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Ivo Andric
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Das Fräulein
Gebundenes Buch
Ivo Andric - Nobelpreisträger und "die literarische Stimme Bosniens schlechthin" (NZZ) - über eine starke Frauenfigur, die in Erinnerung bleibt.
Rajkas Vater zählt zu den angesehensten und reihum respektierten Geschäftsmännern Sarajevos, ehe er bankrottgeht und darüber verzweifelt. Noch auf dem Sterbebett schärft er seiner fünfzehnjährigen Tochter ein: "Spare, spare immer, überall, an allem, und kümmere dich um nichts und niemanden."
Streng hält sie sich an seinen Rat, übernimmt den Haushalt, unterdrückt die sanfte Mutter, schaut hartherzig einzig und allein auf ihren Vorteil und wird darüber zu einem Monstrum an Gier und Habsucht. Als jedoch der junge Ratko in ihr Leben tritt, ändert sich alles, und das "Fräulein" wirft alle Prinzipien über Bord.
Mit diesem 1944 entstandenen Roman schuf Ivo Andric eine großartige und zeitlos aktuelle Charakterstudie.…mehr
Rajkas Vater zählt zu den angesehensten und reihum respektierten Geschäftsmännern Sarajevos, ehe er bankrottgeht und darüber verzweifelt. Noch auf dem Sterbebett schärft er seiner fünfzehnjährigen Tochter ein: "Spare, spare immer, überall, an allem, und kümmere dich um nichts und niemanden."
Streng hält sie sich an seinen Rat, übernimmt den Haushalt, unterdrückt die sanfte Mutter, schaut hartherzig einzig und allein auf ihren Vorteil und wird darüber zu einem Monstrum an Gier und Habsucht. Als jedoch der junge Ratko in ihr Leben tritt, ändert sich alles, und das "Fräulein" wirft alle Prinzipien über Bord.
Mit diesem 1944 entstandenen Roman schuf Ivo Andric eine großartige und zeitlos aktuelle Charakterstudie.…mehr
28,00 €
Wesire und Konsuln
Broschiertes Buch
Ein Meisterwerk des Nobelpreisträgers
Anfang des 19. Jahrhunderts gerät die bosnische Kleinstadt Travnik ins Visier der Weltmächte. Bosnien - wie fast der ganze Balkan - gehört zum Osmanischen Reich, hier residiert ein Wesir des Sultans. Als ein französischer und ein österreichischer Konsul in die Stadt entsandt werden, wird sie zum Schauplatz internationaler Diplomatie. Beide buhlen in erbitterter Konkurrenz um die Gunst des Sultans, halten es aber letztlich nur miteinander aus. Dieser 1942 vollendete Roman ist ein Meisterwerk der Erzählkunst, eine Liebeserklärung an Ivo Andric' Heimat Bosnien und eine zeitlose Bühne der Welt.
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Anfang des 19. Jahrhunderts gerät die bosnische Kleinstadt Travnik ins Visier der Weltmächte. Bosnien - wie fast der ganze Balkan - gehört zum Osmanischen Reich, hier residiert ein Wesir des Sultans. Als ein französischer und ein österreichischer Konsul in die Stadt entsandt werden, wird sie zum Schauplatz internationaler Diplomatie. Beide buhlen in erbitterter Konkurrenz um die Gunst des Sultans, halten es aber letztlich nur miteinander aus. Dieser 1942 vollendete Roman ist ein Meisterwerk der Erzählkunst, eine Liebeserklärung an Ivo Andric' Heimat Bosnien und eine zeitlose Bühne der Welt.
