Krimi des Monats Mai 2020
„Ostseegruft“ von Eva Almstädt- Von der bücher.de-Redaktion gelesen und auf Herz und Nieren getestet
Krimi des Monats
Eva Almstädt: Ostseegruft. Pia Korittkis fünfzehnter FallWeit über Lübeck hinaus hat Pia Korittki als Hauptkommissarin der Mordkommission eine gewisse Berühmtheit erlangt. „Ein paar deiner Aktionen waren recht spektakulär“, begrüßt sie ein Kollege in Eutin. „Die Festnahme auf der Fehmarnsundbrücke … Und der Fall, als du im Alleingang eine Cannabis-Scheune am Hemmelsdorfer See gefunden hast.“ Statt in Erinnerungen über vergangene Fälle zu schwelgen – „Damit habe ich mir nicht gerade Freunde unter den Kollegen gemacht.“ – oder sich gar feiern zu lassen, konzentriert sich Pia lieber auf ihre Spürnase. Diese will gar keine Ruhe geben, nachdem Pia eigentlich rein privat an der Beerdigung einer einstigen Schulfreundin teilgenommen hat.
Zwei Jahre zuvor hatte Pia ihre Freundin zuletzt gesehen: Die große Hochzeitsfeier in einem ländlichen Gasthof erschien damals als Happy End für Kirsten, die es seit Jugendzeiten nicht immer leicht hatte. Nun kommen am selben Ort noch mehr Menschen zusammen, um von Kirsten Abschied zu nehmen. Am Grab bildet sich eine lange Schlange derer, die ihr die letzte Ehre erweisen wollen. Die engsten Angehörigen – der Bruder, der Witwer, seine und ihre Eltern – haben den Platz bereits verlassen, als ein Unruhestifter für Aufregung sorgt und beinahe den Pastor in die Grube stößt. Plötzlich ist da die Frage, ob hinter dem tödlichen Joggingunfall der Enddreißigerin nicht doch eine kriminelle Tat steckt.
Anders als ihre Kollegen will auch Pia nicht glauben, dass die so sportliche Freundin ausgerechnet auf ihrer gewohnten Laufroute in einem flachen Bach aufschlägt und sofort ertrinkt. Zunächst stellt die Kommissarin einige Fragen, um sich einen Eindruck von den Dörflern zu verschaffen. Hat Kirsten als Städterin hier nie ganz Fuß fassen können? Worauf spielt der Pastor mit der Bemerkung an, etwas habe ihre Seele verdunkelt? Haben die Schwiegereltern schon die Exfrau ihres Mannes vergrault? Dann nehmen die Ermittlungen eine überraschende Wende, als unter Kirstens Elternhaus eine Leiche entdeckt wird …
Ihr fünfzehnter Fall führt Pia Korittki nicht nur in die persönliche Vergangenheit zurück, sondern auch tief unter die gepflegten Gärten einer Vorstadtsiedlung und mitten in einen internationalen Spionageskandal. Ob die Ereignisse nur zufällig miteinander verbunden sind oder jemand seit Langem im Hintergrund die Fäden zieht, ist für Pia ein großes Rätsel. Derweil bleibt auch ihr Privatleben als alleinerziehende Mutter eine tägliche Herausforderung. So viel realistischer Lokalkolorit im Kriminalroman „Ostseegruft“ steckt – die Autorin beschreibt von der Wassermühle bis zum geheimen Bunker authentische Orte –, so wenig ist er zum betulichen Heimatkrimi geworden. Da mögen es Eva Almstädt und ihre dickköpfige Heldin doch lieber „recht spektakulär“.
Autoreninterview
Interview mit Eva Almstädt zu „Ostseegruft“Viele Fans kennen Pia Korittki schon lange – ihr erster Krimi ist vor 16 Jahren erschienen. Wie stellen Sie Neulingen Ihre Heldin vor?
Ich stelle meine Hauptfigur am liebsten in Aktion vor. Ich bringe Pia Korittki möglichst gleich zu Beginn des Romans in eine schwierige Situation und lasse Leser*innen dann miterleben, wie sie damit umgeht. Dabei zeige ich, was sie tut, wenn sie herausgefordert wird, und welche Gedanken ihr dabei durch den Kopf gehen. Durch diese Vorgehensweise kann ich eine spannende Szene schreiben und gleichzeitig einen ersten Einblick in die Werte, die Haltung und die Sichtweise meiner Protagonistin geben.
