Autor im Porträt
Herta Müller
zur AutorenweltToptitel von Herta Müller
Im Heimweh ist ein blauer Saal
Gebundenes Buch
"Kurz nachdem ich aus Rumänien kam, war ich viel unterwegs. Ich wollte mich bei Freunden melden", schreibt Herta Müller. "Aber die Ansichtskarten hatten so gräßlich mißratene Farben. Eines Tages kaufte ich weiße Karteikarten, einen Klebestift und fing an, im Zug mit der Nagelschere aus der Zeitung ein Schwarzweiß-Bild und Wörter auszuschneiden." Fortan dichtet sie mit Schere und Papier. Herta Müllers berühmte Collagen sind beides zugleich: Kunstwerk und Gedicht, Spiel und poetischer Ernst. Und unversehens taucht im geklebten Gedicht das auf, worum es eigentlich geht: die Wirklichkeit - denn "vielleicht haben auch Wörter ein schimmerndes Gemüt und betreiben Amtsmissbrauch..."…mehr
22,00 €
Mein Vaterland war ein Apfelkern
Broschiertes Buch
Herta Müller hat spätestens nach der Verleihung des Literatur-Nobelpreises im Jahr 2009 faszinierte Leserinnen und Leser in aller Welt gefunden. In einem großen Gespräch mit Angelika Klammer erzählt sie nun zum ersten Mal ausführlich von dem, was sie zum Schreiben gebracht hat und was ihr Leben als Autorin bestimmt: von der dörflichen Kindheit im diktatorisch regierten Rumänien über die Ausreise nach Westdeutschland 1987 bis zur Verleihung des Nobelpreises in Stockholm. Eine Lebensgeschichte in der Literatur.…mehr
17,00 €
© Annette Pohnert / Carl Hanser Verlag
Herta Müller
Müller, HertaHerta Müller, 1953 in Nitzkydorf/Rumänien geboren, lebt seit 1987 als Schriftstellerin in Berlin. Ihr Werk erscheint bei Hanser. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und ist die Literaturnobelpreisträgerin 2009.Medien
Kundenbewertungen
Niederungen
Bewertung von Wuz am 26.02.2013
Bessere, treffendere, faszinierendere Beschreibungen alltäglicher Dinge lassen sich kaum denken - mit dem größtem Genuss zu lesen! Aber ein gerechtes Rumänien-Bild ist damit noch nicht gezeichnet (und kann von ausgewanderten Deutsch-Rumänen und Rumänen wohl auch nicht geliefert werden). Zu Rumänien gehören (neben beneidenswert schöner Landschaft, köstlicher Küche usw.) vor allem Menschen mit einer Musikalität im Blut und einer Volks-Musik, die in Europa nichts Gleichrangiges hat – was ja wohl viel über den Charakter eines Volkes aussagt! (Dies ist jedenfalls meine Erfahrung , und bei letzterem wird mir Frau Müller vielleicht sogar Recht geben.)
Atemschaukel
Das Buch handelt von einem jungen Mann, der für ein paar Jahre in ein russisches Arbeitslager gesteckt wird. Er erzählt von seinen Erfahrungen und wie es ihm dort ergangen ist.
Dabei wird die Geschichte nicht gewöhnlich erzählt. Die Handlung ist zwar chronologisch, aber dennoch verschwimmt sie an einigen Stellen und wirkt allgemein auch etwas distanziert. Und auch wenn die Geschichte so nicht immer ganz einfach zu verfolgen ist, finde ich, dass dieser Stil so wirklich gut gezeigt hat wie leer sich eine Person nach solchen Erfahrungen fühlt.
Außerdem ist der Schreibstil der Wahnsinn. Normale, unbedeutende Dinge werden plötzlich lebendig und haben eine tiefe Bedeutung. Es ist wie ein Gemälde, das mit jedem neuen Satz und Wort weitergemalt wird und man bekommt auf einer ganz anderen Ebene einen Eindruck von den Erfahrungen des Protagonisten.
Dabei sind diese Erfahrungen echt hart und sogar erschreckend. Es ist unglaublich wie Menschen in solchen Lagern überleben konnten und auf welche Weise sie es getan haben. Während des Lesens lernt man die Mitgefangenen kennen und fühlt so mit ihnen, auch wenn auf die eigentlichen Emotionen nicht eingegangen wird.
Ich finde, dass alles zusammen eine unglaubliche Wirkung beim Lesen erzeugt und so diese gewisse leere Stimmung erschafft, die zu dem Thema sehr gut passt. Das Buch ist zwar nicht immer ganz einfach zu lesen und man muss sich Zeit nehmen, um alles richtig zu verstehen, aber mich konnte es auf jeden Fall überzeugen.
Heute wär ich mir lieber nicht begegnet
Bewertung von Wuz am 26.02.2013
Eine Lektüre, die wirklich keinen Spaß macht. Die man aber gebannt, mit der größten Achtung vor der bildhaften unvergleichlichen Sprache und den Ein- und Ansichten der Schriftstellerin liest – und nicht beiseite legen kann. Ach, würde Frau Müller doch mal ein richtig „optimistisch-positives“ Buch schreiben! (Aber worüber eigentlich?)
