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Bewertung von mimitatis_buecherkiste aus Krefeld
am 19.09.2024
Zorniges Herz / Kate Burkholder Bd.15
Castillo, Linda

Zorniges Herz / Kate Burkholder Bd.15


ausgezeichnet

Polizeichefin Kate Burkholder steckt mitten in den Vorbereitungen zu ihrer Hochzeit, als sie zu einem ungewöhnlichen Tatort gerufen wird. Ein amischer junger Mann wurde auf eine besonders grausame Weise getötet, eine unbekannte Person hat ihn mittels einer Armbrust brutal ermordet. Erste Ermittlungen ergeben, dass der getötete Amische Aden Karn überall beliebt war, niemand hat ein schlechtes Wort zu sagen über ihn. Kurz darauf stößt Kate auf ein verstörendes Detail, das den Fall in eine völlig andere Richtung bringt.

„Vage nahm er wahr, wie die Armbrust auf den Boden gestellt und die Spitze eines Stiefels in den Fußbügel geschoben wurde, er hörte das Quietschen der Bogensehne beim Spannen und das Einrasten der Sehne in den Abzugsmechanismus.“ (Seite 10)

Das vorliegende Buch ist bereits der fünfzehnte Teil der Buchreihe mit Chief Kate Burkholder und die Serie hat für mich immer noch nichts von ihrer Faszination eingebüßt. Die Fälle sind immer gleichermaßen interessant wie verstörend, auch der aktuelle Fall ist brutal, abstoßend und ekelhaft, es ist wirklich erstaunlich, was Menschen in der Lage sind ihren Mitmenschen anzutun.

Der Prolog schmiss mich mitten ins Geschehen rein, gnadenlos schilderte er das grausame Tötungsdelikt, ersparte mir kein einziges Detail, und legte den Weg frei für eine Story, die spannend, unterhaltsam und voller überraschender Wendungen gewesen ist. Chief Burkholder hat das Herz auf der richtigen Seite, ist immer professionell und objektiv, und lässt sich nicht beirren, wenn sie das Gefühl hat, dass eine Geschichte nicht vollständig auserzählt worden ist. Viele verblüffende Einzelheiten kamen ans Licht, schlimme Taten und rücksichtslose Handlungen wurden enthüllt. Bis zum Schluss habe ich mitgefiebert und wurde noch auf den letzten Seiten überrascht von dem Ausgang, den der Fall genommen hat. Ein großartiger Thriller, der mich darin bestätigt, warum dies eine meiner Lieblingsreihen seit vielen Jahren ist. Lesenswert!
mimitatis_buecherkiste aus Krefeld

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung von mimitatis_buecherkiste aus Krefeld
am 13.09.2024
Ein Mann der Tat
Russo, Richard

Ein Mann der Tat


sehr gut

In der Kleinstadt North Bath passiert nicht viel, ihre Einwohner stolpern mehr oder weniger durchs Leben, am Abend trifft man sich in einer der Kneipen auf einen Absacker oder auch zwei. An diesem Memorial-Day-Wochenende ist aber allerhand los: nicht nur stürzt Chief Raymer ohnmächtig in das Grab von Richter Flatt, es stürzt auch noch ein Gebäude ein und eine Giftschlange entwischt. Man könnte sagen, es ist der ganz normale Wahnsinn in einer nicht ganz so normalen Stadt.

Beim vorliegenden Buch handelt es sich um den zweiten Teil der North Bath-Trilogie und ich würde empfehlen, mit dem ersten Band anzufangen. Im zweiten Teil werden zwar viele Dinge wiederholt und erklärt, für den Gesamtzusammenhang reicht dies meiner persönlichen Meinung nach aber nicht. Dazu kommt, dass der Trilogie-Auftakt mit dem Titel „Ein grundzufriedener Mann“ einfach phänomenal war, sodass man sich um ein tolles Lesevergnügen bringen würde, läse man ihn nicht.

