Autor im Porträt
Michael Hjorth; Hans Rosenfeldt
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Michael Hjorth; Hans Rosenfeldt
Als Michael Hjorth und Hans Rosenfeldt im deutschsprachigen Raum 2011 ihren ersten Krimi "Der Mann, der kein Mörder war" vorstellten, ahnten die beiden Schweden ganz sicher noch nicht, was für ein unglaublicher Erfolg ihre Reihe um den Kriminalpsychologen Sebastian Bergman werden würde. Damals behaupteten Hjorth und Rosenfeldt, sie würden jedes Jahr ein Bergman-Buch schreiben und nach fünf Jahren damit aufhören. Das mit dem "jedes Jahr ein Buch" stimmt - aber ob sie nach dem riesigen Erfolg wirklich nach fünf Büchern Schluss machen? Wer weiß - und vielleicht ist ihnen selbst ja Sebastian und das Team der Stockholmer Reichsmordkommission so ans Herz gewachsen, dass es weitergeht. Schreiben können die beiden Erfolgsautoren jedenfalls, das hat Michael Hjorth, Jahrgang 1963, auch schon als Drehbuchautor für Henning-Mankell-Verfilmungen bewiesen. Und auch Hans Rosenfeldt, Jahrgang 1964, ist ein in Schweden gefragter Drehbuchautor; er schrieb z. B. die Vorlage für die ZDF-Koproduktion "The Bridge".
Hans Rosenfeldt musste erst einige berufliche "Schleifen" als Tierpfleger, Chauffeur, Lehrer und Schauspieler ziehen, bevor er zum Schreiben fand und damit anfing, für das Fernsehen zu arbeiten. Außerdem moderiert er gerne im Fernsehen und im Radio und ist ein Familienmensch. Wenn er nicht auftritt oder schreibt, liebt er es, Zeit mit seiner Frau und den drei Kindern zu verbringen.
Michael Hjorth begeisterte sich schon als Kind und Teenager für Filme und Bücher. Was lag da näher, als es als Drehbuchautor zu versuchen? Nach einem Studium in New York tat er das auch und zählt heute zu den erfolgreichsten seines Fachs in Skandinavien. Darüber hinaus gründete er eine Produktionsfirma mit, die z. B. die in Schweden gefeierte Sitcom "Svensson, Svensson" auf den Markt brachte.
Dass es den beiden so gut gelingt, als Autorenduo Bücher aus einem Guss zu schreiben, liegt sicher daran, dass sie ähnlich "ticken", ähnliche Ideen haben, die gleichen Dinge mögen. Die Arbeit als Autorenduo läuft bei Hjorth und Rosenfeldt also überaus harmonisch - ganz im Gegensatz zum Leben ihrer Hauptfigur Sebastian Bergman. Der darf alles Asoziale der menschlichen Natur ausleben und wird dafür auch noch heiß und innig geliebt - zwar nicht von den Kollegen im Buch, aber von den Lesern der Hjorth-/Rosenfeldt-Krimis.
Das meint die buecher.de-Redaktion: Obwohl erst seit 2011 auf dem Krimibuchmarkt, zählen Hjorth/Rosenfeldt schon zu den festen Größen des Genres. Und der schräg-asoziale Psychologe Sebastian Bergman ist fast schon Kult.
Ermittlerporträt Sebastian Bergman
Ja, wir wissen, dass Sebastian Bergman selbst sein größter Feind ist und auch, dass er bei einem Tsunami seine Frau und seine kleine Tochter verloren hat - nur er überlebte. Das verfolgt ihn und beschert ihm Albträume. Doch sind wir ehrlich: Auch vor dieser persönlichen Katastrophe berichteten seine Mitmenschen nicht wirklich Gutes über ihn ... Auch als Dozent an der Uni war er gefürchtet und wer ihm aus Unwissenheit widersprach, weil er nicht wusste, wer hier vor ihm stand, hatte danach nicht mehr viel zu lachen am Lehrstuhl für Psychologie. Sebastian war schon immer ein…mehr
Als das Autorenduo Hjorth/Rosenfeldt seine Hauptfigur, den Kriminalpsychologen Sebastian Bergman, zum ersten Mal losschickte, schrieb es auf das Buchcover: "Sie werden es lieben, ihn zu hassen." Nun, was die Liebe angeht, haben die beiden Schweden sicher Recht behalten - denn die Leser sind ganz verrückt nach diesem Ekelpaket. Begnadeter Profiler und Zyniker vor dem Herrn, skrupellos, sexsüchtig und bei Kollegen ungefähr so beliebt wie Dienst an Weihnachten. In Band drei der Reihe, "Die Toten, die niemand vermisst", beschleicht einen das Gefühl: jetzt ist er wirklich kurz vor dem Durchdrehen.
