Kinderbuch des Monats Mai 2024
„Aufbruch / REN, der Ninja Bd.1“ von Miyuki Tsuji - Von der bücher.de-Redaktion gelesen und auf Herz und Nieren getestet
Kinderbuch des Monats
Kinderbuchtipp „Ren, der Ninja“Ren ist ein ganz besonderer Junge. Er lebte vor langer Zeit im fernen Japan. Dort hieß er „Renmaru“, wollte Ninja werden und konnte sogar mit Tieren sprechen. Dann wurde er von magischen Kräften zu uns geschickt. In unsere heutige Zeit, nach Deutschland. Wie wird sich Ren hier zurechtfinden? Wer kümmert sich um ihn? Und wird er seine Hündin, die ihm nachfolgt, wiedererkennen? Das alles erzählt Miyuki Tsuji in ihrer Mangastory, die nicht nur etwas für ältere Kinder ist. Die begeisternden Illustrationen stammen aus der Feder von Pau Gámez.
Was?
Als Ren vor ein paar Jahren in unsere Zeit kam, lag er auf der Straße. Er konnte sich an nichts erinnern, alles war fremd für ihn. Wie kam er hierher, was war mit ihm geschehen? Nicht einmal seinen Namen wusste er mehr. Wie gut, dass seine Pflegemutter Lisa so viel Verständnis hat und da ist, wenn Ren sich allein fühlt. Heute hat er Freunde, geht in die Schule und ist angekommen. Im ersten Band von „Ren, der Ninja“ wird sich der Held, der früher „Renmaru“ hieß, nach und nach erinnern an sein früheres Leben. Und wenn dann auch noch eine Hündin auftaucht, deren Sprache Ren versteht, und sich Ana, ein geheim-nisvolles Mädchen aus Japan, dazugesellt, erleben Ren und Ana ein aufregendes Aben-teuer. Denn die Hündin erzählt ihnen von einem Tierfänger und vielen gefangenen Tieren. Klar, dass Ren und Ana den Tieren helfen und sie befreien wollen!
Wie?
Auf über 250 Seiten erzählt Miyuki Tsuji das erste packende Abenteuer von Renmaru. Da-bei ist die Geschichte leicht zu lesen, und die Illustrationen von Pau Gámez begleiten das fantastische Manga von Renmaru/Ren ausdrucksstark, vielschichtig und feinfühlig. Miyuki Tsuji versteht es dabei wunderbar, immer wieder etwas von der japanischen Kultur und Tradition in das Abenteuer einfließen zu lassen. Hier hat sich ein „Dream-Team“ gefunden – und wer weiß, vielleicht wird „Ren, der Ninja“ bald „Kult“!
Für wen?
Es ist bei „Ren, der Ninja“ wie bei jedem tollen Kinderbuch: Es gibt eine Altersempfehlung – hier für Menschen ab neun Jahren – aber Freude an dem Buch haben sicher auch sehr viele ältere Lesende. Alle, die Mangas lieben, Lust auf Abenteuer, Zeitreisen und natürlich Ninjas haben, sind hier bestens aufgehoben.
Von wem?
Text: Miyuki Tsuji
Ob Miyuki Tsuji Ninja-Expertin ist, weil sie in der japanischen Präfektur Shiga aufgewach-sen ist, die für ihre Ninja-Tradition bekannt ist? Miyuki liebt jedenfalls das Abenteuer, das ist klar. Denn als sie ihr Studium abgeschlossen hatte, wollte sie die Welt erkunden. Und das tat sie mit dem Schiff, der Eisenbahn und dem Bus. Ihr Weg führte sie entlang der le-gendären Seidenstraße nach Europa. Dort verbrachte sie erst einmal eine Zeit in Polen, nun lebt sie in Hamburg – warum, das erzählt Miyuki in unserm Interview. Wie gut, dass Miyuki über ihre Reise auch schrieb. Der Text erschien in Japan sogar als Serie in einer Zeitschrift, später auch als Buch. Und hier entdeckte Miyuki auch, welche Freude ihr das Schreiben macht. Natürlich hat Miyuki auch Deutsch gelernt und schreibt nun auch in die-ser Sprache. Weiter übersetzt sie auch Manga, so zum Beispiel die Serie „Naruto“. Miyuki lebt mit ihrem Mann, ihrer Tochter und einer Shiba-Inu-Hündin in Hamburg.