Ich habe mich sehr auf ein Wiedersehen mit der Kleinstadt North Bath und ihren Einwohnern gefreut. Zehn Jahre sind zwischenzeitlich vergangen, einige lieb gewonnene Charaktere waren nicht mehr da, andere kamen und gingen, aber mein absoluter Favorit Sully war zum Glück noch munter, wenn auch gesundheitlich etwas angeschlagen. Leider nahm er nicht ganz so viel Raum ein, wie ich es mir gewünscht hätte, und auch sonst ist ein bisschen von der Faszination verschwunden, weil Russo sich für meine Begriffe zu oft in unwichtigen Situationen verheddert hat. Manche Gedankengänge der ein oder anderen Person waren etwas konfus, andere Ereignisse so unbedeutend, dass ich mich fragte, wo der Sinn dafür war, diese in die Geschichte einzubauen. An manchen Stellen zog es mich gar nicht zum Buch, was ich schade fand, denn den Vorgänger konnte ich seinerzeit kaum aus der Hand legen, weil er so unfassbar spannend gewesen ist.

Das letzte Drittel entwickelte sich zu meiner Zufriedenheit, denn plötzlich kam Leben in die Bude, stellenweise wurde es fast ein Thriller, weil es so kriminell war. Aufregend und turbulent ging es zu, Böses geschah, Menschen wurden verletzt, andere wuchsen über sich hinaus und ich war froh, dass gewisse Dinge nicht endgültig waren. So wurde es zwar kein Highlight, aber doch noch ein Buch, dass zwar langsam in die Gänge kam, aber letztendlich wirklich lesenswert war.
mimitatis_buecherkiste aus Krefeld

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung von Fernweh_nach_Zamonien aus Buchhaim
am 11.09.2024
Sherlock Holmes: Eine Studie in Scharlachrot
Doyle, Arthur Conan

Sherlock Holmes: Eine Studie in Scharlachrot


ausgezeichnet

Der erste Fall des brillianten wie exzentrischen Meisterdetektivs kunstvoll und bildgewaltig in Szene gesetzt.


Inhalt:

London im Jahr 1878: Dr. John Watson kehrt als Verwundeter aus dem Afghanistan-Krieg zurück.

Auf der Suche nach einer neuen Bleibe gerät er über einen Freund an einen gewissen Sherlock Holmes und gründet kurzerhand mit diesem eine Wohngemeinschaft in der Baker Street 221b.

Von den phänomenalen Kombinationsfähigkeiten seines neuen Mitbewohners fasziniert begleitet Dr. Watson den Detektiv Sherlock Holmes - den sogar Scotland Yard um Rat fragt - zu den Ermittlungen im Fall der Studie in Scharlachrot.


Mein Eindruck:

Der erste Roman rund um den brillianten wie exzentrischen Meisterdetektiv Sherlock Holmes wird durch die Zeichnungen von Vincent Mallié atmosphärisch und eindrucksvoll in Szene gesetzt.

Das große Buchformat bietet einen entsprechenden Raum.

Von Vignetten zum Kapitelanfang über halbseitige schwarzweiß Zeichnungen bis hin zur ganzseitigen, farbenfrohen und detailverliebten Illustration unterstreichen all diese Bilder das Kennenlernen und die ersten Ermittlungen des berühmten Duos perfekt.

Die Mimik - auf wenige Striche reduziert - ist aussagekräftig und man erkennt typische Merkmale sowohl bei Dr. John Watson wie auch bei Sherlock Holmes wieder. Wenngleich die markante, schmale falkenhafte Nase des Meisterdetektivs nicht sehr ausgeprägt ist.

Neben den liebevoll angelegten Protagonisten werden auch die Schauplätze eindrucksvoll inszeniert. Die jeweilige Stimmung spiegelt sich in der Farbauswahl wider. Hierzu bilden die schwarz-weiß Zeichnungen einen interessanten Kontrast.

