin zuliebe, die im Krankenhaus liegt, von Seoul zu deren Haus auf der Insel Jeju, um ihren Vogel zu versorgen. Es ist eine beschwerliche Reise durch unwirtliches und winterliches Gebiet, fast eine Odyssee, die sie mit Flugzeug, Bus und zuletzt zu Fuß durch die Nacht unternimmt. Dabei kommen ihr viele Erinnerungen.
Schon bald wird angedeutet, dass viele Menschen, die hier leben, viele ihrer Verwandten verloren haben, denn kurz vor Beginn des Koreakriegs kam es zu Massakern an der Bevölkerung. Das Jeju-Massaker 1948 war ein Ereignis, das verschwiegen wurde.
Han Kangs Prosa bricht einmal mehr das Schweigen, wie sie es schon in Menschenwerk tat.
Literatur aus Südkorea kann für viele Leser etwas sehr Spezielles sein, aber Han Kangs bringt universell gültiges ein.
Der Roman hat kontemplative Momente, er ist sehr verinnerlicht und nachdenklich. Das hat mir in dieser Form sehr gut gefallen.
Unmöglicher Abschied
Bewertung von coala am 18.12.2024
Han Kangs Roman Unmöglicher Abschied entführt seine Leser in eine tiefgründige Erzählung über Freundschaft, Erinnerung und die Aufarbeitung eines lange verschwiegenen Kapitels der koreanischen Geschichte. Die Geschichte beginnt mit der Bitte von Inseon an ihre Freundin Gyeongha, sich um ihren weißen Vogel auf der Insel Jeju zu kümmern. Was als einfache Aufgabe erscheint, entwickelt sich zu einer Reise, die die Schrecken des Jeju-Massakers von 1948 offenbart.
Die Autorin verwebt meisterhaft persönliche Schicksale mit historischen Ereignissen. Die poetische Sprache und die eindringlichen Bilder schaffen eine Atmosphäre, die sowohl bezaubert als auch erschüttert. Besonders beeindrucken kann die Darstellung der verschneiten Landschaft, die als Metapher für Vergänglichkeit und Erinnerung dient. Die Schneebilder verbinden Vergangenheit und Gegenwart und verleihen der Erzählung eine träumerische Qualität. Die verschachtelte Erzählweise trägt dazu bei, die Komplexität der Themen und Emotionen zu vermitteln, die Han Kang anspricht. Die universellen Themen von Liebe, Schmerz und Verlust werden in einer Weise behandelt, die tief berührt und zum Nachdenken anregt.
Ein Roman, der sowohl durch seine literarische Qualität als auch durch seine historische Relevanz besticht. Er fordert seine Leser heraus, sich mit den dunklen Kapiteln der Geschichte Koreas auseinanderzusetzen und die Bedeutung von Erinnerung und Freundschaft neu zu überdenken. Ein Werk, das lange nachhallt und einen bleibenden Eindruck hinterlässt.
Die Vegetarierin
Bewertung von Sophia am 09.01.2025
Yong-Hye lebt mit ihrem Ehemann in Südkorea und führt als Hausfrau ein langweiliges Leben. Ihr Mann geht seinem Bürojob lustlos nach und die beiden leben mehr nebeneinander als miteinander. Eines Tages beschließt Yong-Hye, kein Fleisch mehr zu essen - ein Traum habe sie dazu veranlasst ist ihre Begründung. In Südkorea ist Vegetarismus verpönt und dementsprechend genervt und wütend reagiert ihr Mann. Alle in Yong-Hyes Umfeld reden auf sie ein, wieder Fleisch zu essen. Sie dagegen träumt davon, eine Blume zu werden und als Pflanze zu leben. Als sich schließlich auch ihre Familie gegen sie wendet, nimmt ihr Traum immer bizarrere Ausmaße an...
Von Han Kang hatte ich vor der Vergabe des Literaturnobelpreises noch nichts gelesen. Aber ich habe eine neue wunderbare Autorin für mich entdeckt nach dem Lesen!
Das Cover wirkt zunächst einfach mit den Blüten, aber auf den zweiten Blick erkennt man ein Stück Fleisch, eine Hand und eine Zunge. Es lässt sich darin bereits viel auf den Inhalt schließen.
Die Geschichte ist in drei Teile gegliedert: der erste Teil wird aus der Sicht des Ehemanns erzählt, der Zweite von ihrem Schwager, dem Mann ihrer Schwester und der Dritte aus der Sicht der Schwester. Interessant ist, dass Yong-Hye selbst nicht zu Wort kommt und die Selbstbestimmtheit, die sie nach und nach verliert, bereits beim Lesen verloren geht, indem andere über sie erzählen.
Die Entscheidung, vegetarisch zu leben, erscheint in Deutschland mittlerweile normal und wird auch meist unterstützt und gefördert. In Südkorea ist dies allerdings äußerst verpönt, man macht es einfach nicht, weil es sich nicht gehört. Han Kang zeichnet hier die Probleme der südkoreanischen Kultur sehr gut nach: familiärer Druck, das Patriarchat, die allgemeine Rolle der Frau. Yong-Hye soll sich nicht auflehnen oder sich gar die Entscheidung heraus nehmen, selbstbestimmt zu leben.
Alle drei Teile wirken beim Lesen verstörend und bizarr, beim Lesen schwingt stets ein mulmiges Gefühl mit. Man merkt schnell, dass die Lage um Yong-Hye sich immer weiter zuspitzt und man möchte ihr beim Lesen so gerne helfen, weil ihr Umfeld eben so eiskalt reagiert und sich abwendet. Han Kang spielt immer wieder geschickt zwischen Realität und Fiktion, Traum und Wachsein und erzeugt eine beklemmende, aber auch spannende Atmosphäre. Gerade der letzte Teil hat mich bedrückt zurück gelassen.
Das Buch behandelt so viele wichtige Themen der heutigen Zeit, die nicht nur in Südkorea problematisch sind: die Schuld, die eine Frau trägt, ihre Rechtfertigung für eigentlich normale Dinge und die Kälte und Herablassung, die Frauen immer wieder überall auf der Welt erfahren müssen.
Für mich eine absolute Empfehlung, auch wenn es einiger Triggerwarnungen bedarf - das Buch ist nichts zum Zwischendurch-Lesen, es hallt lange nach und lässt den Leser verstört und nachdenklich zurück.
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