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Autor im Porträt
Liad Shoham
zur AutorenweltToptitel von Liad Shoham
Tag der Vergeltung / Tel Aviv-Thriller Bd.1 (Restauflage)
Stadt der Verlorenen / Tel Aviv-Thriller Bd.2 (eBook, ePUB)
Liad Shoham
Liad Shoham schreibt Thriller, die in seiner Heimat Israel an erster Stelle auf den Bestsellerlisten stehen. Doch wer glaubt, Shoham liefere die "ublichen" Plots, in denen psychopathische Serienkiller von wahlweise einer toughen Ermittlerin oder einem sozial auffalligen Kommissar gejagt werden, liegt falsch. Shoham verehrt Patricia Highsmith und Alfred Hitchcock und glaubt nicht, wie er vor Kurzem in einem Interview erzahlt hat, dass man "gro?e Waffen und laute Explosionen braucht, um Spannung zu erzeugen". Nein, seine Figuren sollen aus "Fleisch und Blut" sein und eine Seele, einen Korper, ein Gesicht und einen Charakter haben. Und naturlich echte Gefuhle. Wie erzahlt er so schon: "Mich interessieren keine Serienkiller, auch weil ich keinen personlich kenne." Sein Thriller "Tag der Vergeltung" erscheint nun erstmals in der deutschsprachigen Ubersetzung.
Doch wie kam der studierte Jurist - Shoham arbeitet als Rechtsanwalt - zum Schreiben? Wahrend seiner Jahre in London, wo er den Master in Jura gemacht hat, schrieb er eine Art Tagebuch mit witzigen Geschichten uber sein Leben dort. An eine Veroffentlichung dachte er damals noch nicht - doch irgendwann sagte er sich: Warum es nicht einfach mal probieren? Nun, das Buch wurde sofort verlegt. Heute erzahlt Liad Shoham, dass er es sich nicht mehr vorstellen konnte, sein Leben zu leben, ohne zu schreiben. Seine Anwaltskollegen oder Richter reagieren auf seinen "Zweitberuf" Autor offen und interessiert; gerade weil Shoham sehr realistisch schreibt, hinter die Kulissen der Gesellschaft, des Gerichtssystems, der Polizei oder der Presse blickt. So ist er fur "Tag der Vergeltung" z. B. Streife mit der Polizei gefahren oder hat einen Profiler zu Rate gezogen. Entstanden ist eine dustere und au?erst genaue Kriminalgeschichte, die Shoham aus verschiedensten Perspektiven erzahlt. Fur den deutschsprachigen Buchmarkt sind weitere Ubersetzungen seiner Bucher geplant. Aktuell erschien in Israel "Asylum City" - es handelt von afrikanischen Immigranten in Israel und davon, wie die Gesellschaft mit ihnen umgeht. Shoham, der mit seiner Frau und zwei Kindern in Tel Aviv lebt, hat hier wieder einmal gezeigt, was er kann. "Asylum City" ist Sozialstudie und atemberaubender Thriller zugleich.
Interview mit Liad Shoham
Liad Shoham: Da dies mein erstes Buch ist, das deutschsprachig erscheint, war ich naturlich sehr gespannt, hatte aber keine bestimmten Erwartungen. Nachdem die Reaktionen auf "Tag der Vergeltung" sehr positiv waren - das Buch bekam gute Kritiken -, hat mich das wirklich gefreut. Es gab auch noch die Reaktion einer ganz besonderen Leserin, die fur mich wichtig und schon war: die Gro?mutter meiner Frau. Sie lebt schon seit mehr als 70 Jahren in Israel, wurde aber in Deutschland geboren. Und sie liest immer noch deutschsprachige Bucher - dieses Buch war also das erste Buch, das sie von mir gelesen hat.
In "Tag der Vergeltung" schreiben Sie auch daruber, wie schnell es geht, dass ein "normales" Leben aus den Fugen gerat. Ziv Nevo zum Beispiel verliert seinen Job wegen einer Affare am Arbeitsplatz, danach seine Familie und gerat so in ein kriminelles Netzwerk, das ihn zu verschlingen droht. Was interessiert Sie als Autor an dieser…mehr
In Israel sind Sie schon lange ein Bestsellerautor - nun erschien die erste deutschsprachige Ubersetzung eines Buches von Ihnen. Was haben Sie aus dem deutschsprachigen Raum fur Feedback fur "Tag der Vergeltung" bekommen?
Liad Shoham: Da dies mein erstes Buch ist, das deutschsprachig erscheint, war ich naturlich sehr gespannt, hatte aber keine bestimmten Erwartungen. Nachdem die Reaktionen auf "Tag der Vergeltung" sehr positiv waren - das Buch bekam gute Kritiken -, hat mich das wirklich gefreut. Es gab auch noch die Reaktion einer ganz besonderen Leserin, die fur mich wichtig und schon war: die Gro?mutter meiner Frau. Sie lebt schon seit mehr als 70 Jahren in Israel, wurde aber in Deutschland geboren. Und sie liest immer noch deutschsprachige Bucher - dieses Buch war also das erste Buch, das sie von mir gelesen hat.
In "Tag der Vergeltung" schreiben Sie auch daruber, wie schnell es geht, dass ein "normales" Leben aus den Fugen gerat. Ziv Nevo zum Beispiel verliert seinen Job wegen einer Affare am Arbeitsplatz, danach seine Familie und gerat so in ein kriminelles Netzwerk, das ihn zu verschlingen droht. Was interessiert Sie als Autor an dieser sehr realistischen und ungeschonten Form der Darstellung?
