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Autor im Porträt
Thomas von Steinaecker
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Die Privilegierten (eBook, ePUB)
Die Privilegierten
In Norwegen beginnt der Winter. Der erste seit vielen Jahren. In einer abgelegenen Hütte muss sich Bastian eingestehen, dass er zu alt ist, um dort zu überleben. Anstatt zur weit entfernten Siedlung aufzubrechen, beginnt er sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. Mit seiner Kindheit in den 90ern zwischen Star Wars, Magnum-Eis und Lichterketten gegen Rechts. Der Herausforderung als junger Vater, Familie, Karriere und eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Und mit den Jahren in der geschützten Wohnsiedlung in der Nähe Münchens, in denen die Welt immer bedrohlicher wurde. In seinem neuen Roman blickt Thomas von Steinaecker virtuos aus einer nahen Zukunft zurück auf unsere Gegenwart und zeigt, wie das Leben an uns vorbeirauscht, während wir um uns selbst kreisen. Hochaktuell erzählt »Die Privilegierten« von einer Generation, die alle Möglichkeiten hatte und dennoch scheitert.
SWR-Bestenliste November 2023
Nominiert für den Wilhelm Raabe-Literaturpreis 2023
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Thomas von Steinaecker
Steinaecker, Thomas vonThomas von Steinaecker, geboren 1977 in Traunstein, wohnt in Augsburg. Er schreibt vielfach ausgezeichnete Romane - unter anderem >Wallner beginnt zu fliegen< und >Das Jahr, in dem ich aufhorte, mir Sorgen zu machen, und anfing zu traumen< - sowie Horspiele. Au?erdem dreht er Dokumentarfilme, fur die er unter anderem den ECHO Klassik erhielt. Fur S. Fischer Hundertvierzehn initiierte er das >Mosaik-RomanZwei Madchen im Krieg< und veroffentlichte zusammen mit der Zeichnerin Barbara Yelin den Fortsetzungs-Webcomic >Der Sommer ihres LebensDie Verteidigung des ParadiesesHerzrhythmusgerauscheLiteraturfestival - Die Verteidigung des Paradieses
Mensch oder Affe?
Thomas von Steinaecker ruttelt in seinem neuen Roman vor einem postapokalyptischen Szenarium an den Grundfesten der Zivilisation
Es ist das Jahr elf nach dem Untergang. Deutschland wurde von einer sonderbaren Katastrophe heimgesucht. Die bis dahin gekannte Zivilisation wurde zerstort, Menschenleben weitgehend ausgerottet. In der "Gro?en Ebene" unterhalb der Alpen treiben Mutanten ihr Unwesen. Auf einer Alm in Bayern haben es funf Menschen geschafft zu uberleben. Cornelius, Jorden, Chang, Ozlmen und Anne sind die Survivors. Sie wahnen sich allein in einer zerstorten Welt, in der die Erinnerungen an die alten zivilisatorischen Errungenschaften wie Kunst, Musik und Sprache langsam verblassen. Zu ihnen gehort auch Heinz, der als Vierjahriger von der Truppe gefunden und schlie?lich aufgezogen wurde. Heinz' einziger Freund ist ein Spielzeugroboter in Gestalt eines Fuchses, der darauf programmiert ist, Marchen zu erzahlen. Heinz liebt Worter wie beispielsweise "Wurde" oder "wunderbar", "Altworter" wie er sie nennt; Worter, die aus der untergegangenen Welt stammen. Nun, zu seinem funfzehnten Geburtstag, erhalt er von…mehr
Mensch oder Affe?
Thomas von Steinaecker ruttelt in seinem neuen Roman vor einem postapokalyptischen Szenarium an den Grundfesten der Zivilisation
Es ist das Jahr elf nach dem Untergang. Deutschland wurde von einer sonderbaren Katastrophe heimgesucht. Die bis dahin gekannte Zivilisation wurde zerstort, Menschenleben weitgehend ausgerottet. In der "Gro?en Ebene" unterhalb der Alpen treiben Mutanten ihr Unwesen. Auf einer Alm in Bayern haben es funf Menschen geschafft zu uberleben. Cornelius, Jorden, Chang, Ozlmen und Anne sind die Survivors. Sie wahnen sich allein in einer zerstorten Welt, in der die Erinnerungen an die alten zivilisatorischen Errungenschaften wie Kunst, Musik und Sprache langsam verblassen. Zu ihnen gehort auch Heinz, der als Vierjahriger von der Truppe gefunden und schlie?lich aufgezogen wurde. Heinz' einziger Freund ist ein Spielzeugroboter in Gestalt eines Fuchses, der darauf programmiert ist, Marchen zu erzahlen. Heinz liebt Worter wie beispielsweise "Wurde" oder "wunderbar", "Altworter" wie er sie nennt; Worter, die aus der untergegangenen Welt stammen. Nun, zu seinem funfzehnten Geburtstag, erhalt er von Cornelius, dem "weltbesten Leader", den Auftrag, die Geschichte der Uberlebenden aufzuschreiben. "Fuhre von nun an Buch uber alles, was geschieht, Heinz! Von diesem Tag an bist du der Bewahrer unserer Gemeinschaft!"
