Autor im Porträt
Max Goldt
zur AutorenweltToptitel von Max Goldt
Komischerweise schrie ich Hallo statt Hilfe
CD 1
1 Edelgas-Erlebniszentrum Kötzschenbroda (2022)
2 Kleine unparlamentarische Anfrage (2023)
3 Der Einzelesser und die invasive junge Familie (2022)
4 Frischer Wind in der vorsorgenden Rechtspflege (2013/2023)
5 Es soll keiner dabei sein, den man nicht kennt (2001)
6 »Homo-Ehe« und Frauenfußball (2024)
CD 2
1 Besuch der Bonbonfabrikanten (2013/2024)
2 Aber? (2021)
3 Mit sechs Sätzen auf Platz 209 (2022)
4 Mein Nachbar und der Zynismus (2002)
5 Am besten ist Zürich (1997)
6 Badewannen-Cartoon aus dem Buch »Ohrfeige rechts, Ohrfeige links - Flegeljahre einer Psychotherapeutin« (2018)
7 Hausaufgaben (2022)
8 Eine schwule Geschichte (2008)
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Räusper
Einer der jungen Menschen (flüsternd) Die armen alten Leute! Husten den lieben langen Tag
Schleim und haben von nichts eine Ahnung.
Ein Kartenspieler Die armen jungen Leute! Müssen noch bis circa 2080 leben, und zwar in häßlichen, styroporgedämmten Häusern, und den ganzen Tag auf irgendwelche Displays glotzen! Es sei denn, sie laufen beizeiten vor ein selbstfahrendes Auto.
Zweiter Kartenspieler Oder sie machen sich bis 2080 Vorwürfe, weil ein verrückt gewordenes selbstfahrendes Auto ihr Kind nicht in die Schule, sondern zum einsam gelegenen Haus eines Kinderschänders gefahren hat!
Alle Der arme Kellner! Kriegt wahrscheinlich nur 6 Euro 50 pro Stunde und muß im Morgengrauen noch Gratiszeitungen austragen, um seine wegen starkem Übergewicht arbeitsunfähige Frau satt zu kriegen.
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Max Goldt
Der Schriftsteller Daniel Kehlmann nennt ihn den "Seitlich-Vorbei-Geher" und bezieht sich dabei auf den Buchtitel "Vom Zauber des seitlich dran Vorbeigehens" (2005) von Max Goldt. Bei diesem Autor gebe es keine oberflächlichen Scherze, so Kehlmann, vielmehr sei es die Sprache, aus deren Tiefe die Komik aufsteige. Max Goldts Prosa sei klug, klar, unaufdringlich moralisch und "das Witzigste, was die deutsche Literatur zu bieten hat".Der Schriftsteller und Musiker Max Goldt (eigentlich: Matthias Ernst) wurde 1958 in Weende, heute ein Stadtteil von Göttingen, geboren. Bereits 1977 zog er nach West-Berlin, wo er eine Ausbildung als Fotograf aufnahm, diese aber abbrach und sich zunächst der Musik zuwendete. Zusammen mit Gerd Pasemann gründete er das Duo Foyer des Arts, für das er die Texte schrieb und sang und das teilweise der Neuen Deutschen Welle zugeordnet wurde, wogegen Goldt sich immer verwehrt hat.In der unabhängigen Berliner Zeitschrift Ich und mein Staubsauger veröffentlichte er erstmals humorvolle Kolumnen. Einem breiten Publikum bekannt wurde er als Autor einer regelmäßigen Kolumne für die Satirezeitschrift Titanic in den 1990er-Jahren, deren Titel wechselten und die "Aus Onkel Max' Kulturtagebuch", "Diese Kolumne hat vorübergehend keinen Namen", "Manfred Meyer berichtet aus Stuttgart" und "Informationen für Erwachsene" lauteten. Seit dem Jahr 2005 ist Goldt nach einer Unterbrechung wieder als Autor für die Titanic tätig.Auf seine erste Prosasammlung "Mein äußerst schwer