Da für diesen illustrierten Roman der allererste Fall (und das Kennenlernen) gewählt wurde, kann ich das Buch nicht nur Sherlock-Fans, sondern auch Neulingen und Fans der klassischen Kriminalalliteratur ans Herz legen.

Die beiden (optisch wie charakterlich) unterschiedlichen Persönlichkeiten bilden einen spannenden Kontrast: Intellekt trifft auf Genialität, Humor und Einfühlungsvermögen auf Verständnislosigkeit und Rationalität. Und doch stimmt bei den beiden von Anfang an die Chemie ... oder es obsiegt die Neugier ;-)

Die Ermittlungen führen die beiden an Elendsorte von London und zeigt in einem zweiten Teil die Vorgeschichte in einer Mormonengemeinde in Utah und zugleich das Motiv für die Morde auf.

Es ist faszinierend mitzuverfolgen, welche Entwicklungen die Freundschaft zwischen Holmes und Watson bereits innerhalb der ersten Geschichte durchlaufen.

Zudem wachsen sie zu einem Ermittler-Duo, das Lesende und Scotland Yard zum Staunen bringt.

Eine Leseempfehlung an alle Liebhaber von (klassischer) Kriminalalliteratur!


Fun Facts:

1. "Eine Studie in Scharlachrot" ist der erste von insgesamt nur vier Romanen über Sherlock Holmes.

Alle weiteren Fälle des Meisterdetektivs veröffentlichte Sir Arthur Conan Doyle als Kurzgeschichten, insgesamt über fünfzig Stück.

2. "Ein Fall von Pink" - die erste Folge der BBC-Serie Sherlock aus dem Jahr 2010 - beruht auf dem Roman. Insbesondere das erste Aufeinandertreffen ist hier eindrucksvoll geschildert.


Weiterer Lesetipp:

Im Splitter Verlag wurde zudem eine Geschichtensammlung mit dem Gentleman-Gauner Arsène Lupin in der Hauptrolle (und in einer Episode mit Herlock Sholmes als Nebendarsteller) veröffentlicht.

Auch hierbei handelt es sich um eine von Vincent Mallié illustrierte Ausgabe.


Fazit:

Sherlock Holmes' erste Begegnung mit Dr. John Watson.

Spannende Detektivstory mit atmosphärischen Zeichnungen von Vincent Mallié.


...

Rezensierte Ausgabe: "Sherlock Holmes: Eine Studie in Scharlachrot"

illustrierter Roman aus dem Jahr 2023, Splitter Verlag
Fernweh_nach_Zamonien aus Buchhaim

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung von BücherändernLeben aus Alt Ruppin
am 28.08.2024
Unsere Zeit der Wunder
Sparks, Nicholas

Unsere Zeit der Wunder


ausgezeichnet

Wunder gibt es immer wieder

Von Nicholas Sparks habe ich bereits viel gelesen, aber "Unsere Zeit der Wunder" gehört für mich zu seinen besten Romanen. Er erzählt gleich zwei Storys in einer und gegen Ende steigt die Spannung, man mag das Buch nicht mehr aus der Hand geben und alle Puzzleteile fügen sich wie ein Wunder plötzlich zusammen.

Tanner hat einige Jahre in Afrika gearbeitet. Als er nach Amerika zurückkommt, liegt seine Großmutter im Sterben. Er ist bei seinen Großeltern aufgewachsen, kennt seine Eltern nicht, jetzt eilt er zu seiner Großmutter, um in ihren letzten Wochen bei ihr zu sein. Bereits auf dem Sterbebett liegend flüstert sie Tanner den Namen seines Vaters zu . . .

Und Pustekuchen, es beginnt keine wilde Detektivarbeit in der Tanner nach seinem Vater sucht. Nicholas Sparks beginnt in aller Seelenruhe eine neue Geschichte zu erzählen und lässt mich erst mal zappeln.