Doppelbodig, eigenwillig und meisterlich konstruiert
An dieser Stelle beginnt der neue Roman des 1977 geborenen Schriftstellers Thomas von Steinaecker, der mit seiner letzten Arbeit "Das Jahr, in dem ich aufhorte, mir Sorgen zu machen, und anfing zu traumen" im Jahr 2012 fur den Leipziger Buchpreis nominiert war. Von Steinaecker, der auch mit Dokumentarfilmen und Horspielen gro?e Erfolge feiert, ist bekannt fur seine ambitionierten, doppelbodigen, eigenwilligen und meisterlich konstruierten Romane, die sich von den haufig stringent erzahlten Geschichten anderer Autoren deutlich abheben.
Was macht die Zivilisation aus? Sprache, Kunst, Musik oder die Liebe?
Auch "Die Verteidigung des Paradieses" (S. Fischer) ist solch ein Roman, der vor kreativer Kraft und frischem Einfallsreichtum nur so strotzt. Das postapokalyptische Szenarium, das von Steinaecker so poetisch und eindringlich zu entrollen wei?, nutzt der Autor, um einige universelle Themen anzupacken und literarisch auszuloten. Was macht die menschliche Zivilisation aus? Ist es die Sprache, die Liebe zur Kunst und Musik - sind es ihre Geschichten? Oder ist es ihr moralisches Bewusstsein? Dieses aber wird unter bestimmten Umstanden auf die Probe gestellt. Eben dann, wenn die Zivilisation sich zu sehr auf Computer und Roboter verlasst oder wenn sie zerstort ist und die rohen Gesetze des Uberlebens gelten. Von Steinaecker ist zu klug, um solche Fragen eindeutig zu beantworten. Er lasst sie offen bzw. verstort, indem er immer wieder die Widerspruchlichkeit von scheinbar klaren Antworten anrei?t. So lebt beispielsweise eine Horde Affen zusammen mit den Uberlebenden auf der Alm. Sie erscheinen als symbolisches Drohszenarium fur die Entwicklung, die den Survivors im Laufe der Erzahlung bevorstehen konnte - namlich der Verlust zivilisatorischer Regeln und das Durchbrechen animalischer Wildheit. Als es schlie?lich zu einem entscheidenden Vorfall kommt, lasst von Steinaecker offen, ob er die Affen bildlich als die wilden Gegenspieler des Menschen verstanden wissen will oder als immanenten Teil des Menschen.
Die Erzahlung einer Menschwerdung ...
Was macht den Menschen zum Menschen? - Diese Frage ist allgegenwartig in dem mit allerlei erzahlerischen und formellen Raffinessen ausstaffierten Roman. Und so ist dies nicht nur eine Geschichte vom Erwachsenwerden, die aus der Sicht von Heinz erzahlt wird, sondern auch die Erzahlung einer Menschwerdung. Heinz will ein guter Mensch sein, was unter den furchtbaren Bedingungen, unter denen die Welt nach dem Untergang existiert, kaum moglich ist. Seine Sprache wird im Laufe der Erzahlung besser. Aber seine menschlichen Fahigkeiten werden auf eine harte Probe gestellt. Denn die Truppe muss ihr Refugium verlassen, als sich dort ein Klimawandel einstellt, der es unmoglich macht, auf der Alm zu uberleben. Die funf machen sich auf eine gefahrliche und abenteuerliche Reise gen Westen, wo es ein Lager mit weiteren Uberlebenden geben soll. Man hat auch den Eindruck, dass von Steinaecker die aktuelle Fluchtlingskrise der EU als Anlass nimmt, um Fragen nach Identitat und Sein philosophisch nachzuspuren.
Am Ende des Romans erwartet den Leser schlie?lich ein ausgebuffter erzahlerischer Clou. Der ist so unerhort und verstorend und untergrabt unsere Vorstellungen des Menschseins und einer zivilisatorischen Zukunft derart, dass einem buchstablich schwindelig wird.
