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Autor im Porträt
Margaret Atwood
zur AutorenweltToptitel von Margaret Atwood
Brennende Fragen
In dieser lustigen, gelehrten, unendlich neugierigen und gespenstisch weitsichtigen Essaysammlung fragte die Kultur-Ikone Margaret Atwood:
- Warum erzählen Menschen aller Kulturen überall Geschichten?
- Wieviel kann man von sich presigeben, ohne zu verschwinden?
- Wie können wir auf unserem Planeten leben?
- Stimmt das? Und ist das gerecht?
- Was haben Zombies mit Autoritarismus zu tun?
In über fünfzig Texten richtet Atwood ihren erstaunlichen Intellekt und frechen Humor wie einen Scheinwerfer auf unsere Welt und berichtet uns dann, was sie dabei entdeckt. Die Achterbahn-Zeitspanne, in der diese Essays entstanden bescherten uns das Ende des Endes der Geschichte, eine Finanzkrise, den Aufstieg Donald Trumps und eine Pandemie. Ob zu Schulden oder zur Tech-Welt, zur Kilimakrise oder zur Freiheit, von der Frage, wann man der jüngeren Generation seine Weisheit überhelfen soll (nur wenn man gefragt wird) zur Frage was Granola eigentlich ist - es gibt niemand der bessere Fragen stellt zu den zahllosen so unterschiedlichen Fragen unseres menschlichen Universums.
»Brilliant und witzig« Joan Didion
»Sie nimmt sich unsere Zeiten vor und macht uns klüger dafür .« Ali Smith
»In der gesamten lesenden Welt werden die Geschichtsbücher auf der nächsten leeren Seite aufgeschlagen und obendrüber steht Atwoods Name.« Anne Enright, 'Guardian'
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Die Zeuginnen
Als am Ende vom »Report der Magd« die Tür des Lieferwagens und damit auch die Tür von Desfreds »Report« zuschlug, blieb ihr Schicksal für uns Leser ungewiss. Was erwartet sie: Freiheit? Gefängnis? Der Tod? Mit »Die Zeuginnen« nimmt Margaret Atwood den Faden der Erzählung fünfzehn Jahre später wieder auf. Das Regime im totalitären Schreckensstaat Gilead ist weiterhin an der Macht, doch die Zeichen, dass der Anfang vom Ende nah ist, werden deutlicher. Im entscheidenden Moment treten drei Frauen für ihre Überzeugungen ein - mit Zeugenaussagen, die Gilead schwer erschüttern werden ...
»'Die Zeuginnen' übertrifft den Vorgänger an Tempo, Handlungsreichtum und Dialog, es lässt keine Fragen offen.« Süddeutsche Zeitung
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Margaret Atwood
Margaret Atwood, geboren 1939 in Ottawa, ist eine der wichtigsten Autorinnen Kanadas. Ihre Werke liegen in uber 20 Sprachen ubersetzt vor und wurden national und international vielfach aus gezeichnet. Neben Romanen verfasst sie auch Essays, Kurzgeschichten und Lyrik. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Booker Prize, dem kanadischen Giller Prize und mit dem Prinz-von- Asturien-Preis (2008),mit dem Nelly-Sachs-Preis (2009) und dem PEN Pinter Prize (2016).Sie lebt mit ihrer Familie in Toronto.Die Geschichte von Zeb - Literaturfestival 2014
Die Macht des Erzahlens und "Die Geschichte von Zeb"
Margaret Atwood kommentiert ihren Ende des Jahres anstehenden 75. Geburtstag in unserem Interview mit dem Witz, dass sie "gerade eben doch noch 39" gewesen sei ... Und liest man ihren neuesten Roman - den letzten Teil der "MaddAddam"-Trilogie, "Die Geschichte von Zeb" -, dann spurt man auf jeder Seite, dass Margaret Atwood einfach ein junger Geist ist: so fantasievoll und witzig, vor Einfallen spruhend und immer am Puls der Zeit. Auch ihre Internetprasenz spiegelt das wunderbar wider - mit den z. B. von Atwood gezeichneten BookTour Comix oder Spielen wie The Happy Zombie Sunrise Home. In Letzterem tobt sich Atwood zusammen mit Autorin und Spieleschreiberin Naomi Alderman aus. Ein weiterer Tipp fur Atwood-Fans: ihre Kinderbucher, von denen einige auch auf Deutsch erschienen sind. Anarchische Geschichten und ein gro?er Spa? ...