Der unstete Tanner, der als Erwachsener noch nie so richtig eine eigene Wohnung hatte, trifft plötzlich auf Kaitlyn. Sie ist Ärztin und alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. Tanner verliebt sich sofort in sie, aber er hat bereits seine nächste Stelle in Afrika angenommen . . .

Für mich war dieser Roman mit seiner berührenden Story ein wundervolles Leseereignis. Beim nächsten Roman sollte der Verlag allerdings den Korrekturleser austauschen bzw. ihm eine Lesebrille finanzieren, damit er auch die letzten Fehler im Manuskript findet.
BücherändernLeben aus Alt Ruppin

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung von BücherändernLeben aus Alt Ruppin
am 20.08.2024
Freiheitsschock
Kowalczuk, Ilko-Sascha

Freiheitsschock


ausgezeichnet

Ohne Freiheit gibt es keinen Frieden

Was Ilko-Sascha Kowalczuk hier vorlegt, ist eine glasklare Analyse der politischen Gegenwart in den neuen Bundesländern. Mir kommt sehr entgegen, dass der Autor selbst Ossi ist und ich mir nicht von einem Wessi meine Vergangenheit und Gegenwart erklären lassen muss.

Gleich zu Anfang teilt der Historiker kräftig aus. Er kritisiert Katja Hoyer und Christina Morina und ich verstehe diese Kritik und sage: Ja, recht hast du. Das Dirk Oschmann ebenso die Prügel des Autors abbekommt, gefällt mir nicht und ich kann es nicht so recht verstehen, weil ich im Verlauf der Lektüre immer wieder denke; soweit seid ihr beiden gar nicht auseinander.

Die friedliche Revolution vom Herbst '89 ist bereits Jahrzehnte Geschichte und immer noch schwärmen und sehnen sich viele Ossis zurück ins warme Nest. Gegen die Verklärung beschreibt Ilko-Sascha Kowalczuk hier sehr gut, wie die Revolution verlaufen ist, selbst darüber gibt es inzwischen die verrücktesten Legenden. Faktisch ist es so: Die DDR war kein Land voller Revolutionäre, wie schreibt der Autor sehr schön: "Normalbürger aber blieben hinter den Gardinen stehen und warteten ab." Erst in der Nacht der Maueröffnung kamen die Massen auf die Straßen und passierten die Grenze westwärts.

Besonders spannend wird es im Buch dort, wo Ilko-Sascha Kowalczuk das Entstehen und das Erstarken der AfD in Ostdeutschland erklärt. Für mich sind seine Ausführungen perfekt und genau so nachvollziehbar, denn ich war dabei.

Der Historiker schreibt: "Anerkennung stellt eine oft unterschätzte Vorbedingung für gelebte Freiheit dar." Dies scheint mir der wichtigste Satz im Buch zu sein. Die meisten Ossis fühlen sich bis zum heutigen Tag vom Westen nicht anerkannt, sie fühlen sich unterlegen, also rebellieren sie mithilfe der AfD.

Man merkt Ilko-Sascha Kowalczuk an, dass er die DDR selbst erlebt hat und genauestens weiß, wovon er schreibt. Er erzählt auch von seiner Familie und gibt Geschichten preis, die zeigen wie das Leben auch aussah. Ilko-Sascha Kowalczuk sagt es selber in seinem Buch: Die Ossis, die inzwischen Fans der AfD oder auch der BSW geworden sind, werden dieses Buch bestimmt nicht lesen, aber für mich und hoffentlich viele andere Leser ist dieses Buch spannend und zeitweise fühle ich mich zurückversetzt in die Ereignisse der Wendezeit. Gut, dass der Autor die Gegenwart mit in sein Buch hinein genommen hat.
BücherändernLeben aus Alt Ruppin

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung von Volker M. am 20.11.2024
60 Jahre Wildlife Fotografien des Jahres
Kidman Cox, Rosamund

60 Jahre Wildlife Fotografien des Jahres


ausgezeichnet

Seit nunmehr 60 Jahren kürt das renommierte BBC Wildlife Magazine den Wildlife Photographer of the Year und in diesen 60 Jahren hat sich die Auszeichnung tatsächlich zu einem weltweit anerkannten Prädikat entwickelt. Es hat so manche Karriere überhaupt erst möglich gemacht.

