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Ingar Johnsrud
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Der Hirte / Fredrik Beier Bd.1 (eBook, ePUB)
Alle Bände der Fredrik-Beier-Reihe Der Hirte (Bd. 1) Der Bote (Bd. 2) Der Verräter (Bd.3)…mehr
Echokammer / Ein Fall für Benjamin & Tong Bd.1 (eBook, ePUB)
Ingar Johnsrud
Johnsrud, IngarIngar Johnsrud, Jahrgang 1974, wuchs in Holmestrand auf. Er studierte Film- und Medienwissenschaften und arbeitete fünfzehn Jahre als Journalist bei einem der größten norwegischen Medienunternehmen. Sein erster Thriller, »Der Hirte«, wurde als bestes Krimidebüt für den Maurits Hansen Prisen nominiert und eroberte international die Bestsellerlisten.Krimifestival 2017, Ingar Johnsrud - Der Hirte
Eine obskure Bruderschaft - Ingar Johnsrud: Der Hirte
Mit "Der Hirte" ist Ingar Johnsrud, in Norwegen ein bekannter Journalist, zum ersten Mal ins Krimifach gewechselt. Ihm ist ein starkes Debüt gelungen - aus dem Stand heraus hat sich der Autor unter Thrillerfans einen Namen gemacht! In rund zwei Dutzend Länder wurden die Übersetzungsrechte bereits verkauft, und nun ist das Buch auf Deutsch erschienen.
Die Story beginnt mit einem politischen Mord in Afghanistan und schwenkt dann unmittelbar weiter nach Norwegen. Dies ist ein wesentliches Stilmittel Johnsruds: Er verknüpft verschiedene Erzählstränge auf unterschiedlichen Zeitebenen, und erst nach und nach erschließen sich die großen Zusammenhänge. Der Erzähler hat die Karten in der Hand und lässt den Leser nur Zug um Zug einen Blick ins Blatt werfen - so hält er bis zum Ende die Spannung.
Die zentrale Figur ist Fredrik Beier, ein etwas starrköpfiger, aber talentierter Ermittler. Ihm an die Seite wird Kafa Iqbal gestellt, eine wunderschöne und intelligente Analytikerin, außerdem ist Beiers Kollege Andreas Figueras mit von der Partie. Sie werden auf die…mehr
Eine obskure Bruderschaft - Ingar Johnsrud: Der Hirte
Mit "Der Hirte" ist Ingar Johnsrud, in Norwegen ein bekannter Journalist, zum ersten Mal ins Krimifach gewechselt. Ihm ist ein starkes Debüt gelungen - aus dem Stand heraus hat sich der Autor unter Thrillerfans einen Namen gemacht! In rund zwei Dutzend Länder wurden die Übersetzungsrechte bereits verkauft, und nun ist das Buch auf Deutsch erschienen.
Die Story beginnt mit einem politischen Mord in Afghanistan und schwenkt dann unmittelbar weiter nach Norwegen. Dies ist ein wesentliches Stilmittel Johnsruds: Er verknüpft verschiedene Erzählstränge auf unterschiedlichen Zeitebenen, und erst nach und nach erschließen sich die großen Zusammenhänge. Der Erzähler hat die Karten in der Hand und lässt den Leser nur Zug um Zug einen Blick ins Blatt werfen - so hält er bis zum Ende die Spannung.
Die zentrale Figur ist Fredrik Beier, ein etwas starrköpfiger, aber talentierter Ermittler. Ihm an die Seite wird Kafa Iqbal gestellt, eine wunderschöne und intelligente Analytikerin, außerdem ist Beiers Kollege Andreas Figueras mit von der Partie. Sie werden auf die verschwundene Tochter der Politikerin Kari Lise Wetre angesetzt. Auf den ersten Blick ein Routineauftrag, der sich aber schnell zu einem ungeheuerlichen Fall auswächst, als das Team zum Tatort eines rituellen Massenmords beordert wird.
Es findet etliche grausam zugerichtete Leichen auf einem Hof außerhalb von Oslo, wo die abgeschottet lebende christliche Sekte "Gottes Licht" ihr Unwesen trieb. Wie ein Hochsicherheitstrakt ist das Gelände gesichert, und unter anderem entdecken die Ermittler dort ein professionelles Labor, das für merkwürdige Experimente benutzt worden zu sein scheint. Die noch lebenden Sektenmitglieder sind verschwunden, unter ihnen die vermisste Annette Wetre.
