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Oliver Bottini
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Oliver Bottini
Oliver Bottini, geboren 1965 in Nürnberg, wollte bereits im Alter von 14 Jahren Schriftsteller werden. Nach seinem Abitur und anschließendem Zivildienst folgte er einem anderen Lebenstraum und reiste für sechs Monate durch Australien und Neuseeland. Mit dem Ziel Autor zu werden begann er 1992 sein Studium der Germanistik, Italianistik und der Psychologie in München, das er 1999 abschließt. In diesem Jahr erhält er außerdem sein erstes Literaturstipendium von der Stadt München. Bereits 1995, noch während seines Studiums, arbeitet Bottini als freiberuflicher Autor und Lektor. 2001 beschließt er zusätzlich noch eine Ausbildung in Familien- und Wirtschaftsmediation zu absolvieren.
Oliver Bottinis erster Kriminalroman, "Mord im Zeichen des Zen", der im Jahr 2004 veröffentlicht wurde, erhielt den dritten Platz des Deutschen Krimi Preises - der Durchbruch in seiner Schriftstellerkarriere. Mit diesem Roman beginnt auch seine Erfolgsreihe um Hauptkommissarin Louise Boní, die bis heute fünf Bände umfasst. Neben seinen zahlreichen Krimis verfasste Bottini ebenfalls einige Sachbücher zu den Themen Buddhismus und Zen sowie zu der chinesischen Bewegungs- und Meditationsform Qi Gong, die er seit einigen Jahren, ebenso wie Kung Fu und Ashtanga Yoga, praktiziert.
Im Jahr 2008 zog Bottini von seinem langjährigen Wohnort München nach Berlin, wo er seither lebt und arbeitet.
Krimitipp des Monats - Im weißen Kreis
April 2006. Deutschland bereitet sich auf die Fußball-WM im Sommer vor, und Ermittlerin Louise Boni bekommt eines Abends Besuch in ihrer Freiburger Wohnung. Ein Kollege - er arbeitet undercover - erzählt ihr von einem Mann, der von der russischen Mafia Waffen gekauft hat. Boni, die - wie wir seit ihrem ersten Fall wissen - eine feine Intuition für mysteriöse Fälle und vertrackte Geschichten hat, geht der Sache nach und stößt auf eine Spur, die zu einem Neonazi führt. Schon bald schalten sich die Landespolizeidirektion, das Innenministerium und ein Bundesanwalt in die Ermittlungen ein. Hauptkommissarin Boni wird hellhörig. Und spätestens an dieser Stelle wird in "Im weißen Kreis" klar, dass Oliver Bottini den NSU-Terrorismus, die sogenannten "Döner-Morde" und die Verfehlungen von Verfassungsschutz und Behörden im rechten Sumpf der jüngsten deutschen Vergangenheit als literarische Bühne nimmt, um eine furiose Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte, die an die Substanz geht - an die der ohnehin psychisch labilen Boni, an die der deutschen Gesellschaft und an die des Lesers, der schon bald durch ein…mehr
Louise Boni ermittelt im rechten Sumpf
April 2006. Deutschland bereitet sich auf die Fußball-WM im Sommer vor, und Ermittlerin Louise Boni bekommt eines Abends Besuch in ihrer Freiburger Wohnung. Ein Kollege - er arbeitet undercover - erzählt ihr von einem Mann, der von der russischen Mafia Waffen gekauft hat. Boni, die - wie wir seit ihrem ersten Fall wissen - eine feine Intuition für mysteriöse Fälle und vertrackte Geschichten hat, geht der Sache nach und stößt auf eine Spur, die zu einem Neonazi führt. Schon bald schalten sich die Landespolizeidirektion, das Innenministerium und ein Bundesanwalt in die Ermittlungen ein. Hauptkommissarin Boni wird hellhörig. Und spätestens an dieser Stelle wird in "Im weißen Kreis" klar, dass Oliver Bottini den NSU-Terrorismus, die sogenannten "Döner-Morde" und die Verfehlungen von Verfassungsschutz und Behörden im rechten Sumpf der jüngsten deutschen Vergangenheit als literarische Bühne nimmt, um eine furiose Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte, die an die Substanz geht - an die der ohnehin psychisch labilen Boni, an die der deutschen Gesellschaft und an die des Lesers, der schon bald durch ein Labyrinth aus Intrigen, Vermutungen und Lügen irrt - auf der Suche nach einer Wahrheit, die es wert ist, um auf ihr eine Zukunft aufbauen zu können.