erziehbarer schwuler Schwager aus der Schweiz" (1984) folgten über die vergangenen Jahrzehnte viele weitere, äußerst erfolgreiche Textsammlungen seiner Prosa in Buchform mit Kolumnen, Fotos, Liedtexten, Dialogen und Tagebucheinträgen. Die Fangemeinde von Goldt wuchs stetig. Von seinen Lesern wird er für seinen besonderen Wortwitz und die sprachliche Eleganz seiner Texte sowie seine Kunst des Abschweifens verehrt. Manche bezeichnen ihn als aufmerksamen Flaneur, andere als genauen Beobachter eines oft absurden Alltags oder als Wortästheten, der sich gerne der deutschen Sprachpraxis widmet. Auffallend ist die besondere Freude des Autors an der Disparität und an sprachlichen Volten, wie schon die außergewöhnlichen Titel seiner Bücher und auch Lieder zeigen. Max Goldts Texte sind häufig ironisch, wobei er aber auch immer wieder die Ironie ironisiert - entweder aus Freude oder als Parodie auf das Echauffieren.Seit 1996 arbeitet Goldt als Comictexter mit dem Zeichner Stephan Katz zusammen, deren gemeinsame Comicstrips unter dem Namen "Katz & Goldt" beispielsweise in der Titanic, dem Zeit-Magazin und dem Magazin Intro, aber auch in Buchform veröffentlicht werden. Im Jahr 2008 erhielt Goldt auf den Vorschlag von Daniel Kehlmann den Kleist-Preis. Er lebt heute in Berlin und geht immer wieder auf Vortragsreisen, auf denen er gerne noch in Arbeit befindliche Texte seinem Publikum präsentiert.Literaturfestival - Lippen abwischen und lächeln
Locker bleiben, wenn jemand lecker sagt
"Max Goldt schreibt heute das schönste Deutsch aller jüngeren Autoren . . . Die Heiterkeit und Stille, die diese Sprache ihren Lesern schenkt, liegt nicht nur im Humor; ebenso in einem freundlichen Abstandnehmen von den Aufdringlichkeiten einer Wirklichkeit, an der man sich besser seitlich vorbeidrückt", schreibt der Literaturkritiker Gustav Seibt. Der neue Band, "Lippen abwischen und lächeln", der im Rowohlt Verlag erscheint, vereint nun die "prachtvollsten Texte aus den Jahren 2003 bis 2014 (und einige aus den Neunzigern)" von Max Goldt.
Auf mehr als 400 Seiten werden dabei circa 60 der berühmten Goldt'schen Miniaturen in den Abschnitten "Die schönen Dinge, die arme Welt", "Szene und Dialog", "Einige Sprachkritiken", "Die Mütter-Trilogie" und "Ohne Mutter weiter im Text" gegliedert. Der titelgebende Text "Lippen abwischen und lächeln" fällt unter die Sprachkritiken, eine Disziplin, in der Goldt es zu einer herausragenden Meisterschaft gebracht hat.
"Lippen abwischen und lächeln" ist ein wunderbares Beispiel für das eingangs zitierte freundliche Abstandnehmen von den…mehr
Locker bleiben, wenn jemand lecker sagt
"Max Goldt schreibt heute das schönste Deutsch aller jüngeren Autoren . . . Die Heiterkeit und Stille, die diese Sprache ihren Lesern schenkt, liegt nicht nur im Humor; ebenso in einem freundlichen Abstandnehmen von den Aufdringlichkeiten einer Wirklichkeit, an der man sich besser seitlich vorbeidrückt", schreibt der Literaturkritiker Gustav Seibt. Der neue Band, "Lippen abwischen und lächeln", der im Rowohlt Verlag erscheint, vereint nun die "prachtvollsten Texte aus den Jahren 2003 bis 2014 (und einige aus den Neunzigern)" von Max Goldt.