Manga: Pau Gámez
Pau wuchs in Barcelona auf, mitten zwischen Bildern, die seine Mutter gemalt hat. Noch bevor er überhaupt lesen konnte, fand er die Comics seiner älteren Geschwister toll. Und natürlich zeichnete er seine eigenen ersten Bildchen überall hin, ob auf Wände oder Mö-bel. Als er älter war, entdeckte er die Manga-Welt, und ihm wurde klar: Genau das wollte er zeichnen. Pau liebt Science-Fiction und Fantasy und unterrichtet klassisches Cartoon-Zeichnen und digitales Modellieren. Dass Pau Japan-Fan ist, versteht sich von selbst. Auch seine Frau teilt diese Leidenschaft und betreibt eine Kimono-Boutique. Hier hilft Pau auch immer mal wieder aus. Und wenn er nicht zeichnet, unterrichtet oder Kimonos ver-kauft, dann findet man ihn beim Kenjutsu-Training – das ist die japanische Schwertkampf-kunst.
Und wie weiter?
Oft schreiben wir hier, dass es einen Band 2 geben wird, wir aber noch etwas darauf war-ten müssen. Doch, juhu, bei „Ren, der Ninja“ erscheint zeitgleich zu Band 1 auch Band 2! In unserem Interview verrät Miyuki Tsuji auch ein wenig über die Geschichte im zweiten Manga.
Autoreninterview
INTERVIEWIhr Lebenslauf liest sich so spannend wie eine Abenteuergeschichte. Nach dem Stu-dium in Tokio waren Sie entlang der Seidenstraße unterwegs nach Europa. Wie sind Sie in Hamburg gelandet?
Nach der Reise habe ich ein Jahr lang in Polen studiert, da ich mich in meinem Kunstge-schichte-Studium mit der polnischen Kunst beschäftigt hatte. Und dort habe ich an der Uni einen Studenten aus Hamburg kennengelernt, den ich sehr sympathisch und intelligent fand. Als ich ihn näher kennengelernt habe, war mir klar, dass ich mit ihm leben möchte. Auch er wollte das. Die Frage war nur, wo wir leben sollten. Und wir haben uns fast sofort entschieden, in Deutschland zu leben, da er keine Geschwister mehr hat, während ich in Japan einen Bruder habe. Seine Eltern wären sehr traurig gewesen, wenn wir nach Japan gezogen wären. So bin ich nach Deutschland gekommen und hier geblieben. Aber ich bin nicht ungern nach Deutschland gezogen. Ich war ja abenteuerlustig. Und ich habe meine Entscheidung nie bereut.
Sie gelten als Ninja-Expertin. Viele Menschen im Westen stellen sich unter Ninjas sehr gute Kämpfer und Kämpferinnen vor. Was genau sind Ninjas?
Die Ninja waren Spione. Sie bekamen Aufträge von verschiedenen Samurai und sammel-ten für sie Informationen. Vor 500 Jahren, als mehrere mächtige Samurai um den Platz des Machthabers, des Shogun, kämpften, waren die Ninja am gefragtesten. Es ist bekannt, dass sie eine große Rolle gespielt haben, damit Ieyasu Tokugawa am Ende Shogun wer-den konnte. Als dieser Shogun und seine Nachfolger zweihundert Jahre lang Japan be-herrschten, nutzten sie die Ninja, um heimlich die Fürsten zu überwachen, die gegen die Regierung hätten rebellieren können. Also mussten sich die Ninja vor allem unbemerkt einschleichen, sich tarnen, sich verstecken, um schnell und genau Informationen zu sam-meln und danach spurlos zu verschwinden. Nur wenn sie als Spione entdeckt wurden und ihnen der Rückzug versperrt war, haben sie gekämpft, um zu entkommen. Also nur im äu-ßersten Notfall.
