Autor im Porträt
Klaus Modick
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Fahrtwind
Moos
Als Lukas Ohlburg begreift, dass er nicht mehr lange leben wird, zieht sich der emeritierte Biologieprofessor in das Landhaus seiner Familie zurück. Hier will er seine letzten Tage verbringen, sich Erinnerungen und Träumen hingeben und vor allem noch einmal die Nähe der Natur spüren. Denn schon lange hegt Ohlburg den Verdacht, dass ihn die wissenschaftliche Untersuchung der Bäume, Gräser und Moose nicht zu einem tieferen Verständnis der Natur und ihrer Geheimnisse geführt hat, sondern, im Gegenteil, zu einer Entfremdung. Als Körper und Geist inmitten der entlegenen Idylle zu ungewohnter Ruhe kommen, erwacht der Strom der Erinnerungen und entfaltet einen unheimlichen Sog. Auf einmal ist alles wieder da. Die Flucht der Familie vor den Nationalsozialisten, der alles kontrollierende Vater, die erste Liebe und, vor allem, der unfassbare sinnliche Zauber der Natur.
So zart wie mitreißend erzählt Klaus Modick in »Moos« von der Wiederannäherung eines Menschen an die Natur, vom ewigen Kreislauf des Lebens und nicht zuletzt von einer wunderbaren Verwandlung.
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Klaus Modick
Modick, KlausKlaus Modick, geboren 1951, studierte in Hamburg Germanistik, Geschichte und Pädagogik, promovierte mit einer Arbeit über Lion Feuchtwanger und arbeitete danach u.a. als Lehrbeauftragter und Werbetexter. Seit 1984 ist er freier Schriftsteller und Übersetzer und lebt nach zahlreichen Auslandsaufenthalten und Dozenturen wieder in seiner Geburtsstadt Oldenburg. Für sein umfangreiches Werk wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter ein Stipendium der Villa Massimo.Interview Klaus Modick, Konzert ohne Dichter
Der Stoff für Ihren Künstlerroman über Heinrich Vogeler und die Künstlerkolonie Worpswede hat Sie als gebürtigen Oldenburger quasi in Oldenburg "gefunden" - erzählen Sie uns, wie das vonstattenging?
Klaus Modick: Ich wollte herausfinden, welcher Architekt mein Eltern- bzw. Großelternhaus gebaut hat, ein Jugendstilhaus von 1910, und wenn man in Oldenburg nach Jugendstil fragt, stolpert man früher oder später über Heinrich Vogeler, der vielfältige Beziehungen nach Oldenburg gepflegt hat und dessen großes Gemälde "Sommerabend" oder "Das Konzert", von dessen Entstehung mein Roman erzählt, hier 1905 erstmals ausgestellt worden ist. Das Ausstellungsgelände lag nur ein paar Hundert Meter von meinem Schreibtisch entfernt. Zwar stellte sich heraus, dass Vogeler (leider) nicht der Architekt unseres Hauses gewesen war, aber so hat dann dieser Stoff seinen Autor gefunden, ohne dass der Autor danach gesucht hätte.
Sie entwickeln den Roman ausgehend von Vogelers berühmtem Gemälde "Sommerabend". Die Figuren darauf sehen so aus, als hätten sie sich schon lange nichts mehr zu sagen. Und…mehr
Interview Klaus Modick, Konzert ohne Dichter
Der Stoff für Ihren Künstlerroman über Heinrich Vogeler und die Künstlerkolonie Worpswede hat Sie als gebürtigen Oldenburger quasi in Oldenburg "gefunden" - erzählen Sie uns, wie das vonstattenging?
Klaus Modick: Ich wollte herausfinden, welcher Architekt mein Eltern- bzw. Großelternhaus gebaut hat, ein Jugendstilhaus von 1910, und wenn man in Oldenburg nach Jugendstil fragt, stolpert man früher oder später über Heinrich Vogeler, der vielfältige Beziehungen nach Oldenburg gepflegt hat und dessen großes Gemälde "Sommerabend" oder "Das Konzert", von dessen Entstehung mein Roman erzählt, hier 1905 erstmals ausgestellt worden ist. Das Ausstellungsgelände lag nur ein paar Hundert Meter von meinem Schreibtisch entfernt. Zwar stellte sich heraus, dass Vogeler (leider) nicht der Architekt unseres Hauses gewesen war, aber so hat dann dieser Stoff seinen Autor gefunden, ohne dass der Autor danach gesucht hätte.