Der Bildband zeigt insgesamt 230 Fotografien aus den unterschiedlichen Wettbewerbskategorien, wobei zwei grundlegende Konzepte erkennbar werden: Die dokumentarische Fotografie und die ästhetische Fotografie, bei der die künstlerische Aussage die inhaltliche überwiegt. Letzter Aspekt ist eine eher neue Entwicklung, die sich vor allem aus den heute ungleich besseren technischen Möglichkeiten der Fotografie speist. Während die Fotos der Frühphase heute jeder normal begabte Fotograf hinbekommt, sind die aktuellen Siegerfotos oftmals Hightechprodukte, die mit teilweise aberwitzigem Aufwand realisiert werden. Das Schöne ist: Man sieht ihnen den Aufwand nicht an.

Zu jedem Foto bekommt man interessante Hintergrundinformationen, neben den genannten technischen Finessen auch den Ort und meist auch ökologische Details. Oft haben sich die Fotografen auch zur künstlerischen Absicht geäußert, oder die Strapazen geschildert, unter denen die Aufnahmen entstanden. Aber nicht alle Motive stammen von fernen Kontinenten, manchmal findet man sie auch vor der Haustüre und nicht alle Wettbewerbssieger waren Vollprofis, sondern haben hier als Amateure angefangen. Berühmt wurden ihre Fotos in jedem Fall, denn der Wettbewerb setzt bis heute Maßstäbe (letzte Woche gab es die neuen Preisträger. Wieder sensationell!).

Leider zeigen nicht alle Motive die heile Tierwelt, sondern in zunehmendem Maß auch, was die überbevölkerte Menschheit dem Planeten antut. Das gehört dann in die Kategorie Dokumentarfotografie, selbst wenn einzelne Bilder auch das schlimmste Drama noch in ästhetische Formen bringen.

Neben dem visuellen Genuss zeigen die Fotos sehr deutlich, dass sie das Produkt von enorm viel Arbeit, Leidensfähigkeit, technischem Können (und Equipment) und immer auch dem gewissen Zufall sind. Es kommt letztlich auf die richtige Tausendstelsekunde an.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)
Volker M.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung von Volker M. am 19.11.2024
Augusta Emerita
Eger, Christoph

Augusta Emerita


ausgezeichnet

Augusta Emerita ist im allgemeinen Bewusstsein nicht sehr präsent, zumindest weit weniger als andere römische Ruinenstädte von ähnlicher Bedeutung. Die Stadt, das heutige Mérida, liegt in der touristisch weniger erschlossenen Region Extremadura, weitab von den in der Antike wichtigen Handelshäfen am Mittelmeer. Trotzdem war der Ort bereits um die Zeitenwende Hauptstadt der Provinz Lusitania und führt seinen Namen auf den Stadtgründer Augustus zurück. Warum aber setzten die Römer eine (für die damalige Zeit) Großstadt mitten ins Hinterland, mit Arena, Theater, einem repräsentativen Forum und zahlreichen Großtempeln?
Das ist eine der Fragen, die der umfassende Band zu beantworten sucht, auf der Basis neuester Erkenntnisse der Archäologie und verfasst von den ausgewiesenen Experten zum Thema. Sie beleuchten sowohl die Entdeckungsgeschichte, die bis heute andauert und immer noch für Überraschungen sorgt, als auch die Entwicklungsgeschichte der antiken Stadt, die mehrere Phasen durchlief. Ähnlich wie Rom, ging mit dem Ende des Römischen Reichs zwar die technologische Infrastruktur zugrunde, die Bauten und Teile der Bevölkerung blieben aber und nutzten die Baustoffe, um die heutige Stadt Mérida zu errichten, wodurch sie eine außergewöhnlich große Zahl an Spolien besitzt, also wiederverwendeter antiker Bauelemente. In Verbindung mit den erhaltenen Inschriften erlauben sie detailreiche Rekonstruktionen und interessante historische Schlüsse. Digitale Rekonstruktionen sind auch die Highlights der vorliegenden Monografie, die in Zusammenarbeit zwischen dem Museo Nacional de Arte Romana und dem Landschaftsverband Rheinland (der bezeichnenderweise den Archäologiepark Xanten betreut) herausgegeben wird.