Das seltsame Labor der Sekte legt die Spur zu einem weiteren, zum Verständnis der Geschichte entscheidenden Erzählstrang. Schon als Einleitung zitiert Johnsrud aus einem Buch mit dem Titel "Rassenhygiene", geschrieben in den 1930er-Jahren. Und auch der Originaltitel "Wienerbrorskapet", der wörtlich mit "Wiener Bruderschaft" zu übersetzen wäre, spielt auf eine (fiktive) Vereinigung von Wissenschaftlern an, die in dieser Zeit in Wien Rassenforschung betrieb. Die Geschichte dieser obskuren und schließlich entzweiten Bruderschaft ist der Grundstein für Johnsruds Plot. Johnsrud verquickt den mysteriösen Kriminalfall mit internationaler Politik und dunkler Geschichte, zieht Verbindungen von Altnazis zu christlichen Fanatikern und muslimischen Fundamentalisten. Dabei gibt es eine Menge Actionszenen und Blutvergießen; auch ein unbekannter mächtiger Gegenspieler fehlt nicht...
Man weiß in dieser komplexen Geschichte nie, wohin sich die Dinge als Nächstes wenden - und die Grundstimmung ist düster. "Der Hirte" ist etwas für alle, die Vergnügen an mysteriösen Verschwörungenhaben, etwas für hartgesottene Crime-Aficionados, die weder ein blutrünstiges Gemetzel noch ein menschenverachtender Wissenschaftlerbund abschrecken können. Die Zutaten zu Johnsruds Plot sind vielleicht nicht alle neu, doch hat er sie extrem gekonnt eingesetzt, die Story sorgfältig und schlau konstruiert. Herausgekommen ist ein ebenso temporeicher wie brutaler, aber vor allem: ein hochspannender Thriller.
Krimifestival 2017, Ingar Johnsrud - Interview
Obwohl "Der Hirte" nicht damit beginnt, spielt die zweifelhafte rassenbiologische Forschung einer Wiener Bruderschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine wichtige Rolle für die Handlung. Wie kam es zu dieser Idee?
Ingar Johnsrud: Ich habe mich immer für Geschichte interessiert, deswegen stand für mich schon früh fest, dass es einen historischen Erzählstrang in "Der Hirte" geben sollte. Eines der faszinierendsten Details in Bezug auf Geschichte ist in meinen Augen, wie wir sie für unsere Nachwelt beschreiben. Das sagt, glaube ich, sehr viel darüber aus, wer wir sind und wie wir uns selbst sehen.
Norwegen war während des Zweiten Weltkriegs bekanntlich besetzt. Als Kind und Schüler, in den 1980er- und den frühen 1990er-Jahren, lernte ich bezüglich des Zweiten Weltkriegs in der Schule hauptsächlich, wie in Europa Nazismus und Faschismus wuchsen - und wie die norwegischen Widerstandskämpfer gegen diese Ideologien fochten. Wir studierten, wie sie gegen die Gestapo und deren norwegische Anhänger vorgingen und wie der Widerstand das Regime von Vidkun Quisling untergrub. Wir lernten etwas über den…mehr
Obwohl "Der Hirte" nicht damit beginnt, spielt die zweifelhafte rassenbiologische Forschung einer Wiener Bruderschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine wichtige Rolle für die Handlung. Wie kam es zu dieser Idee?
Ingar Johnsrud: Ich habe mich immer für Geschichte interessiert, deswegen stand für mich schon früh fest, dass es einen historischen Erzählstrang in "Der Hirte" geben sollte. Eines der faszinierendsten Details in Bezug auf Geschichte ist in meinen Augen, wie wir sie für unsere Nachwelt beschreiben. Das sagt, glaube ich, sehr viel darüber aus, wer wir sind und wie wir uns selbst sehen.
Norwegen war während des Zweiten Weltkriegs bekanntlich besetzt. Als Kind und Schüler, in den 1980er- und den frühen 1990er-Jahren, lernte ich bezüglich des Zweiten Weltkriegs in der Schule hauptsächlich, wie in Europa Nazismus und Faschismus wuchsen - und wie die norwegischen Widerstandskämpfer gegen diese Ideologien fochten. Wir studierten, wie sie gegen die Gestapo und deren norwegische Anhänger vorgingen und wie der Widerstand das Regime von Vidkun Quisling untergrub. Wir lernten etwas über den Holocaust und das Leiden der Zivilbevölkerung.
All das ist wichtig. Aber hinsichtlich der Details, die mein eigenes Land betreffen, muss ich im Nachhinein sagen, dass uns nur die Geschichte unserer Helden gelehrt wurde. Die Geschichte der "guten" Norweger. Erst später entdeckte ich, dass dies nur das bevorzugte von vielen Kapiteln war.