"Die Geschichte von Zeb" - SciFi und gro?e Literatur
Nun also legt die kanadische Autorin mit "Die Geschichte von Zeb" den Showdown ihrer Trilogie vor - die SciFi-Romane sind gro?e Literatur. Atwood schafft es auch in diesem Buch -…mehr
Die Macht des Erzahlens und "Die Geschichte von Zeb"
Margaret Atwood kommentiert ihren Ende des Jahres anstehenden 75. Geburtstag in unserem Interview mit dem Witz, dass sie "gerade eben doch noch 39" gewesen sei ... Und liest man ihren neuesten Roman - den letzten Teil der "MaddAddam"-Trilogie, "Die Geschichte von Zeb" -, dann spurt man auf jeder Seite, dass Margaret Atwood einfach ein junger Geist ist: so fantasievoll und witzig, vor Einfallen spruhend und immer am Puls der Zeit. Auch ihre Internetprasenz spiegelt das wunderbar wider - mit den z. B. von Atwood gezeichneten BookTour Comix oder Spielen wie The Happy Zombie Sunrise Home. In Letzterem tobt sich Atwood zusammen mit Autorin und Spieleschreiberin Naomi Alderman aus. Ein weiterer Tipp fur Atwood-Fans: ihre Kinderbucher, von denen einige auch auf Deutsch erschienen sind. Anarchische Geschichten und ein gro?er Spa? ...
"Die Geschichte von Zeb" - SciFi und gro?e Literatur
Nun also legt die kanadische Autorin mit "Die Geschichte von Zeb" den Showdown ihrer Trilogie vor - die SciFi-Romane sind gro?e Literatur. Atwood schafft es auch in diesem Buch - trotz Weltuntergangsszenarien, mutierten Tieren und menschenahnlichen Wesen, einem verseuchten Planeten, Pandemien und standigen Bedrohungen - alles leicht und humorvoll daherkommen zu lassen. Um allen, die noch kein Buch der MaddAddam-Trilogie gelesen haben, eine ungefahre Vorstellung davon zu geben, hier ein paar Basics. In "Oryx und Crake" entwirft Atwood eine Welt, in der Gro?konzerne mithilfe von Sicherheitscorps die Menschen beherrschen und sich hinter den "Komplexmauern" abschotten. - Jenseits dieser Mauern, im Niemandsland, leben die Plebs, also der Rest der Gesellschaft, in Slums. Eine OrgassPluss-Pille, die dauerhafte sexuelle Ekstase versprach, rottet leider fast die gesamte Menschheit aus. Zuvor hatte Crake, der Schopfer von Orgass-Pluss, auch die Craker geschaffen - Wesen mit menschenahnlicher Gestalt, jedoch ohne Gier oder Eifersucht, dafur aber geistig sehr schlicht entwickelt. Durch das Chaos der Pandemie brechen auch die in Labors entwickelten transgenen Schweine, sogenannte Organschweine mit menschlichem Hirngewebe, oder die blutrunstigen Hunolfe aus.
Die Gottesgartner und warum Zeb zum Bioterroristen wird
"Das Jahr der Flut" spielt zeitgleich, aber im Pleblsand au?erhalb der Mauern. Dort leben die Gottesgartner - sie lieben alle Lebewesen, sind gewaltlos, bauen Gemuse an und warnen vor den Gefahren der Technologie und vor den Konzernen. Doch es gibt auch die "entmenschten" Painballer - ehemalige Haftlinge; wer ihnen in die Hande fallt, ist sofort tot - sie essen mit Vorliebe die Nieren ... Zeb, ein Gottesgartner, will nicht gewaltlos leben und entscheidet sich fur den Kampf gegen die Konzerne. Er verlasst die Gartner zusammen mit seinen Anhangern undsie werden zuBioterroristen.
Betorend gut - Toby erzahlt underklart den Crakern die Welt
Aber Handlungen, Ereignisse detaillierter nachzuerzahlen, macht bei dieser Trilogie wenig Sinn. Man muss als Leser eintauchen in diese dustere, fantastische Welt, die Atwood in "Die Geschichte von Zeb" vorantreibt, zu einem Endpunkt hin treibt. Erzahlerisch betorend gut allein der Einstieg in den Abschluss der Trilogie: Da erzahlt Toby, eine Uberlebende der Pandemie, den Crakern, die wie Kinder scheinen, nackt herumlaufen, zum Unmut der Menschen andauernd in seltsam hohen Tonen vor sich hin singen und nichts von der Welt verstehen, woher sie kommen.
"Am Anfang lebtet ihr im Ei. Dort hat Crake euch erschaffen.
Ja, der liebe, gutige Crake. Bitte hort auf zu singen, sonst kann
ich nicht erzahlen.