Sie entwickeln den Roman ausgehend von Vogelers berühmtem Gemälde "Sommerabend". Die Figuren darauf sehen so aus, als hätten sie sich schon lange nichts mehr zu sagen. Und es gibt einen leeren Platz im Gruppenbild: Rilke fehlt. Ihre Ausgangsfrage lautete: Warum ist der Stuhl leer, was stimmt hier nicht? Ist dieser Frage vor Ihnen eigentlich noch niemand nachgegangen?
Klaus Modick: Die Vermutung, dass der leere Platz zwischen Paula Modersohn-Becker und Clara Rilke-Westhoff auf Rainer Maria Rilke deutet, ist zwar gelegentlich geäußert worden, aber dem Warum ist niemand vor mir je nachgegangen. Vielleicht wollte man sich nicht die Illusion rauben lassen, dass das Bild keineswegs die Idylle eines harmonischen Freundeskreises zeigt, sondern eine tief zerstrittene und frustrierte Gesellschaft. Indem ich die Entstehung des Bildes rekonstruiere, dekonstruiere ich zugleich seinen Mythos.
In "Konzert ohne Dichter" erzählen Sie vom Entstehen der Künstlerkolonie Worpswede - im Mittelpunkt stehen der Künstler Heinrich Vogeler, Barkenhoff-Besitzer, und der Dichter Rilke, der bei Vogeler in Worpswede öfter zu Gast war. Rilke erscheint im Buch "marmorkalt" und berechnend, deklamiert ständig und oft genug unpassend und wird zwar geschätzt, aber nicht geliebt. Täuschen wir uns oder geht es Klaus Modick ähnlich mit Rilke?
Klaus Modick: Im Roman geht es um den jungen Rilke, 23- bis 30-jährig, der als Lyriker noch unbekannt ist, aber schon sehr viele - und sehr viele sehr kitschige - Gedichte geschrieben hat. Der spätere Rilke hat großartige Gedichte geschrieben, die ich hoch schätze. Mich hat aber besonders die Diskrepanz zwischen Werk und Leben, zwischen Kunst und Charakter interessiert, und da ist bei Rilke die Diskrepanz geradezu erschreckend. Als Dichter ein Genie, als Mensch ein Schnorrer, Snob und Schürzenjäger.
Welche Rolle spielte die Chronique scandaleuse, die Sieim Roman beschreiben - also die Beziehung des Schürzenjägers Rilke mit zwei Frauen, seiner zukünftigen Frau Clara Westhoff und der Künstlerin Paula Modersohn-Becker - für die Künstlerkolonie und die Entwicklung aller Beteiligten?
Klaus Modick: Das war ein sehr kompliziertes Geflecht, in dem auch Otto Modersohn eine zentrale Rolle gespielt hat. Die von Paula Modersohn-Becker als "Familie" bezeichnete Gruppe wurde zu einer zerrütteten Familie - das zeigt das Gemälde unmissverständlich. Rilke hatte Anteil an dieser Zerrüttung, aber nicht nur wegen der Dreiecksbeziehung (rechnet man Lou Andreas-Salomé dazu, eigentlich ein Viereck), sondern weil er versuchte, sich mit seinem kunstreligiösen Programm als eine Art Chefideologe Worpswedes zu inszenieren. Das stieß auf Skepsis und Ablehnung bei den Malerinnen und Malern.
Der Mythos der Künstlerkolonie wird von Ihnen kräftig demontiert. Legen Sie Heinrich Vogeler das Hadern mit dem lukrativen Mummenschanz ländlicher Künstlerkolonien in den Mund oder gibt es dafür Belege?
Klaus Modick: Vogeler hat unter dem Titel "Werden" eine fragmentarische Autobiografie hinterlassen, in der er sehr freimütig seine Entwicklung darstellt und sich von den Selbstinszenierungen seiner Worpsweder Zeit distanziert. Dass der bis ins Äußerste getriebene Ästhetizismus im Werk, aber auch in der Selbstinszenierung, eine Sackgasse war, ahnte er wohl erstmals um die Zeit, in der das Bild ausgestellt wurde. Dieses wachsende Krisenbewusstsein schildert der Roman.
Und wie reagieren eigentlich die Menschen in Worpswede und Oldenburg auf diese Demontage?
Klaus Modick: Bislang habe ich ausschließlich Zustimmung erfahren, auch wenn manche enttäuscht sind, weil ihr Rilke-Bild wankt. So gesehen ist der Roman auch eine absichtsvolle Ent-Täuschung, eine Entmystifizierung.