Auffällig ist die sehr gut koordinierte Abstimmung zwischen den einzelnen Autoren der Beiträge, die einerseits systematisch vorgehen, andererseits auf inhaltliche Wiederholungen soweit möglich verzichten. So ist der Band nicht nur umfangreich, sondern auch enorm informativ. Er geht ins Detail und verliert dennoch nicht die große Linie aus dem Auge, was bei einer Gemeinschaftsarbeit auf diesem Niveau eher selten ist.
Einzelbeiträge untersuchen die Groß- und Kleinplastik der Augusta Emerita, unter besonderer Berücksichtigung der handwerklichen Provenienz, sowie die antike Münzstätte und deren Produkte. Ebenso werden die imperialen Großbauten auf der Grundlage aktueller Forschung beschrieben, sowie einige repräsentative Wohnkomplexe, die teilweise sehr gut erhaltene Raumdekore zeigen. Als Beispiel für die frühchristliche Besiedlung dient das Pilgerzentrum der Heiligen Eulalia vor den Toren der antiken Stadtmauer, das ab den 1990er-Jahren archäologisch erschlossen wurde und kürzlich sogar eine bisher anekdotische Überlieferung der Kirchengeschichte bestätigte. Einzelbeschreibungen bedeutender neuerer Einzelfunde und ein ausführlicher Beitrag zu den frühislamischen Fundstätten Morería und Alcazaba schließen den Band ab.

Die Texte richten sich sowohl an ein Fachpublikum als auch interessierte Laien. Archäologische und architektonische Fachsprache wird zwar vorausgesetzt, sie ist aber in der Regel auch aus dem Kontext verständlich. Die zahlreichen Illustrationen, insbesondere die hervorragenden 3D-Rekonstruktionen, unterstützen das Verständnis, auch ohne dass man die Örtlichkeiten persönlich kennt. So entsteht ein sehr komplexes, aber auch faszinierendes Bild einer Stadt, die nicht zufällig viel Ähnlichkeit mit Xanthen hat. Die römische Modellstadt wurde in der ganzen Antike immer wieder erfolgreich kopiert. Und natürlich hatte die vermeintlich abgeschiedene Lokalität in der Extremadura strategische und logistische Gründe. Die Römer überließen eben nichts dem Zufall.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)
Volker M.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung von mimitatis_buecherkiste aus Krefeld
am 19.11.2024
Muss man das Schöne in sich tragen, um es in der Welt zu erkennen?
Michaelsen, Sven

Muss man das Schöne in sich tragen, um es in der Welt zu erkennen?


ausgezeichnet

Sven Michaelsen hat Literatur und Geschichte studiert, war Autor und Chefreporter bei verschiedenen Zeitschriften und hat mehrere Bücher geschrieben. Zuletzt erschien im Residenz Verlag das Buch mit dem, wie ich finde, großartigen Titel, der die Lesenden gleichzeitig fragt: Muss man das Schöne in sich tragen, um es in der Welt zu erkennen? Das Buch ist mit dem Zusatz versehen: Lebenskunst in 777 Fragen, womit wir schon beim Inhalt des Werkes wären. Gegliedert in acht Themenbereiche hat Sven Michaelsen Fragen zusammengestellt, die mich zum Nachdenken und Hinterfragen bringen. Ob Partnerschaft, das persönliche Wohlbefinden, die Kindererziehung oder das Leben an sich; interessante und stellenweise sehr tiefgründige Fragen hat der Autor aufgeschrieben. Kostprobe gefälligst? Bitteschön:

»Sind nicht Liebe, Hass und Trauer unsere stärksten Gefühle, sondern Scham?«

»Entsteht eine Depression, wenn man die Kraft verliert, traurig zu sein?«

»Ist Flanieren für Sie so ungewohnt, dass Sie dabei aussehen, als ob Sie gerade dringend aufs Klo müssten?«

Mir gefiel die Auswahl sehr gut und auch, wenn ich nicht alle Fragen ernst nehmen konnte, war dies eine unterhaltsame und spannende Zeit. Gerne empfehle ich das Buch weiter.
mimitatis_buecherkiste aus Krefeld

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung von Fernweh_nach_Zamonien aus Buchhaim
am 13.11.2024
Weihnachten auf den Hummerklippen
Krüss, James

Weihnachten auf den Hummerklippen


sehr gut

Ein weihnachtliches Vorlesevergnügen: phantasievoll, mit skurrilen, aber charmanten Figuren und traumhaften Illustrationen.


Inhalt:

Die Freude Boy und Ebby waren als Kinder schon einmal auf den Hummerklippen.

Nun kehren die über Siebzigjährigen mit Ebbys Enkelin Tatjana und Urenkelin Katja zurück, um im Leuchtturm auf den Hummerklippen das Weihnachtsfest zu feiern.

Hauke Sievers, der Neffe und Nachfolger des alten Leuchtturmwärters Johann, empfängt sie herzlich.

Doch als ein heftiger Sturm die Rückkehr auf's Festland verhindert und gähnende Langeweile droht, ist die Phantasie aller Anwesenden gefragt.

Glücklicherweise befindet sich zudem im Leuchtturm eine Truhe voller Geschichten und Gedichte, passend zur Weihnachtszeit!

Mit Tee und Gebäck machen es sich die Fünf gemütlich. Und wenn man ganz still ist, hört man sogar die Weihnachtsmaus, die ein Plätzchen stibitzt …


Hinweis:

Das Buch von James Krüss wurde erstmals 1984 im Oetinger Verlag mit Illustrationen von Rolf Rettich veröffentlicht.


Altersempfehlung:

ab 5 Jahre zum Vorlesen

bzw. zum Selberlesen ab etwa 9 Jahre (normale Schriftgröße, Blocksatz)


Illustrationen:

Die Illustrationen von Maja Bohn sind detailliert und farbenfroh gestaltet und ein paar von ihnen nehmen sogar eine ganze Seite für sich ein.

Mit viel Herz spiegeln sie aber nicht nur die Handlung wider, sondern erwecken die Charaktere aus den Geschichten zum Leben.

Mit Ochs und Esel, Jesuskind uvm. wird es weihnachtlich und stimmungsvoll.


Mein Eindruck:

Ein wunderbar weihnachtliches Vorlesevergnügen. Ganz gleich, ob man bereits Bekanntschaft mit den Bewohnern der Hummerinsel geschlossen hat, oder nicht.

In diesem Buch versammeln sich Geschichten aus der Feder von James Krüss, klar, dass das Gedicht "Die Weihnachtsmaus" - ein Klassiker in der Weihnachtszeit - nicht fehlen darf.

Unterteilt in drei Tage sitzen als Rahmenhandlung der alte Leuchtturmwärter Hauke Sievers und seine Freunde zusammen und erzählen sich abwechselnd gegenseitig Geschichten oder rezitieren Gedichte.

Die Charaktere sind phantasievoll und liebenswert beschrieben.

Wie bereits in vorherigen Leuchtturmgeschichten sind auch sprechende Tiere (Maus Philine) Teil der erzählenden Figuren.

Jede Art des Vortrags ist, wie die Erzählenden selbst, einzigartig und jede Geschichte ist ein Unikat ...