Das Ei war gro? und wei? und gewolbt und drinnen wuchsen
Baume mit Laub, Gras und Beeren. Alles, was ihr gerne esst.
Ja, es hat auch geregnet im Ei.
Nein, Donner gab es keinen.
Weil Crake im Ei keinen Donner haben wollte.
Und drau?en vor dem Ei war das Chaos, mit vielen, vielen
Menschen,
die nicht so waren wie ihr.
Weil sie eine zusatzliche Haut hatten. Diese Haut nennt man
Kleidung. Ja, wie bei mir."
Man mochte hier noch lange zuhoren und sich die Welt erklaren lassen - und das durfen wir auch. Denn Toby erzahlt den Crakern, die an ihren Lippen hangen, viele Geschichten. Geschichten uber die Welt, die Dinge in ihr und naturlich Geschichten uber Menschen. Zum Beispiel die Geschichte des zuruckgekehrten Zeb, dem Okokampfer, lange Tobys heimliche Liebe. Nun sind sie ein Paar, und Toby spricht zu den Crakern uber Zebs Leben, erzahlt von seiner Kindheit und seinen Abenteuern.
Ein Craker tragt die Kraft, die Macht des Erzahlens weiter ...
Am Ende wird Blackbeard, ein Craker-Junge, den Toby vieles gelehrt hat, Tobys Stelle einnehmen. Er ist eines dieser nackten Kinderwesen, die blau leuchten, wenn sie sich paaren wollen und konnen, die scheinbar gar nichts verstehen und gar nichts wissen, nicht wussten, was ein Bar oder ein Fisch ist oder wo sie herkamen - bevor Toby ihnen alles erzahlt und erklart hat ... die Kraft und Macht des Erzahlens geht nicht verloren; Blackbeard tragt sie weiter, die Geschichten einer Welt - so fantasievoll und schrecklich, so verloren und doch hoffnungsvoll, wie sie uns Margaret Atwood in "Die Geschichte von Zeb" erzahlt.
Die Geschichte von Zeb - Literaturfestival 2014
Margaret Atwood: Ein europaischer Journalist hat mich vor einiger Zeit mal gefragt, ob meine Bucher denn nun lustig seien oder nicht, und ich habe geantwortet: "Beides." Sein Kommentar: "Ah ja. Angelsachsischer Humor." Wie auch immer - ich glaube, es ist ein weitverbreiteter menschlicher Wesenszug, Dingen, die uns Angst machen und/oder eigentlich nicht wirklich lustig sind, mit Humor zu begegnen. Wahrscheinlich ist das ahnlich wie bei den Raben, wenn sie nach den Schwanzen von Wolfen picken und die anderen Raben dazu krachzen,…mehr
Mit die "Die Geschichte von Zeb" erscheint nun der letzte Teil der "MaddAddam"-Trilogie nach "Oryx und Crake" und "Das Jahr der Flut". Sie schreiben uber das Ende der Menschheit und eine Welt, die von genmanipulierten Tieren wie den riesigen und sehr gefahrlichen Organschweinen mit menschlichem Genmaterial, die sehr schlau sind, oder Mo'Hair-Schafen mit menschlichen Haaren, aber auch von seltsamen menschenahnlich aussehenden Kreationen wie den "Crakern" bevolkert ist. Obwohl der Planet verwustet und verseucht ist, lesen sich die Romane der Trilogie leicht und durchaus humorvoll - wie erreichen Sie diese Leichtigkeit, diese Balance?
Margaret Atwood: Ein europaischer Journalist hat mich vor einiger Zeit mal gefragt, ob meine Bucher denn nun lustig seien oder nicht, und ich habe geantwortet: "Beides." Sein Kommentar: "Ah ja. Angelsachsischer Humor." Wie auch immer - ich glaube, es ist ein weitverbreiteter menschlicher Wesenszug, Dingen, die uns Angst machen und/oder eigentlich nicht wirklich lustig sind, mit Humor zu begegnen. Wahrscheinlich ist das ahnlich wie bei den Raben, wenn sie nach den Schwanzen von Wolfen picken und die anderen Raben dazu krachzen, als wurden sie lachen. Bei meinen Figuren ist das so: In der Krise erleben sie die unmittelbare Not, aber dann setzt ein gewisser Galgenhumor ein. Das ist wahrscheinlich wichtig, um zu uberleben. Was wurden Sie denn tun, wenn Sie sich plotzlich in einer solchen Welt wiederfanden? Tagelang jammern und klagen oder die Armel hochkrempeln und weitermachen? So manch einer wurde sich ohne Zweifel furs Jammern entscheiden - aber nicht lange uberleben.