Totgeschwiegene Verbrechen und eine Neonazibrigade
Denn darum geht es Bottini im sechsten Roman der Boni-Reihe, die 2004 mit "Mord im Zeichen des Zen" startete und die seitdem unzählige Preise abgeräumt hat: um das, was unter der Oberfläche bleiben soll - im Leben des Einzelnen und im großen Bild einer Gesellschaft -, um das, was man versucht zu verdrängen, zu deckeln, totzuschweigen, weil es zu gefährlich, zu schmerzhaft ist, und um das, was sich letzten Endes doch nicht totkriegen lässt, weil es so kraftvoll ist, dass es sich nur beruhigen lässt, wenn man versucht, daraus eine Konsequenz zu ziehen, die einem ein Weiterleben und eine Zukunft ermöglicht. Das können vergessene oder totgeschwiegene Verbrechen sein oder falsche, nicht aufgearbeitete Entscheidungen, von denen sich bei der 46-jährigen Ermittlerin Boni ein ganzes Lager angehäuft hat. So heißt es an einer Stelle in dem Roman:
"Die Müdigkeit kehrte zurück, die Erschöpfung. Keine Erschöpfung, die man loswurde, wenn man mal ein paar Wochen Urlaub machte. Wohl eine Art Seelenerschöpfung. Was für ein Leben sie führte, dachte sie. Weit an sämtlichen sozialen Knotenpunkten vorbei. Keine Freunde, keine Beziehung mit Zukunft, keine Familie, und der Kontakt zu Vater, Mutter, zweitem Bruder auf wenige Telefonate im Jahr ausgedünnt."
Bottini, der in der Vergangenheit auch Bücher über den Buddhismus geschrieben hat, schickt seine gebrochene Antiheldin in die gefährlichen Wirrungen des Ku-Klux-Klans, einer Neonazibrigade im Südwesten Deutschlands und der deutschen Politik und Sicherheitsbehörden. Als ein Mann aus Ruanda auftaucht, der nach Deutschland kommt, um die Gebeine eines in der deutschen Kolonialzeit Ruandas gestorbenen Verwandten zurückzufordern, die von deutschen Forschern Anfang des 20. Jahrhunderts verschleppt worden waren, wird Boni klar, wen die Neonazis möglicherweise ermorden wollen. Derweil feiert die Fußballwelt die neue Willkommenskultur der Deutschen.
Es beginnt eine rasante Jagd nach der Wahrheit, die von unterschiedlichsten Seiten massiv behindert wird. "Die Wahrheit ging unter, dachte sie, waren die Lügen nur lange genug in der Welt."
Eine Geschichte von Verdrängung und Schuld
Es ist eine Geschichte von Verdrängung und Schuld, die Bottini sich diesmal ausgedacht hat. Dabei gelingt es ihm auf herausragende Weise, die historischen und politischen Hintergründe vielschichtig mit der persönlichen Welt der Ermittlerin Boni zu verquicken, sodass man bei diesem Krimi durchaus von großer Literatur sprechen darf. Dazu trägt auch die unsentimentale, auf den Punkt gebrachte Sprache des Autors bei, in der sich eine gewisse Hoffnungslosigkeit der menschlichen Existenz widerspiegelt. Die Hoffnungslosigkeit darüber, ständig am höheren Sinn des Lebens scheitern zu müssen. So ist die Protagonistin Boni zwar von ihrer Alkoholsucht geheilt. Dennoch treiben sie weiter die Gespenster ihrer eigenen Geschichte um.
Ermittlerinnenporträt Louise Boni
Der Tod macht es Louise Boni nicht leicht. Als Hauptkommissarin, die immer mit Mordfällen konfrontiert wird, müsste sie den eigentlich aushalten können. Aber tatsächlich macht er ihr zu schaffen, seitdem die Polizistin, die von ihren Kollegen nur Luis genannt wird, in ihrem ersten Fall den Menschenschänder René Calambert aus Notwehr erschießen musste. Der Tod stellt eine Grenze dar. Auch für die Lebenden. Seit jenem Tag, als die spröde und sensible Schöne diesem widerwärtigen Calambert den Tod brachte, ist sie nicht mehr dieselbe.
