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Zekarias Kebraeb
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Hoffnung im Herzen, Freiheit im Sinn (eBook, ePUB)
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Zekarias Kebraeb
Zekarias Kebraeb wurde 1985 während der Kriegswirren in Eritrea geboren. 2002 ist er aus seiner Heimat geflohen, um dem unmenschlichen Regime der Militärdiktatur zu entgehen. 2006 wurde sein Aufenthalt in Deutschland genehmigt. Er hat Deutsch gelernt und einen deutschen Schulabschluss gemacht. Heute lebt er in Nürnberg und macht demnächst eine Ausbildung, mit der er auch anderen Flüchtlingen helfen kann. Aufgrund des Buchs wurde Zekarias Kebraeb inzwischen als politischer Flüchtling anerkannt und hat nun einen sicheren Aufenthaltsstatus.Im Interview: Zekarias Kebraeb
Es geht um Freiheit. Vor meiner Flucht fühlte ich mich in Eritrea wie ein Toter und mein Leben sah ich in weiter Ferne im Paradies, wo die Menschen besser leben und frei sind: in Europa. In Eritrea herrscht eine Militärdiktatur, jeder muss lebenslangen Militärdienst leisten. Man wird zum Sklaven der Diktatur. Beim Militär gibt es Folter und Drill. Wer den Militärdienst verweigert, kommt ins Foltergefängnis, einen Metallcontainer, in dem über 40 Grad Hitze herrschen, oder in ein "Under", einen Raum unter der Erde ohne Licht.
Ich beschloss, mein Leben zu riskieren, anstatt es in der Unterdrückung zu verbringen. Für mich war es das Gleiche, in Eritrea zu leben oder auf der Flucht zu sterben.
Warum haben Sie sich entschieden, Ihre Geschichte in einem Buch zu veröffentlichen?
Ich möchte der Welt sagen, dass die Menschen in Eritrea wie in einem großen Gefängnis leben und deshalb flüchten. Aber…mehr
Auf der Flucht durch die Wüste sind Sie beinahe verdurstet, fast hätten Sie ein Auge verloren, auch der Weg über das Mittelmeer war alles andere als ungefähr-lich. Warum haben Sie sich entschlossen, Ihr Leben zu riskieren, um nach Europa zu kommen?
Es geht um Freiheit. Vor meiner Flucht fühlte ich mich in Eritrea wie ein Toter und mein Leben sah ich in weiter Ferne im Paradies, wo die Menschen besser leben und frei sind: in Europa. In Eritrea herrscht eine Militärdiktatur, jeder muss lebenslangen Militärdienst leisten. Man wird zum Sklaven der Diktatur. Beim Militär gibt es Folter und Drill. Wer den Militärdienst verweigert, kommt ins Foltergefängnis, einen Metallcontainer, in dem über 40 Grad Hitze herrschen, oder in ein "Under", einen Raum unter der Erde ohne Licht.
Ich beschloss, mein Leben zu riskieren, anstatt es in der Unterdrückung zu verbringen. Für mich war es das Gleiche, in Eritrea zu leben oder auf der Flucht zu sterben.
Warum haben Sie sich entschieden, Ihre Geschichte in einem Buch zu veröffentlichen?
Ich möchte der Welt sagen, dass die Menschen in Eritrea wie in einem großen Gefängnis leben und deshalb flüchten. Aber Flüchtlinge haben keine Stimme, weil sie illegal sind. Ich möchte mein Gesicht als Flüchtling zeigen, und damit anderen Flüchtlingen Mut machen.
Gleichzeitig möchte ich jungen Menschen in Deutschland zeigen, dass nicht alle Men-schen die gleichen Chancen haben. Wer sie hat, sollte sie nutzen, wer sie nicht hat, muss dafür kämpfen.
Was sind die nachhaltigsten Erinnerungen aus der Zeit der Flucht? Was war die größte Enttäuschung, was war die größte Freude oder Erleichterung?
Meine schlimmste Erinnerung ist die Fahrt durch die Wüste. Ich bin fast verdurstet und wäre im Sand und in der Gluthitze gestorben, wenn mich meine Weggefährten nicht wieder auf das Auto geladen hätten und mir Infusionen gegeben hätten. Schlimme Erinnerungen habe ich an die Demütigungen der Schlepper, die Flüchtlinge wie Tiere behandeln.
Als wir mit dem Boot über das Mittelmeer fuhren, war ich sicher, dass ich sterben muss. Mit nur 17 Jahren. In der Nacht war es stürmisch, es regnete und blitzte. Das Meer stank nach Tod, ich hatte Todesangst und dachte an meine Mutter zu Hause und an meinen verstorbenen Vater im Himmel.
Meine größte Enttäuschung in Europa war, dass ich dachte ich sei im Paradies, aber stattdessen musste ich Weihnachten in Mailand auf der Straße verbringen - obdachlos. Ich habe mich gefragt, ob ich im falschen Europa bin. Meine andere große Enttäuschung war, dass ich in Deutschland wegen meiner Flucht zu drei Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Weil ich ein Flüchtling bin, sonst nichts, ich habe nicht gestohlen, nichts Unrechtes getan.