Die Wissenschaftler des Paradiesprojekts (Oryx and Crake), in dem die sogenannten "Craker" geschaffen wurden, versprachen den Menschen eine OrgassPluss-Pille und damit sexuelle Ekstase, Schwangerschaftsverhutung und Jugend. Doch leider raffte eine geheime Zutat der Wundersexpille in einer todlichen Pandemie fast die gesamte Menschheit hinweg. Wie viel Vergnugen bereitet es Ihnen, solche fantastischen Szenarien zu entwickeln, sich neue Spezies auszudenken und all die Wesen in der "MaddAddam"-Trilogie zu erschaffen?
Margaret Atwood: Nun, Vergnugen hat mir das nicht so sehr bereitet, auch wenn wir wahrscheinlich nicht unbedingt Snats entwickeln wurden. In der Regel basieren meine Szenarios ja auf der Realitat. Was die Pillen angeht, so sind wir heute schon in der Lage, das Erbgut von Mikroorganismen zu splei?en, gegen die wir nicht oder kaum immun sind. Der Verlauf der Epidemie folgt dem Schwarzen Tod, zu dem es ja eine umfangreiche Literatur gibt, und basiert auch auf dem Auftreten neuer Erreger, insbesondere aus der Ebola-Marburg-Familie. Das Splei?en entwickelt sich rasch weiter. Auf der Website margaretatwood.ca gibt es ein Flipboard mit Geschichten zu den wissenschaftlichen Hintergrunden, zum Beispiel zu leuchtenden Pflanzen, der Funktion des Schnurrens bei Katzen und zu vielem mehr.
In "Die Geschichte von Zeb" gehort Toby, die ehemalige Gottesgartnerin und Expertin fur Muscheln und Bienen, zu den wenigen Uberlebenden nach der Pandemie der wasserlosen Flut. Sie und der Okokampfer Zeb - schon lange ihre heimliche Liebe - werden ein Paar. Fur Leser, die die ersten beiden Teile nicht kennen: Wer ist Zeb und was fur eine Geschichte hat er?
Margaret Atwood: Im zweiten Buch, "Das Jahr der Flut", ist Zeb ein Au?enseiter unter den pazifistischen und vegetarischen Gottesgartnern, denn er lehrt die Gartnerkinder Urban Bloodshed Limitation, also den Stra?enkampf und wie sie im Notfall Tiere toten, hauten und essen. Er kommt und geht auf gefahrlichen Wegen, denn er ist der Bote der Gartner und wie Toby Mitglied des inneren Zirkels der Adams und Evas. Doch er hat eine Partnerin, und Toby halt ihn deswegen fur unerreichbar. Au?erdem verbindet ihn eine seltsame Beziehung mit Adam Eins, dem Anfuhrer der Gottesgartner, die Toby nicht recht zu deuten vermag. Und nicht zuletzt hat sie arge Zweifel daran, dass er wirklich an die Theologie der Gottesgartner glaubt. Was also hat er dort zu suchen?
Es gibt wohl fur jeden von uns einen Film/ein Buch (SciFi oder nicht) den/das man als Kind oder Jugendlicher gesehen/gelesen hat und nie vergisst. Bei mir was das z. B. "Soylent Green" - den verzweifelten Ruf von Thorn alias Charlton Heston, "Soylent Green ist Menschenfleisch", hab ich nie vergessen. Welches Buch, welcher Film war das bei Ihnen?
Margaret Atwood: Jede Menge! "1984" naturlich und einige der Bucher von John Wyndham und von Ray Bradbury. Die Science-Fiction-Filme in den 1950ern waren noch ziemlich unbeholfen, meistens haben wir nur uber sie gelacht. Toll finde ich auch Blade Runner, aber der kam viel spater.
Was ist fur Sie als Autorin das Beste daran, uber die Zukunft zu schreiben?
Margaret Atwood: "Die" Zukunft gibt es nicht, sie ist ja nicht vorherbestimmt, sondern es gibt viele verschiedene Moglichkeiten. In realistischen Buchern, die in der Gegenwart spielen, kann man diese Moglichkeiten immer nur auf wenige Arten durchspielen: Die Figuren konnen daruber diskutieren, sie konnen daruber nachdenken oder uber sie schreiben, sie konnen von ihnen traumen oder halluzinieren. Aber wenn man ein Buch in einer solchen Zukunft spielen lasst, konnen die Figuren diese Moglichkeiten leben. Damit kommt man viel naher heran.
Sie sagten in einem Interview, dass vieles von dem, woruber Sie in der "MaddAddam"-Trilogie schreiben, heute schon moglich ist oder schon gemacht wird. Wie halten Sie sich auf dem aktuellen Stand, was die Entwicklungen in den Wissenschaften angeht? - Denn da passiert ja ungeheuer viel! Und: konnten Sie uns zwei Beispiele dafur nennen, was heute schon gemacht wird, Realitat ist?