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14,00 €
© Courtesy of Information Service, Yugoslavia
Ivo Andric
Zu der Zeit, als Ivo Andric (* Dolac 1892, † Belgrad 1975) in Bosnien aufwuchs, gehörte es noch zu Österreich-Ungarn. Er studierte in Wien, Zagreb, Krakau und Graz bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs und saß wegen revolutionären, anti-österreichischen Engagements ein Jahr im Gefängnis. Nach dem Krieg und seiner Amnestie saß Ivo Andric im Nationalrat und trat in den diplomatischen Dienst ein. Sein literarisches Schaffen umfasst Gedichte, Erzählungen und Romane, wobei Andric mit "Die Brücke über die Drina" (1945) sehr bekannt wurde. Andere Werke waren Kurzgeschichten (1924/31/36), "Wesire und Konsuln" und "Das Fräulein" (beide 1945). Große Themen in seinen Büchern sind die bosnische Geschichte, das Spannungsfeld zwischen West und Ost und die Vielfältigkeit der Nationen und Religionen seiner Heimat. Andric, Anhänger des multiethnischen Staatsgedankens, war nach dem Zweiten Weltkrieg auch Vorsitzender des Schriftstellerverbandes und Abgeordneter im nun sozialistischen Jugoslawien. Den Nobelpreis für Literatur erhielt er 1961.Kundenbewertungen
Das Fräulein
Sarajevo, zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Als Rajkas Vater seiner 15-jährigen Tochter auf dem Sterbebett einprägt, sie solle im Leben sparen, sparen und sparen, ahnt er wohl selbst nicht, wie sehr er damit dem Leben des Mädchens eine unaufhaltsame Richtung vorgibt. Dabei wollte der Geschäftsmann bloß vermeiden, dass sie dieselben Fehler wie er begeht. Denn Obren Radakovic steht kurz vor seinem Tod vor dem finanziellen Ruin. Rajka nimmt sich die Worte des geliebten Vaters zu Herzen und spart künftig an allen Ecken und Enden. Während ihre finanziellen Mittel anwachsen, wird Rajka selbst immer einsamer, denn bei ihrer Geschäftstüchtigkeit kennt das Fräulein im wahrsten Sinne des Wortes keine Verwandten. Als die Stadt vom Attentat auf den österreich-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand geschockt wird und der Erste Weltkrieg vor der Tür steht, ändert sich auch für Rajka alles. Wem kann sie jetzt noch trauen, auf welches Pferd soll sie setzen, um ihren Reichtum nicht zu gefährden?
Literatur-Nobelpreisträger Ivo Andric (1892 - 1975) schrieb seinen Roman "Das Fräulein" während der deutschen Besetzung Belgrads 1944. Es ist nach "Wesire und Konsuln" und "Die Brücke über die Drina" der dritte Teil seiner sogenannten "Bosnischen Trilogie", dessen drei Werke unabhängig voneinander lesbar sind und die alle innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren entstanden. Seit 2011 bringt Zsolnay überarbeitete Fassungen der deutschen Übersetzungen heraus. Das jüngst erschienene "Das Fräulein" bildet auch in dieser Reihe den Abschluss.
Andric erzählt das Leben dieser Rajka Radakovic von ihrem einsamen Tod in Belgrad 1935 ausgehend und blickt mit psychologisch scharfem Blick zurück, wie sich das "Fräulein", wie sie von allen genannt wird, zu diesem verhärmten Menschen entwickeln konnte. Das große Plus des Romans ist dabei die unendlich groß wirkende Fabulierkunst des jugoslawischen Schriftstellers. Schon mit den ersten Sätzen des Werks gelingt es ihm, die Leserschaft mitten hineinzuziehen in das Belgrader Geschehen. Äußerst kleinteilig und atmosphärisch spinnt Andric ein Netz aus poetischen und dennoch zugänglichen Sätzen, in dem man sich leicht verfängt und nicht mehr losgelassen wird. Ein Stil, der sich durch die knapp 300 Seiten zieht. Dabei beweist der Autor, dass es gar nicht so wahnsinnig viel Handlung benötigt, um einen sehr guten Roman zu schreiben. Denn oftmals folgt man dieser Rajka einfach nur durch die Straßen Sarajevos und später Belgrads, partizipiert an ihren Gedanken, an ihren Ängsten und trifft mit ihr Menschen, die es gut oder weniger gut mit ihr meinen.
Die Figuren werden gerade zu Beginn so detailliert und bunt beschrieben, wie ich es zuletzt bei Maxim Billers "Sechs Koffer" kennenlernen durfte. Dabei werden ihre Eigenschaften oft bis ins Groteske gesteigert. Gerade Protagonistin Rajka erscheint wie die Karikatur eines Kapitalisten, eines Geizhalses. Der auktoriale Erzähler spottet manchmal ein wenig über das Fräulein, verlacht sie aber nicht und bleibt stets an ihrer Seite. Viele Schilderungen bekommen einen tragikomischen Unterton, denn blickt man auf das unselige Ende des Fräuleins, bleibt einem das Lachen schon mal im Halse stecken.
