Kinderbuch des Monats April 2024
„Wer ist schon normal? / Willkommen bei den Grauses Bd.1“ von Sabine Bohlmann - Von der bücher.de-Redaktion gelesen und auf Herz und Nieren getestet
Kinderbuch des Monats
Kinderbuchtipp AprilSabine Bohlmann, „Wer ist schon normal? / Willkommen bei den Grauses Bd.1“
Was tun, wenn man nicht schlafen kann und mitten im Sommer, vor dem leerstehenden Nachbarhaus, plötzlich Nebelschwaden auftauchen? Mit dem Nebel erscheinen fünf Gestalten, die aus einem klapprigen Auto aussteigen. Halt, da gibt es auch noch einen Schatten und ein weiteres seltsames Wesen, irgendetwas zwischen Wischmopp und Hund. Die kleine Ottilie ist nun hellwach, und ihr ist es auch egal, dass heute Freitag, der Dreizehnte ist. Sie hat neue Nachbarn: die Grauses.
Was?
Wie aufregend für Ottilie! Sie hat Ferien, kommt bald in die fünfte Klasse, und nun scheint eine neue Familie ins Nachbarhaus gezogen zu sein. Ins „Geisterhaus“ mit der Nummer 13. Zur Begrüßung hat ihr Vater einen Gugelhupf gebacken, den soll Ottilie den neuen Nachbarn bringen. Gar nicht so leicht. Denn Ottilie ist am liebsten allein und liest. Mit anderen Menschen kann sie nicht so gut. Doch sie springt über ihren Schatten und klingelt. Tja, was sollen wir sagen? Die Grauses wissen gar nicht, was ein Gugelhupf ist, und Puderzucker kennen sie auch nicht. Sie sagen „Pudelzucker“ .... Seltsam.
Doch Ottilies Neugier ist geweckt, und nach und nach schließt sie Freundschaft mit den Kindern der Grauses: Wolfi, Muh und der unsichtbaren Husch. Der Junge, Muh, hat kleine Hörner auf dem Kopf, Wolfi ist ein Werwölfchen und Husch muss noch lernen, sichtbar zu sein. Denn genau das müssen die Grauses lernen: sich unter den Menschen halbwegs normal zu verhalten. Aber was ist schon normal? Genau! Das fragt sich auch Opa Grause. Der ist ein Schrat und deswegen immer mies gelaunt. Doch als er der mürrischen Nachbarin Dörte Gurfinkel-Rübsaat begegnet, trifft es ihn wie der Blitz. Sollte sich der alte Griesgram in eine Menschenfrau verliebt haben?
Wie?
Eine herrlich skurrile Geschichte, die Sabine Bohlmann hier erzählt. Und natürlich sehr witzig. Denn die Grauses haben eine schwierige Aufgabe zu meistern: Sie müssen so normal wie möglich leben, obwohl sie „andersartige Wesen“ sind. Wolfi, Muh und Husch – wie auch der Rest der Familie – werden auch noch überwacht von einer Krähe. Daher muss Ottilie lernen, dass sie bestimmte Wörter nicht sagen darf. Zum Beispiel „komisch“, „eigenartig“, „merkwürdig“. Puh, gar nicht so einfach, denn all das sind die Grauses. Aber vielleicht gibt es auch Wörter, die nicht so negativ sind. „Originell“, „außergewöhnlich“, „bemerkenswert“? Geht doch! Zu der lustigen Geschichte hat Daniel Steudtner fantastische Illustrationen von den Grauses und Ottilie gezeichnet. Ein echter Spaß!
Für wen?
Kinder ab neun Jahren und alle, die älter sind, dürfen eintauchen in die ungewöhnliche Welt der Grauses. Dass Ottilie als Mensch mit ihnen erlebt, wie seltsam unsere Welt und so manche ihrer Regeln sein können, macht die fast 200 Seiten umfassende Geschichte so spannend und komisch. Apropos komisch: Auch die Eltern von Wolfi, Muh und Husch sind natürlich in Menschenaugen höchst seltsam. Aber das würden die Grauses auch über die Menschenwelt sagen. Wer hier also normal ist und was normal überhaupt sein soll, darüber kann man auch einfach mal neu nachdenken. Die Grauses machen es uns vor.
Von wem?
Autorin
Sabine Bohlmann ist Kinderbuch-Bestsellerautorin, Schauspielerin und Synchronsprecherin. So hat sie z. B. die „Maulende Myrthe“ in Harry Potter synchronisiert oder „Lisa“ bei den Simpsons. Als Schauspielerin war und ist sie u. a. in den Serien „Marienhof“, „Unser Charly“ oder „Der Alte“ zu sehen. Sabine wurde in München geboren und lebt dort nach wie vor mit ihrem Mann, zwei Kindern und zwei Zwergkaninchen. Lustig, dass sie sogar Stromausfälle liebt. Vermutlich, weil sie Glühwürmchenmomente und Sternschnuppennächte ganz toll findet – und wenn es ganz dunkel ist, sieht man den Himmel und die Glühwürmchen natürlich am besten. Gar nicht leiden kann sie unfreundliche Menschen und Neidhammel. Ach ja, eigentlich wollte sie ja Prinzessin werden, aber als Schauspielerin kann sie nun spielen, was immer sie sich wünscht. Dass sie auch das Schreiben liebt und schon sehr viele Bücher veröffentlicht hat, finden wir natürlich wunderbar. So hat sich Sabine Bohlmann u. a. „Frau Honig“ ausgedacht, „Ein Mädchen namens Willow“ oder „Der kleine Siebenschläfer“.