Auf mehr als 400 Seiten werden dabei circa 60 der berühmten Goldt'schen Miniaturen in den Abschnitten "Die schönen Dinge, die arme Welt", "Szene und Dialog", "Einige Sprachkritiken", "Die Mütter-Trilogie" und "Ohne Mutter weiter im Text" gegliedert. Der titelgebende Text "Lippen abwischen und lächeln" fällt unter die Sprachkritiken, eine Disziplin, in der Goldt es zu einer herausragenden Meisterschaft gebracht hat.
"Lippen abwischen und lächeln" ist ein wunderbares Beispiel für das eingangs zitierte freundliche Abstandnehmen von den Aufdringlichkeiten der Wirklichkeit, das für Goldts Kunst so charakteristisch ist. Ein Freund berichtet ihm hier im Tonfall leichter Klage von einer Frau, die er zwar sehr schätze, aber deren regelmäßiger Gebrauch des Wortes "lecker" ihm doch sehr missfalle. Was also tun? Der Autor rät dazu - vorausgesetzt die Beziehung zwischen den beiden lasse dies zu -, diesen Umstand zum Thema eines persönlichen Gesprächs zu machen.
Sprachkritik sei ja nie Privileg des Feuilletons gewesen, sondern immer schon Familiensache. Bis heute werde in den Familien rege Sprachkritik geübt, auch in seiner eigenen, in der regelmäßig beispielsweise der Gebrauch des Demonstrativpronomens "die" anstelle des Personalpronomens "sie" moniert wurde. Das Wörtchen "lecker" lässt Goldt jedenfalls nicht mehr los und so versucht er, dessen Popularität auf den Grund zu gehen, verweist auf den niederländischen Ursprung und fragt sich, wie es wohl den Sprung über den Rhein geschafft und hierzulande seine Verbreitung gefunden habe; und schließlich präsentiert er seine erhellende Theorie. Die Alternative: köstlich? Oder: schmackhaft? Besser sei das wenig verzierte: gut. - Oder einfach gar nichts: Lippen abwischen und lächeln.
Ansonsten rät Max Goldt zur Gelassenheit. Zivilisation beruhe nun einmal auf sanfter gegenseitiger Kontrolle und Korrektur. Man achte aufeinander. Also solle man sich auch nicht davor scheuen, sein Missfallen an einem bestimmten Sprachgebrauch freundlich zum Ausdruck zu bringen.
Wer analysieren will, wie die Kunst eines Max Goldt funktioniert und was sie ausmacht, kommt rasch ins Stottern. Das wusste schon der Schriftsteller Daniel Kehlmann, der die Laudatio auf Goldt anlässlich der Verleihung des Kleist-Preises im Jahr 2008 gehalten hat. Denn Goldts Literatur sei "emphatisch nichtnarrativ",da bewegten sich keine Charaktere, sondern Gedanken, es gebe keine Handlung und meist seien da keine anderen Hauptdarsteller als die deutsche Sprache selbst und die Aufmerksamkeit des Autors. Dabei sei Goldt keinesfalls ein "Abschweifer" und auch kein "Beobachter", der Dingen und Leuten nachspürt, wie viele meinen. Vielmehr sei er wie zufällig nur in der Nähe und gehe seitlich vorbei. Das Einzigartige: Seine Urteile stimmen in fast allen Fällen. Die Leser können es ja ausprobieren.
Auch in Goldts Witz gebe es eine Kluft zwischen der Welt, wie sie ist, und der Welt, wie sie sein sollte, so Kehlmann, aber Goldt stehe in gelassener Ruhe vor dieser Kluft. Wie soll man ihn also benennen? Das Wort "Humorist" mag der Autor selbst nicht. Für viele zählt Max Goldt mit seiner einzigartigen Kunst heute bereits zu den bedeutendsten deutschen Schriftstellern der Gegenwart. Auch der neue Band bietet wieder all das, was Goldts Schaffen ausmacht: Seine kurzen Erzählungen sind, so Kehlmann, "Wunderwerke an Subtilität, Spiegelkabinette von Eleganz, Klugheit und feindosiertem Wahnsinn". Für alle, die Goldt schon immer lieben, Pflichtlektüre, für die, die ihn noch nicht kennen, ebenfalls.