Autor im Porträt
Rocko Schamoni
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Pudels Kern
Sommer 86, ein junger Mann fährt nach Hamburg, um dabei zu sein. Er ist 19 und will Musik machen, die Jugend feiern, Künstler sein. Es zieht ihn nach Sankt Pauli, auf den Fixstern der Verrückten. Er will hinein in den Abgrund, "wo Feuchtigkeit und dunkle Wärme merkwürdige Organismen zum Tanzen bringen". Er trifft die Zitronen, die Ärzte, die Hosen, die Neubauten - und sucht seinen eigenen Platz in dieser Welt. Als Erstes braucht er einen neuen Namen: Rocko Schamoni.
"Pudels Kern" reißt uns zurück in die Jahre des Punk, in die Kellernächte, den kaputten Tourbus und bis zum großen Plattenvertrag. Zu den Hoffnungen und Abstürzen. Es ist das glühende Porträt des Künstlers als junger Mann: "Nichts hat mehr Bedeutung, alles fließt, wir sind Quallen der Liebe."…mehr
Der Jaeger und sein Meister / Große Freiheit Bd.2
Im Zentrum steht die Freundschaft von Joska Pintschovius zu Heino Jaeger, einem hochbegabten Künstler, Stimmenimitator und Satiriker, der kultisch als "Meister" verehrt wird. Und am Ende an seiner seelischen Durchlässigkeit verglühen wird. Die Verbindung aus Genialität und Wahnsinn fasziniert den Erzähler und Chronisten Schamoni, der sich in der Ergründung dieses Lebens persönlicher und verletzlicher zeigt als je zuvor.…mehr
Rocko Schamoni
Rocko Schamoni, 1966 in Deutschland geboren, veröffentlichte zahlreiche CDs, arbeitet für Theater, Film und Fernsehen, tourt regelmäßig solo oder mit Band durch die Republik und hat inzwischen eine eingeschworene Fangemeinde.Medien
Fünf Löcher im Himmel
Das Leben ist nur eine kurze Pause vor dem Tod
Der Verlag bewirbt "Fünf Löcher im Himmel" als "knallharte Roadnovel" - erstmal beginnt der Roman aber in Hamburg. Dort sitzt Paul mit einer Dose Bier auf einer Bank, pafft Ernte 23 und sieht zu, wie Arbeiter seine noch halbwegs bürgerliche Existenz in einen Container knallen. Zwangsräumung. "Maschinen ... nichts als Maschinen, ausführende, stumpfe Automaten", flüstert er, rettet noch schnell eine kleine Zigarrenkiste aus dem Müll seiner ehemaligen Wohnung und schmeißt eine Metallkugel in die Wohnzimmerscheibe.
Paul als 17-Jähriger: "Ich möchte etwas machen, was noch keiner gemacht hat."
Dann trottet er weg, findet am Stadtrand in einer Schrebergartensiedlung einen Unterschlupf für die Nacht und öffnet die Zigarrenkiste. Alte Aufnahmen, ein Klassenfoto - er, in der letzten Reihe, mit "merkwürdigem Blick". Zu seinen besten Freunden von damals hat er keinen Kontakt mehr, nicht zu Katharina Himmelfahrt, die damals, als er 17 war, in seine Klasse kam. Auch in der Kiste: Pauls Tagebuch von 1966:
Ich heiße Paul.
Ich bin siebzehn.
Ich bin…mehr
Das Leben ist nur eine kurze Pause vor dem Tod
Der Verlag bewirbt "Fünf Löcher im Himmel" als "knallharte Roadnovel" - erstmal beginnt der Roman aber in Hamburg. Dort sitzt Paul mit einer Dose Bier auf einer Bank, pafft Ernte 23 und sieht zu, wie Arbeiter seine noch halbwegs bürgerliche Existenz in einen Container knallen. Zwangsräumung. "Maschinen ... nichts als Maschinen, ausführende, stumpfe Automaten", flüstert er, rettet noch schnell eine kleine Zigarrenkiste aus dem Müll seiner ehemaligen Wohnung und schmeißt eine Metallkugel in die Wohnzimmerscheibe.
Paul als 17-Jähriger: "Ich möchte etwas machen, was noch keiner gemacht hat."
Dann trottet er weg, findet am Stadtrand in einer Schrebergartensiedlung einen Unterschlupf für die Nacht und öffnet die Zigarrenkiste. Alte Aufnahmen, ein Klassenfoto - er, in der letzten Reihe, mit "merkwürdigem Blick". Zu seinen besten Freunden von damals hat er keinen Kontakt mehr, nicht zu Katharina Himmelfahrt, die damals, als er 17 war, in seine Klasse kam. Auch in der Kiste: Pauls Tagebuch von 1966:
Ich heiße Paul.
Ich bin siebzehn.
