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Autor im Porträt
Max Goldt
zur AutorenweltToptitel von Max Goldt
Räusper
Einer der jungen Menschen (flüsternd) Die armen alten Leute! Husten den lieben langen Tag
Schleim und haben von nichts eine Ahnung.
Ein Kartenspieler Die armen jungen Leute! Müssen noch bis circa 2080 leben, und zwar in häßlichen, styroporgedämmten Häusern, und den ganzen Tag auf irgendwelche Displays glotzen! Es sei denn, sie laufen beizeiten vor ein selbstfahrendes Auto.
Zweiter Kartenspieler Oder sie machen sich bis 2080 Vorwürfe, weil ein verrückt gewordenes selbstfahrendes Auto ihr Kind nicht in die Schule, sondern zum einsam gelegenen Haus eines Kinderschänders gefahren hat!
Alle Der arme Kellner! Kriegt wahrscheinlich nur 6 Euro 50 pro Stunde und muß im Morgengrauen noch Gratiszeitungen austragen, um seine wegen starkem Übergewicht arbeitsunfähige Frau satt zu kriegen.
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Lippen abwischen und lächeln
Max Goldt
Der Schriftsteller Daniel Kehlmann nennt ihn den "Seitlich-Vorbei-Geher" und bezieht sich dabei auf den Buchtitel "Vom Zauber des seitlich dran Vorbeigehens" (2005) von Max Goldt. Bei diesem Autor gebe es keine oberflachlichen Scherze, so Kehlmann, vielmehr sei es die Sprache, aus deren Tiefe die Komik aufsteige. Max Goldts Prosa sei klug, klar, unaufdringlich moralisch und "das Witzigste, was die deutsche Literatur zu bieten hat".Der Schriftsteller und Musiker Max Goldt (eigentlich: Matthias Ernst) wurde 1958 in Weende, heute ein Stadtteil von Gottingen, geboren. Bereits 1977 zog er nach West-Berlin, wo er eine Ausbildung als Fotograf aufnahm, diese aber abbrach und sich zunachst der Musik zuwendete. Zusammen mit Gerd Pasemann grundete er das Duo Foyer des Arts, fur das er die Texte schrieb und sang und das teilweise der Neuen Deutschen Welle zugeordnet wurde, wogegen Goldt sich immer verwehrt hat.In der unabhangigen Berliner Zeitschrift Ich und mein Staubsauger veroffentlichte er erstmals humorvolle Kolumnen. Einem breiten Publikum bekannt wurde er als Autor einer regelma?igen Kolumne fur die Satirezeitschrift Titanic in den 1990er-Jahren, deren Titel wechselten und die "Aus Onkel Max' Kulturtagebuch", "Diese Kolumne hat vorubergehend keinen Namen", "Manfred Meyer berichtet aus Stuttgart" und "Informationen fur Erwachsene" lauteten. Seit dem Jahr 2005 ist Goldt nach einer Unterbrechung wieder als Autor fur die Titanic tatig.Auf seine erste Prosasammlung "Mein au?erst schwer erziehbarer schwuler Schwager aus der Schweiz" (1984) folgten uber die vergangenen Jahrzehnte viele weitere, au?erst erfolgreiche Textsammlungen seiner Prosa in Buchform mit Kolumnen, Fotos, Liedtexten, Dialogen und Tagebucheintragen. Die Fangemeinde von Goldt wuchs stetig. Von seinen Lesern wird er fur seinen besonderen Wortwitz und die sprachliche Eleganz seiner Texte sowie seine Kunst des Abschweifens verehrt. Manche bezeichnen ihn als aufmerksamen Flaneur, andere als genauen Beobachter eines oft absurden Alltags oder als Wortastheten, der sich gerne der deutschen Sprachpraxis widmet. Auffallend ist die besondere Freude des Autors an der Disparitat und an sprachlichen Volten, wie schon die au?ergewohnlichen Titel seiner Bucher und auch Lieder zeigen. Max Goldts Texte sind haufig ironisch, wobei er aber auch immer wieder die Ironie ironisiert - entweder aus Freude oder als Parodie auf das Echauffieren.Seit 1996 arbeitet Goldt als Comictexter mit dem Zeichner Stephan Katz zusammen, deren gemeinsame Comicstrips unter dem Namen "Katz & Goldt" beispielsweise in der Titanic, dem Zeit-Magazin und dem Magazin Intro, aber auch in Buchform veroffentlicht werden. Im Jahr 2008 erhielt Goldt auf den Vorschlag von Daniel Kehlmann den Kleist-Preis. Er lebt heute in Berlin und geht immer wieder auf Vortragsreisen, auf denen er gerne noch in Arbeit befindliche Texte seinem Publikum prasentiert.Literaturfestival - Lippen abwischen und lacheln
Locker bleiben, wenn jemand lecker sagt
"Max Goldt schreibt heute das schonste Deutsch aller jungeren Autoren . . . Die Heiterkeit und Stille, die diese Sprache ihren Lesern schenkt, liegt nicht nur im Humor; ebenso in einem freundlichen Abstandnehmen von den Aufdringlichkeiten einer Wirklichkeit, an der man sich besser seitlich vorbeidruckt", schreibt der Literaturkritiker Gustav Seibt. Der neue Band, "Lippen abwischen und lacheln", der im Rowohlt Verlag erscheint, vereint nun die "prachtvollsten Texte aus den Jahren 2003 bis 2014 (und einige aus den Neunzigern)" von Max Goldt.