Später im Asylheim war ich von der Perspektivlosigkeit enttäuscht. Das Leben dort ist die pure Langeweile, weil du nichts tun darfst.
Die größte Freude für mich war deshalb der Bescheid von Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dass ich in Deutschland bleiben darf. Die währte aber nur kurz, denn trotzdem durfte ich das Asylheim nicht verlassen geschweige denn arbeiten. Das war im Herbst 2005. Erst drei Jahre später durfte ich in die Schule gehen.
Meine zweite große Freude war mein erster Flug 2008. Ich flog nach Rom, um in Italien meine Schwester, die auch über das Mittelmeer flüchten wollte, zu treffen. Erst da war ich endlich frei.
Wie hat Sie die jahrelange Flucht verändert?
Auf der Flucht wurde ich erwachsen. Die Flucht machte mich stark und ich lernte, nicht aufzugeben und durchzuhalten, auch wenn die Situation aussichtslos scheint. Ich habe gelernt, dass mein Traum vom Paradies eine Illusion ist. Das Paradies ist nicht auf dieser Welt. Europa ist kein Paradies, sondern nur ein anderer Kontinent.
Würden Sie heute die gleichen Entscheidungen wieder treffen? Oder was würden Sie anders machen?
Ich habe die Flucht nur einmal gemacht und habe überlebt. Ich würde es nicht wieder tun, aber wenn ich es nicht getan hätte, würde ich immer noch davon träumen. Heute sorge ich mich um die Flüchtlinge aus aller Welt, die den gleichen Weg gehen müssen.
Wie geht es Ihrer Familie in Eritrea? Haben Sie noch Kontakt?
Leider ist Eritrea für mich gefährlich und ich kann meine Familie nicht besuchen.
Ich habe aber meine Mutter im Zug der Recherche zu diesem Buch nach über acht Jahren im Sudan wieder getroffen. Ein Bruder ist beim Militär in Eritrea, ihn habe ich nie wiedergesehen.
Wie haben Sie Deutschland als Flüchtling erlebt?
Ich wollte ursprünglich nicht nach Deutschland flüchten, weil ich im Geschichtsunterricht in der Schule gelernt hatte, dass es das Land der Nazis sei. Dass das längst vorbei war, wusste ich natürlich, trotzdem hatte ich Angst vor Rassismus und Ausländerfeindlichkeit. Das war nicht so. Was aber schlimm war, dass ich ausgerechnet hier in Deutschland in Abschiebehaft ins Gefängnis kam. Nicht in Italien und nicht in der Schweiz. Demütigend als Asylbewerber ist auch, dass dich keiner beachtet, du bist ein Nichts und Niemand, kannst die Landesgrenzen nicht verlassen, den Wohnort nicht frei wählen.
Bei jeder Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung musste ich bei der Ausländerbehörde Sicherheitsfragen beantworten. Zum Beispiel ob ich mit der Terrororganisation Al-Kaida zusammenarbeite. Wenn ich ohne Erlaubnis den Landkreis verließ, hatte ich an jeder Ecke Angst vor Polizisten. Wurde ich erwischt, musste ich eine hohe Geldstrafe bezahlen. Nicht einmal über das Essen darf man im Asylheim selbst bestimmen, sondern man bekommt Essenspakete.
Ich wollte dem deutschen Staat nicht auf der Tasche liegen, sondern wollte lernen, arbeiten und selbständig Geld verdienen. Dafür habe ich jahrelang beim Ausländeramt gekämpft, aber ich durfte nicht. Als Flüchtling, der nicht abgeschoben werden kann, aber auch nicht anerkannt war, musste ich Hartz IV beantragen, obwohl ich nie gearbeitet habe.
Wie ist Ihre Situation heute, hier in Deutschland? Und was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Bisher hatte ich nur einen "unsicheren Aufenthaltstitel". Ich war auf der Rechtsgrundlage der Genfer Konventionen als Asylbewerber nur geduldet, weil ich nicht abgeschoben werden kann, da man mich in meiner Heimat ins Gefängnis gesteckt hätte. Sobald sich die Lage in meiner Heimat ändert, hätte ich abgeschoben werden können.
Aufgrund dieses Buches wurde ich endlich von der Migrationsbehörde als "politischer Flüchtling" anerkannt, denn so ein Buch bedeutet politisches Engagement und trägt zur Aufklärung bei. Als "politisch anerkannter Flüchtling" habe ich einen sicheren Aufenthaltstitel in Deutschland, mit den gleichen Rechten und Pflichten eines Bundesbürgers, und darf arbeiten, lernen, reisen - wie ich will. Heute ist Deutschland mein Zuhause und der Geburtsort meiner Freiheit.
Ich kann eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung beantragen, bekomme deutsche Papiere und werde bald die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. Meine Zukunft liegt in der Ausbildung. Ich habe einen Integrationskurs erfolgreich abgeschlossen, den Qualifizierten Hauptschulabschluss und eine Lehre gemacht. Ab Herbst möchte ich mein eritreisches Abitur anerkennen lassen und einen Beruf erlernen.