Aus psychologischer Sicht besonders stark sind die Szenen, in denen in Sarajevo aufgrund des Attentats großer Aufruhr herrscht und man als Leser eine Mischung aus Euphorie und Bedrohung spürt. Sarajevo und seine Bewohner:innen öffnen sich in dieser Szene und sehen weltbewegenden Ereignissen entgegen, während sich Rajka verschließt, noch stärker abkapselt als zuvor und lediglich daran interessiert ist, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen und auf Seiten der Gewinner stehen zu wollen. Andric setzt diesen apollinisch-dionysischen Kontrast hervorragend um. Im letzten Drittel gelingt ihm zudem ein überraschender Coup, indem er zwei Figuren einführt, die Rajkas bisherige Welt und ihre Anschauungen stark ins Schwanken bringen. Auch hier begibt er sich ganz tief in die Psyche seiner Titel-Antiheldin.
Auf emotionaler Ebene erreicht einen das Buch hingegen eher selten. Lediglich im letzten Drittel bekommt man so etwas wie Mitleid mit Rajka, erkennt in ihr die menschlichen Seiten, die einem über weite Strecken des Romans durch ihr egozentrisches Verhalten verwehrt blieben. Dennoch ist der Roman wegen der Sprache und der Figuren ein insgesamt wirklich gelungener, der Lust darauf macht, noch mehr Werke von Ivo Andric kennenlernen zu wollen.
Die Brücke über die Drina
Der serbokroatische Autor Ivo Andrić (1892 bis 1975) erhielt 1961 den Literatur-Nobelpreis für die epische Kraft, mit der er Motive und Schicksale aus der Geschichte seines Landes gestaltete, vor allem in seinem legendären Roman „Die Brücke über die Drina“. Kein anderes Werk legt die Geschichte des Balkans so bloß wie dieser Jahrhundertroman, den Andrić bereits 1945 publizierte.
Die Handlung kreist um die steinerne Brücke über die Drina, jenen Fluss auf dem Balkan, der inmitten Europas Bosnien von Serbien, aber auch Okzident und Orient trennt. Andric erzählt die abwechslungsreiche Geschichte des Bauwerks vom 16. Jahrhundert bis zu ihrer Zerstörung 1914. Mehmet Pascha Sokolis, der Großwesir des Osmanischen Reiches, ließ bei der bosnischen Stadt Wischegrad die steinerne Brücke über die Drina errichten. Gleich nach Beginn des Ersten Weltkrieges sprengten österreichische Pioniere beim Rückzug vor den Serben den Mittelpfeiler in die Luft.
„Die Zeit ging über die Brücke und die Stadt hinweg, in Jahren, in Jahrzehnten“. Andric wählte die Brücke als Leitmotiv, um die Ereignisse und Episoden aus der Wischegrader Geschichte aneinander zu reihen. Aus vielen Begebenheiten und Einzelschicksalen entwirft er ein großes historisches Panorama - vom Glanz und Verfall des Osmanischen Reiches, über die österreichische Besatzung und den serbischen Freiheitsdrang bis zum Anbruch der neuen, modernen Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
„Die Brücke über die Drina“ ist also ein geschichtsträchtiger Roman ohne lebendige Hauptfigur und so gibt es kein durchgehendes Figurenensemble. Jede historische Episode der Chronik hat ihr eigenes Personal, gruppiert um das vereinende Motiv der Brücke. Geschildert wird die komplexe Handlung von einem anonymen Erzähler.
In den 1990er Jahren gelangte der Roman durch den Jugoslawienkonflikt zu neuer Aktualität. Nur vierzig Kilometer entfernt von Wischegrad liegt Srebrenica. Man wird den Roman kaum lesen können, ohne an die schrecklichen Ereignisse vor zwanzig Jahren zu denken.
