Autor im Porträt
Hans M. Enzensberger
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Mausoleum
Broschiertes Buch
Die siebenunddreißig Balladen handeln von den Widersprüchen des »Fortschritts«, von einem jahrhundertelangen Prozeß also, dessen tragische und komische, ehrwürdige und absurde Verwicklungen wir alle mit uns fortschleppen. Auch wenn der Fortschritt ein kollektiver Mythos ist, hat er sich in einer langen Reihe von historischen Figuren, Protagonisten und Widersachern personifiziert. So nimmt dieses Buch die Gestalt einer Porträtgalerie an, in der Revolutionäre und Astronomen, Musiker und Ingenieure, Mathematiker und Zauberkünstler, Mönche und Bürokraten zu besichtigen sind.
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14,00 €
Fallobst
Broschiertes Buch
»Fallobst, das in verschiedenen großen und kleinen Körben aufgesammelt wurde«, nennt Hans Magnus Enzensberger seine Beobachtungen, Notate, Kurzessays, Erinnerungen, Dialoge, Gedichte und Glossen. Mit spitzer Zunge, unumwunden und streitbar konfrontiert er uns mit Zeitgeist und mainstream. Doch kommen auch Würdigungen nicht zu kurz: von vertrauten und geliebten Menschen, von Brüdern und Schwestern im Geiste. Die deutsche Sprache, deren Tiefsinn und Abgründen der Autor mit lexikalischen Feinbohrungen auf den Grund geht, erfährt ihr Recht. Und nicht zuletzt die Natur in ihren so wundersamen wie kapriziösen Erscheinungen.
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15,00 €
Hans M. Enzensberger
Enzensberger, Hans MagnusHans Magnus Enzensberger wurde 1929 in Kaufbeuren geboren. Als Lyriker, Essayist, Biograph, Herausgeber und Übersetzer ist er einer der einflussreichsten und weltweit bekanntesten deutschen Intellektuellen.Kundenbewertungen
Überlebenskünstler
Bewertung von LichtundSchatten am 09.05.2024
Hans Magnus Enzensberger als Schriftsteller ist mir von allen seinen Büchern her bekannt. Ein unbestechlicher, klarer Denker ohne Eitelkeiten. Seine Aussichten auf den Bürgerkrieg (1994!) und die Schreckensmänner sind absolut weit blickende hellsichtige Bücher!
In diesem Buch der literarischen Vignetten gelingt ihm ein spannendes Werk mit Kurzskizzen von Schriftstellern, auf jeweils wenigen Seiten, von bekannt bis weniger bekannt, die alle auf eine ganz eigene Art und Weise überlebt haben. Gegen alle Widerstände und das Vergessen. Höchst eigensinnig willig dem Schreiben ergeben.
Günter Eich war mir vom Radio ein Begriff, ich habe seine Stimme immer geschätzt, ebenso die Hörspiele.
Wir sind mit ihm tief drin im Überleben während der Nazi Zeit. Und später in seiner Art und Weise, sich nicht mehr zu sehr auf andere oder Ideologien einzulassen. Sich um niemand zu kümmern, außer um sich selbst.
Heimito Doderer schrieb „Die Strudlhofstiege oder Melzer und die Tiefe der Jahre“, ein Werk, das eine langweilige Stiege in Wien weltberühmt machte. Inhalt: verwirrend, schwer fassbar. Doderer sagte: „Der Schriftsteller ist ein ekelhafter Kerl.“
Genau so war er und die Strudlhofstiege versuche ich seit Jahren zu Ende zu hören. Tatsächlich hat sein Verlag ein Doderer ABC herausgegeben, Untertitel: Ein Lexikon für Hermitisten. Es ist 487 Seiten stark und hat im Personenregister 337 Namen. Es gibt noch ein zweites Buch dieses schwer Begreifbaren, von Klaus Nüchtern!, „Kontinent Doderer, eine Durchquerung“.