Interview mit Thomas von Steinaecker
Es ist nicht ganz leicht, uber Ihren Roman zu sprechen, ohne etwas Wichtiges zu verraten. Deswegen zunachst die Frage: Konnen Sie kurz beschreiben, was Sie beim Schreiben des Romans interessiert hat?
Thomas von Steinaecker: Als Jugendlicher las ich viel Science-Fiction- und Abenteuerromane. Seitdem habe ich mir immer gewunscht, auch so ein Buch zu schreiben. Irgendwie war 2011 fur mich der Zeitpunkt dafur gekommen. Daneben gab es noch einen zweiten Antrieb: Durch verschiedene private Umstande stellte ich mir sehr existenzielle Fragen, eigentlich Kinderfragen, aber auch auf den ersten Blick Absurdes wie: Warum hei?t die Kuh Kuh? Warum haben wir nur zwei Beine und nicht drei und noch dazu diese komischen wei?en, harten Dinger im Mund, die Zahne hei?en?
Der funfzehnjahrige Heinz ist Teil einer Gruppe, die in einer postapokalyptischen Welt auf einer Alm lebt. Heinz ist der Erzahler und Hauptprotagonist des Romans. Warum erzahlt gerade er diese Geschichte?
Thomas von Steinaecker: Kinder sind Au?erirdische. Jedenfalls war das mein Gefuhl, als ich in die Pubertat kam. Alles…mehr
Interview Thomas von Steinaecker
Es ist nicht ganz leicht, uber Ihren Roman zu sprechen, ohne etwas Wichtiges zu verraten. Deswegen zunachst die Frage: Konnen Sie kurz beschreiben, was Sie beim Schreiben des Romans interessiert hat?
Thomas von Steinaecker: Als Jugendlicher las ich viel Science-Fiction- und Abenteuerromane. Seitdem habe ich mir immer gewunscht, auch so ein Buch zu schreiben. Irgendwie war 2011 fur mich der Zeitpunkt dafur gekommen. Daneben gab es noch einen zweiten Antrieb: Durch verschiedene private Umstande stellte ich mir sehr existenzielle Fragen, eigentlich Kinderfragen, aber auch auf den ersten Blick Absurdes wie: Warum hei?t die Kuh Kuh? Warum haben wir nur zwei Beine und nicht drei und noch dazu diese komischen wei?en, harten Dinger im Mund, die Zahne hei?en?
Der funfzehnjahrige Heinz ist Teil einer Gruppe, die in einer postapokalyptischen Welt auf einer Alm lebt. Heinz ist der Erzahler und Hauptprotagonist des Romans. Warum erzahlt gerade er diese Geschichte?
Thomas von Steinaecker: Kinder sind Au?erirdische. Jedenfalls war das mein Gefuhl, als ich in die Pubertat kam. Alles war mir fremd und ich war allen fremd. Am liebsten ware ich Alf oder Mister Spock gewesen. Also so eine Mischung aus Hilflosigkeit und Auserwahltheitsfantasie. Gleichzeitig hatte ich einen Blick auf die Welt, der mir, wie wahrscheinlich jedem Erwachsenen, abhandengekommen ist. Das Staunen uber Dinge, die wir nach und nach als selbstverstandlich annehmen. Ich wollte wieder diesen Blick mit den zwei Fragzeichen in den Augen haben.
Im Laufe der Zeit wird Heinz' Sprache immer besser, immer - wenn man so will - kunstfertiger und menschlicher. Er entdeckt auch die Kunst und Musik der untergegangenen Welt. All das steht im krassen Kontrast zu der kaputten und morderischen Welt, die ihn umgibt. Macht Sprache und Kunst uns nicht nur zu Menschen, sondern auch zu besseren Menschen?
Thomas von Steinaecker: Das klingt zu schon, um wahr zu sein. Musiker behaupten auch oft, dass Musik die Menschen besser mache usw. Ich glaube, es ist eben eine sehr spezielle Ausdrucksform, die manchen Menschen dazu dient, sich selbst zu verwirklichen. Mir zum Beispiel. Aber verallgemeinern wurde ich das nicht wollen.
Heinz will unbedingt ein guter Mensch sein. Hat er in dieser Welt, die Sie so virtuos, hypnotisch und klaustrophobisch beschreiben, eine Chance, das zu werden?
