Anna Ogilvy schläft. Seit vier Jahren hat die 29-Jährige ihre Augen nicht mehr geöffnet. Eingeschlafen ist sie in einer schicksalhaften Nacht:

Um 3.10 Uhr in der Nacht auf den 30. August 2019 fand man Anna Ogilvy, die fünfundzwanzigjährige Mitbegründerin der Zeitschrift Elementary und Tochter einer Ministerin des Schattenkabinetts, mit einem zwanzig Zentimeter langen Küchenmesser schlafend in ihrer Hütte auf einer Event-Farm in Oxfordshire. In der Nachbarhütte lagen die Leichen ihrer zwei besten Freunde: Douglas Bute, sechsundzwanzig, und Indira Sharma, fünfundzwanzig.

Seitdem gilt Anna als die berühmteste Verdächtige des Landes – und kann nicht verhört werden. Hat sie tatsächlich ihre besten Freunde getötet? Und wenn ja, hat Anna die Tat wach oder schlafwandelnd erlebt? Was auf der Farm tatsächlich geschah und ob Anna schuldig oder unschuldig ist, bleibt ein Rätsel. 

Dr. Benedict Prince ist forensischer Psychologe und Experte für Schlafmedizin in der Privatklinik „The Abbey“. Hier wird Anna eingeliefert, nachdem es vier Jahre nach dem Verbrechen keine Anzeichen gibt, dass sie wieder aufwachen könnte. Nun steht Ben vor der Herausforderung, Anna aufzuwecken. Er entwirft einen Plan, kann diesen jedoch nicht geradlinig verfolgen. Er ist von Leuten umgeben, die seine Arbeit in unterschiedlicher Weise beeinflussen – und Ben in Gefahr bringen.

„Anna O.“ von Matthew Blake ist raffiniert konstruiert und vielschichtig. Blake erzählt seinen Spannungsroman mit Zeitsprüngen und aus verschiedenen Perspektiven. Kapitel für Kapitel setzt sich das Puzzle aus Bens Gedanken, Annas Aufzeichnungen und Einschüben aus der Sicht anderer Personen zusammen. 

Interessant ist außerdem, dass der Roman nicht nur Annas fiktiven Fall beschreibt, sondern reale Phänomene mit einbezieht. Um Anna aufzuwecken, befasst sich Ben intensiv mit dem Thema „Schlaf“ und mit der Frage, was im Schlaf mit dem Bewusstsein passiert. In seinen Überlegungen erwähnt er unter anderem den Fall einer arabischen Frau, die bei einem Unfall ihren Sohn schützte, ins Koma fiel und 27 Jahre später wieder erwachte. 

Wie alles zusammenhängt? Das ist nicht leicht durchschaubar und macht „Anna O.“ so reizvoll. Matthew Blake hat ein Buch für aufmerksame Leser*innen geschrieben, die miträtseln und vielleicht sogar Spaß daran haben, selbst etwas über die Hintergründe und die realen Schlaf-Phänomene nachzulesen. Wer clever aufgebaute und anspruchsvolle Thriller mag, wird Anna O. lieben – und beim Lesen immer wieder Überraschungen erleben.