Atemschaukel
Erzählt wird die Geschichte des siebzehnjährigen Leo Auberg der nur noch eines will: raus aus der Stadt, weg von der Familie, da kam ihm die Massendeportation der Rumäniendeutschen zum Wiederaufbau der Sowjetunion gerade recht. Das Buch umfasst die Zeitspanne 1945 – 1950, fünf Jahre Arbeitslager unter unglaublich widrigen Bedingungen, ein Zeitdokument das sich nicht unbedingt für die Abendlektüre eignet. Über 64 Kapiteln begleitet man den Protagonisten durch seinen Alltag im Lager, seine ganz persönliche Hölle, wo Hunger, Kälte und despotische Werter tiefe Seelenwunden hinterlassen.
Dieser Roman ist ein Stück Vergangenheitsverarbeitung, sprachgewaltig, fesselnd und außergewöhnlich intensiv. Eine biographische Aufarbeitung der Geschichte, hinter der eine melancholische Trauer steht. Es ist reine Geschmackssache ob man die neuerfundenen Worte zulässt oder gut findet, ob man den Satzbau akzeptiert. Ich persönlich bin der Ansicht, dass gerade diese mutige Schreibweise diesen Roman besonders macht, ergreifend echt und lebendig. Kurzweiliger Lesegenuss, absolut empfehlenswert.
Der Fuchs war damals schon der Jäger
De gustibus non est disputandum
Zugegeben, Herta Müllers Prosa ist gewöhnungsbedürftig, sehr sogar! Das Nobelkomitee spricht von einer Autorin, «die mittels Verdichtung der Poesie und Sachlichkeit der Prosa Landschaften der Heimatlosigkeit zeichnet». Im Jahr der Preisverleihung 2009 erschien der Roman «Atemschaukel», dessen Lektüre seinerzeit bei mir einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen hatte als sprachlich hochstehendes Werk einerseits, mit einer leider furchtbar düsteren Arbeitslager-Thematik andererseits, die so gar nichts beiträgt zum Lesegenuss, sofern man kein Masochist ist. Leider fand ich auch im vorliegenden Roman mit dem rätselhaften Titel «Der Fuchs war damals schon der Jäger» ein ähnliches Sujet, das Leben im Rumänien unter dem Diktator Ceausescu kurz vor bis zum Zusammenbruch dieses menschenverachtenden Regimes.
Der offensichtlich vorhandene Determinismus Müllers führt bei diesem siebzehn Jahre vor dem Nobelpreis erschienenen Roman zu einer sehr eigenwilligen sprachlichen Form, deren Poesie sich manchem Leser nur schwer erschließt. Sie ist alles andere als schön, versucht vielmehr, die Lebenszwänge und Ängste der Menschen durch eine häufig grotesk anmutende Wortwahl und Syntax auszudrücken. Das wirkt aufs Gemüt des Lesers und erzeugt eine durchgängig düstere Stimmung, die kaum je aufgehellt wird, selbst ein Witz über Ceausescu oder die tödliche Fahrt eines Parteikaders im Kettenkarussell ändert daran nichts. Mit kurzen, einfachen Sätzen, ohne Fremdwörter auskommend, weitgehend auch ohne direkte Rede, steht für Herta Müller wie bei einer Lyrikerin der Rhythmus ihrer Texte im Fokus, den sie nach eigenem Bekunden durch lautes Vorlesen überprüft und falls erforderlich korrigiert.
Der poetische Hintersinn dieser speziellen Prosa ist in der Regel zumindest nicht gleich offensichtlich, manchmal aber auch überhaupt nicht zu entschlüsseln, oft als Metapher für die Metapher sozusagen. Zitat: «Der Weg kennt sich selber, hat keine Entfernung. Die Schritte verwackeln und sind immer gleich. Dann beeilen die Schuhe sich, der Kopf ist leer, auch wenn der Fuchs im Kopf steht». Alles klar? Für Leser mit Freude an der Lösung solch kniffliger verbaler Rätsel sicherlich eine wahre Fundgrube, ruft Müllers Sprache bei anderen im günstigsten Fall nur Kopfschütteln hervor, aber auch krasse Ablehnung. Was schade ist, denn das Spektrum auch abseitiger sprachlicher Formen auszuloten ist zumindest bereichernd, selbst wenn es Mühe macht für literarische Warmduscher wie mich.
Der Plot ist banal und nicht weiter erwähnenswert, natürlich ist die Securitate allgegenwärtig, die wenigen Figuren sind nur schemenhaft beschrieben als typische Stellvertreter für ein unterdrücktes rumänisches Volk. Die Trostlosigkeit ihres Lebens wird emotionslos geschildert, wobei die simple Geschichte ab der Mitte des Buches Fahrt aufnimmt und dann auch etwas konventioneller erzählt wird. Am Ende gibt es mit dem Untergang des Regimes fast so etwas wie Optimismus, durchaus selten ja im Werk Herta Müllers, ein Licht am Ende des Tunnels jedenfalls. Auch wenn klar wird, dass die alten Kader schnell wieder Fuß fassen, sich der neuen Zeit scheinbar mühelos anpassen, was die positive Stimmung gleich wieder dämpft. So weit, so gut, wie für jede Kunst gilt auch für diesen Roman: Über Geschmack lässt sich nicht streiten!
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