Thomas von Steinaecker: Das hangt sehr davon ab, wie man "guter Mensch" definiert. Fur Heinz bedeutet das Selbstlosigkeit. Und die gelingt ihm tatsachlich nach einer Weile und vielen schmerzhaften Erfahrungen. Zum Beispiel lernt er, dass die Entscheidung richtig ist, so etwas Hilfloses wie ein Baby auf einen gefahrlichen Marsch ins Ungewisse mitzunehmen - obwohl das vielleicht den eigenen Tod bedeutet.
Ein Kunstgriff zuBeginn des Romans ist, dass Sie der Truppe eine Gruppe von Affen vor die Almhutte setzen. Heinz gibt den Pavianen sogar Namen der eigenen Gruppenmitglieder. Allerdings bleibt das Bild des Affen - als wildes Gegenstuck zum zivilisierten Menschen oder als Teil des Menschen - unklar. Richtig?
Thomas von Steinaecker: Die Paviane sind so etwas wie ein Spiegel der Gemeinschaft fur Heinz. Einer, in den man nicht so gerne schaut, weil man da behaart ist und nicht sprechen kann.
Die Truppe mit ihrem Anfuhrer Cornelius macht sich auf den Weg zu einem Fluchtlingslager, das es im Westen geben soll, und muss dabei allerlei Gefahren und Abenteuer durchstehen. Man konnte meinen, dass Sie aufgrund der aktuellen Fluchtlingskrise in der EU die Idee hatten, den Spie? umzudrehen und die Deutschen zu Fluchtlingen zu machen ...
Thomas von Steinaecker: Das ist allein schon deshalb nicht moglich, weil zwischen der Fertigstellung eines Romans und seinem Erscheinen bis zu einem Jahr liegt. Ich habe den Roman 2011 begonnen und 2014 abgeschlossen. Danach gab es noch viel, viel Arbeit, aber nicht mehr an der eigentlichen Handlung. Damals waren die Fluchtlingsschiffe im Mittelmeer und die Auffanglager eine Randnotiz in den Nachrichten, an die man sich gewohnt hatte. Die Idee dazu, "den Spie? umzudrehen", ergab sich aus der Frage, die sich Heinz stellt, was das eigentlich sein soll: deutsch. Und warum dieses Land, das auf dem Globus so winzig klein ist, angeblich so eine riesige Bedeutung im Vergleich zu anderen, gro?eren Landern haben soll.
Ein Thema ist auch der Blick auf die Zukunft des Schreibens und des Geschichtenerzahlens als Teil des menschlichen Daseins - in einer Welt, die immer mehr von Computern und Robotern dominiert wird. Ohne den Clou ihres Romans zu verraten. Wie sieht Ihre personliche Meinung aus? Wie werden Computer das Erzahlen von Geschichten verandern?
Thomas von Steinaecker: Das lineare Erzahlen wird aufgehoben werden, so wie es jetzt schon bei Computerspielen der Fall ist. Das kollektive Arbeiten von Autor, Programmierer und Designer wird eine Renaissance erleben. Aber das alles hei?t nicht, dass es keine "klassischen" Romane mehr geben wird.
Der Roman changiert zwischen Science-Fiction, Marchen und Fantasy. Sind Sie selbst ein Fan dieser Genres oder waren diese nur - sagen wir - ein Mittel, um die Idee des Romans formal und stilistisch umzusetzen?
Thomas von Steinaecker: Jules Verne, H. G. Wells, Raumschiff Enterprise, Alf, Die unendliche Geschichte, Krabat ... Fruher habe ich all das verschlungen. Diese Kindheitserlebnisse haben mich vielleicht tiefer gepragt als spatere Lekturen von sogenannten "gro?en Romanen". Deswegen gab es fur mich auch nie eine Trennung zwischen "U" und "E". Die Fiktion und das Fantastische gehoren fur mich genauso zur Wirklichkeit wie das, was man "Realitat" nennt.
Sie schreiben ja nicht nur Romane, sondern machen auch Filme und Horspiele, die sich immer wieder mit Kunst und Musik beschaftigen. Arbeiten Sie immer an mehreren Projekten gleichzeitig?
Thomas von Steinaecker: Die Filme und teilweise auch die Horspiele sind ja mein Brotberuf. Insofern muss alles parallel laufen. Irgendwie. Was naturlich nicht ganz so einfach ist im Alltag. Und immer, wenn ich nicht Geld verdienen muss oder spure, dass es "ohne" nicht mehr geht, schreibe ich an meinen Texten.
Interview: Literaturtest