Das Fräulein
Ich weiß gar nicht, wie viele Jahre »Das Fräulein« von Ivo Andrić genau vergriffen war. Meine stets gehütete 1958 bei Aufbau erschienene Taschenbuchausgabe für 1,85 DM fällt schon fast auseinander, weil ich sie immer mal wieder las. Entsprechend groß war meine Freude, dass Zsolnay nun die Übersetzung von Edmund Schneeweis noch einmal von Katharina Wolf-Grießhaber überarbeiten ließ und »Das Fräulein« mit einem Nachwort von dem Andrić-Biographen Michael Martens versah. Einzig das Nachwort enttäuschte mich etwas, da es eher anekdotenhaft auf Andrić eingeht und wenig auf die Ambivalenz des Literaten und machtnahen Diplomaten, dem neben großer Anerkennung für sein Werk auch Schweigen und Opportunismus vorgeworfen wird.
Rajka Radaković ist noch ein Kind, als ihr Vater stirbt. Der Vater, ein Kaufmann in Sarajevo, der vor dem ersten Weltkrieg bankrott geht und daran zerbricht, sagt ihr am Sterbebett, sie solle hart und konsequent gegenüber sich und anderen sein. So werde sie erfolgreich. Sie solle sich schützen vor dem weich sein, vor dem störenden Mitgefühl, das ihn zugrunde gerichtet hätte. Radaković strebt ihm nach, wird eine skrupellose Geldverleiherin und erwirtschaftet ein Vermögen, schon bevor sie volljährig ist. Sie ist Kriegsgewinnlerin und wird immer mehr eingenommen von der Gier nach mehr Macht, nach mehr Geld und noch mehr von dem Geiz, der Angst, es wieder zu verlieren.
Sie siedelt nach Belgrad über, eine in den Zwischkriegsjahren internationale und pulsierende Stadt, die sie anwidert. Einmal verliebt sie sich trotzdem, in einen Betrüger, danach zieht sie sich vollkommen zurück, macht ihr Herz eng, immer enger. Je älter Radaković wird, desto mehr Raum nimmt das Sparen ein. Wie besessen ist sie davon, was sie alles einsparen kann. Sie denkt immer mehr, dass an der Instandhaltung des Hauses, der Kleidung, dem Essen, der Gesundheit gespart werden kann, bis sie äußerlich und innerlich völlig verarmt. Ihr Herz hört vor Angst auf zu schlagen, als sie die Geräusche des Windes für einen Einbrecher hält. Was bleibt, ist eine kleine Zeitungsnotiz.
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Diese Zeitungsnotiz soll es wirklich gegeben haben, sie soll Andrić dazu inspiriert haben, dieses großartige Portrait einer unangepassten Frau zu schreiben. Auch heute kennen wir solche beunruhigenden Nachrichten, dass ein alter Mensch vereinsamt und vergessen stirbt. Der Blick von Andrić auf diese spröde Frauenfigur bleibt in »Das Fräulein« voller Sympathie und Liebe, die Umwelt reagiert auf sie mit Irritation, Wut und Ablehnung, da sich Rajka allen Konventionen widersetzt. Aber entgegen der bekanntesten geizigen Figur der westlichen Literaturwelt Ebenezer Scrooge von Charles Dickens, hält sich Andrić mit einer Moral oder Läuterung der geizigen Rajka zurück und liest sich dadurch erstaunlich modern, auch konnte ich nicht wie etwa bei Anna Karenina einen strafenden misogynen Blick auf Rajka Radaković spüren.
Die Brücke über die Drina
Im Kanon der Weltliteratur
Im Jahre 1945 erschienen die drei Romane der «Bosnischen Trilogie» von Ivo Andrić, von denen «Die Brücke über die Drina» der mit Abstand bekannteste wurde. Sechzehn Jahre später erhielt Andrić den Nobelpreis «für die epische Kraft, mit der er Motive und Schicksale aus der Geschichte seines Landes gestaltet». Sein weltberühmter Roman ist der Versuch eines Brückenschlags zwischen Okzident und Orient, symbolisiert durch jene Brücke in seiner bosnischen Heimatstadt Višegrad, die beispielhaft das multiethnische Zusammenleben auf dem Balkan thematisiert. Eine kunstvoll angelegte Geschichtsbeschreibung des auch als Politiker und Diplomat tätigen Autors, der sich entschieden für den Vielvölkerstaat Jugoslawien eingesetzt hat, welcher später so kläglich gescheitert ist. Warum, das erfahren wir Leser aus diesem historischen Roman, der insoweit auch eine Lehrstunde darstellt über politische und soziologische Hintergründe, äußere und innere Ursachen der unsäglichen, bis heute andauernden Querelen in diesem Unruheherd Europas.