Lesen werde ich Iwan Bunin, 1870-1953, dem literarische Moden völlig egal waren. „Auch nach ein paar Menschenaltern wirken seine Erzählungen sonderbar frisch. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sie vom. Wichtigsten im Leben, vom Unvorhergesehenen, handeln. Stilistisch war er Dostojewski…weit überlegen.“
Enszensberger schreibt auf den Punkt, jene Trigger-Punkte, die einen neugierig machen auf ein Leben und Schreiben eines Anderen. Ein großartiges, gelungenes Buch.
Gedichte 1950-2020
Der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger hat die schon liebgewonnene Angewohnheit, die Taschenbuchausgabe seiner gesammelten Gedichte im Fünfjahresrhythmus einer Sichtung und „Renovierung“ zu unterziehen. Ältere Gedichte werden herausgenommen und durch neue, häufig bislang ungedruckte Gedichte ersetzt. Bereits 1957 stieß er mit seinem ersten Gedichtband Verteidigung der Wölfe auf ein beachtliches Echo.
Enzensberger schreibt zumeist Zeitgedichte, die neben menschlichen auch aktuelle Themen aufgreifen - wie „Vorschlag zur Strafrechtsreform“ oder „Kleiner Abgesang auf die Mobilität“. Darin zeigt er sich als notorischer Quälgeist, wenn er seinen Unwillen über die gesellschaftlichen Verhältnisse artikuliert („Im Hinterzimmer des Bierkellers, / wo sieben Besoffene sich versammelt haben, / fängt er an, der Krieg.“). Dabei sind seine Gedichte stets ein Experimentierfeld: politische Gedichte werden mit Poesie gewürzt und umgekehrt wird Poesie in Politik umgewandelt. Auf den 238 Seiten warten jedenfalls viele lyrische Überraschungen.
Eine Handvoll Anekdoten
Autobiografie vor allem der 40er Jahre
Erst war ich enttäuscht, weil das Buch damit beginnt, Anekdote als „etwas aus Gründen der Diskretion noch nicht Veröffentlichtes“ zu definieren. Damit war meine Hoffnung auf kurze, lustige Geschichten dahin. Der große Druck und die nette Bilder verleiteten mich zum Weiterlesen und ich bekam eine Art Autobiografie eines 1929 geborenen, der die Schrecken der Nazizeit mit seiner Familiengeschichte verknüpfte.
Wer Enzensberger besser kennt als ich, wird manches aus seinem Leben finden. Ich habe das Buch mehr zur Unterhaltung gelesen, wie ein Schüler die Kriegs- und unmittelbare Nachkriegszeit erlebte. So erfahren wir, dass M. die Zeit, die er in der HJ verbringen sollte, lieber in Bibliotheken verbracht hat. Gegen Ende schreibt er noch über seine Studentenzeit und gleich wird der Text schwächer.
Eine Anekdote habe ich dann doch gefunden, nämlich wie M. für die Amerikaner aus der französischen Besatzungszone des Schwarzwaldes Kuckucksuhren dank Zigaretten und Kaffee nach Franken transportiert. Etwas schade finde ich, dass er die Städtenamen nicht ausschreibt.
Wegen der seltsamen Definition von Anekdote nicht fünf, sondern 4 Sterne.
Überlebenskünstler
Der Club der toten Dichter
Er ist durch seine Lyrik bekannt, gilt in Deutschland als politisch engagierter Intellektueller, der sich auch vielseitig essayistisch betätigt, nun hat der unermüdliche Hans Magnus Enzensberger mit «Überlebenskünstler» ein neues Buch mit dem Untertitel «99 literarische Vignetten aus dem zwanzigsten Jahrhundert» vorgelegt. Ein Blick in den Klappentext macht neugierig, wird doch dort eine «Blütezeit von Schriftstellern» heraufbeschworen, die Aufmerksamkeit des Autors gelte exklusiv all jenen, die dieses durch unsäglichen Staatsterror geprägte Jahrhundert überlebt haben.