Neben Deutschland, Schweden, Großbritannien und den Vereinigten Staaten war Norwegen im frühen 20. Jahrhundert eine der führenden Nationen im Bereich Rassenbiologie und Eugenik. In Norwegen gab es international sehr renommierte Wissenschaftler. Sie trugen dazu bei, ein schändliches Sterilisationsgesetz auf den Weg zu bringen (das vom Parlament erst in den 1970er-Jahren abgeschafft wurde), und ihr Gedankengut hatte reale und traurige gesellschaftliche Auswirkungen. Dieser Teil der Geschichte meiner Nation ist nicht völlig unbekannt, über ihn wird aber wenig gesprochen.
Ich glaube, es ist wichtig, dass Schriftsteller, und vielleicht gerade diejenigen unter uns, die sich "leichteren" Genres wie der Kriminalliteratur widmen, ihre Chance nutzen, darüber zu schreiben, dass die etablierte Wahrheit nicht immer die einzige Wahrheit sein mag. Deswegen habe ich mich entschieden, meine Geschichte so zu erzählen, wie ich es getan habe. Aus der Perspektive eines jungen norwegischen Wissenschaftlers wollte ich die Entscheidungen aufzeigen, die eine Gruppe von Rassebiologen in den 1930er-Jahren und während des Zweiten Weltkriegs treffen musste. Ich wollte zeigen, dass der Horror dieses Kriegs uns nicht nur aufoktroyiert wurde, sondern auch Teil von uns selbst war.
Wissenschaft kann dem Guten oder dem Bösen dienen. Wie wichtig ist dieses spezifische Spannungsfeld für Ihr Buch?
Ingar Johnsrud: Das ist in meinen Augen eine der wichtigsten philosophischenFragen, die das Buch aufwirft. Kann jemand Rassenbiologe und trotzdem ein anständiger Mensch sein? Welche Verantwortung haben Wissenschaftler für ihre Forschung? Was machen Wissenschaftler, wenn ihre Forschungsarbeit von Politikern und Diktatoren missbraucht wird? Kurz gesagt: Kann Wissenschaft neutral sein?
Ob deutscher Nationalsozialismus oder Afghanistan: Die Geschichte, die Sie erzählen, hat viele Bezüge zu historischen Ereignissen und aktuellen Entwicklungen. Wie wichtig ist es für Sie, der Geschichtsschreibung und den Tatsachen treu zu sein?
Ingar Johnsrud: Seit fast zwanzig Jahren bin ich Journalist, und dieser berufliche Hintergrund hat natürlich einen Einfluss darauf, wie ich schreibe. Ich verbringe viel Zeit mit Recherche. Ich gehe an die Orte des Geschehens, ich porträtiere, ich fotografiere und mache mir Notizen. Ich suche nach Quellen, die mich besser verstehen lassen, worüber ich schreibe.
Davon abgesehen ist mein Buch aber Fiktion. Das Wichtigste für mich ist, dass der Leser sich gut unterhalten fühlt, dass ihm die Geschichte gefällt, dass sie ihm Angst macht, dass er aufgeregt oder glücklich ist ... dass all die Gefühle ausgelöst werden, die man von einem guten Roman erwartet. Deshalb lautet mein Mantra: Fakten sind toll, solange sie der Geschichte nicht im Weg stehen.
Ein guter Roman lässt sich mit einer Bootsfahrt vergleichen. Wenn du dich entscheidest, an Bord zu gehen, musst du die Wellen spüren, den Wind, den Duft von Salz und Natur in der Luft. Die Mitreisenden sind die Figuren aus dem Roman. Um die Fahrt genießen zu können, muss man an sie und an das Erlebnis glauben.
Religiöser und ideologischer Fanatismus spielen in Ihrem Buch eine Schlüsselrolle. In welchem Maße haben die jüngsten Debatten zu diesem Thema Sie beim Schreiben beeinflusst?
Ingar Johnsrud: Wie alle anderen bin natürlich auch ich von der Welt beeinflusst, in der wir leben, von den laufenden Debatten, ob es nun um islamischen Fundamentalismus, die Flüchtlingskrise, die globale Erwärmung, die Gleichstellung der Geschlechter, den Rechtsextremismus oder sonst irgendetwas geht. Ein Kriminalroman ist ein wunderbares Mittel, diese Themen aufzugreifen. Du kannst beschreiben, du kannst kritisieren, du kannst Fragen stellen und extrem ehrlich sein, während du gleichzeitig eine spannende, gruselige, interessante und hoffentlich unterhaltsame Geschichte erzählst.