Auf dem Weg zwischen Istanbul und Sarajevo gelegen, gewinnt Višegrad mit seiner steinernen Brücke wirtschaftlich, aber auch militärisch an Bedeutung. Ein weitsichtiger osmanischer Wesir hatte die Brücke nahe der Grenze zwischen Serbien und Bosnien in den Jahren 1571 bis 1578 erbaut, sie bildet ein wichtiges Bindeglied zwischen Ost und West. In diesem Epos, das von der Gemeinschaft verschiedener Ethnien in dieser kleinen Stadt erzählt, ergänzen sich historische Geschehnisse und menschliche Schicksale zu einem homogenen, den Leser mitreißenden Erzählstrom. Der zeitliche Horizont dieser «Višegrader Chronik» reicht über einige Jahrhunderte hinweg, er umfasst die türkische Herrschaft vom Bau der Brücke an bis hin zur Annexionskrise und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges.
In vielen Episoden und Szenen, garniert mit allerlei Anekdoten, wird aus wechselnder Perspektive chronologisch von all jenen Menschen erzählt, die im Umkreis der Brücke leben. Die drei monotheistischen Religionen sind dort gleichberechtigt nebeneinander vertreten, der Hodscha betreut seine Gemeinde ebenso wie der Pope und der Rabbiner. Man fristet ein äußerst karges Leben im ständigen Kampf mit den Naturgewalten, erträgt stoisch alles Ungemach, verharrt in einer latenten Lethargie über die Generationen hinweg, ist anfällig für dumpfen Aberglauben und skurrile Mythen. Inwieweit all dies deterministisch bedingt ist, gehört zu den großen Fragen, die der Roman aufgreift und aus der Innenperspektive zu beantworten sucht, wobei die Brücke mit ihrer Symbolkraft ein ständig wiederkehrendes Leitmotiv bildet. Der Leser begegnet einer Hundertschaft archaischer Typen, physisch und psychisch ebenso liebevoll wie treffend beschriebene, herrlich lebensechte Figuren allesamt, die ein dichtes Geflecht von Beziehungen unterhalten, welche letztendlich das Miteinander über die Jahrhunderte hinweg bestimmen.
Besonders erhellend fand ich die Episode nach der Annexion, als die neuen österreichisch-ungarischen Machthaber eifrig Vieles zu erneuern und zu reparieren begannen, was nach Meinung der lethargischen Einheimischen durchaus noch lange hätte bleiben können wie es war. Kritisch befasst sich Ivo Andrić am Ende auch mit den sozialen Veränderungen beim Übergang in die Moderne, hinterfragt ungehemmten Kapitalismus, ausufernden Konsum und eine die Menschen manipulierende Medienflut. Dieser in Deutschland lange vergessene Roman eines in seiner Heimat wenig geachteten Schriftstellers ist in einer wunderbar klaren, angenehm lesbaren Sprache geschrieben, inhaltlich unglaublich dicht zudem, völlig ohne Arabesken. Jede einzelne Seite der bildstark erzählten Geschichte eröffnet weitere Aspekte und ergänzt die Handlung durch immer neue Facetten. Den Leser erwartet ein ruhig erzählter, überaus bereichernder Roman von einem zu Recht mit dem Nobelpreis geehrten Schriftsteller, der damit ein kanonisches Werk der Weltliteratur geschaffen hat.
Insomnia
Vom Bruder des Todes
Im Nachlass des jugoslawischen Schriftstellers Ivo Andrić fanden sich Notizbücher mit etwa 1500 Einträgen, von denen Michael Martens unter dem Titel «Insomnia» im vorliegenden Band mehr als zweihundert neu übersetzt herausgegeben hat. Der Nobelpreisträger von 1961 litt an Schlaflosigkeit, gehörte als Oneironaut jedoch zu jenen Menschen, die sich im Klaren sind, dass sie träumen und diese Klarträume sogar bewusst herbeiführen können. Was schon der Untertitel «Nachtgedanken» verdeutlicht und die Nachttischlampe auf dem Cover symbolisch unterstreicht. Der Klartraum-Forschung zufolge sind Introvertiertheit und Neugierde typische Persönlichkeits-Merkmale solcher Menschen, und in der Tat trifft denn wohl auch Beides auf den Autor zu.