Ich bin ziemlich dünn und groß und habe dunkelbraune lange
Haare mit Locken.
Ich bin schüchtern, glaub ich.
Ich interessiere mich für Beat, für Kunst und für Mädchen. Auch
für Politik natürlich.
Von da an begleiten wir den 17-jährigen Paul beim Erwachsenwerden und den erwachsenen Paul von heute, abgestürzt und wohnungslos, lesend in seinem Tagebuch. Gefühle von damals, Begegnungen mit Mädchen und Frauen, Wut, Angst, Traurigkeit, Hoffnung. Paul schreibt: Ich möchte etwas machen, was noch keiner gemacht hat.
Frau Zucker, die Mädchen und die Wirklichkeit
Der schüchterne Kerl meldet sich bei der Schultheatergruppe an, weil die Lehrerin scharf ist; Frau Zucker (!) will den Werther einstudieren und Paul spielt Lottes Mann Albert. Der Werther-Darsteller, ein großspuriger Schönling, der aussieht wie Alain Delon in Blond. Und Lotte ... ja, die spielt Katharina Himmelfahrt. Ein seltsames Mädchen, in der Klasse fast schon autistisch, null Kontakte, auf der Bühne aber verwandelt sie sich, wird lebendig. Paul findet Katharina immer faszinierender, rätselt aber ständig, was an ihren Gefühlen nun echt und was gespielt ist. Eine Frage, die er sein ganzes Leben mit sich herumträgt ... was ist Schein und was nicht oder und was überhaupt ist die Wirklichkeit?
Pocke: "Weißt du, dieses Land ist zerbrochen, es will seine Schwachen nicht mehr."
Ziemlich real ist da die Kneipe, in welcher der erwachsene Paul strandet. "Bei Pocke", letzter Abend, denn Pocke muss dichtmachen, Freigetränke für alle. Pocke war mal zweiter Chefkoch im Hotel Atlantik, hatte ein Haus auf Sylt. Nachdem der Job weg war, fiel auch alles andere langsam weg, Geld, Häuser, Frauen. Das Rauchergesetz gibt seiner Kneipe nun den Rest. Weißt du, diesesLand ist zerbrochen, es will seine Schwachen nicht mehr, sagt Pocke zu Paul. Paul trinkt Rumgrog und denkt an Katharina.
Wer den Datsun 240 Z nimmt, muss auch den Vogel nehmen: Der Wellensittich heißt Wolfgang
Am nächsten Morgen wacht Paul in Pockes Wohnung auf - und der vermacht ihm das Auto, das "Fünf Löcher im Himmel" auch zur Roadnovel macht: einen Nissan Datsun 240 Z von 1973 in Dunkelviolett. Schicker Sportwagen, aber auf seine Weltreise kann Pocke ihn nicht mitnehmen. Nun gehört er Paul - es sei denn, Pocke kommt doch wieder zurück, weil irgendetwas schiefgelaufen ist. Bedingung Nummer zwei: Wer den Wagen nimmt, muss auch den Vogel nehmen. Er heißt Wolfgang und ist ein Wellensittich.
Für Paul wird der Wagen seine neue Wohnung, seine und die von Wolfgang. Und er will ans Meer, dorthin, wo er herkommt. Er will Wolfgang seine Heimat zeigen, seine Jugendfreundin Katharina besuchen. Vielleicht wird es ja wieder gut, alles wieder gut. Vielleicht ist das Leben nicht das, wofür er es hält: nur eine kurze Pause vor dem Tod ...
Lesungen mit Rocko Schamoni 2014:
22.10.14 - Wien
23.10.14 - Wien
28.10.14 - Mannheim
29.10.14 - München
30.10.14 - Erlangen
05.11.14 - Hamburg
06.11.14 - Hamburg
07.11.14 - Oldenburg
08.11.14 - Bremen
19.11.14 - Berlin
20.11.14 - Dresden
21.11.14 - Leipzig
26.11.14 - Hannover
15.12.14 - Münster
16.12.14 - Bielefeld
17.12.14 - Frankfurt
Interview mit Rocko Schamoni
Zwangsräumung. Paul Zech beobachtet auf einer Parkbank dieses Schauspiel. Das meiste aus seiner Wohnung wandert sofort in einen Container. Daraus rettet er eine Zigarrenkiste. Danach geht er auf Wanderschaft und begegnet immer wieder Tieren. Kurze Begegnungen, die aber präsent bleiben, nachhallen. Ein Marder greift ihn in einer verlassenen Schrebergartenhütte an, in einer weiteren Hütte trifft er auf einen sterbenden Wolfshund, am Strand findet er einen toten Seehund. Und dann übernimmt er Wolfgang, einen Wellensittich. Wolfgang erhält von Ihnen sogar einen eigenen Epilog. Welche Bedeutung haben die Tiere hier im Roman?