Liad Shoham: Ja, ich mag es einfach, uber Menschen aus Fleisch und Blut zu schreiben. Mich interessieren keine Serienkiller, auch weil ich keinen personlich kenne... Aber ich finde es viel interessanter zu ergrunden, wie ein normales Leben sich unter bestimmten Umstanden komplett verandern kann - diese Wirklichkeit ist fur mich beangstigend und beunruhigend.
Basiert "Tag der Vergeltung" auf einem wahren Fall?
Liad Shoham: Nun, zuerst einmal beschreibt "Tag der Vergeltung" das Justizsystem in Israel - ungeschont und mit all seinen Mangeln, aber auch den Verdiensten. Zum anderen ist "Tag der Vergeltung" naturlich auch Fiktion, aber all das konnte auch wirklich passieren. Das Buch beginnt ja mit der Szene, in der ein Vater im Auto vor dem Haus seiner Tochter "Wache" halt - die Frau wurde vor Kurzem vergewaltigt - und dieser Vater sieht nun einen Mann auf der Stra?e, der sich irgendwie seltsam verhalt, und er ist sich sicher, dass dies der Vergewaltiger ist: Diese Geschichte ist wirklich so passiert. Ich fuhre die Geschichte so weiter, dass der Mann eigentlich eine Autobombe anbringen sollte; vermutlich deswegen, weil ich als Kind in einer Zeit des Terrors aufwuchs. Im Alter zwischen 8 und 12 Jahren lebte ich mit meiner Familie in Paris (mein Vater arbeitete an der Israelischen Botschaft) und wahrend der letzten drei Jahre unseres Aufenthaltes attackierten Terroristen immer wieder israelische Ziele. So wurde der Vater eines Freundes - er arbeitete fur den Geheimdienst - vor den Augen seiner Familie auf der Stra?e erschossen. Und das Auto eines Kollegen meines Vaters explodierte zwei Blocks von unserer Wohnung entfernt.
Welche Krimiautoren schatzen Sie?
Liad Shoham: Ich liebe Kate Atkinson. Ihre Geschichten sind viel mehr als nur Thriller - sie behandelt die gro?en Fragen des Lebens in ihren Buchern, und ich mag besonders die Art, wie sie uber Familienangelegenheiten schreibt. Gerade habe ich ihr neues Buch "life after life" (noch nicht deutschsprachig erschienen) fertiggelesen.
Wie lautet Ihre Erklarung fur den Krimiboom im Fernsehen und auf dem Buchmarkt - was fasziniert uns Menschen so an diesem Genre?
Liad Shoham: Ich glaube, dass gute Thriller einfach eine interessante Geschichte zu erzahlen haben und Menschen eben gerne interessante Geschichten horen wollen. Au?erdem bringt die Hauptfigur in Krimis meistens Ordnung in eine Welt, die aus den Fugen geraten ist - und das ist naturlich trostlich. Und zu guter Letzt haben gute Krimis und Thriller eben diesen "page turner"-Effekt - man kann einfach nicht mehr aufhoren zu lesen und vergisst fur eine Weile die Welt um sich herum.
Sie arbeiten sowohl als Rechtsanwalt als auch als Autor. Wie war Ihr Weg hin zum Schreiben? Was bedeutet es Ihnen?
Liad Shoham: Ich habe nie geplant, Schriftsteller zu werden. Ich fing an zu schreiben, nachdem ich von London nach Israel zuruckging. Ich hatte gerade meinen Master in Jura an der "School of Economics" gemacht. Damals habe ich so eine Art Tagebuch mit witzigen Geschichten uber mein Leben in London geschrieben - eigentlich hatte ich nicht vor, es zu veroffentlichen. Aber dann dachte ich, warum es nicht einmal versuchen? Und es wurde veroffentlicht! Das war mein erstes Buch - es fing also bei mir eher als Hobby an. Doch als ich anfing, Thriller zu schreiben, wurde es fur mich zum "Beruf". Zuerst war ich ziemlich skeptisch und fragte mich, ob ich wirklich ein guter Thrillerautor werden wurde - schlie?lich war ich damals noch ein Au?enseiter mit wenig Erfahrung. Doch meine Leidenschaft fur Krimis und Thriller und mein Hintergrund als Jurist halfen mir beim Schreiben. Und ich merkte schnell, wie sehr ich schreiben wollte, wie wichtig das fur mich war und immer noch ist. Das Schreiben nimmt einen gro?en Raum in meinem Leben ein und ich kann mir nicht mehr vorstellen, mein Leben zu leben, ohne zu schreiben.
Erinnern Sie sich an Ihr Lieblingsbuch als Kind?
Liad Shoham: Naturlich! Ich liebte Erich Kastner und mein Lieblingsbuch war "Emil und die Detektive". Kein Wunder also, dass ich heute Autor von Detektivgeschichten bin... Ich kann es kaum erwarten, bis ich meinen Kindern aus diesem Buch vorlesen darf.
An welchem Buch arbeiten Sie momentan und wird es auch deutschsprachig erscheinen?
Liad Shoham: Mein jungstes Buch wurde gerade in Israel veroffentlicht. Es hei?t "Asylum City" und handelt von afrikanischen Immigranten in Israel. Es ist auch ein Thriller, aber es thematisiert mehr die sozialen Probleme und Spannungen in der israelischen Gesellschaft. Afrikanische Immigranten konnen ja die israelischen Grenzen aufgrund der geografischen Lage Israels zu Fu? uberschreiten. Das Thema oder Problem, wie man in Israel diese Fluchtlinge behandelt und mit ihnen umgehen soll, finde ich hochst interessant. Schlie?lich ist Israel selbst ein Staat, der von Immigranten gegrundet wurde. Das Buch wird gerade ins Deutsche ubersetzt. (Der genaue Erscheinungstermin steht noch nicht fest.)
Interview: Literaturtest