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Autor im Porträt
J. R. Moehringer
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Knapp am Herz vorbei (eBook, ePUB)
The Tender Bar
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J. R. Moehringer
Bis zu seinem Erstling "Tender Bar" war John Joseph ("J. R.") Moehringer, Jahrgang 1964, einer von vielen, wenn auch brillanten und sogar mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Autoren der New York Times. "Tender Bar" macht ihn 2005 uber Nacht beruhmt; sein autobiografisch gefarbter Roman ersturmt uber Nacht die Bestsellerlisten. Kritiker loben seine nadelfeinen Beschreibungen, seinen Humor - fernab der oft ublichen literarischen Peinlichkeiten "handelsublicher" Bestseller. In "Tender Bar" erzahlt Moehringer von seiner Kindheit, die er in der Bar seines Onkels Charly in Manhasset (US-Bundesstaat New York) verbringt, von seinen vielen skurrilen "Vatern", die ihm den abwesenden und so schmerzlich vermissten leiblichen Vater ersetzen, bzw. von der Bar selbst, die ihm auch "Vater" wird. "J. R." berichtet von seiner Jugend, davon, wie er als 13-Jahriger seine Mutter vorm Bankrott rettet, indem er in einer Buchhandlung jobbt, was ihm den Weg zum Studium in Yale ebnen wird...
Nachdem sich der Hype um "Tender Bar" gelegt hatte, wechselte "J. R." von der NYT zur Los Angeles Times, tauchte - abgesehen von einer Ausnahme (mit Andre Agassi schreibt er dessen Biografie, die 2009 erscheint) - im Alltagsgeschaft unter. Jetzt legt er mit "Knapp am Herz vorbei" seinen zweiten Roman vor - und auch der hat das Zeug zum Bestseller. Auch er basiert auf Fakten, diesmal allerdings keinen autobiografischen, sondern biografischen. "J. R." zeichnet das Leben des erfolgreichsten und literarischsten Bankraubers in der US-Geschichte nach: Willie Sutton. Hier schlie?t sich der Kreis zu "Tender Bar", denn von Sutton hat "J. R." erstmals in Charlies Bar gehort - und war seitdem fasziniert... Die Biografie bleibt fiktiv, muss fiktiv bleiben, denn keiner wei?, wer Sutton wirklich war. Moehringer schreibt: "Leider weilen Sutton, die Reporter und der Fotograf (die Sutton nach seiner letzten Knastentlassung eine Zeitlang begleitet haben; Anm. d. Verf.) nicht mehr unter uns, weshalb das, was sich zwischen ihnen an jenem Weihnachten (1969, Anm. d. Verf.) abgespielt hat, und das, was Sutton in den vorangegangenen achtundsechzig Jahren widerfahren ist, reine Wahrnehmung bleibt. Dieses Buch ist eine Vermutung." "J. R." lebt in Scottsdale (Arizona).
Interview mit J. R. Moehringer zu "Knapp am Herz vorbei"
J. R. Moehringer: Ich liebe meine Familie und meine Freunde, aber ich brauche auch viel Zeit fur mich. Wenn ich mehrere Tage nicht allein sein konnte, um nachzudenken, zu lesen oder einfach nur zu faulenzen, fuhle ich mich irgendwann nicht mehr wohl.
Welche Lieblingsbucher hatten Sie als Kind?
J. R. Moehringer: "Wilbur und Charlotte", "Das Dschungelbuch" und ein wunderschones Buch - ich glaube, von einer Franzosin - mit dem Titel "Wie Joe, der Bar, und Sam, die Maus, zusammenkamen".
Wie konnen wir uns Ihr Vorgehen beim Schreiben vorstellen?
J. R. Moehringer: Anfangs habe mich als Reporter in die Recherche gesturzt, viele von den Tatorten besucht und alle Orte gesehen, die in Suttons Leben wichtig waren, darunter auch eines der Gefangnisse, in denen er inhaftiert war. Au?erdem bin ich viele Male die Route abgefahren, die er im Roman zusammen mit Reporter und Fotograf nimmt. Als ich dann ein solides Faktenfundament hatte, habe…mehr
Herr Moehringer, die deutschen Leser wurden Sie gerne ein bisschen naher kennenlernen. Als Erstes die Frage: Sind Sie ein Familienmensch oder lieber fur sich allein?
J. R. Moehringer: Ich liebe meine Familie und meine Freunde, aber ich brauche auch viel Zeit fur mich. Wenn ich mehrere Tage nicht allein sein konnte, um nachzudenken, zu lesen oder einfach nur zu faulenzen, fuhle ich mich irgendwann nicht mehr wohl.
Welche Lieblingsbucher hatten Sie als Kind?
J. R. Moehringer: "Wilbur und Charlotte", "Das Dschungelbuch" und ein wunderschones Buch - ich glaube, von einer Franzosin - mit dem Titel "Wie Joe, der Bar, und Sam, die Maus, zusammenkamen".
Wie konnen wir uns Ihr Vorgehen beim Schreiben vorstellen?
J. R. Moehringer: Anfangs habe mich als Reporter in die Recherche gesturzt, viele von den Tatorten besucht und alle Orte gesehen, die in Suttons Leben wichtig waren, darunter auch eines der Gefangnisse, in denen er inhaftiert war. Au?erdem bin ich viele Male die Route abgefahren, die er im Roman zusammen mit Reporter und Fotograf nimmt. Als ich dann ein solides Faktenfundament hatte, habe ich mich mehrere Monate lang in eine Hutte im Wald zuruckgezogen und meiner Fantasie freien Lauf gelassen.