Es gibt eine sehr beängstigende Beziehung zwischen den Ideologien der 1930er Jahre, dem Nazismus, dem Faschismus und dem Kommunismus, und dem religiösen Fanatismus, dem wir heute gegenüberstehen. In beiden Fällen behaupten die Anhänger, im Namen von etwas zu handeln, das größer ist als sie selbst. Damit entmenschlichen sie nicht nur ihre Opfer, sondern ebenso sich selbst.
In den 1930er und 1940er-Jahren begingenMenschen schreckliche Verbrechen und rechtfertigten sich mit der Verteidigung der arischen Rasse oder dem Kampf gegen den Kommunismus. Oderdamit, einen faschistischen Staat zu verteidigen. Heute begehen Menschen schreckliche Verbrechen und behaupten, damit den Willen ihres Gottes auszuführen. Aber die Rechtfertigung ist die gleiche. Ihre Ideologie oder Religion erfordert ihr Handeln und negiert ihre menschliche Verantwortung. Was mich an extremistischen Ideengebäuden am meisten schockiert, ist die Tatsache, dass Menschen zu furchtbarsten Taten aufgestachelt werden, die in einem anderen Kontext ganz anständige Leute hätten sein können. Das haben wir im Zweiten Weltkrieg gesehen. Wir haben es in Ruanda gesehen - und heute sehen wir es wieder.
Ihr Ermittler Fredrik Beier arbeitet Hand in Hand mit der Analytikerin Kafa Iqbal. Warum haben Sie sich für dieses dynamische Zweierteam entschieden?
Ingar Johnsrud: Ich wurde bereits gefragt, ob es einfach nur ein cleverer, politisch korrekter Schachzug war: eine weibliche Ermittlerin mit pakistanischen Eltern, die mit einem älteren weißen Kerl zusammenarbeitet. In Wahrheit hatte ich dieses Kalkül nie. Ich hatte keine politischen Hintergedanken und mein Ziel war es einfach, unsere heutige Gesellschaft widerzuspiegeln. Als Journalist habe ich Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen interviewt und mit Leuten aus der ganzen Welt zusammengearbeitet. Das ist kein Wunder, ein Drittel von Oslos aktueller Bevölkerung ist entweder im Ausland geboren oder hat Eltern, die im Ausland geboren sind. Wenn es also ein "cleverer Schachzug" war, dann wohl eher in literarischer Hinsicht. Zwischen einem mittelalten weißen Mann, einem Agnostiker mit protestantischen Vorfahren, und einer jungen Muslima wird es immer Spannungen geben. Dabei kann es um Religion, Rassismus, Gleichberechtigung, sexuelle Anziehung oder einfach um Generationenunterschiede gehen. Das macht die Geschichte einfach besser.
Werden wir Fredrik Beier wieder begegnen? Wenn ja, was können Sie unseren Lesern jetzt schon über die Fortsetzung sagen?
Ingar Johnsrud: Auf jeden Fall! Der zweite Roman mit dem norwegischen Titel "Kalypso" wurde in Norwegen vergangenen Herbst veröffentlicht, und ich arbeite derzeit am dritten Teil. Ich hatte immer drei Romane im Kopf, die durch eine Hintergrundstory verbunden sind. Natürlich sollen sie unabhängig voneinander gelesen werden können, aber es gibt auch eine übergreifende größere Verschwörung, ein Geheimnis, das Fredrik und Kafa erst nach und nach zu verstehen beginnen. In "Kalypso" kommen wir den Charakteren noch viel näher. Wir werden sehen, dass Kafa nicht nur die intelligente, logisch denkende und etwas arrogante junge Ermittlerin ist, sondern auch ihr eigenes Päckchen zu tragen hat. Aber vor allem ist "Kalypso" eine Kriminalgeschichte, ein politischer Thriller, der die alte Weisheit bestätigt, dass böse Taten selten vergessen werden.
Herr Johnsrud, in wenigen Worten: Was macht einen guten Thriller aus?
Ingar Johnsrud: Ich denke, ein guter Thriller verlangt ungefährdas gleiche,wie eine Beziehung - eine Balance zwischen Zufriedenheit und Überraschung. Als Leser wollen wir manchmal das Gefühl haben, dass wir ein Puzzle richtig zusammengefügt haben, das macht uns zufrieden. In anderen Momenten genießen wir eine Überraschung. Wir glauben gern, die Antwort zu kennen, bevor sich die Dinge dann in eine völlig andere Richtung entwickeln können. Ein guter Thriller ist spannend, anstrengend, unterhaltsam - und vielleicht lernt man etwas beim Lesen dazu. Zwischendurch braucht man ein wenig Zeit zum Atmen und eventuell eine oder zwei erotische Fantasien. Genau wie in einer guten Beziehung.
Interview: Literaturtest