Das Konvolut nachgelassener Notizen aus den Jahren 1915 bis 1974 war nicht zur Veröffentlichung bestimmt, die einzelnen Texte sind bis auf wenige Ausnahmen undatiert und lassen sich nicht chronologisch lesen. Die vielstimmige Zusammenstellung in diesem Band ist in zwölf Abschnitte aufgeteilt, in denen Notate enthalten sind, die zum überwiegenden Teil aus Reflexionen des Autors bestehen. Sie beschäftigen sich vornehmlich in immer wieder neuen Variationen mit den Qualen der Schlaflosigkeit selbst. Es finden sich darin aber auch viele Erinnerungs-Fragmente, Selbstbetrachtungen, Anmerkungen und Beobachtungen zur Vergänglichkeit, zu Schaffenskrisen, zum Alltaggeschehen. Ferner gibt es Rückblicke in die Kindheit, Begegnungen mit Menschen, Naturbetrachtungen. All das wird noch ergänzt um Kurzgeschichten, Anekdoten und Aphorismen. So schreibt er zum Beispiel über die knarzenden Geräusche, die sein Parkett bei nächtlichen Temperatur-Schwankungen erzeugt, registriert das Abflauen des munteren Gezwitschers der Nachtigallen im Morgengrauen oder berichtet über einen Konzertabend mit Werken von Mozart, Liszt und Brahms. Der eher elegische Schluss bei Brahms baue sich ganz auf das Vorhergehende auf, ganz so, wie er es sich denn auch von seinem Leben erwarte. Und er distanziert sich vehement vom kleinbürgerlichen Leben, «das in nichts Größe, Schönheit oder echte Freude zeigt, weil in ihm alles vergiftet ist von Vorurteilen und befleckt von Berechnungen, die sich noch in die entlegensten Tiefen des menschlichen Lebens hineinziehen».
Der von seinen Dämonen heimgesuchte Autor bezieht sich in puncto Schlaflosigkeit zuweilen auf seine schreibenden Kollegen und Leidensgenossen Franz Kafka und Fernando Pessoa, die er zum Teil wörtlich zitiert. Bei all seinen Selbsterkundungen bleibt Ivo Andrić aber auffallend distanziert, er wird nie wirklich persönlich, man erfährt nichts Intimes von ihm, und auch sein Arbeitsleben wird nicht thematisiert. Seine übermächtigen Selbstzweifel hingegen verdeutlicht der bemerkenswerte Satz: «Wenn ich nicht verzweifelt bin, tauge ich nichts». Keinesfalls hat er seine Meditationen als narrative Selbstzeugnisse aufgefasst, im Gegenteil: «Ein Schriftsteller sollte schreiben und erzählen, aber nicht aus seinem Leben eine Erzählung machen. Die dies tun, versündigen sich an sich selbst und an der Leserschaft, vor allem aber an der Wahrheit».
«Der Schlaf ist ein Bruder des Todes» heißt es im Volksmund, und auch wenn man diesen Spruch in Zweifel zieht, zeugt zumindest dieses düstere Buch von deren existentieller Nähe. Denn der Leser lernt hier einen seelisch gequälten Mann kennen, der sich selbst nicht ganz geheuer ist, ein stoisch resignierender Ivo Andrić voller innerer Spannungen, der sich die Vanitas-Rhetorik vollinhaltlich zu Eigen gemacht hat. Es ist gerade diese zutiefst existentielle Dimension seiner Skizzen, die das uneitle, aufrichtige Selbstzeugnis eines chronisch schlechten Schläfers lesenwert macht. Dass ein solch skeptisches Werk allerdings schwer zu lesen ist und alles andere als Wohlfühl-Literatur darstellt, das liegt auf der Hand. Den nobelpreis-gekrönten Autor grandioser historischer Romane wird man hier kaum wiedererkennen!
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