Ren, so viel dürfen wir verraten, hat eine Zeitreise hinter sich. In seinem Heimat-land hieß er „Renmaru“. Nun landet er in unserer heutigen Zeit in Deutschland. Wel-che Unterschiede gibt es zwischen Rens Herkunftsort und -zeit und der Gegenwart hierzulande?
Wahrscheinlich ist es einfacher, die Gemeinsamkeiten zu nennen als die Unterschiede. Renmarus Heimat ist ja in doppeltem Sinne – zeitlich und räumlich – vom Deutschland unserer Zeit weit entfernt. Ich habe Iga, den Geburtsort der Ninja, als Vorbild für Renmarus Heimat Kuri gewählt. Iga ist eine kleine Stadt in Japan und ziemlich anders als Hamburg. Und Iga war vor 500 Jahren bestimmt ganz anders als das Iga der Gegenwart, genauso wie Hamburg vor 500 Jahren ganz anders war als das Hamburg von heute. Aber Gemein-samkeiten gibt es trotzdem: die Gefühle und die Natur der Menschen. Als ich verschiedene historische Schriften der Ninja las, habe ich das gespürt. Auch die Ninja vor mehreren hundert Jahren freuten sich, ärgerten sich, trauerten und lachten, genauso wie die Men-schen im Hamburg unserer Zeit. Genauso wie wir wollten sie vor allem leben und fürchte-ten sich davor zu sterben.
Vor seiner Zeitreise hatte Renmaru eine treue Begleiterin: eine Hündin. Diese Hündin folgt ihm nach einiger Zeit in die heutige Welt. Dann taucht die geheimnisvol-le Ana auf. Können Sie uns Ana ein bisschen vorstellen?
Ana ist Renmarus beste Kindheitsfreundin aus seiner Heimat. Als seine Hündin Renmaru in die heutige Welt folgte, begleitete Ana sie. Allerdings hat Ana sie kurz nach der Ankunft in der heutigen Welt aus den Augen verloren und musste eine ganze Zeit lang nach ihr suchen. Sie ist ein sehr mutiges und aufgeschlossenes Mädchen und findet ganz schnell Anschluss in dieser Welt. Sie hat von ihrer Meisterin, die die Kunst, Raum und Zeit zu überspringen, beherrscht und selbst einmal in Deutschland gewesen war, Deutsch gelernt und trägt immer das Wörterbuch bei sich, das ihre Meisterin geschrieben hat. Ich selbst habe nicht so schnell Deutsch gelernt wie Ana, und so schnell habe ich auch nicht An-schluss gefunden. Also stecken in Ana meine eigenen Wünsche. Auch ihre Fähigkeit als Ninja hätte ich selber sehr gerne. Sie kann mit ihrem Flötenspiel alle Menschen müde ma-chen und einschlafen lassen. So kann sie Kampf und Streit verhindern und Frieden stiften.
„Ren, der Ninja“ ist Ihr erstes Kinderbuch. Wie kamen Sie überhaupt auf die Idee zu schreiben?
Ich wäre nie auf die Idee gekommen, einen Kinderroman zu schreiben, wenn ich nicht das Angebot dazu bekommen hätte. Ich arbeite seit 25 Jahren als Übersetzerin, aber als Auto-rin bin ich seit der Geburt meiner Tochter nicht mehr aktiv gewesen. Sie und die Überset-zungsarbeit haben mich vollauf beschäftigt. Aber kurz nach dem 15. Geburtstag meiner Tochter, als ich gerade das Gefühl hatte, dass sie selbstständiger wurde und ich das för-dern sollte, bekam ich eine Mail von der Redakteurin von Carlsen Manga, mit der ich seit Jahrzehnten zusammen an der Manga-Serie NARUTO arbeite. Sie schrieb, dass ihre Kol-legen aus dem Kinderbuchbereich eine Reihe Kinderromane mit Manga-Illustrationen star-ten wollten und sie gefragt hätten, ob sie jemanden kenne, der bei diesem Projekt mitma-chen wolle. Und so hat sie mich gefragt, ob ich mir vorstellen könne, solche Romane zu schreiben. Sie hat sich wohl noch an mein Edutainment-Manga über Ninja erinnert, das ich vor Jahren geschrieben hatte. Ich habe sofort „ja“ gesagt. Ich hatte zwar keine Erfahrung mit Kinderromanen, aber das Angebot klang zu schön, um es nicht anzunehmen. Ich muss-te nur wenige Minuten überlegen, über welches Thema ich schreiben möchte: Wieder über die Ninja, die mich schon immer fasziniert haben!
