Unter dem Motto "Ein Thema, vier Bücher" stellen die Lektorinnen und
Lektoren des Suhrkamp Verlags mit Unterstützung von Moderator Max
Spallek regelmäßig die unterschiedlichsten Romane, Wissenschafts- und
Sachbücher vor.
Lehnen Sie sich zurück, genießen Sie "Suhrkamp espresso" und lassen Sie sich zu Ihrer nächsten Lektüre inspirieren.
Die Titel im Überblick
Radikale Hoffnung von Jonathan
Kurz vor seinem Tod erzählte Plenty Coups, der letzte große Häuptling
der Crow, seine Geschichte - bis zu einem gewissen Punkt: »Als die
Büffelherden verschwanden, fielen die Herzen meiner Leute zu Boden und
sie konnten sie nicht mehr aufheben. Danach ist nichts mehr geschehen.«
Diese verstörende Äußerung über ein Volk, das vor dem Ende seiner
Lebensweise steht, ist Ausgangspunkt für Jonathan Lears bewegende
philosophische Untersuchung. Ihm zufolge wirft die Geschichte von Plenty
Coups eine tiefgreifende ethische Frage auf, die uns alle angeht: Wie
sollen wir mit der Möglichkeit umgehen, dass unsere eigene Kultur
zusammenbrechen könnte, wie mit dieser Verwundbarkeit leben? Ist es
sinnvoll, sich einer solchen Herausforderung mutig zu stellen?
Selbstverteidigung von Elsa Dorlin
Nicht alle Leben zählen gleich! Sklaven oder Indigenen im Kolonialismus
war streng untersagt, sich zu bewaffnen oder sich zu verteidigen, was
Sklavenhaltern und Kolonialherren selbstverständlich gestattet war:
Woher rührt diese historische Kluft zwischen »verteidigungswürdigen« und
wehrlosen Körpern, diese organisierte »Entwaffnung« der Unterworfenen,
die bei jedem Befreiungsstreben die Frage der Gewalt aufruft? Vom
Sklavenwiderstand bis zum Jiu-Jitsu der Suffragetten, vom Aufstand im
Warschauer Ghetto bis zu den Black Panthers und den Queer-Patrouillen
zeichnet Elsa Dorlin in ihrem preisgekrönten Buch eine Genealogie der
politischen Selbstverteidigung nach.
Lebende Bilder von Polina Barskova
Sie weigern sich, im Keller Schutz zu suchen, und harren in der dunklen,
zugigen Gemäldegalerie aus, Kälte und Hunger trotzend. Mojsej, 25, und
Antonina, 37, sind Mitarbeiter der Leningrader Eremitage, einem der
schönsten Kunstmuseen der Welt. Im Winter 1941/42 wird es zu ihrem
letzten Zufluchtsort. Anfangs rezitieren sie Gedichte, erzählen sich das
Märchen von der Schneekönigin, stellen zwei Rembrandt-Gemälde nach, die
aus dem Museum evakuiert werden sollen. Als sie versuchen, sich an ein
Lied zu erinnern, versagen ihre Stimmen. Das Lauschen in die Stille
hinein, das wiederholte Rufen, Sichvergewissern, ob der andere noch da
ist, das auf elementare Bruchstücke reduzierte Gespräch zweier
Liebender, erweist sich am Ende als eine »Dokumentation aus Stimmen«
authentischer Figuren, die in der Leningrader Blockade umgekommen sind.
Theorien der der Gewalt von Teresa Koloma Beck & Klaus Schlichte
Was ist Gewalt? Wie wird sie erklärt? Wie wird staatliche Gewalt
begründet und warum wird sie kritisiert? Und wie lassen sich
Gewaltphänomene in Gegenwart und Geschichte erklären und verstehen?
Diese Einführung stellt Sozialtheorien der Gewalt vor, die sich der
Frage nach dem Verhältnis von Gewalt und sozialer Ordnung widmen. Sie
diskutiert zunächst die wichtigsten Argumente der Staatstheorie, mit
denen, beispielsweise durch Hobbes, Locke und Kant, die Monopolisierung
der Gewalt begründet wurde, und zeichnet sodann die Kritiken der
staatlichen Gewalt bei Marx, den Anarchisten oder im Widerstandsrecht
nach. In einem zweiten Teil behandelt sie Theorien, die Gewalt erklären
und einem sozialtheoretischen Verständnis zuführen wollen wie die
Arbeiten von Trotha, Sofsky, Reemtsma oder Collins. Besondere
Aufmerksamkeit gilt dem paradoxen Verhältnis moderner Gesellschaften zur
Gewalt, in denen Gewaltexzesse und normative Ächtung der Gewalt
koexistieren.