In Ihrem Buch "Bestseller" bekam der Literaturmarkt den Spiegel vorgehalten - in "Konzert ohne Dichter" ist es der Kunstbetrieb. Auch der damalige Star der Kunstszene, Vogeler, brauchte Mäzene wie den Bremer Kaufmann Roselius. Sie schildern diese Szenen, in denen Roselius mit Kutsche durchs Moor fährt, den mehr oder weniger armen Schluckern ihre Werke abkauft und obendrauf noch Kaffee oder Zigarren legt, einfach wunderbar. Wie viel von "Ihrem" Roselius steckte im real existierenden Roselius?
Klaus Modick: Bei Roselius, wie auch bei anderen Figuren, habe ich mir allerlei dichterische Freiheiten genehmigt; zum Beispiel ist die Sache mit dem kolonialen Präsentkorb frei erfunden. Aber Roselius ist eben ein Prototyp des hemdsärmeligen Mäzenatentums, das durchaus eigennützige Interessen verfolgt, wenn es Künstler fördert.
Was stimmt Ihrer Meinung nach nicht am Kunstmarkt, wenn eine Künstlerin wie Paula Modersohn-Becker zu Lebzeiten kein einziges Bild verkauft hat?
Klaus Modick: Damals wie heutegibt es auf dem Kunstmarkt - wie übrigens auch auf dem Literaturmarkt! - sehr viel Scharlatanerie, sehr viel Cliquenbildung, sehr viel Lobbyismus und Gefälligkeit. Seriöse, unbestechliche Kompetenz ist weniger weitverbreitet. Um 1900 kam allerdings noch erschwerend hinzu, dass Kunst von Frauen eher geduldet als gewürdigt wurde.
Es wirkt so, als haben Sie Vogeler sozusagen als Gegenmodell zu Rilke angelegt - was verband die beiden, was trennte sie?
Klaus Modick: Als sie sich 1898 kennenlernen, empfinden sie sich als "seelenverwandt" und sind es auch in ihrer spätromantisch-sentimentalen Gestimmtheit. Aber dann entwickeln sie sich schon bald in unterschiedliche Richtungen: Rilke konstruiert eine elitäre Kunstreligion, während sich Vogeler immer stärker dafür interessiert, wie man Kunst ins Leben, in den Alltag integrieren kann. Folgerichtig betätigt er sich als Architekt und Kunsthandwerker (heute würde man Vogeler als Designer bezeichnen). Es gibt ja sehr wohl einen Unterschied zwischen einem hermetischen Gedicht und einem ästhetisch anspruchsvoll gestalteten Essbesteck - auch wenn man beides in den Mund nehmen kann. Insofern sind auch die weiteren Entwicklungen Vogelers und Rilkes zwar Irrwege, folgen aber einer gewissen Logik: Vogeler wird Sozialist und geht in die Sowjetunion, Rilke äußert kurz vor seinem Tod Sympathien für Mussolini und den italienischen Faschismus.
Der Roman ist zwar Fiktion, aber die Fakten sind exakt recherchiert. Wie sind Sie an die Verbindung von Fakten und Fiktion herangegangen und haben Sie alles, was Sie an Fiktivem im Kopf hatten, auch umgesetzt oder gab es an bestimmten Punkten eine Scheu, das jetzt so darzustellen?
Klaus Modick: Der ganze Komplex Worpswede ist durch zahlreiche Quellen (künstlerische Werke, Tagebücher, Briefe, Autobiografien) und ein Gebirge von Sekundärliteratur gut erschlossen. Für mich kam es darauf an, das auszuwählen, was für den Roman relevant war, und dann diese Auswahl gewissermaßen in Szene zu setzen. Wie und wo genau die Grenzlinien zwischen Fakten und Fiktion, Wahrheit und Dichtung also verlaufen, kann sich jeder Leser denken, wie er mag. Eine "Scheu" gab es nicht. Wovor auch?
"Konzert ohne Dichter" steht aktuell unter den ersten zehn Büchern auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Das ist eine Premiere für Sie. Haben Sie/Hat Ihr Verlag mit so einem überwältigenden Erfolg des Buches gerechnet?
Klaus Modick: Verlag und Autor waren sich sicher, dass der Roman ein Erfolg werden würde, aber dass er dann so schnell ein veritabler Bestseller wurde, war eine freudige Überraschung. Ich bin schon lange ein "good seller", aber unter den ersten Zehn auf der Liste war ich vorher noch nie. Fühlt sich gut an, klar. Und ist auch eine Form von Genugtuung.
Interview Klaus Modick: Ulrike Bauer, Literaturtest