Jugendbuch des Monats September
Schon mal containert? Vermutlich nicht, denn es kostet schon etwas Überwindung, Abfälle auf Parkplätzen zu durchkämmen. Das meist nächtliche Mülltauchen hinter Supermärkten ist in Deutschland unter Umständen sogar strafbar. Wer macht sowas – und weshalb? Tatsächlich gibt es verschiedene Gründe fürs „Dumpster Diving“ im Schutz der Dunkelheit. In Supermarktmülltonnen findet sich regelmäßig eine große Menge an Lebensmitteln, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist oder die wegen unschöner Druckstellen nicht mehr verkäuflich sind. Viele dieser Waren sind trotzdem noch problemlos verwertbar. Zum Containern gehen deshalb einerseits Menschen, die bedürftig sind und andererseits „Lebensmittelretter“, die der Verschwendung von Lebensmitteln entgegenwirken wollen.
In Antje Lesers Jugendroman „Auf der Tonnenseite des Lebens“ wühlen junge Menschen im Müll – und halten schnell große Themen unserer Zeit in den Händen, von Lebensmittelverschwendung über soziale Ungerechtigkeit bis Klimakrise.
Jugendbuch des Monats: „Auf der Tonnenseite des Lebens“
Joel will nach dem Abi Journalist werden. Und er steht auf Merle. Von Merle hat er sich dazu überreden lassen, für ihren Nachhaltigkeits-Blog einen Artikel übers Containern zu schreiben. Um möglichst authentische Infos für seinen Beitrag zu bekommen, begleitet er eine Gruppe Mülltaucher bei ihrer Schatzsuche. Als er sich das erste Mal durch braune Bananen und altes Sushi wühlt, kann er die Begeisterung seiner Begleiter noch nicht teilen. Dann entdeckt er erstens tadellose Schokoladeneier und lernt zweitens die Menschen besser kennen, mit denen er unterwegs ist. Seine anfängliche Skepsis weicht einer Art Goldgräberstimmung – und einer großen Neugier: Wer sind Kira und Paps und Mücke, die regelmäßig den Müll nach Verwertbarem durchsuchen – und warum machen sie das?
Joel taucht sprichwörtlich tiefer ein: ins Containern und in die Geschichten, Schicksale und Beweggründe, die ihm dabei begegnen. Plötzlich befindet er sich zwischen zwei Fronten: Da ist Merle, die mit Joels Story eigentlich nur ihren Blog pushen will. Und da sind Kira und die anderen, die es mit echten Problemen zu tun haben. Joel weiß nicht, auf welcher dieser beiden Seiten er sich selbst sehen möchte …
Antje Leser erzählt eine Geschichte, die mitreißend ist und am Puls der Zeit. Die Realität in „Auf der Tonnenseite des Lebens“ steht im Kontrast zur gefilterten Welt, in die viele Jugendliche sich tagtäglich auf Instagram oder TikTok flüchten. Hier geht es nicht um Mode, Beauty, synchrone Dance Moves oder verrückte Challenges. Die Protagonisten bewegen sich in einem Umfeld, das unbequem ist und nicht selten sogar stinkt. Ihr Alltag ist geprägt von ernsten Themen: vom Kampf gegen Ungerechtigkeit und Verschwendung bis hin zu existentieller Not.
Antje Leser: Autorenporträt
Antje Leser wurde 1970 in Kaiserlautern geboren. Auf ihrer Homepage schreibt sie: „Ein ‘Leser’ war ich schon immer. Schreiben musste ich erst noch lernen.“ Das ist ihr schnell gelungen: Nach einem geisteswissenschaftlichen Studium arbeitete sie als Redakteurin, Texterin, freie Autorin, Lektorin und Journalistin. Ihr erstes Kinderbuch, „Unterm Gras“, erschien 2013 und wurde 2015 mit dem Kinder- und Jugendliteraturpreis LesePeter ausgezeichnet.