Wer in eine Depression fällt, fällt tief. Auch die Biologie-Studentin Paula ist gefallen. Nach dem Unfalltod ihres kleinen Bruders haben der Schock und die Trauer sie in die Dunkelheit gestürzt. Ihr persönlicher Abgrund liegt 11000 Meter unter dem Meeresspiegel: Sie fühlt sich, als sei sie im Marianengraben gefangen, dem am tiefsten gelegenen Ort der Erde. Paula kämpft ums Überleben – und schließt sich dabei spontan Helmut an, einem schrulligen Rentner, der selbst einen Schicksalsschlag bewältigen muss. Gemeinsam mit Helmut beginnt Paula, langsam aufzutauchen.
Marianengraben: Inhalt
„Marianengraben“ ist die traurig-komische Geschichte von Paula, die um ihren kleinen Bruder Tim trauert. Seit Tim vor zwei Jahren im Urlaub ertrunken ist, hat Paula selbst das Gefühl, unter Wassermassen begraben zu sein. Sie erklärt ihrem Therapeuten, wo sie sich seelisch befindet: „Wussten Sie, dass unten im Marianengraben auf einem Quadratzentimeter ein Gewicht von über einer Tonne lastet?“. Doch ihr Therapeut kann diese Last nicht anheben. Er möchte ihren Heilungsprozess fördern und drängt sie dazu, das Grab ihres Bruders zu besuchen. Paula meidet diesen Ort und will dort auf keinen Fall anderen Menschen begegnen. Schließlich klettert sie nachts über die Friedhofsmauer – und trifft auf Helmut. Der mürrische alte Mann hat eine ungewöhnliche Mission, der sich Paula spontan anschließt. Was folgt ist ein verrückter Roadtrip, auf dem Paula sich Meter für Meter aus der Tiefe befreit.
Leichte Worte für schwere Themen
„Marianengraben“ ist aus der Ich-Perspektive von Paula geschrieben, die sich immer wieder an Tim richtet. In der direkten Ansprache ihres zehnjährigen Bruders findet Paula einfache Worte für schwierige Themen. Depression ist ein komplexer seelischer Zustand, den Sprache kaum ausdrücken kann. Jasmin Schreiber gelingt das, indem sie bildhaft erklärt und Vergleiche mit der Tierwelt der Tiefsee nutzt. Die Autorin lebt selbst mit Depression und hat Biologie studiert, sie weiß aus eigener Erfahrung, worüber sie schreibt. Dabei ist es wundervoll, dass sie nicht als Expertin spricht, sondern mit der Stimme der großen Schwester. Sie versteckt sich nicht hinter Fachbegriffen: Ihre Worte sind so klar und eindringlich, dass es keine Distanz zu dem gibt, was in Paula vorgeht. Paulas Gefühle – egal ob traurig, komisch oder heiter – treffen den Leser mit voller Wucht.
Fazit: „Marianengraben“ ist ein Buch über Tod und Depression – trotzdem ist es kein trauriges Buch. Jasmin Schreiber ist ein anrührendes und zauberhaftes Debüt gelungen. Begleiten Sie Paula beim Auftauchen – Sie werden Unerwartetes erleben und unter Tränen laut auflachen.
Über die Autorin: Jasmin Schreiber
Ob Jasmin Schreiber Angst vor dem Tod hat? Vielleicht. Was sie nicht hat, ist eine Berührungsangst mit diesem ernsten Thema. In ihrem eigenen Blog „La Vie Vagabonde“ ist der Tod schon seit Jahren immer wieder Gegenstand ihrer Texte. Und nicht nur auf der Tastatur beschäftigt sich Jasmin Schreiber mit dem Ende des Lebens: Seit 2018 ist die 1988 geborene Autorin ehrenamtlich Sterbebegleitern und Sternenkinder-Fotografin.
Jasmin Schreibers Werdegang ist ein Beispiel für einen noch jungen Trend: Wer ein Onlinetagebuch führt, wendet sich damit nicht unbedingt von einer klassischen Autorentätigkeit ab, sondern findet einen neuen Weg dorthin. Die Idee für ihren Debütroman „Marianengraben“ entstand aus einem Blogbeitrag, den sie 2016 veröffentlichte. Ermutigt von einer hohen Resonanz, entwickelte sie die Geschichte weiter. Dabei ist der Entstehungsprozess des Buches so skurril wie die Geschichte selbst: Auf einer alten Schreibmaschine tippte Jasmin Schreiber die erste Fassung des Romans, die sie dann mithilfe eines Diktierprogramms in eine Textdatei umwandelte und überarbeitete. So entstand ihr Erstlingswerk, das gleich nach Erscheinen in die Top 20 der SPIEGEL Bestsellerliste einstieg.