Ja, wir wissen, dass Sebastian Bergman selbst sein größter Feind ist und auch, dass er bei einem Tsunami seine Frau und seine kleine Tochter verloren hat - nur er überlebte. Das verfolgt ihn und beschert ihm Albträume. Doch sind wir ehrlich: Auch vor dieser persönlichen Katastrophe berichteten seine Mitmenschen nicht wirklich Gutes über ihn ... Auch als Dozent an der Uni war er gefürchtet und wer ihm aus Unwissenheit widersprach, weil er nicht wusste, wer hier vor ihm stand, hatte danach nicht mehr viel zu lachen am Lehrstuhl für Psychologie. Sebastian war schon immer ein Rechthaber, ein Machtmensch - und es scheint, als ob seine dunkle Seite immer noch mehr an Macht gewinnen würde. Bei fast jeder freundlichen Geste überlegt er vorab, ob ihn in diesem Fall Nettigkeit weiterbringt. Würde sie es nicht tun, wäre er auch nicht nett, sondern beißend gemein und verletzend.
Er liebt es, Kollegen bloßzustellen - natürlich vor versammelter Mannschaft -, doch eine Kollegin spart er aus: Vanja. Vor einiger Zeit erfuhr Bergman von einer seiner zahlreichen Exfreundinnen, dass er Vater einer erwachsenen Tochter ist. Dass diese Tochter ausgerechnet bei der Reichsmordkommission arbeitet, Vanja heißt und Bergman hasst, macht die Sache nicht einfacher für Sebastian. Denn er will ihr nahekommen, schließlich - so bildet er sich jedenfalls ein - ist sie so etwas wie Familie für ihn. Der letzte Rest von Familie. Seine Mittel und Wege, um Vanja für sich zu gewinnen, gehen allerdings über alle Grenzen. Vanja rätselt derweilen, warum dieser leicht übergewichtige und nicht gerade gutaussehende Egomane so einen Schlag bei Frauen hat. Er muss einen Trick haben. Wer weiß, vielleicht kann dieser Sebastian Bergman ja auch richtig nett sein, auch ganz ohne Berechnung ... vielleicht aber auch nicht.
Interview mit Michael Hjorth und Hans Rosenfeldt
Hjorth/Rosenfeldt: Nein, mit so einem Erfolg haben wir nicht wirklich gerechnet. Aber wir mochten die Idee, einen "Helden" zu erschaffen, der so voller emotionaler Probleme steckt, sich unmöglich benimmt und ein unsolides Leben führt. "Sie werden es lieben, ihn zu hassen!" - das sagen wir ja unseren Lesern ... Aber natürlich haben wir Sebastian auch eine andere Seite mitgegeben, eine versöhnlichere Seite. Er hat seine Familie bei einem Tsunami verloren und nun erfahren, dass er eine erwachsene Tochter hat, von der er bislang nichts wusste. Wir glauben, dass ihn unsere Leser deshalb gut finden, weil er zwar ein Ekel ist und andere Menschen schlecht behandelt ... aber er selbst geht mit sich noch schlechter um. Und er genießt es auch nicht, das zu tun, fährt nicht darauf ab, gemein zu sein. Er ist es einfach.…mehr
Ihr "Held" Sebastian Bergman ist Psychologe - aber alles andere als ein netter und verständnisvoller Zeitgenosse. Er ist zynisch, hochintelligent, asozial und sexsüchtig - und dennoch lieben die Leser ihn, seit er 2011 zum ersten Mal ermittelte. Hatten Sie mit so einem Erfolg gerechnet und wie erklären Sie sich diesen Sympathiebonus für Sebastian?
Hjorth/Rosenfeldt: Nein, mit so einem Erfolg haben wir nicht wirklich gerechnet. Aber wir mochten die Idee, einen "Helden" zu erschaffen, der so voller emotionaler Probleme steckt, sich unmöglich benimmt und ein unsolides Leben führt. "Sie werden es lieben, ihn zu hassen!" - das sagen wir ja unseren Lesern ... Aber natürlich haben wir Sebastian auch eine andere Seite mitgegeben, eine versöhnlichere Seite. Er hat seine Familie bei einem Tsunami verloren und nun erfahren, dass er eine erwachsene Tochter hat, von der er bislang nichts wusste. Wir glauben, dass ihn unsere Leser deshalb gut finden, weil er zwar ein Ekel ist und andere Menschen schlecht behandelt ... aber er selbst geht mit sich noch schlechter um. Und er genießt es auch nicht, das zu tun, fährt nicht darauf ab, gemein zu sein. Er ist es einfach. Vielleicht bestraft er sich da für etwas, vielleicht dafür, dass er seine kleine Tochter damals im Tsunami losgelassen hat. Er hat überlebt, sie nicht.
So hoffen wir auch, dass unsere Leser - wie wir übrigens auch - Sebastian die Daumen drücken, dass doch noch alles gut wird für ihn. Auch wenn er es immer wieder schafft, die Dinge noch mehr durcheinanderzubringen, als zum Beispiel seine persönlichen Probleme anzugehen. Er ist als Psychologe so brillant darin, andere Menschen "zu lesen", zu sagen, was in ihnen vorgeht - doch wenn es um ihn geht, versagt er total darin.