Was genau ist eigentlich der Unterschied zwischen Comic und Manga?
Auf diese Frage kann ich schwer antworten, weil ich zu wenig Comics kenne. Aber wenn ich die Comics, die ich kenne, und Manga vergleiche, glaube ich, dass Manga mit feineren Strichen und detaillierter gezeichnet sind. Auch die Gefühle der Protagonisten werden bei Manga feiner und detaillierter erzählt. Und die Geschichten vieler Manga sind komplexer als die von Comics. Als Kind fühlte ich mich oft erwachsener und ernst genommen, wenn ich ein Manga las. Zum Beispiel denke ich noch heute ab und zu an ein Manga, das ei-gentlich an Kinder im Grundschulalter gerichtet war, aber ungemein fein die inneren Kon-flikte und komplexen Gefühle der Protagonisten ausführte. So etwas kann man sich sicher-lich nicht vorstellen, wenn man Manga nur durchblättert und nicht tief in sie eintaucht.
In „Ren, der Ninja“ spielen Tiere eine große Rolle. So überbringen Vögel Bot-schaften oder führen Ren. Welcher ist Ihr Lieblingsvogel?
Mein absoluter Lieblingsvogel ist das Huhn. Seit meine Tochter vor Jahren ein paar Ein-tagsküken von ihren Großeltern geschenkt bekam, habe ich einen ganz besonderen Bezug zu Hühnern. Es war so interessant und schön, sie zu beobachten. Jedes Huhn hatte sei-nen eigenen Charakter, verhielt sich anders, aber sie waren so stark miteinander verbun-den. Sie halfen sich gegenseitig, und wie ernst die Leithenne ihre Rolle erfüllte, war beein-druckend. Und es wunderte mich, wie vielfältig sie gackerten. Ich hätte so gerne alles ver-standen, was sie untereinander sprachen, was sie uns erzählten. Mit meiner Tochter waren sie ganz zahm. Sie kamen, wenn meine Tochter sie rief, und saßen auf ihren Schultern. Ich war so gerührt, dass die Leithenne, eine ganz starke stolze Henne, die immer die anderen Hennen beschützt hatte, in den Armen meiner Tochter starb. Die Henne war alt und schwach. Sie konnte kaum noch laufen. Aber sie hielt durch, und erst als meine Tochter, die ein paar Wochen verreist gewesen war, nach Hause kam und zu ihr ging, konnte die Henne sterben. Sie kommt übrigens in Band 3 vor und spielt darin eine große Rolle.
Renmarus Abenteuer gehen weiter. Worum geht es in Band 2?
Am Ende des ersten Bandes erfährt Ren, dass seine Heimat nicht mehr existiert, da ein mächtiger Fürst mit seiner großen Armee das Dorf angegriffen und vernichtet hat. Die Ninja hatten gegen die Armee gekämpft und waren vollständig besiegt worden, da die Armee des Fürsten ihnen mehr als zehnfach überlegen war. Ren erfährt, dass ganz viele Dorfbe-wohner ums Leben gekommen sind, auch der kleine Bruder von Ana. In Band 2 reisen Ren und Ana zurück in ihre Heimat in die Zeit vor dem Angriff und versuchen zu verhindern, dass all diese Menschen ums Leben kommen. Was weiter geschieht, kann man sofort er-fahren, weil Band 2 ja zeitgleich mit Band 1 erschienen ist.
Interview: Literaturtest, 2024
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