Auf mehr als 400 Seiten werden dabei circa 60 der beruhmten Goldt'schen Miniaturen in den Abschnitten "Die schonen Dinge, die arme Welt", "Szene und Dialog", "Einige Sprachkritiken", "Die Mutter-Trilogie" und "Ohne Mutter weiter im Text" gegliedert. Der titelgebende Text "Lippen abwischen und lacheln" fallt unter die Sprachkritiken, eine Disziplin, in der Goldt es zu einer herausragenden Meisterschaft gebracht hat.
"Lippen abwischen und lacheln" ist ein wunderbares Beispiel fur das eingangs zitierte freundliche Abstandnehmen von den…mehr
Locker bleiben, wenn jemand lecker sagt
"Max Goldt schreibt heute das schonste Deutsch aller jungeren Autoren . . . Die Heiterkeit und Stille, die diese Sprache ihren Lesern schenkt, liegt nicht nur im Humor; ebenso in einem freundlichen Abstandnehmen von den Aufdringlichkeiten einer Wirklichkeit, an der man sich besser seitlich vorbeidruckt", schreibt der Literaturkritiker Gustav Seibt. Der neue Band, "Lippen abwischen und lacheln", der im Rowohlt Verlag erscheint, vereint nun die "prachtvollsten Texte aus den Jahren 2003 bis 2014 (und einige aus den Neunzigern)" von Max Goldt.
Auf mehr als 400 Seiten werden dabei circa 60 der beruhmten Goldt'schen Miniaturen in den Abschnitten "Die schonen Dinge, die arme Welt", "Szene und Dialog", "Einige Sprachkritiken", "Die Mutter-Trilogie" und "Ohne Mutter weiter im Text" gegliedert. Der titelgebende Text "Lippen abwischen und lacheln" fallt unter die Sprachkritiken, eine Disziplin, in der Goldt es zu einer herausragenden Meisterschaft gebracht hat.
"Lippen abwischen und lacheln" ist ein wunderbares Beispiel fur das eingangs zitierte freundliche Abstandnehmen von den Aufdringlichkeiten der Wirklichkeit, das fur Goldts Kunst so charakteristisch ist. Ein Freund berichtet ihm hier im Tonfall leichter Klage von einer Frau, die er zwar sehr schatze, aber deren regelma?iger Gebrauch des Wortes "lecker" ihm doch sehr missfalle. Was also tun? Der Autor rat dazu - vorausgesetzt die Beziehung zwischen den beiden lasse dies zu -, diesen Umstand zum Thema eines personlichen Gesprachs zu machen.
Sprachkritik sei ja nie Privileg des Feuilletons gewesen, sondern immer schon Familiensache. Bis heute werde in den Familien rege Sprachkritik geubt, auch in seiner eigenen, in der regelma?ig beispielsweise der Gebrauch des Demonstrativpronomens "die" anstelle des Personalpronomens "sie" moniert wurde. Das Wortchen "lecker" lasst Goldt jedenfalls nicht mehr los und so versucht er, dessen Popularitat auf den Grund zu gehen, verweist auf den niederlandischen Ursprung und fragt sich, wie es wohl den Sprung uber den Rhein geschafft und hierzulande seine Verbreitung gefunden habe; und schlie?lich prasentiert er seine erhellende Theorie. Die Alternative: kostlich? Oder: schmackhaft? Besser sei das wenig verzierte: gut. - Oder einfach gar nichts: Lippen abwischen und lacheln.
Ansonsten rat Max Goldt zur Gelassenheit. Zivilisation beruhe nun einmal auf sanfter gegenseitiger Kontrolle und Korrektur. Man achte aufeinander. Also solle man sich auch nicht davor scheuen, sein Missfallen an einem bestimmten Sprachgebrauch freundlich zum Ausdruck zu bringen.
Wer analysieren will, wie die Kunst eines Max Goldt funktioniert und was sie ausmacht, kommt rasch ins Stottern. Das wusste schon der Schriftsteller Daniel Kehlmann, der die Laudatio auf Goldt anlasslich der Verleihung des Kleist-Preises im Jahr 2008 gehalten hat. Denn Goldts Literatur sei "emphatisch nichtnarrativ",da bewegten sich keine Charaktere, sondern Gedanken, es gebe keine Handlung und meist seien da keine anderen Hauptdarsteller als die deutsche Sprache selbst und die Aufmerksamkeit des Autors. Dabei sei Goldt keinesfalls ein "Abschweifer" und auch kein "Beobachter", der Dingen und Leuten nachspurt, wie viele meinen. Vielmehr sei er wie zufallig nur in der Nahe und gehe seitlich vorbei. Das Einzigartige: Seine Urteile stimmen in fast allen Fallen. Die Leser konnen es ja ausprobieren.
Auch in Goldts Witz gebe es eine Kluft zwischen der Welt, wie sie ist, und der Welt, wie sie sein sollte, so Kehlmann, aber Goldt stehe in gelassener Ruhe vor dieser Kluft. Wie soll man ihn also benennen? Das Wort "Humorist" mag der Autor selbst nicht. Fur viele zahlt Max Goldt mit seiner einzigartigen Kunst heute bereits zu den bedeutendsten deutschen Schriftstellern der Gegenwart. Auch der neue Band bietet wieder all das, was Goldts Schaffen ausmacht: Seine kurzen Erzahlungen sind, so Kehlmann, "Wunderwerke an Subtilitat, Spiegelkabinette von Eleganz, Klugheit und feindosiertem Wahnsinn". Fur alle, die Goldt schon immer lieben, Pflichtlekture, fur die, die ihn noch nicht kennen, ebenfalls.