Sebastian verlor seine Frau und seine kleine Tochter bei einer Tsunamikatastrophe. Seitdem ist er noch unausstehlicher. Aber er geht zu einem Therapeuten: Stefan ist einer seiner ehemaligen Studenten. Warum vertraut er sich ihm an, kann er sich ihm anvertrauen?
Hjorth/Rosenfeldt: Nun, seitdem es in Sebastians Leben so viele Geheimnisse und Lügen gibt, braucht er einfach jemanden zum Reden. Stefan ist einer der wenigen Menschen, die Sebastian respektiert, und er hat immerhin die Größe, zu kapieren, dass er es braucht, die Wahrheit sagen zu können. Tief im Inneren konkurriert er zwar immer mit Stefan, aber so ist Sebastian eben, er kann nicht anders.
Als Sebastian erfuhr, dass er eine mittlerweile erwachsene Tochter hat, verändert sich etwas in ihm. Doch es ist nicht etwa so, dass er sich seiner Tochter offenbart, nein, er spioniert ihr nach, versteckt sich nachts vor ihrem Haus im Gebüsch. Es fehlt nicht mehr viel und Sebastian scheint völlig durchzudrehen - warum verliert er sich so in dieser Obsession?
Hjorth/Rosenfeldt: Weil genau dieses Obsessive Sebastians Natur ist. Er kann nicht anders und er trifft eigentlich immer die schlechteste Entscheidung von allen, geht ständig zu weit und hat kein Gefühl dafür, wann es genug ist. Er weiß, dass er ihr wohl nie auf "normalem" Weg nah sein kann und so gibt ihm diese Nähe, nachts vor ihrem Haus, so etwas wie Erfüllung. Sebastian ist eben nicht normal, und wenn er etwas will, sich in etwas verbissen hat, lässt er das niemals wieder los. Egal ob das Vanja ist oder ein Killer, den er jagt. Das ist zugleich seine beste und seine schlimmste Eigenschaft.
Sie schreiben Ihre Bücher zu zweit. Wie können wir uns das ganz praktisch vorstellen?
Hjorth/Rosenfeldt: Wir sind beide Drehbuchautoren und daher an Zusammenarbeit gewöhnt. Wir sitzen viel zusammen an der Geschichte, arbeiten daran, auch im selben Zimmer - und dann entwickeln wir den Plot. Dann teilen wir alles in Kapitel und schreiben die getrennt voneinander. Alles was fertig ist, schicken wir per E-Mail einander zu, sprechen darüber, machen Änderungen etc. Und am Ende, zum Abschluss des Buches, sitzen wir wieder zusammen und arbeiten gemeinsam mit der kompletten Geschichte, redigieren, spüren nach, ob alles passt, so wie es ist. Ganz zum Schluss übernimmt Hans die Aufgabe, alles nochmal sprachlich durchzugehen und der Geschichte einen einheitlichen Tonfall zu geben.
In "Die Toten, die niemand vermisst" bekommt es Sebastian auch mit Ellinor Bergkvist zu tun. Er verbrachte eine Nacht mit ihr und mehr sollten es auch nicht werden. Doch Ellinor scheint alles zu ignorieren, was ihr Sebastian an Gemeinheiten an den Kopf schmeißt und zieht schließlich sogar bei ihm ein. Für Sebastian ist sie "eine Haushaltshilfe, mit der er auch Sex" hat ... Was für eine Frau ist Ellinor und warum glaubt Sebastian, sie sei nicht ganz normal im Kopf?
Hjorth/Rosenfeldt: Sebastian und Ellinor trafen sich schon mal in "Die Frauen, die er kannte". In "Die Toten, die niemand vermisst" sehen wir nun, was daraus entstanden ist und weiter entsteht - mit allen Konsequenzen. Ellinor gehört zu den Frauen, die schnell eine ungesunde Beziehung mit den Männern aufbauen, auf die sie sich einlassen. Sie hat klare und sehr ausgeprägte Stalkertendenzen. Und sie legt sich die Wirklichkeit so zurecht, dass alles in ihr Weltbild passt. Sie ist jederzeit dazu bereit, alles für den Mann ihrer Träume zu tun - und in diesem Fall ist das Sebastian. Warum er denkt, dass Ellinor verrückt ist? Das ist einfach zu erklären: Sie ist wirklich total verrückt. Und wir sind - ehrlich gesagt - ziemlich überrascht darüber, dass Sebastian das nicht früher gemerkt hat.
Wir wollen natürlich das Ende nicht verraten - aber Sie schaffen es wieder einmal, mit einem Cliffhanger abzuschließen, der einen schier verzweifelt nach Band 4 rufen lässt. Wann geht es weiter mit Sebastian Bergman?
Hjorth/Rosenfeldt: In Schweden und Deutschland erscheint Band 4 im Herbst 2014.
Interview: Literaturtest