Rocko Schamoni: Tiere stehen für das Unberechenbare, die nicht menschliche Sprache des Seins, die verlorene Unschuld und das Ausgeliefertsein gegenüber dem Menschen. Ich stelle sie dem ewig vergeblich Sinn produzierenden Menschen gern gegenüber.
Unter den Fotos in der geretteten Zigarrenkiste findet Paul auch noch sein altes Tagebuch, ein Schulheft. Die Einträge stammen aus dem Jahr 1966. Wir lernen Paul als 17-Jährigen kennen, ein dünner großer…mehr
Interview Rocko Schamoni, Fünf Löcher im Himmel
Zwangsräumung. Paul Zech beobachtet auf einer Parkbank dieses Schauspiel. Das meiste aus seiner Wohnung wandert sofort in einen Container. Daraus rettet er eine Zigarrenkiste. Danach geht er auf Wanderschaft und begegnet immer wieder Tieren. Kurze Begegnungen, die aber präsent bleiben, nachhallen. Ein Marder greift ihn in einer verlassenen Schrebergartenhütte an, in einer weiteren Hütte trifft er auf einen sterbenden Wolfshund, am Strand findet er einen toten Seehund. Und dann übernimmt er Wolfgang, einen Wellensittich. Wolfgang erhält von Ihnen sogar einen eigenen Epilog. Welche Bedeutung haben die Tiere hier im Roman?
Rocko Schamoni: Tiere stehen für das Unberechenbare, die nicht menschliche Sprache des Seins, die verlorene Unschuld und das Ausgeliefertsein gegenüber dem Menschen. Ich stelle sie dem ewig vergeblich Sinn produzierenden Menschen gern gegenüber.
Unter den Fotos in der geretteten Zigarrenkiste findet Paul auch noch sein altes Tagebuch, ein Schulheft. Die Einträge stammen aus dem Jahr 1966. Wir lernen Paul als 17-Jährigen kennen, ein dünner großer Junge mit langen lockigen Haaren. Er ist ein Suchender, will etwas "ganz Neues werden. Etwas, das noch nie dagewesen ist." Das hört sich nach "normalen" Teenagernöten an, doch Paul scheint anders als die anderen zu sein und auch zu bleiben. Wie würden Sie ihn beschreiben, ihn einordnen?
Rocko Schamoni: Paul hat eine andere Ausgangsposition als seine Mitschüler: keine Geschwister, Mutter weg, Vater an der Flasche, wenig Freunde, dennoch große Wünsche und Fantasien. Ist es möglich, dem Schicksal von der Schippe zu springen? - Diese Frage treibt mich immer wieder um. Kann ich unter den schlechtmöglichsten Startbedingungen trotzdem zu dem Wesen werden, das ich mir für mich erträume? Dieses Buch glaubt nicht daran.
Zwei Frauen spielen in Pauls Leben eine entscheidende Rolle: Eine davon ist die Lehrerin Frau Zucker. Die zweite wichtige Frau für Paul ist Katharina Himmelfahrt; sie geht in seine Klasse und ist eigentlich blass, langweilig und eine Eigenbrötlerin. Nur beim Theaterspielen nicht. Was hat es mit der Verwandlung von Katharina auf sich?
Rocko Schamoni: Sie ist - im Gegensatz zu Paul - diejenige, die beweist, dass man sein Schicksal in der Hand halten kann. Und vielleicht auch das der anderen. Menschen sind häufig anders, als sie uns beim ersten Anblick erscheinen, zumindest wenn sie ein klares Bild von sich selbst haben.
"Bei Pocke" heißt die Kneipe, in der Paul nach der Zwangsräumung strandet. Dort ist letzter Abend, Wirt Pocke muss dicht machen. Freigetränke für alle. Siegfried Pocke ist auch so ein Gestrandeter, früher war er mal stellvertretender Chefkoch im Hotel Atlantic. Woher rührt Ihre Zuneigung zu den Gescheiterten, denen, die nicht rundlaufen?
Rocko Schamoni: Sie erscheinen mir spannender als die, deren Geschichten voraussehbar sind und reibungslos ablaufen. In der Literatur und im Film haben mich diese Figuren immer stärker bewegt als andere. Speziell Wirt "Pocke" gab es wirklich. Ich und meine beiden Freunde vom Studio Braun sind einige Jahre jeden Mittag bei ihm im "Stübchen" essen gegangen. Jetzt gibt es das "Stübchen" nicht mehr ...
Sie touren mit "Fünf Löcher im Himmel" durch Deutschland, der erste Auftritt findet in Wien statt. Was erwartet die Besucher da, eine normale Lesung oder mehr?
Rocko Schamoni: Ich weiß es noch nicht, ich muss den Abend erst noch erfinden. Vielleicht gibt's auch Musik. Oder Hörspiele. Es bleibt spannend ...