Ein Blick in das Inhaltsverzeichnis offenbart, dass es sich hier um eine Art «Club der toten Dichter» handelt, außer dem albanischen Schriftsteller Ismail Kadare sind alle tot. Warum nun ausgerechnet «dieser undurchsichtige Mensch», dessen missratenen Roman «Die Dämmerung der Steppengötter» der Autor unerklärlicher Weise «nicht in die Ecke warf», als einzige Ausnahme hinzugefügt wurde, bleibt selbst ihm ein Rätsel. In seinem mit «Absicht, Mängel und Haftungsausschluß» betitelten Vorwort erklärt Enzensberger seine Vorgehensweise: «Wer kein Historiker ist, kann und muss kein Kompendium liefern und keine unanfechtbaren Beweise führen. Er darf sich an einen subjektiven Erzählton und an eine subjektive Auswahl seiner Beispiele halten». Und so wird denn auch das chronologisch nach Geburtsdatum angelegte Inhaltsverzeichnis selbst einigermaßen belesene Literaturfans ernüchtern, denen etliche Namen noch nie begegnet sind. Ungeklärt bleibt auch, warum denn die Selbstmörder, von denen es ja genug gab unter den Literaten, allesamt ausgeklammert sind. Das Kapitel über Ingeborg Bachmann beginnt denn auch prompt mit dem rechtfertigenden Satz: «Es war kein Selbstmord», - ansonsten hätte er bei dieser Lyrik-Ikone bestimmt eine Ausnahme gemacht.
Dem Buchtitel entsprechend arbeitet der Autor bei den Vignetten seiner literarischen Heroen insbesondere auch deren Lebensumstände in Hinblick auf die politischen Verwerfungen dieses kriegsgebeutelten Jahrhunderts heraus. Weil die aber nicht immer lebensbedrohlich waren, sich manchmal sogar als äußerst kommod herausstellten, taugt der durch den Buchtitel vorgegebene Begriff «Überlebenskünstler» kaum als narrative Klammer, wie es das Vorwort postuliert. Es gibt sogar etliche Vignetten, in denen dieses Thema gar nicht berührt wird. Überhaupt schert sich Enzensberger weder um Systematik noch um Plausibilität, er erzählt unbekümmert in einem angenehm lesbaren Plauderton kurz und prägnant von seinen verstorbenen Kollegen, wobei man viele hochinteressante Details über sie erfährt. Was deren literarischen Qualitäten anbelangt, so nimmt er kein Blatt vor den Mund, manches Buch und mancher Schriftsteller wird da harsch kritisiert oder auch unverblümt verrissen, Elias Canetti oder Henry Miller seien als Beispiele genannt.
Ganz typisch für seine Chuzpe ist es, wenn er bei der Vignette über Ilse Aichinger von einer literarischen «Clique» schreibt, «der ziemlich überschätzten Gruppe 47», - er selbst war ja lange genug dabei. Am besten aber sind die persönlichen Begegnungen des Autors mit einer Reihe berühmter Kollegen, über die hier - nicht ganz uneitel - berichtet wird, es gibt zudem viele erbauliche Anekdoten und manche Insider-Information in diesem literarischen Kompendium. Es gibt aber auch scharfsinnige Kritik an der Haltung einiger Kollegen, viele waren korrumpierbar, politisch unzurechnungsfähig oder einfach «nicht ganz dicht». Jeder dieser ebenso augenzwinkernd wie pointiert verfassten, kolumnenartigen Kurztexte ist amüsant zu lesen, sie wollen weder ästhetische Analyse noch kontemplatives Lehrstück sein. Ob sich diese Lektüre lohnt, ist leider schwer zu beantworten. Eine erfreuliche Bestätigung eigener Belesenheit ist es allemal, wenn man schließlich doch auf etliche bekannte Autoren trifft, - andere, aus heutiger Sicht randständige Schriftsteller hingegen harren ihrer Entdeckung durch mutige Leser.
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