Margaret Atwood: Ich halte mich auf den ganz normalen Wegen auf dem Laufenden: Zeitschriften, Zeitungen, das Internet, Bucher. Au?erdem schickt mir mein Bruder, ein Biologe, haufig Sachen, von denen er meint, dass sie mich interessieren konnten. Hier zwei Beispiele: menschliche Nieren in Schweinen, die in Oryx und Crake auftauchen, waren 2001/3 erst eine theoretische Moglichkeit, aber heute sind wir schon nahe dran. Und was die Cyber-Insekten angeht, so wird bereits an verschiedenen Versionen gearbeitet.
Sie selbst sind aktiv in der Okobewegung. Gibt es in Ihnen die Hoffnung, dass die "MaddAddam"-Trilogie Leser und Leserinnen dazu ermutigt, sich aktiv gegen all die Schreckensszenarien zu wehren, die Sie entwerfen?
Margaret Atwood: Ich glaube nicht, dass fiktive Literatur eine solche direkte Wirkung hat, und man wei? nie, wie die Leser reagieren. Leser sind individuelle Personlichkeiten, die es im Allgemeinen nicht mogen, wenn sie das Gefuhl haben, dass man ihnen eine Predigt halt oder sie in Agitpropmanier manipulieren will. Und wer sich engagieren will, hat viele Moglichkeiten, ohne dazu auf die Literatur zuruckgreifen zu mussen. Ich schreibe uber Dinge, weil sie mich interessieren und etwas mit mir machen - und nicht, um die Leute zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen.
In Ihrer Dankesrede zur Verleihung des "Nelly-Sachs-Preises" sagten Sie u. a.: "Nur wir Menschen sind in der Lage, uns selbst als Spezies zu reflektieren - und dies ist nicht immer erfreulich." Was macht Ihnen dennoch Hoffnung, was gibt Ihnen Zuversicht?
Margaret Atwood: Eben diese Tatsache, dass wir intelligente Wesen und sehr erfindungsreich sind. Wir sind widerstandsfahig. Wir wissen, was auf uns zukommt und wir konnen Gegenma?nahmen ergreifen. Die Frage ist nur, ob wir das auch wirklich wollen - das gilt es herauszufinden.
Wie schaffen Sie es, bei all den schlechten Nachrichten nicht in Pessimismus, Norgelei und Besserwisserei zu versinken? Und was tun Sie dagegen, falls es doch mal passiert?
Margaret Atwood: Ich denke, dass ich einfach ein frohliches Gemut habe. Ich war nie gut in Depressionen, auch wenn viele meinen, dass Schriftsteller depressiv sein sollten. Vielleicht bin ich auch einfach nur albern - was meinen Sie?
Auf Ihrer Webseite veroffentlichen Sie auch Ihre "BookTour Comix" - herrlich! Weiter gibt es da auch ein Videospiel zum Download: Intestinal Parasites und The Happy Zombie Sunrise Home. Was steckt hinter dem "Zombie"?
Margaret Atwood: Auch das gehort zu meiner albernen Seite, furchte ich. Das Ganze ist ein Gemeinschaftswerk mit Naomi Alderman, der Konigin der Audio-Podcast-Serie und Trainings-App "Zombies, Run!". Wir wechseln uns einfach bei den Kapiteln ab, ohne vorher irgendetwas zu planen - jede von uns schreibt zum Schluss einen Cliffhanger, bei dem die andere dann wieder weitermacht. Erschienen ist das auf Wattpad; fur mich ein tolles Instrument, um die Lesefahigkeiten junger Menschenzu starken, wie ich im Guardian-Artikel "Why Wattpad Works" dargelegt habe.
Welches Kinderbuch wurden Sie heute noch lesen?
Margaret Atwood: Ohne Zweifel "Die Schatzinsel" von Stevenson. Welch ein Stilist!
Welche Bucher liegen auf Ihrem Nachttisch und warten darauf, von Ihnen gelesen zu werden?
Margaret Atwood: Da ich gerade nicht zu Hause bin, nicht allzu viele. Im Augenblick die Geschichte der Kathedrale in Norfolk.
Haben Sie schon Plane, ob und wie Sie Ihren 75. Geburtstag in diesem Jahr feiern werden?
Margaret Atwood: Wie - ich werde schon 75? Was ist denn da passiert? Gerade eben war ich doch noch 39 ...
Interview Margaret Atwood: Ulrike Bauer, Literaturtest