So taucht man abwechselnd ein in märchenhafte Erzählungen wie aus tausendundeiner Nacht, weihnachtliche Erlebnisse - mal rührend und mal traurig - aber auch in Quatsch-Geschichten oder lustige Gedichte.

Einige Episoden sind sehr kurz und andere erstrecken sich über zehn oder mehr Seiten. Hierbei gefallen nicht alle gleich gut (manche wirken etwas angestaubt und zäh), was sie aber gemeinsam haben: phantasievoll, abwechslungsreich, abenteuerlich, lehrreich und natürlich (bis auf die letzten) weihnachtlich.

Vom sommerlichen Weihnachtsfest auf den kanarischen Inseln oder in der Wüste Sahara bis hin zur Mäuseweihnacht bietet diese Ansammlung von phantasievollen und atmosphärischen Geschichten ein nostalgisches Lesevergnügen.


Fazit:

Eine Sammlung weihnachtlicher Geschichten und Gedichte: stimmungsvoll, mit Humor, Herz und Phantasie.

Farbenfrohe Illustrationen erwecken die Charaktere zum Leben und unterstreichen die Erzählungen.


...

Rezensiertes Buch: "Weihnachten auf den Hummerklippen" erschienen im Atrium Verlag im Jahr 2023
Fernweh_nach_Zamonien aus Buchhaim

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung von Volker M. am 12.11.2024
Lucky Luke 102
Achdé;Jul

Lucky Luke 102


ausgezeichnet

Worauf gründet die amerikanische Zivilisation? Auf Bier! Kein Präriestädtchen ohne Saloon, Bier schweißt die Gesellschaft zusammen und ist auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. In Milwaukee gibt es die größte Ansammlung von Brauereien der USA, ja sogar die größte Brauerei der Welt steht hier und ausgerechnet jetzt sind die Arbeiter seit Wochen im Streik. Die Saloons laufen im ganzen Land trocken, mit fürchterlichen Entzugserscheinungen für die an steten Nachschub gewöhnten Kunden. Da kann nur einer helfen, der neuerdings rauchentwöhnte Cowboy mit dem schnellen Schießeisen. Lucky Luke soll zwischen Arbeitern und Brauereibesitzer Martz vermitteln, aber die Fronten sind verhärtet. Erst als die Daltons als Streikbrecher in Martz Fabrik eingesetzt werden, kommt unerwartet Bewegung in die Sache.

„Letzte Runde für die Daltons“ spielt mit dem Klischee der deutschen Immigranten in den USA und nimmt liebevoll Eigenarten und auch historische Personen auf die Schippe. Sei es die deutsche Obrigkeitshörigkeit, der Hang zu sozialistischem Gedankengut und deftigem Essen, der sprichwörtliche Fleiß oder die Liebe zu den Farben Schwarz, Rot und Gold: Jul und Achdé haben ihre originelle Geschichte mit so viel Liebe zum Detail gestrickt, dass das Lesen richtig Spaß macht. Und die Gags zünden! Nicht nur das, sondern man lernt auch noch ordentlich was dazu. Eine ganze Reihe bekannter Persönlichkeiten oder heute noch berühmter Marken haben deutsche Wurzeln und das endet zum Glück nicht bei Donald Trump. Dass Achdé den Morris-Stil mittlerweile dermaßen perfekt drauf hat, dass man ihn vom Meister kaum noch unterscheiden kann, hat sich ja rumgesprochen, aber auch die Ideen von Texter Jul reichen an die besten Lucky-Luke-Zeiten heran. Das Team hat sich wirklich eingespielt und während der Generationenübergang bei Comic-Reihen nicht überall geglückt ist, würde ich das bei Achdé/Jul bedenkenlos unterschreiben. Flott erzählt, wirklich originell ausgedacht, super recherchiert und perfekt ins Bild gesetzt. Das war sicher noch lange nicht die letzte Runde.

(Der Comic wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)
Volker M.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.