Der Schriftsteller Oliver Bottini hat mit Boni eine Ermittlerin erdacht, wie es sie in der deutschsprachigen Krimilandschaft vorher nicht gab. Boni ist in ihrem ersten Fall "Mord im Zeichen des Zen", der 2004 erschien und für Applaus von Kritikern und Publikum sorgte, bereits ein seelisches Wrack - und das mit nur 42 Jahren. Sie, die aus einer französischen Familie stammt, hat sich von ihrem Mann getrennt. Sie liebt die melancholische Poesie einer Band wie "Pink Floyd". Im Alkohol sucht sie Trost und Heilung von den seelischen Qualen und Leiden, die…mehr
Ermittlerinnenporträt Louise Boni: im Kampf mit dem Leben
Der Tod macht es Louise Boni nicht leicht. Als Hauptkommissarin, die immer mit Mordfällen konfrontiert wird, müsste sie den eigentlich aushalten können. Aber tatsächlich macht er ihr zu schaffen, seitdem die Polizistin, die von ihren Kollegen nur Luis genannt wird, in ihrem ersten Fall den Menschenschänder René Calambert aus Notwehr erschießen musste. Der Tod stellt eine Grenze dar. Auch für die Lebenden. Seit jenem Tag, als die spröde und sensible Schöne diesem widerwärtigen Calambert den Tod brachte, ist sie nicht mehr dieselbe.
Der Schriftsteller Oliver Bottini hat mit Boni eine Ermittlerin erdacht, wie es sie in der deutschsprachigen Krimilandschaft vorher nicht gab. Boni ist in ihrem ersten Fall "Mord im Zeichen des Zen", der 2004 erschien und für Applaus von Kritikern und Publikum sorgte, bereits ein seelisches Wrack - und das mit nur 42 Jahren. Sie, die aus einer französischen Familie stammt, hat sich von ihrem Mann getrennt. Sie liebt die melancholische Poesie einer Band wie "Pink Floyd". Im Alkohol sucht sie Trost und Heilung von den seelischen Qualen und Leiden, die sie in ihrem einsamen Alltag in der scheinbaren Idylle des Breisgau von Freiburg zerreißen. Boni ist keine dieser Über-Power-Frauen, die selbstbewusst durchs Leben preschen. Sie ist eine Antiheldin, die mit sich und der Welt hadert, eine Grüblerin und Skeptikerin, der es schwerfällt, ihren Platz im Leben zu finden, und die ihre Fälle eher mit Bauchgefühl, Zurückhaltung und Vorsicht angeht als mit dem kühlen Verstand eines Ermittlers vom Reißbrett der dramaturgischen Langeweile.
Mit Boni wird es nie langweilig. Denn die Geister, die sie verfolgen, wollen sie nicht in Ruhe lassen. Sie haben sich in ihrer Seele eingenistet und machen ihr das Leben zur Hölle. In den sechs Romanen, in denen Boni die Hauptrolle spielt, lässt Autor Bottini den Leser den Kampf seiner Protagonistin mit ihren Geistern hautnah miterleben - und mitleben. Dies gelingt vor allem, weil Bottini ein Meister der lakonischen, poetischen Sprache ist, mit der er das Seelenleben Bonis literarisch zu sezieren weiß.
Um mit ihren Geistern klarzukommen, geht Boni schon mal in ein Kloster, sucht Heilkraft im Buddhismus, bekämpft ihre Alkoholsucht und verliert sich in schwierigen Beziehungen, die eigentlich keine sind. Jemand, der sich selbst kaum erträgt, kann einfach nicht jemanden an seiner Seite aushalten. Deswegen ist es auch kein Wunder, dass Boni die meiste Zeit allein ermittelt und von ihren Kollegen zwar respektiert, aber auch als durchaus unheimlich empfunden wird.
Die Fälle, mit denen es Boni aufnehmen muss, widerspiegeln die seelischen Abgründe dieser außergewöhnlichen Ermittlerin. Immer wieder geht es um gesellschaftliche und politische Narben, die Menschen zu dem machen, was sie sind. Es geht um internationalen Terrorismus wie in dem Roman "Im Sommer der Mörder" (2007) oder den Jugoslawien-Krieg wie im "Auftrag der Väter" (2009). Und auch in ihrem neuen Fall "Im weißen Kreis", der gerade erschienen ist, sind es die bösen Geister einer zutiefst deutschen Vergangenheit, die der mittlerweile 46-jährigen Boni zu schaffen machen.
Auch dieser Fall wird Boni nicht von ihrem Leiden heilen können. Aber sie wird immer besser lernen, mit den Geistern ihrer Vergangenheit klarzukommen. Dabei sind Rückschläge nicht ausgeschlossen.