Die Zeit, uber die Sie in "Knapp am Herz vorbei" schreiben, hat viele bekannte Bankrauber hervorgebracht. Warum haben Sie sich gerade Willie Sutton ausgesucht?
J. R. Moehringer: Er war einmal der beruhmteste amerikanische Bankrauber uberhaupt, geriet dann aber vollkommen in Vergessenheit. Das hat mich fasziniert, und ich habe mich gefragt, ob das deswegen passiert ist, weil er keine Gewalt angewendet hat und dadurch nicht "interessant" genug war. Wir kennen Dillinger und Capone, aber nicht den armen Willie Sutton. Ein Grund war also, dass ich ihn einer neuen Generation vorstellen wollte.
Sie zeichnen Willie Sutton in einem ziemlich guten Licht, obwohl er ein Ganove war, ein Krimineller und als solcher die Leute nicht sehr nett behandelt hat. Haben Sie bei Ihren Recherchen Sympathien fur Sutton entwickelt? Wie denken Sie uber ihn?
J. R. Moehringer: Ich zeichne ihn nicht in einem guten Licht, sondern einfach so, wie er war, namlich liebenswert. Das ist nun mal eine Tatsache. Sogar die Polizisten, die ihn verhafteten, meinten, man habe ihn einfach mogen mussen. Er war ein Ganove, klar, aber auch jemand, in dessen Gesellschaft man sich wohlfuhlte. Charmant, belesen und sensibel - das habe ich mir nicht ausgedacht, sondern so haben ihn diejenigen beschrieben, die ihn kannten. Was das angeht, habe ich also ein authentisches Portrat gezeichnet.
Denken Sie, dass Sutton von seiner schwierigen Kindheit beeinflusst wurde?
J. R. Moehringer: Ich glaube, dass wir alle von unserer schwierigen Kindheit beeinflusst werden. In gewisser Weise versuchen wir doch einLeben lang, damit klarzukommen.
Hat es Suttons gro?e Liebe wirklich gegeben, und wenn ja, was wissen Sie sonst noch uber sie?
J. R. Moehringer: Ja, seine gro?e Liebe hat es wirklich gegeben. Ich habe ihren echten Namen verwendet und die Umstande ihres Verbrechens mit Willie realitatsgetreu geschildert. So gut wie alles, was ich von ihr wei?, habe ich in dieses Buch gepackt.
Unerfullte Liebe sei die schonste, hei?t es. Zumindest endet sie nicht im Streit oder in einer schmutzigen Scheidung. Ist diese schwierige Konstellation romantischer als eine "normale" Beziehung?
J. R. Moehringer: Ja, ich glaube schon - romantischer, aber unrealistischer. Sutton scheint, welch Uberraschung, nicht zu normalen Beziehungen fahig gewesen zu sein, sondern nur zu idealisierten Fantasiebeziehungen. Am Ende seines Lebens schrieb er immer noch mit gro?er Zartlichkeit uber seine Jugendliebe Bess. Aber wenn sie geheiratet und Kinder bekommen hatten, hatte er sie vielleicht nicht mehr so aufs Podest gestellt.
Das Thema von "Sutton" ist ja angesichts der Finanzkrise und des Bankenbashings gerade sehr aktuell. Fur einige ist Sutton vielleicht sogar ein Held - fur Sie auch?
J. R. Moehringer: Nein, uberhaupt nicht. Er war kein Held. Bankrauber sind keine Helden, sondern Kriminelle, ganz klar. Aber wir sollten uns trotzdem fragen, warum wir in Buchern und Filmen mit ihnen mitfiebern. Denken wir an Butch Cassidy und Sundance Kid - wer wurde denn nicht Paul Newman und Robert Redford die Daumen drucken? Und ist der Grund nicht vielleicht der, dass Bankrauber die wahren Schurken schadigen, namlich die Banken, die uns immer wieder um Milliardensummen bringen und davonzukommen scheinen? Willie Sutton hat sein halbes Leben im Gefangnis verbracht, zu Recht, aber ich finde, dass auch die Banker, die die ganze Welt ausplundern und an den Rand des finanziellen Zusammenbruchs bringen, ins Gefangnis gehoren.
Verraten Sie uns, woran Sie gerade arbeiten - und haben Sie die Fakten dafur wieder in "Charlie's Bar" gesammelt?
J. R. Moehringer: Ich arbeite an einem Buch - aber mehr will ich dazu im Moment noch nicht sagen.
Sie arbeiteten ja auch als Reporter fur die L. A. Times. Wie unterscheidet sich Ihr Schreibstil bei Zeitungsartikeln und bei Romanen - und was mogen Sie lieber?
J. R. Moehringer: Ich arbeite nicht mehr fur die L. A. Times, sondern schreibe fur Magazine - ESPN, GQ, Smithsonian, AFAR, Food & Wine und so weiter. Ich schreibe gerne Bucher und auch gerne Magazinbeitrage. Ich wollte schon immer beides machen und hoffe, dass ich dazu auch weiterhin Gelegenheit haben werde.
Interview: Petra Perlia, Literaturtest