Krimi des Monats November 2022
„Bullet Train“ von Kotaro Isaka - Von der bücher.de-Redaktion gelesen und auf Herz und Nieren getestet
Krimi des Monats
Kotaro Isaka: Bullett TrainWer bei einem japanischen Krimi-Besteller mit Schwertern kämpfende Samurais erwartet, wird von Kotaro Isakas meisterhaftem Genre-Mix mit Höchstgeschwindigkeit ins moderne Japan geholt. Hauptschauplatz des nun fürs Kino adaptierten Thrillers „Bullet Train“ ist ein shinkansen, ein Schnellzug, genauer gesagt der Hayate, der Fahrgäste mit rund 300 Stundenkilometern von Tokio Richtung Norden befördert. Die Charaktere, die hier aufeinandertreffen, könnten unterschiedlicher nicht sein. Doch sie alle sind Teil des kriminellen Untergrunds, jeder von ihnen verfolgt eine schicksalhafte Mission auf Leben oder Tod. Zunächst sieht es so aus, als würden sich ihre Wege nur zufällig kreuzen. Erst nach und nach zeigt sich, wo alle Fäden zusammenlaufen: Minegishi, der gnadenlose Boss der japanischen Unterwelt, hat überall seine Finger im Spiel.
Mit jedem Kapitel wechselt die Perspektive und je nach Charakter ändern sich Stil und Stimmung: Kimura umgibt eine große Tragik. Er ist ein ehemaliger Auftragskiller, ein Trinker und in seiner Rolle als Vater gescheitert. Nachdem sein Sohn vom Schuldach ins Koma gestoßen wurde, tauscht er wieder Flasche gegen Waffe, um die Tat zu rächen. So jagt er nun einen manipulativen Teenager namens Prinz. Aus dessen narzisstischem Blickwinkel ist das ganze Geschehen derweil nur ein grenzenloses, amoralisches Spiel – wo er mitmischt wird das Buch zum abgründigen Psychothriller.
Für humorvolle Auflockerungen sorgen die „Zitrusfrüchte“. Das Duo hat sich selbst die Spitznamen Lemon und Tangerine gegeben. Zwar hat Lemon immer eine kindliche Referenz auf die Trickfilmserie „Thomas, die Lokomotive“ parat, doch lassen sich die beiden Gangster nichts vormachen. Mit skrupellosen Aktionen haben sie Minegishis Aufmerksamkeit gewonnen. So hat er sie beauftragt, seinen Sohn von Kidnappern zu befreien und samt einbehaltenem Lösegeld zurückzubringen. Soweit läuft alles nach Plan – bis plötzlich der Koffer verschwindet und Minegishi junior nicht mehr aufwacht.
Den Koffer hat Nanao ergattert, der sich selbst für den glücklosesten Auftragskiller im ganzen Business hält und daher den ironischen Spitznamen Marienkäfer trägt. Mit dem Koffer in der Hand hat er seine Mission schon so gut wie erfüllt. Wenn er nur endlich diesem Zug entkommen könnte! Dabei gerät ihm leider ein krimineller Fahrgast nach dem anderen in die Quere. So bricht Nanao versehentlich dem Killer Wolf das Genick, der wiederum auf seinem Rachefeldzug gegen eine gewisse „Wespe“ ist …
Kotaro Isaka hat eine große Freude daran, seine Charaktere individuell mit speziellen Marotten, überraschenden Fähigkeiten und interessanten Vorgeschichten auszustatten. Wenn sie aufeinandertreffen, entstehen clevere Dialoge, böse Pointen und verblüffende Wendungen. Bester Hollywood-Stoff also. Die starbesetzte Verfilmung – unter anderem mit Brad Pitt als Nanao – hat den Erfolgsautor endgültig international bekannt gemacht. Die Lektüre des Thrillers ist auch nach dem Kinobesuch eine Entdeckung für alle, die es noch rasanter, tödlicher und unterhaltsamer mögen.
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