Illustrator
Daniel Steudtner lebt mit seiner Frau, seinem Sohn und einem Hund im Oberbergischen Land. Dass er schon als kleiner Junge die Tapeten seiner Eltern fröhlich mit Farbe und Stiften verschönert hat, deutete vielleicht schon darauf hin, dass Daniel sehr gerne zeichnet. Nun tut er das ab und an in seiner Freizeit, um Kinder- und Jugendbücher zu illustrieren. Toll!
Und wie weiter?
Ja, es geht weiter mit den Grauses und Ottilie – wie schön! Band 2 der Reihe erscheint im Frühjahr 2025.
Autoreninterview
Interview mit Sabine Bohlmann„FÜR ALLE, DIE ANDERS SIND, und für alle, die diese trotzdem in ihr Herz schließen.“ Dieser Satz steht „Willkommen bei den Grauses“ voran. Warum ist er ist Ihnen so wichtig?
Wir befinden uns gerade in einer Zeit, in der einem gesagt wird, man könne so sein, wie man eben ist, und alle würden das akzeptieren. Aber so ist es eben einfach nicht. Jeder verurteilt oder urteilt nach wie vor über Menschen, die anders sind. Immer noch muss man zur Lehrerin gehen, wenn das eigene Kind nicht so ist, wie es sein sollte. Egal, ob es zu wild, zu still, zu schüchtern, zu frech ist. Und wir brauchen doch alle. Die Lauten wie die Leisen.
Ottilie ist ein wenig anders als andere Kinder. Am liebsten liest sie Bücher und geht nicht so gerne raus. Wie gut, dass eines Nachts merkwürdige Gestalten ins Nachbarhaus ziehen: die Grauses. Stellen Sie uns die Kinder Wolfi, Muh und Husch doch kurz vor!
Wolfi ist ein Werwölfchen und verwandelt sich in Vollmondnächten in einen Wolfswelpen. Sie liebt Hundespielzeug und Körbchen und hat einen sehr ausgeprägten Geruchssinn. Muh ist ein Dilldapp. Er hat ein kleines Hirschgeweih auf dem Kopf, und sein halbes Herz ist ebenfalls das eines Hirsches. Er ist eng mit dem Wald verbunden. Husch ist ein kleines Geistermädchen, es ist unsichtbar und wird nur sichtbar, wenn es die Luft anhält, was es noch nicht lange schafft.
Natürlich gibt es auch noch seltsame Erwachsene bei den Grauses: Opa Grause sowie Vater und Mutter. Doch eigentlich sind die Grauses gar nicht miteinander verwandt. Warum leben sie als Familie zusammen?
Sie wurden vom Institut für andersartige Wesen ausgebildet. Dort besuchten sie die Fata-Morgana-Schule. Sie bekommen Unterricht im Normalsein. Wenn sie fertig aus-gebildet sind, werden sie zu Familien zusammengestellt und dürfen in ganz normalen Häusern, unter ganz normalen Menschen leben.
Es macht richtig Spaß, in die Welt der „Grauses“ einzutauchen. Und Ottilie geht es genauso. Sie muss ganz schön viel lernen. Zum Beispiel, welche Wörter sie nicht sagen darf. Was passiert, wenn sie doch mal aus Versehen so ein Wort sagt oder laut schreit?
Dann kräht die Krähe, die ein Späher ist, aus dem Institut für andersartige Wesen ein lautes Krähenkrähen, und auf der hellgrauen Liste entsteht ein dunkelgrauer Punkt. Wenn jemand 77 dunkelgraue Punkte hat, wird er wieder abgeholt. Keiner weiß wohin.
In „Willkommen bei den Grauses“ haben Sie viele sehr unterschiedliche Gestalten erfunden. Wie viel Freude hat Ihnen das gemacht?
Sooooooooo viel :-) Quasi bis zum Mond und drumherum und wieder zurück.
Sie sind ausgebildete Schauspielerin Wie kamen Sie überhaupt zum Schreiben?
Ich habe schon immer gern geschrieben, auch schon als Kind. Und als ich dann selbst Kinder hatte, haben die beiden an Weihnachten immer eine selbst geschriebene Geschichte von mir bekommen. Und irgendwann bin ich mit einem Rucksack voller Ideen zur Buchmesse gewandert …
Auf Ihrer Webseite sieht man, dass Sie auch viele Lesungen machen. Das muss ein Erlebnis sein für die Kinder! Auf welchen Charakter bei den Grauses freuen Sie sich schon besonders mit Blick auf die Lesungen?
Ich liebe am meisten, wenn sich alle unterhalten und ich von einem Charakter in den nächsten springen darf.
Interview: Literaturtest, 2024
Autorenporträt
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