Korittkis 15. Fall beginnt als private Angelegenheit und wird erst durch ihre intuitiven Nachforschungen zur Kriminalgeschichte. Warum haben Sie diesmal diesen „Umweg“ gewählt, anstatt wie gewöhnlich mit einem Verbrechen einzusteigen?
Mein Ziel ist es, innerhalb der Regeln des Krimigenres zu variieren und die Geschichte immer wieder etwas anders zu erzählen. Bei „Ostseegruft“ bestand ein Reiz für mich darin, mit einer Situation zu beginnen, die viele von uns kennen, und sie durch ein ungewöhnliches Ereignis unaufhaltsam in Richtung Krimi zu entwickeln. Dass meine Protagonistin dabei persönlich betroffen ist, hat ihr Insistieren und ihre Nachforschungen nachvollziehbar gemacht und den Einsatz, um den gespielt wird, erhöht.
Sie sagen, dass Sie von Orten zu Ihren Geschichten inspiriert werden. Was war es hier: Kam der Impuls vielleicht von einer Wassermühle oder einer vergessenen Bunkeranlage?
In „Ostseegruft“ war es die Bunkeranlage, die mich inspiriert hat. Die Vorstellung, dass so etwas jahrzehntelang unterhalb eines Wohngebiets existiert und dann ans Licht kommt, war eine tolle Ausgangssituation für einen Krimi. Den Tatort an der Wassermühle habe ich extra für den Roman während meiner Recherchetouren gesucht und gefunden.
Einen entscheidenden Beitrag zur Aufklärung des Falls liefert eine Tatrekonstruktion vor Ort. Was haben Sie bei Ihrer Recherche über dieses kriminalistische Mittel erfahren?
Von dieser Ermittlungstechnik habe ich bei einem Besuch bei der Polizei in Niedersachsen erfahren. Der Leiter einer Mordkommission hat ein paar Kolleginnen und mir diese Vorgehensweise anhand eines konkreten Falls, der so gelöst wurde, sehr anschaulich und detailliert geschildert. Ich war davon so beeindruckt, dass ich es unbedingt mal in einem Krimi verwenden wollte.
Pia Korittki beschreibt an einer Stelle, dass sie ihre Albträume beeinflussen und jederzeit daraus erwachen kann. Ist so etwas Ihrer Erfahrung nach auch außerhalb von Romanen möglich?
Ich habe da tatsächlich meine eigenen Erfahrungen mit einem wiederkehrenden Albtraum beschrieben. Insofern bin ich mir ziemlich sicher, dass das auch im wirklichen Leben klappen kann.
„Dornteufel“ war bisher Ihr einziger Roman außerhalb der Korittki-Welt. Haben Sie Pläne für einen zweiten Abstecher?
Für „Dornteufel“ habe ich sehr viel mehr recherchiert als sonst, und auch das Schreiben hat mich deutlich mehr Zeit gekostet, aber ich mag den Roman immer noch sehr. Wenn mich mal wieder ein Thema so interessiert wie zu der Zeit die Forschungen und Entwicklungen in der Schönheitsindustrie, dann schreibe ich auch wieder einen Thriller. Konkrete Pläne gibt es aber noch nicht.
Als Autorin sind Sie es wohl gewohnt, schreibend viel Zeit allein zu verbringen – Homeoffice wird gleich auf der ersten Seite des Buchs erwähnt. Haben Sie einen Tipp, um die schwierige Zeit der Kontakteinschränkungen gut durchzustehen?
Normalerweise versuche ich, meinen „Homeoffice-Alltag“ abwechslungsreich zu gestalten, indem ich regelmäßig mit einer Kollegin im Café schreibe und auch auf Lesereisen arbeite. Das geht zurzeit nicht. Ich setze mich deshalb morgens ohne Umschweife an den Schreibtisch und nehme mir ein bestimmtes Schreibpensum vor, das ich dann möglichst durchziehe. Mit der besagten Kollegin habe ich eine Challenge, wer tagsüber die meisten Wörter schreibt …
Interview: Literaturtest, 2020
Autorenporträt
Weitere Beiträge